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Veröffentlicht am 27.06.2020

Studium mit Hindernissen

Unter den Linden 6
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Drei ganz unterschiedliche Frauen treffen in Berlin 1907 zusammen. Lise, eine aufstrebende Physikerin, Hedwig, die heimlich studieren muss und zuletzt Dienstmädchen Anni, die Bildung nur aus der Bibliothek ...

Drei ganz unterschiedliche Frauen treffen in Berlin 1907 zusammen. Lise, eine aufstrebende Physikerin, Hedwig, die heimlich studieren muss und zuletzt Dienstmädchen Anni, die Bildung nur aus der Bibliothek ihres Dienstherren kennt. Alle drei möchten mehr wissen, und gleichzeitig auch anderen Frauen den Zugang zur Bildung erleichtern. Denn in Preußen geht nichts ohne die Zustimmung der Männer, und die wollen das zarte Geschlecht dann doch lieber in der heimischen Küche wissen.
Kaisers Roman ist ein quirliger Ausflug ins frühe 20te Jahrhundert. Die drei Frauen sind zwar von unterschiedlichem Stand und Temperament, sie eint aber ihr Wunsch nach Bildung. Die Freundschaft, die eher durch Zufall entsteht, wirkt sehr echt und trotz allem auch realistisch. Ich mochte alle drei, Lise ist die einzige historische Persönlichkeit und dadurch natürlich noch etwas spannender. Über ihren Werdegang erfährt man sehr viel, und natürlich auch über die Schwierigkeiten, die ihr in der Männerdomäne begegnen. Anerkennung war ihr oft nicht vergönnt, obwohl sie Entscheidendes auf ihrem Gebiet geleistet hat. Auch das Setting ist sehr stimmig; detailreich und sehr bildhaft beschrieben, taucht man schnell in die Zeit ein. Die Autorin hat einen sehr lockeren Stil, sodass sich der Roman sehr flüssig liest. Manche Wendung war mir etwas zu vorhersehbar, aber der historische Flair hat vieles für mich wettgemacht. Ein wirklich schöner, wenn auch manchmal seichter Roman über die Anfänge des Studiums für Frauen.

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Zerfall

Nulluhrzug
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Mitten im russischen Nirgendwo liegt Bahnstation Neun. Früher einmal eine produktive Stätte, es gab viele Arbeiter, die in Sägewerk und in der Fabrik für Schwellenimprägnierung malochten und in den Baracken ...

Mitten im russischen Nirgendwo liegt Bahnstation Neun. Früher einmal eine produktive Stätte, es gab viele Arbeiter, die in Sägewerk und in der Fabrik für Schwellenimprägnierung malochten und in den Baracken hausten. Und natürlich den Nulluhrzug, hundert Wagons lang, der jede Nacht pünktlich um Mitternacht durch die Station saust. Ursprung: unbekannt, Ziel ebenso. Und doch bestimmt der Zug das Leben, sogar noch als alle Arbeiter nach und nach abgezogen und nur noch einige wenige Bewohner zurückbleiben.
Buidas Parabel ist in ihrer Kürze doch sehr intensiv und erschütternd. Die Monotonie und Einsamkeit des Tuns der Siedler stimmt genauso nachdenklich wie die in einem Nebensatz ausgelebte Grausamkeit des Systems. Wer etwas hinterfragt, Sinn und Zweck des Zuges etwa, verschwindet über kurz oder lang. Überhaupt ist der Zug der Inbegriff der Sinnlosigkeit, niemand weiß wozu er fährt, warum er Lebensinhalt aller sein soll. Als Leser bleibt man genauso ahnungslos wie die Protagonisten, die deprimierende Grundstimmung kommt ebenso nahtlos rüber. Ich konnte mich sprachlich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, war aber trotzdem davon an die Seiten gebunden, eben auch, weil man wenigstens einen kleinen Silberstreif am Horizont erhofft. Im historischen Kontext (tolles Nachwort) bekommt „Nulluhrzug“ noch einmal etwas mehr Tiefe, die mir sonst vielleicht entgangen wäre. Keine einfache Kost, aber in ihrer Kürze umso aussagekräftiger.
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Veröffentlicht am 12.04.2020

Vardo

Vardo – Nach dem Sturm
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Ein plötzlicher Sturm wird für ein kleines norwegisches Dorf zur Katastrophe, sind doch fast alle Männer beim Fischen umgekommen. Plötzlich müssen die Frauen nicht nur mit ihrem Kummer, sondern auch auf ...

Ein plötzlicher Sturm wird für ein kleines norwegisches Dorf zur Katastrophe, sind doch fast alle Männer beim Fischen umgekommen. Plötzlich müssen die Frauen nicht nur mit ihrem Kummer, sondern auch auf sich allein gestellt in der Wildnis klarkommen. Auch Maren hat nicht nur ihren Vater, sondern auch ihren Verlobten verloren. Am anderen Ende von Norwegen dagegen, wird Ursa in die Hände ihres, ihr noch völlig fremden, Verlobten gegeben. Der soll bald eine neue Stelle als Comissioner antreten: in Vardo.

Der Roman beruht auf historischen Tatsachen, auch wenn schon die Grundhandlung wie etwas klingt, dass einer Autorenfeder entsprungen ist. Für mich ist leider ein Teil dessen weggelassen worden, was mich an diesem Roman am meisten gereizt hat; gerade auf die letzten Seiten wird davon ein wenig gequetscht, und so hat die Handlung nicht ganz meinen Erwartungen entsprochen. Die Zeichnung der Figuren ist jedoch sehr gut gelungen, man lernt die beteiligten Frauen sehr gut kennen und kann bei vielen schon früh erahnen wie sie sich verhalten werden. Trotzdem hofft man oft, dass es vielleicht doch anders kommt. Wirklich einfühlen kann man sich in die Figuren nicht, oft wird das Geschehen doch eher kalt und distanziert berichtet. Immer wieder wirkt alles wie eine in die Länge gezogene Reportage, eine düstere und beklemmende Reportage. Mich hat der Roman nicht ganz abholen können, obwohl ich die wahre Geschichte rund um die Vardofrauen wirklich interessant fand.

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Veröffentlicht am 19.01.2020

Auftritt Kraken

Die Stille des Todes
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Im Spanischen Vitoria geht die Angst um, denn ein Gespenst aus der Vergangenheit scheint zurück. Ein Serienmörder, den doch alle sicher hinter Gittern wissen, scheint wieder zu morden. Ein junges Paar ...

Im Spanischen Vitoria geht die Angst um, denn ein Gespenst aus der Vergangenheit scheint zurück. Ein Serienmörder, den doch alle sicher hinter Gittern wissen, scheint wieder zu morden. Ein junges Paar wird tot in einer Kirche aufgefunden, alle Details stimmen mit dem Modus Operandi der alten Fälle überein. Eine harte Nuss, die es da für Profiler Unai, genannt Kraken, zu knacken gilt. Denn das Morden geht weiter.

Mit „Die Stille des Todes“ legt die Autorin den ersten Band mit Profiler Kraken vor. Die Serie hat für mich durchaus Potential, auch wenn ich an diesem ersten Teil doch auch Kritikpunkte gefunden habe. Unai ist ein interessanter Charakter, ein bodenständiger Typ, der erfrischenderweise nicht die völlig utopische Kombinationsgabe besitzt, die vielen Ermittlern seit neuestem zugeschrieben wird. Er ist klug und zieht seine Schlussfolgerungen aus bekannten Fakten und nicht aus dem Zauberhut. Ich mochte ihn gerne, und seine Figur ist mit ein Grund dieser Serie treu zu bleiben. Ebenso positiv wie die Hauptfigur ist das Setting. Die Autorin lässt wie nebenbei viel von Land und Leuten einfließen, ohne dass die Geschichte überfrachtet wirkt. Auch der Fall selbst ist gut aufgebaut, entwickelt sich sehr spannend und ist nicht nur 08/15-Ware von der Stange. Leider schleichen sich doch einige Logikfehler ein, die die Lesebegeisterung etwas dämpfen. Auch der Erzählstil wirkt nicht immer rund, an einigen Stellen ist die Sprache eher hölzern und holprig. Trotzdem habe ich dieses Buch sehr gerne gelesen, und werde Kraken zumindest bei seinem zweiten Fall definitiv wieder begleiten wollen.

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Veröffentlicht am 05.01.2020

Spannend, aber gewöhnungsbedürftig

Blutroter Tod
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Im heißen Sommer Tokios muss Kommissarin Reiko Himekawa einen bestialischen Mordfall aufklären: ein junger Mann wird von Glasscherben regelrecht durchlöchert aufgefunden. Sie steht unter Druck, denn gerade ...

Im heißen Sommer Tokios muss Kommissarin Reiko Himekawa einen bestialischen Mordfall aufklären: ein junger Mann wird von Glasscherben regelrecht durchlöchert aufgefunden. Sie steht unter Druck, denn gerade als Frau muss sie sich immer beweisen und zusätzlich sitzt ihr auch noch der schmierige Kommissar Katsumata im Nacken, der den Ermittlungserfolg zu gerne für sich verbuchen würde.

Die Reihe rund um Himekawa ist in Japan sehr erfolgreich, umso gespannter war ich nun auf den ersten Band. Man muss sich zuerst an die japanischen Gepflogenheiten gewöhnen: der Drill, der große Respekt gegenüber Vorgesetzten (ständiges Verbeugen inklusive), aber auch der anscheinend völlig normale Sexismus. Gerade letzteres ging mir doch sehr gegen den Strich. Reiko begehrt dagegen zwar immer wieder auf, das wird aber eher als belustigendes Element dargestellt, ernst genommen wird sie damit nicht. Und bei mir bleibt als Leser der fade Nachgeschmack, dass es dem Autor mit seiner Kritik daran auch nicht so sonderlich ernst ist. Überhaupt ist seine Welt doch sehr von starken Männern geprägt, sympathisch sind die deswegen aber noch lange nicht. Gerade Katsumata wird zudem so dermaßen plump als Ekel dargestellt, dass einem beim Lesen die Lust vergeht. Reikos restliche Kollegen sind eher dürftig skizziert, denn gut ausgearbeitet. Das kann natürlich im Laufe der Reihe noch kommen, aber etwas mehr hätte es durchaus sein dürfen. Was der Charakterzeichnung fehlt, wird umso mehr in Atmosphäre und Spannung investiert. Ich fand den Mordfall und seine Entwicklung wirklich sehr gut gemacht; lange rätselt man mit, viele Wendungen kamen für mich völlig unerwartet. Hier hat der Autor alles richtig gemacht und ich habe mich großartig unterhalten. Auch die aufgeladene Stimmung in der Stadt, das Tokiofeeling selbst ist sehr gut greifbar und man fühlt sich selbst wie in der Millionenmetropole. Mich lässt dieser Thriller also etwas zwiegespalten zurück, doch die Neugierde auf einen weiteren außergewöhnlichen Fall lässt mir wahrscheinlich keine Ruhe, sodass ich mir den nächsten Band mit Reiko sicherlich einmal anschauen werde.

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