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Veröffentlicht am 17.01.2020

Eine schwermütige Geschichte über eine Frau im 19. Jahrhundert, die für ihre Rechte kämpfte

Wo Licht ist
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Der Roman „Wo Licht ist“ zeigt detailliert die Gegensätze zwischen arm und reich, Frau und Mann im Manchester des 19. Jahrhunderts auf. Die Autorin Sarah Moss erzählt vom Leben und der Entwicklung der ...

Der Roman „Wo Licht ist“ zeigt detailliert die Gegensätze zwischen arm und reich, Frau und Mann im Manchester des 19. Jahrhunderts auf. Die Autorin Sarah Moss erzählt vom Leben und der Entwicklung der jungen Ally, die als eine der ersten Frauen ihrer Zeit, Medizin studiert und auf ihrem Weg etliche Herausforderungen gestellt bekommt.

Alethea Moberley, genannt Ally, wächst in mit ihrer jüngeren und selbstbewussten Schwester May im Manchester des 19. Jahrhunderts auf. Ihre Eltern könnten kaum unterschiedlicher sein. Während ihr Vater ein lebensbejahender Künstler ist, handelt es sich bei ihrer Mutter Elizabeth um eine strenggläubige Christin, die sich für die bedürftige Frauen und Kinder einsetzt und bereits früh mit ihrer Mutterrolle haderte. Sie scheut sich nicht sich selbst und ihre Kinder zu kasteien und fordert von ihnen, den gleichen Weg zu gehen, den sie gewählt hat.
Elizabeth bringt ihren Töchtern keine Herzlichkeit entgegen, verliert jedes Maß bei ihrer karitativen Arbeit und stellt diese über ihre Familie. Ihren Ärger über die Ungerechtigkeit der Gesellschaft projiziert sie hauptsächlich auf ihre ältere Tochter Ally. Alfred Moberley, Allys Vater, flüchtet sich bald in außereheliche Affären und konzentriert sich mit seiner Vaterliebe auf die selbstbewusste jüngere May.
Während Ally unter dem Druck der Familie beginnt Panikattacken zu entwickeln, formiert sich um sie herum eine Gleichstellungsbewegung der Frauen. Ihre Mutter nimmt sie zu Vorträgen von Frauenrechtsaktivistinnen mit und Ally wird von den Frauen in ihrem Umfeld ermutigt einen Schulabschluss zu machen und als eine der ersten Frauen in London Medizin zu studieren.
Ally zerbricht fast unter dem Druck ihr Umfeld nicht zu enttäuschen und ihrer Mutter gerecht zu werden. Als ihre Schwester May ums Leben kommt, wird ihre Situation zuhause noch unerträglicher, so dass der Umzug ins fremde London zu ihrer Tante, bei der sie während dem Medizinstudium leben soll, zumindest für die Leser, wie ein Befreiungsschlag wirkt.
In London angekommen, hat sie Schwierigkeiten mit dem weniger strengen Familienleben bei der Schwester ihrer Mutter, und nimmt ihr Medizinstudium auf. Die neuen Strukturen (das Studium, die feudalen Feste ihrer Tante, sowie eine neu gewonnene Freiheit und Selbstbestimmung) um sie herum, stehen in starkem Kontrast zu ihrem bisherigen Leben und stellen sie vor die Herausforderung ihren eigenen Weg zu finden und sich treu zu bleiben.

Das Buch spielt Mitte des 19. Jahrhunderts und mit den Kapiteln werden fortlaufend kleine Zeitsprünge über mehrere Jahre gemacht. Die Kapitel beginnen jeweils mit einer analytischen Beschreibung eines Gemäldes von Allys Vater oder seines Freundes Aubrey. Die Bilder zeigen meist eine weibliche Figur des Romans, die im zugehörigen Kapitel eine Rolle spielt. Diese Beschreibungen der Bilder geben dem Lesenden die Möglichkeit des Perspektivwechsels auf das Gelesene.
Der Einband mit dem blau-gelben floralen Muster zeigt die ästhetische und künstlerische Linie, die sich durch den Roman durchzieht, wenn beispielsweise die Arbeit von Allys Vater oder die Gemälde beschrieben werden. Mir persönlich fehlt beim Einband jedoch die Darstellung der „Gegenseite“. Die „Beschwertheit“, die sich von Elizabeth auf Ally überträgt und die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, werden hier für mich nicht gespiegelt.
Sarah Moss hat ihren Roman durchgehend im Präsens geschrieben. Direkte Rede wird häufig in die indirekte Form gestellt, was beim Lesen eine gewisse Konzentration fordert, ebenso wie die „intellektuelle Sprache“. Sie schreibt sehr detailreich - beschreibt beispielsweise die Arbeitspläne Alfred Moberleys als Dekorateur in den reichen Haushalten Manchesters genauso bildhaft, wie die Elendsviertel, in denen Elizabeth die meiste Zeit verbringt. Und trotz dieser bildhaften Sprache, wirkt der Roman nie unbeschwert und leicht. Moss schafft es die Unterdrückung der Frauen dieser Zeit deutlich und gleichzeitig sensibel zu beschreiben. Sie schreibt vor einem sauber recherchierten historischen Hintergrund.
Da der Roman mit der jungen Elizabeth beginnt, war zu Beginn nicht klar, dass diese nicht die Protagonistin sein würde. Gleichzeitig hat mich das Auftauchen von Ally „beruhigt“, da es sich bei ihrer Mutter um eine düstere und bedrückende Figur handelt. Dieses Gefühl des „bedrückt seins“ ging jedoch während des Romans nicht verloren. Es gibt Bücher, die sich leicht und locker nebenbei lesen lassen und ein eine gewisse Leichtigkeit hinterlassen – „Wo Licht ist“ gehört definitiv nicht dazu! Das ist jedoch keine Kritik im negativen Sinn, sondern einfach eine Beschreibung meines Gefühls beim Lesen. Die Autorin erzählt in einer gründlich recherchierten Geschichte über das schwere Los der Frauen im 19. Jahrhundert – offen und ungeschönt. Die gesellschaftliche Entwicklung, die während der Jahre passierte, beispielsweise das immer mehr Universitäten Frauen zum Studium zuließen, zeigt aber auch eine hoffnungsvolle Entwicklung. Die Tatsache, dass Allys innere Kämpfe im Romangeschehen über diese Entwicklung gestellt wurden, stellt diese Weiterentwicklung nur in den „Schatten“. Ally bleibt im Fokus der Geschichte und die Ereignisse der Frauenrechtsbewegung bleiben Nebengeschehnisse. Doch gerade hierdurch hat mich das Ende regelrecht erleichtert, da ich irgendwann an einem Punkt war, an dem ich Ally einfach ein bisschen inneren Friede für sich selbst gewünscht habe.

Wer einen actionreichen Roman über die Frauenrechtsbewegung erwartet, ist bei „Wo Licht ist“ falsch, dafür erhalten die Lesenden eine sensibel und bildreich beschriebene, aber immer etwas schwermütige, Geschichte einer jungen Frau, auf dem Weg zu ihrer persönlichen Freiheit.

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