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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2020

Fesselnd bis zur letzten Seite

Juni 53
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Der fünfte Fall für den unbeugsamen Kriminalbeamten Max Heller führt uns in den Juni 1953. Die Polizei und die Parteifunktionäre der SED sind in höchster Alarmbereitschaft: Die Arbeiter, die auf Grund ...

Der fünfte Fall für den unbeugsamen Kriminalbeamten Max Heller führt uns in den Juni 1953. Die Polizei und die Parteifunktionäre der SED sind in höchster Alarmbereitschaft: Die Arbeiter, die auf Grund von verfehlter Politik seit Monaten unter Lohnkürzungen, aber mit Erhöhung von Arbeitsnormen leiden, streiken. Sofort wird das sozialistischen Agitatoren aus dem Westen in die Schuhe geschoben, denn die gelten in der DDR als faschistisch. Das Ministerium für Staatssicherheit kocht auch noch sein eigenes Süppchen und macht Jagd auf echte oder vermeintliche Nazis sowie auf Menschen, die einfach unbequem sind - wie z.B. Max Heller.

In diesem geschichtlich dramatischen Umfeld muss Max Heller, der sich nach wie vor um keinen Preis verbiegen lassen will, den Lynchmord an Martin Baumgart, dem Leiter des „Volkseigenen Betriebs VEB Rohrisolation“, der in einen Silo gestoßen und mit Glaswolle erstickt worden ist, aufklären. Obwohl, so richtig aufklären soll er den Tod ja nicht, denn die Täter stehen ja bereits fest, wenn man den Obrigkeiten Glauben schenken soll. Heller kann es einfach nicht lassen und entdeckt einen geheimen Bericht, dass in dem Betrieb zahlreiche Arbeiter an schweren Atemwegserkrankungen litten bzw. leiden. Außerdem soll es auch eine Liste mit den Namen sowjetischer Zwangsarbeitern, die unter der NS-Zeit in diesem Betrieb Schwerstarbeit leisten und Misshandlungen erdulden mussten, geben. Doch bevor sich Heller diese Liste näher ansehen kann, ist sie verschwunden. Genauso verschwunden, wie zahlreiche Bürger der jungen DDR, die die Repressalien und die Ernährungskrise nicht mehr aushalten und in den Westen fliehen. Auch Heller und seine Frau Karin denken immer häufiger daran, zu ihrem Sohn Erwin in die BRD zu gehen, selbst um den Preis, den anderen Sohn Klaus, der ein glühender Patriot der DDR ist, nie wieder zu sehen ...

Meine Meinung:

Wie schon in den Vorgängerbänden wird die aktuelle politische Lage hinreichend genau geschildert. Max Heller wird auch diesmal auf der „Verliererseite“ stehen, wenn es um den Zugang zu einer ordentlichen Wohnung, ein Auto oder einfach eine gesicherte Versorgung mit Lebensmitteln geht. Auch eine Beförderung wird ihm das DDR-Regime genauso verweigern wie die Nazis. Warum? Weil er sich nicht verbiegen lassen will. Er will sich keinem Regime andienen und die Gesetze in deren Sinne auslegen.

Doch diesmal ist es fast soweit, dass er doch der SED beitritt. Frau Marquart, in deren Haus sie seit Kriegsende leben, gleitet immer mehr in die Demenz und kann nun nicht mehr alleine gelassen werden. Karin Heller, erhält kaum Unterstützung und deshalb müssen sie sich um einen Pflegeplatz, die ohne Parteizugehörigkeit aber nicht zu bekommen ist, bemühen. Außerdem fürchten sie, ihre Unterkunft zu verlieren. Zudem ist Anna, das Adoptivkind, in der Schule, Gemeinheiten ausgesetzt. Nach und nach reift auch in Max Heller, der einerseits zwischen der Liebe zu seiner Familie, einem freien Leben und Pflichtgefühl als Polizist aufgerieben wird, der Gedanke, die DDR zu verlassen.

Wie wir es von Frank Goldammer gewöhnt sind, haben seine Figuren Ecken und Kanten. Der unversöhnlich Hass von Hellers Sohn Klaus auf den Westen, lassen ihn ähnlich verblendet sein, wie seinerzeit die Nazis. Gut ist auch Karins Verzweiflung und Überlastung mit der Pflege von Frau Marquat beschrieben.

Der fiese Cliffhanger am Ende des Buches lassen auf einen weitern Fall für Max Heller hoffen (und gleichzeitig um ihn bangen).

Fazit:

Wieder ein toller Krimi, der uns einen Blick auf die junge DDR und ihre Bewohner werfen lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.01.2020

Trotz des erschütternden INhalts eine unbedingte Lesempfehlung

Rückkehr nach Birkenau
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Um es gleich vorwegzunehmen - dieses Buch, das gerade rechtzeitig zur 75 Jahre der Befreiung der Konzentrationslager und dem Ende des Zweiten Weltkriegs erschienen ist, ist nichts für Zartbesaitete. Es ...

Um es gleich vorwegzunehmen - dieses Buch, das gerade rechtzeitig zur 75 Jahre der Befreiung der Konzentrationslager und dem Ende des Zweiten Weltkriegs erschienen ist, ist nichts für Zartbesaitete. Es zeigt den schonungslosen Überlebenskampf im KZ-Alltag des KZs Auschwitz-Birkenau.

Die 19-jährige französische Jüdin wird 1944 gemeinsam mit ihrem Vater, dem Neffen und dem gerade einmal 12-jährigen Bruder Gilbert nach Birkenau deportiert. Ohne es zu wissen oder auch nur zu ahnen, liefert sie ihre männlichen Verwandten der sofortige Ermordung in der Gaskammer aus, weil sie ihnen rät, den bereitstehenden Lastwagen zu besteigen. Noch 70 Jahre später, wird sie sich deswegen Vorwürfe machen.

Die grausame Behandlung, die schwere Arbeit, der ewige Hunger und das Absprechen jeder Menschenwürde lässt die Autorin ihre Leser durch die einfache, schnörkellose Sprache hautnah miterleben. Auch der Übersetzerin gebührt hier großes Lob, denn diese erlittenen Qualen adäquat zu übersetzen, ist eine Meisterleistung.

Nach der Befreiung des KZ Birkenau und der Rückkehr nach Frankreich, findet sie ihre Mutter und die Schwestern wieder. Doch die frühere Vertrautheit will sich nicht mehr einstellen. Ginette kann über ihre Erlebnisse nicht sprechen. In nüchternen Worten erzählt sie, wie hilflos Mutter und Schwestern ihr gegenüber stehen. Wie soll man einem Menschen, der dieses Martyrium überlebt hat, begegnen?

Jahrelang hat sie diese schrecklich Zeit für sich behalten. Selbst ihrem Ehemann, auch ein Überlebender der Shoa, verheimlicht sie ihre Erfahrungen. Doch als Stephen Spielberg für seinen Film „Schindlers Liste“ nach Zeitzeugen sucht, schließt sie sich einer Gruppe Überlebender an. Sie beginnt Führungen für Schulklassen abzuhalten und kehrt nach Birkenau zurück. Das Wiedersehen dieses Orts des Grauens löst keinen Flashback aus. Sie versucht, falsche Überlieferungen zu korrigieren: Die Mär, dass alle die gestreifte Sträflingskleidung tragen mussten, ist so eine. Denn so erzählt sie: „Wir waren es nicht wert, diese gestreifte Sträflingskleidung zu tragen. Für uns mussten Lumpen genügen.“

Auch mit der Ausstellung in Auschwitz geht sie hart ins Gericht: „Ich mag Auschwitz nicht, diese leicht voyeuristische Anhäufung. Ich habe das Gefühl, dass dort alles zum Mitleid bewegen soll. Das hat mich nie beeindruckt.“

Aufwühlend und nicht von der Hand zu weisen, ihr Appell an die Schüler, den sie jedem einzelnen mitgibt:
„Wenn ihr hört, wie Eure Eltern, Verwandten oder FReunde rassistische, antisemitische Äußerungen von sich geben, fragt sie warum. Ihr habt das Recht zu diskutieren, sie von dieser Meinung abzubringen, ihnen zu sagen, dass sie sich täuschen.“

Dem ist wohl wenig entgegen zu setzen.

Fazit:

Ein erschütterndes Buch, das unbedingt gelesen werden sollte. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.01.2020

Eine gelungene Fortsetzung

Des Träumers Verderben
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Mathieu Rassling, leitet gemeinsam mit seinem Bruder Marc eine erfolgreiche Firma. Doch anders als Marc ist er Neuem stets aufgeschlossen. Das gilt sowohl für sein Berufs- als auch für sein Privatleben. ...

Mathieu Rassling, leitet gemeinsam mit seinem Bruder Marc eine erfolgreiche Firma. Doch anders als Marc ist er Neuem stets aufgeschlossen. Das gilt sowohl für sein Berufs- als auch für sein Privatleben. Dass Mathieu dabei Menschen vor den Kopf gestoßen, dürfte ihn nicht allzu sehr berührt haben. Einen scheint es jedoch sehr nahe gegangen zu sein, denn der Unternehmer wird in der Garage eines Drei-Stern-Hotels nahe dem Wiener Westbahnhof tot aufgefunden.

Chefinspektor Leo Lang muss trotz urlaubsbedingter Personalknappheit den Fall übernehmen. Selbst sein Chef verabschiedet sich in die Ferien, nicht ohne ihm eine externe Unterstützung in Form einer Praktikantin beizustellen. Wie es häufig in Wien Usus ist, ist Alithia Podiwinksy die Tochter eines Ministerialbeamten aus dem Innenministerium und mit solchen Protektionskindern haben die alteingesessenen Kollegen so ihre liebe Not ...

Meine Meinung:

Mir hat dieser zweite Krimi recht gut gefallen. Er kommt ohne wilde Verfolgungsjagden aus. Dafür schildert die Autorin die oft mühsame Ermittlungsarbeit der Beamten. Leo Langs Truppe ist bunt zusammengewürfelt. Da ist zum einen, die toughe Cleo, die Führungsqualitäten beweist, oder der Halbbrasilianer Roberto oder der „echte Wiener“ Helmut, dessen urwienerischer Slang ziemlich rustikal durch die Dienststelle schallt. Und ja, die Praktikantin: die ist auch eine echt schräge Person. SIe studiert Soziologie und beschäftigt sich mit „Gender Studies“. Das kommt natürlich bei Helmut (mit dem altösterreichischen Namen Nowotny) richtig gut an. Er ist nämlich ein Meister darin, sexistische Witze zu erzählen. Die Kollegen hören inzwischen gar nicht mehr hin, Alithia gibt ihm Kontra.
Nach ein paar Anfangsschwierigkeiten entwickelt sich die Studentin zu einem patenten Teammitglied.
Außerdem erfahren wir wieder ein bisschen von Leo Langs Privatleben. Nicht allzu viel, sondern nur so gerade einmal eine kleine Dosis, so dass man vom eloquenten Ermittler ein rundes Bild bekommt.

Für alle jene, die mit dem Wiener Dialekt nicht ganz so vertraut sind, gibt es im Anhang ein ausführliches Glossar.

Der Schreibstil gefällt mir: Nicht zu reißerisch, aber auch nicht langweilig. Die Dialektpassagen in den Teambesprechungen lockern diese genauso auf, wie die Erklärungen von Alithia Podiwinsky. Der Leser kann miträtseln, wer nun ein Motiv haben könnte. Es gibt mehrere Verdächtige und es dauert lange, bis alle Puzzleteile am richtigen Fleck sitzen.

Fazit:

Mir hat die Fortsetzung von „Die Akte Kalkutta“ sehr gut gefallen, denn sie kommt ohne Blutvergießen aus. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.01.2020

Eine Hommage an eine tolle Frau

Margarete Schütte-Lihotzky
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Wer den Namen Margarete Schütte-Lihotzky hört, denkt unwillkürlich an die „Frankfurter Küche“. Diese Erfindung wird die großartige Architektin bis an ihr Lebensende beinahe „stigamtisieren“. Sie selbst ...

Wer den Namen Margarete Schütte-Lihotzky hört, denkt unwillkürlich an die „Frankfurter Küche“. Diese Erfindung wird die großartige Architektin bis an ihr Lebensende beinahe „stigamtisieren“. Sie selbst sagt häufig empört „Ich bin keine Küche".
Margarete Schütte-Lihotzky ausschließlich auf die „Frankfurter Küche“ zu reduzieren, hieße Perlen vor die Säuer werfen.

Wer war sie nun wirklich?

Die 1897 in eine Wiener bürgerliche Familie hinein geborene Margarete war ihr ganzes Leben lang irgendwo die erste Frau. Sei es als Studentin oder als frei schaffende Architektin. Gegen viele Widerstände geht sie ihren Weg. Sozialkritisch und immer darauf bedacht, berufstätige Frauen zu entlasten, was ihr durch durchdachte Planung ihrer Wohnungen und Häuser gut gelingt. Nicht alle ihre Entwürfe werden tatsächlich gebaut.
In der Zwischenkriegszeit geht sie mit einer Gruppe engagierter Architekten nach Russland. Entgegen den Erwartungen erhält sie auch dort weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Letztlich wird nur der Arbeitsvertrag ihres Mannes verlängert, dennoch arbeitet sie ohne Bezahlung an diversen Projekten. 1940 kehrt sie, nach einem Aufenthalt in Istanbul, nach Wien zurück. Ihr Mann bleibt in der Türkei.

Den Nazis kann und will sie sich nicht anschließen. Sie tritt 1939 in die Kommunistische Partei ein und engagiert sich im Widerstand. Sie wird verhaftet und entkommt mit knapper Not der Hinrichtung.
Nach dem Krieg erhält sie in Österreich keine öffentlichen Aufträge - die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei verhindert das während des Kalten Krieges. Das ist so typisch für diese Zeit. Währen die ehemaligen Nazis ihre nach wie vor bestehenden Netzwerke nützen können, verlässt Margarete Schütte-Lihotzky Österreich. Sie baut Kindergärten, Schulen und Sozialbauten in Kuba, der DDR und in China.

Erst in den späten 1950er Jahren gelingt es ihr, einige öffentliche Gebäude in Österreich zu planen.

Auch im hohen Alter hat sie politisch engagiert. Spät, aber doch, hat sie zahlreiche Ehrungen erhalten.

Wenige Tage vor ihrem 103. Geburtstag stirbt die Pionierin in Wien.

Meine Meinung:

Mona Horncastle hat für diese Biografie penible Recherchen angestellt und rief in den Archiven gewühlt. Herausgekommen ist ein Bild einer großartigen Frau, die sich nur nicht und niemanden verbiegen hat lassen, auch wenn es sie beinahe das Leben gekostet hätte.

Was mich noch mit Margarete Schütte-Lihotzky verbindet? Ich habe nur einen Häuserblock von ihrer elterlichen Wohnung (Hamburger Straße 14) entfernt, einen Teil meiner Kindheit verbracht und, meine Dienststelle steht genau auf jenem Grundstück in der Schiffamtsgasse, in dem das Gestapo-Gefängnis für Frauen stand, in dem Margarete Schütte-Lihotzky inhaftiert war. Ach ja, bei einem Architekten habe ich auch einige Zeit gearbeitet.

Ich habe bereits vor einiger Zeit ihr Buch „Warum ich Architektin wurde“ gelesen.

Fazit:

Eine Hommag an eine große Frau, die nicht auf die Erfindung der „Frankfurter Küche“ reduziert werden sollte. Für diese Biografie gebe ich ein unbedingte Leseempfehlung und natürlich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.01.2020

Ein solider Krimi aus der Normandie

Der Kommissar und der Tote von Gonneville
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Wieder einmal wird ehemalige Spezialermittler Philippe Lagarde aus seinem behaglichen Ruhestand zurückgeholt. Diesmal braucht sein früherer Kollege Cleroc seine Hilfe: Der reiche Großindustrielle Charles ...

Wieder einmal wird ehemalige Spezialermittler Philippe Lagarde aus seinem behaglichen Ruhestand zurückgeholt. Diesmal braucht sein früherer Kollege Cleroc seine Hilfe: Der reiche Großindustrielle Charles Mirbeau und seine neueste Verlobte werden mitten im Wald erschossen aufgefunden.

Verdächtige und Motive gibt es genügend, denn Mirbeau hat nicht nur zwei Ex-Frauen und ein Noch-Ehefrau sondern auch jede Menge Feinde im Berufsleben. Doch auch die ermordete Verlobte könnte das eigentliche Ziel gewesen sein, immerhin ist sie schwanger gewesen, aber nicht von Mirbeau.

Der Fall ist komplex und weil sich Cleroc wegen der bevorstehenden Geburt seiner Zwillinge als Ermittler ausfällt, bekommt Karima Azmi, eine Polizeipraktikantin ihre große Chance.

Noch während Lagarade die offensichtlichen Spuren sortiert, wird Charles Mirbeaus Vater in seinem Bett in der Seniorenresidenz tot aufgefunden. Zufall? Lagarde glaubt nicht daran. Hat der alte Herr etwas gewusst, was dem Mörder seines Sohnes gefährlich werden konnte?

Meine Meinung:

Wie wir es von Maria Dries gewöhnt sind, nehmen Beschreibungen von Land und Leuten sowie das Savoir Vivre einigen Platz in der Geschichte ein. Man kann förmlich das Meer an der Küste rauschen und sie Seevögel kreischen hören.

Die Geschichte ist durchaus spannend. Viele Verdächtige, die Motiv und Gelegenheit haben, machen es Philippe Lagarde und Karima Azmi nicht leicht. Doch nach einigen Sackgassen und überraschenden Wendungen, ist der Täter gefasst. Ganz unerwartet war er für mich nicht.

Das Buch lässt sich leicht und locker lesen, passend für einen faulen Nachmittag mit einem Glas Rotwein an der Seite.

Fazit:

Ein solider Krimi aus der Normandie, gerne gebe ich hier 5 Sterne.