Profilbild von Dajobama

Dajobama

Lesejury Star
offline

Dajobama ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dajobama über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.03.2020

Die Macht der Familie

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
0

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass - Alexi Zentner

Dies ist ein berührender Coming-of-age-Roman und eine Geschichte darüber, wie es ist, auf der falschen Seite zu stehen, in der falschen Schicht, falschen ...

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass - Alexi Zentner

Dies ist ein berührender Coming-of-age-Roman und eine Geschichte darüber, wie es ist, auf der falschen Seite zu stehen, in der falschen Schicht, falschen Familie geboren zu sein. Denn heutzutage gibt es etwas, das noch schlimmer ist in Amerika als schwarz zu sein: arm und weiß. In Zeiten der political correctness, ist man ganz schnell der Sündenbock.

Das Bemerkenswerte an diesem Buch ist, dass der Autor hier ein persönliches Erlebnis verarbeitet hat. Einen Brandanschlag von Neonazis auf sein Elternhaus. Nun ist daraus aber mitnichten eine Abrechnung geworden. Vielmehr ist der Held ein Junge aus einem einfachen Elternhaus mit rassistischem Gedankengut. Man fiebert und leidet mit ihm und man hofft, dass er es schaffen wird, sich davon zu distanzieren. Ein wirklich beachtlicher Ansatz.

Jessup ist siebzehn und arm. Seine Familie gehört einer Glaubensgemeinschaft an, die von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt ist, der heiligen Kirche des Weißen Amerika. Sein Bruder sitzt im Knast, er hat zwei schwarze Studenten getötet. Ohnehin von allen Seiten kritisch beäugt, passiert ein tragischer Unfall, bei dem wieder ein Schwarzer ums Leben kommt. Und prompt steht Jessup unter (nicht unbegründetem) Verdacht. Wer sollte ihm denn glauben, mit der Geschichte seiner Familie? Insgeheim hat er sich vom Glauben seiner Familie schon länger distanziert und er liebt heimlich ein schwarzes Mädchen. Trotzdem holt ihn die Vergangenheit immer wieder ein, denn auch in dieser Perspektive dominieren die Vorurteile.

Nimmt man als Leser anfangs die wirklichen Hintergründe dieser heiligen Kirche des Weißen Amerikas kaum wahr, taucht man gegen Ende immer weiter ein in eine harte Neonazi Szene. Diese Geschichte ist berührend und wunderbar geschrieben. Eine Welt aus Schuld und Buße tut sich vor dem Leser auf, aber auch Liebe und Familienzusammenhalt. Tragisch, denn der ein oder andere geht auch verloren im braunen Sumpf.

Sehr spannend und süffig geschrieben, ich war in zwei Tagen durch. Man kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Jessup ist so ein sympathischer netter Kerl, der unverschuldet immer wieder in Probleme gerät und immer zwischen den Stühlen sitzt.

So ist dies die autobiografische Verarbeitung eines brandaktuellen Themas. Meine Hochachtung für den sehr gelungenen Versuch des Autors, das Thema aus der Tätersicht zu beleuchten. Und nicht nur das, sich auch wirklich einzufühlen.
Dringende Leseempfehlung, 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.02.2020

Auswüchse des Glaubens

Ein wenig Glaube
0

Ein wenig Glaube- Nickolas Butler

Männerfreundschaften, das genügsame und entbehrungsreiche Leben einfacher Leute, Einsamkeit und Rückschau im Alter und die große Frage des Glaubens. Das sind die wesentlichen ...

Ein wenig Glaube- Nickolas Butler

Männerfreundschaften, das genügsame und entbehrungsreiche Leben einfacher Leute, Einsamkeit und Rückschau im Alter und die große Frage des Glaubens. Das sind die wesentlichen Themen dieses sehr lesenswerten Romans.
Der Autor schafft mit wenigen Worten eine wunderschöne Atmosphäre. Darüber verrät das Cover schon einiges. Die endlosen Weiten des mittleren Westens, ich mag das sehr.

Der fünfjährige Isaac, ein etwas altkluger, aber sehr liebenswerter Junge und sein Großvater Lyle sind ein Herz und eine Seele. Lyle und seine Frau sind herzensgute Leute und sehr froh, ihre Tochter Shiloh mit ihrem Sohn um sich zu haben. Doch diese zieht es mit Isaac zurück in die Stadt. Grund dafür ist eine seltsame Glaubensgemeinschaft und deren Anführer, dem sie rettungslos verfallen ist. Die alten Leute müssen um das Wohlergehen des geliebten Enkelsohns fürchten, denn Isaac wird mit hineingezogen, scheint gar eine wichtige Rolle zu spielen…

Ein wunderbarer gemächlicher Schreibstil mit tollen Naturbildern. Der Autor drückt große Gefühle mit wenigen Worten aus. Authentisch und berührend, wie die Figuren selbst.
Sowohl Plot als auch Erzählstil erinnern unweigerlich an die Romane Kent Harufs, die ich im Übrigen sehr schätze.

Beginnt die Geschichte als melancholischer Wohlfühlroman, vertieft sich die Geschichte überraschend detailliert, tief in die Sekten-Problematik. Glaube hat viele Schattierungen. Wo Lyle seinen Glauben durch den Tod seines Sohnes bereits vor vielen Jahren verloren hat, nimmt Shilohs Glaube extreme Ausmaße an. Ein schwieriges Thema, besonders wenn ein Kind involviert ist.
Butler erzählt einfühlsam und respektvoll und verurteilt nicht die offensichtlich Irrenden.
So entwickelt sich dieser Roman trotz seiner langsamen und ruhigen Erzählweise immer mehr zu einem fesselnden Pageturner, so berührend, so tragisch, so menschlich. Gänsehaut.

Eine dringende Empfehlung für ein tolles Buch zu einem interessanten Thema. 5 Sterne von mir.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.01.2020

Ein spannendes Abenteuer auf einer faszinierenden Inselwelt

Internat der bösen Tiere, Band 1: Die Prüfung (Bestseller-Tier-Fantasy ab 10 Jahren)
0

Internat der bösen Tiere - Die Prüfung - Gina Mayer

Ein wirklich tolles Cover, das einem sofort ins Auge fällt. Es ist vielschichtig und zeigt schon einiges aus dem Inhalt auf, was einem aber erst nach ...

Internat der bösen Tiere - Die Prüfung - Gina Mayer

Ein wirklich tolles Cover, das einem sofort ins Auge fällt. Es ist vielschichtig und zeigt schon einiges aus dem Inhalt auf, was einem aber erst nach der Lektüre so richtig bewusst wird.

Dies ist eine extrem spannende Abenteuergeschichte etwa ab zehn Jahren, mit richtig gefährlichen Tieren, ein Leopard, Haie, eine Tarantel, ein bösartiger Bär, Skorpione und viele mehr. Sie alle haben sich zusammengefunden auf sechs Inseln - im Internat der gefährlichen Tiere. Die allermeisten dieser bösen Tiere sind unserem Protagonisten Noel aber durchaus wohlgesonnen. Von der faszinierenden Inselwelt befindet sich eine ganz tolle Karte hinten im Buch.
Noels Leben vor dem Abenteuer ist eine Katastrophe. Er fühlt sich nirgendwo angenommen und gerät immerzu in Schwierigkeiten. Als er kurz davor ist von der Schule zu fliegen, findet er sich unversehens auf den Inseln wieder. Doch um bleiben zu dürfen muss er eine gefährliche Prüfung bestehen.

Dieses Buch hat mir ganz hervorragend gefallen. Noel ist sympathisch und authentisch dargestellt, man kann sich gut in ihn hineinversetzen. Besonders gut hat mir auch die Sprache gefallen. Sehr flüssig und spannend lesbar, dabei manchmal beinahe poetisch.
Gina Mayer entwirft eine faszinierende und detailreiche Inselwelt voller Gefahren, aber mit noch mehr Freunden.

Einziger Kritikpunkt: den Prolog hätte man sich sparen können. Eher verwirrend und abschreckend für das Lesealter. Vor allem weil es relativ lang dauert, bis man versteht, was es damit auf sich hat. Also, getrost überspringen und am Ende erst lesen!
Wir sind gespannt auf weitere Bände dieses Abenteuers, denn hinten im Buch befindet sich bereits die Leseprobe des zweiten Bandes!




  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.01.2020

Die Ausgestoßenen Istanbuls

Unerhörte Stimmen
0

Elif Shafak - Unerhörte Stimmen

Ein spannendes Konzept und ein toller Schreibstil – was will man mehr!
Die soeben ermordete und in einer Mülltonne in Istanbul entsorgte Leila, erzählt aus ihrem Leben. ...

Elif Shafak - Unerhörte Stimmen

Ein spannendes Konzept und ein toller Schreibstil – was will man mehr!
Die soeben ermordete und in einer Mülltonne in Istanbul entsorgte Leila, erzählt aus ihrem Leben. Denn nach dem Tod eines Menschen kann das Gehirn noch gut zehn Minuten aktiv sein.
Ein wirklich ungewöhnlicher Anfang. Empathie stellt sich erst nach und nach ein, wenn man die Person Leila besser kennenlernt.

Sie erzählt davon, wie es zu ihrem viel zu frühen Tod kommen konnte. Sie erinnert sich an ihre Kindheit in einem kleinen Dorf in der Türkei, an den Missbrauch durch den Onkel und an die darauf folgende Vertuschung und daran, wie sie schließlich vom Vater verstoßen wurde. Kaum in Istanbul angekommen, landet sie schon in der Prostitution.

Nicht nur Leila, auch ihre fünf Freunde erheben ihre Stimmen und das hat durchaus etwas Anklagendes. Denn sie alle wurden auf verschiedene Art und Weise an den Rand der Gesellschaft gedrängt, ohne Hoffnung auf Rehabilitation. Alle fünf Schicksale werden dem Leser vorgestellt.
Nun wollen sie sich nicht damit abfinden, dass ihre Freundin in aller Eile auf dem Friedhof der Geächteten begraben wurde. Einmal wollen sie sich wehren gegen die Mächtigen und die Ungerechtigkeit. Und nun verändert der Roman auch seine Struktur. Nun erzählt nicht mehr Leila die Geschichten aus der Vergangenheit, nun befinden wir uns mit ihren Freunden inmitten eines waghalsigen Abenteuers. Das kann man mögen oder auch nicht. Ein klein wenig hanebüchen fand ich den Roman gegen Ende schon. Aber das sei der Autorin verziehen.

Elif Shafak hat selbst türkische Wurzeln, lebt aber schon lange nicht mehr dort. Sonst könnte sie auch nicht so schreiben wie sie es tut. Erfrischend modern und direkt prangert sie Missstände und Widersprüche der türkischen Kultur und Traditionen an. Ein falsches Ehrgefühl, das den Mord an Leila und sehr viel Leid zuvor überhaupt erst möglich gemacht hat. Vor allem aber tut sie das unglaublich eindringlich und fesselnd. Auch nach einem langen Arbeitstag kann man das Buch kaum weglegen, vor Spannung ob der Schicksale dieser armen Menschen. Diese sind manchmal kaum zu ertragen, unendlich traurig. Aber sprachlich immer top.

Es wird viel von Kultur und Bräuchen der Türkei vermittelt, allerdings immer die Seite der Opfer des Systems betrachtend. Elif Shafak verleiht durch Leila den Ausgestoßenen ihre Stimme.
Sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.01.2020

Existentiell

Die Wand
0

Die Wand – Marlen Haushofer

Der Klappentext in aller Kürze: "Eine Frau wacht eines Morgens in einer Jagdhütte in den Bergen auf und findet sich eingeschlossen von einer unsichtbaren Wand, hinter der kein ...

Die Wand – Marlen Haushofer

Der Klappentext in aller Kürze: "Eine Frau wacht eines Morgens in einer Jagdhütte in den Bergen auf und findet sich eingeschlossen von einer unsichtbaren Wand, hinter der kein Leben mehr existiert..."
Damit beginnt ein spannendes Gedankenexperiment.

Diesen Roman kann man meiner Meinung nach nicht angemessen beurteilen, ohne sich mit der Biografie Marlen Haushofers auseinandergesetzt zu haben. Eine Frau, die sich in ihrem bürgerlichen Leben zutiefst eingeengt, gefangen fühlte, von Menschen missverstanden. Ihre schriftstellerische Tätigkeit konnte sie nur heimlich und nebenbei ausüben.
An unzähligen Stellen kommt die Verzweiflung der Autorin durch, gar eine Sehnsucht nach Einsamkeit. Und so fügt sich die namenlose Protagonistin sehr schnell in ihr Schicksal und verlegt sich darauf, eine Überlebensstrategie zu entwickeln. In weiten Teilen hat der Roman somit etwas von einer Robinsonade. Nur Berge, statt Insel.

"Vielleicht war die Wand auch nur der letzte verzweifelte Versuch eines gequälten Menschen, der ausbrechen musste, ausbrechen oder wahnsinnig werden." Seite 110

"Während des langen Rückwegs dachte ich über mein früheres Leben nach und fand es in jeder Hinsicht ungenügend. Ich hatte wenig erreicht von allem, was ich gewollt hatte, und alles, was ich erreicht hatte, hatte ich nicht mehr gewollt." Seite 61

Immer wieder klingt deutliche Gesellschaftskritik an, auch die Rolle der Frau und ihre damit einhergehende Unzufriedenheit, spricht sie immer wieder an, von daher wurde das Werk auch von der Frauenbewegung aufgegriffen. Generell liegen ihr Tiere näher als Menschen.

Dieses Buch ist geradezu gespickt von Lebensweisheiten, mit denen jeder schon einmal zu kämpfen hatte, die aber nur selten ausgesprochen werden. Auch wenn die Protagonistin versucht, sich mit Arbeit und der Sorge um ihre Tiere abzulenken, bleiben grundlegende Fragen nicht aus, wie die nach dem Sinn des Lebens etwa. Oder ob menschliche Gesellschaft erstrebenswert wäre…

Dieser Roman hat mich mit seiner stillen Eindringlichkeit sehr beeindruckt. Auch wenn dieses Konstrukt der Wand nicht zu erklären und schwer zu fassen ist, wenn man über die Hauptfigur den Kopf schüttelt, sie bemitleidet, gar an ihrem Verstand zweifeln mag. Von der ersten Seite an, glaubt man alles ganz deutlich vor sich zu sehen, ich hatte oft Gänsehaut vor Grusel angesichts der ausweglosen Situation.
Gerade wenn man an die Biografie der Autorin denkt, hat man immer wieder tiefes Verständnis für deren Nöte und Gedankengänge.

Zweifellos ein Buch, das man gelesen haben sollte. Ein wahrer Schatz im Bücherregal. Ein Buch, das seinen Leser so existentiell berührt, dass er es wohl nie mehr vergessen wird. Schade, dass Haushofer nicht mehr Zeit und Muse zum Schreiben fand. Zu allem Überfluss starb sie nämlich auch noch sehr früh mit kaum fünfzig Jahren.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere