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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2021

Super interessant und klasse geschrieben - Leseempfehlung!

Incels
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Was für ein Buch! Ich bin auf eine perverse Art gleichzeitig abgestoßen und fasziniert von dieser „Bewegung“, die harmlos begann und sich auf eine Art und Weise entwickelt hat, die beängstigend ist.

Ich ...

Was für ein Buch! Ich bin auf eine perverse Art gleichzeitig abgestoßen und fasziniert von dieser „Bewegung“, die harmlos begann und sich auf eine Art und Weise entwickelt hat, die beängstigend ist.

Ich empfehle Veronika Krachers Buch aus vielen verschiedenen Gründen:

Zum einen ist „Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ ein sehr gut recherchiertes Sachbuch. Und auch wenn wahrscheinlich viele – so wie ich, bevor ich das Buch gelesen hatte – davon ausgehen, dass Incels eine so genannte Randerscheinung sind, lohnt sich der Kauf des Buches. Denn Incels sind weit mehr als eine Randerscheinung. Kracher arbeitet unglaublich viele Aspekte dieser „Szene“ heraus: den Frauenhass, den Selbsthass, den Narzissmus, die Grenzüberschreitungen und so weiter und so fort.

Vor allem aber zeigt Veronika Kracher auf, dass Incels auch brandgefährlich sein könnten – sowohl für andere (vorzugsweise Frauen), aber auch für sich selbst. Es ist eine Szene, die sich – ähnlich wie die rechte Szene – vor allem über den Hass definiert, diesen propagiert, bis zum äußersten auslebt und im schlimmsten Fall nicht vor Gewalt zurückschreckt.

Kracher schafft es zudem, den gesellschaftlichen Kontext herauszuarbeiten, der einen Nährboden für Gruppierungen wie die Incels bereitet.

Was das Buch aber auch sehr lesenswert macht: der Schreibstil. Der ist so locker und teilweise ironisch-sarkastisch, dass es mir regelmäßig schwer fiel, das Buch beiseite zu legen. Hätte ich keine Familie, ich hätte das Buch in einem Zug gelesen. Das heißt nicht, dass Kracher die Szene verharmlost. Aber sie schreibt ganz richtig im Vorwort, dass „manchmal (…) ironische Distanz die einzig mögliche Bewältigungsstrategie“ ist. Während ich das Buch las, konnte ich ihr nur zustimmen.

Der Inhalt des Buchs ist heftig und folgerichtig weist Kracher im Vorwort darauf hin, auf welche Inhalte LeserInnen des Buches stoßen werden. So kann jede/r für sich entscheiden, das Buch zu lesen oder nicht. Ganz ehrlich: Es ist teilweise unglaublich, was in dieser „Bewegung“ abgeht. Es gab viele Momente in dem Buch, in dem ich nicht fassen konnte, was ich da lese, in denen mir ein von Herzen kommendes „WTF?!“ entfuhr.

Aus meiner Sicht hat Kracher eine hervorragend geschriebene und recherchierte Analyse zu Incels und den zugrunde liegenden gesellschaftlichen (und, ja, patriarchalischen) Strukturen veröffentlicht. Ich wünschte, das Buch fände viele LeserInnen.

„Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ ist neben den vielen interessanten Informationen aber auch ein unglaublich – mir fällt kein besseres Wort ein – unterhaltsames Buch geworden. Es wäre toll, mehr Sachbücher wären so flüssig und „untrocken“ geschrieben wie dieses.

Von meiner Seite gibt es eine ganz klare Kauf- und Leseempfehlung. Das Buch ist eine echte Bereicherung!

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Veröffentlicht am 01.05.2020

Informativ, wunderschön gestaltet und bestens für AnfängerInnen geeignet

Wildpflanzen essen
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Es gibt zahlreiche Momente, da bedaure ich, früher nicht aufmerksamer zugehört zu haben, wenn meine Großmutter mir Dinge erklärte. Sie erklärte mir Bäume und wie ich sie unterscheiden kann, sie erklärte ...

Es gibt zahlreiche Momente, da bedaure ich, früher nicht aufmerksamer zugehört zu haben, wenn meine Großmutter mir Dinge erklärte. Sie erklärte mir Bäume und wie ich sie unterscheiden kann, sie erklärte mir, welche Pilze man essen kann und welche nicht... und sie erklärte mir, welche Pflanzen, die man in der Natur so vorfindet man essen kann und welche nicht. Ich bezeichne das gerne als "verlorenes Wissen". Und das ist es im Grunde auch. 

Jahrzehntelang habe ich mich nicht dafür interessiert. Aber seit einigen Jahren ist mir bewusst, wie blöd ich eigentlich war, die schönen Kräuter, Wildpflanzen, Beeren etc., die wir draußen so vorfinden, komplett zu ignorieren oder bestenfalls als schöne Pflänzchen zu fotografieren. 

Bücher wie "Wildpflanzen essen" sind für mich eine echte Offenbarung. Mal ganz abgesehen davon, dass die "Verpackung" toll aufgemacht ist - das Buch fühlt sich toll an und sieht gut aus -, ist der Inhalt vor allem für AnfängerInnen wie mich bestens geeignet.

Denn in dem Buch sind nicht nur die auf dem Cover erwähnten 50 Rezepte vorzufinden, sondern es werden die einzelnen Pflanzen vorgestellt - und zwar auch nach Jahreszeiten bzw. Monaten sortiert, in denen sie am besten geerntet werden. Auch die benötigten Utensilien werden vorab benannt und es gibt ein sehr gut gegliedertes Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buches.  Alles wird untermalt mit wunderschönen Fotografien. 

Alles ist so eindeutig - auch dank der bereits erwähnten Fotografien -, dass selbst eine Anfängerin wie ich völlig ohne Probleme einsteigen kann.

Das Wichtigste sind aber sind natürlich die Rezepte. Nachdem ich nun einige von ihnen durchprobiert habe, kann ich bestätigen, dass sie allesamt funktionieren. Die Angaben stimmen soweit, die Ergebnisse sind schmackhaft. 

Für mich und meine Gerichte ist das Buch eine echte Bereicherung und ich gehe mit völlig anderen Augen nach draußen. Das Handbuch erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, aber bietet einen tollen Überblick und erleichtert so den Einstieg in die wunderbare (Genuss-) Welt der Wildpflanzen.

Dank der Aufmachung eignet sich das Buch zudem hervorragend als Geschenk. 

Ich bin begeistert!

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Veröffentlicht am 09.04.2020

Zuckersüße Geschichten und kindgerechte Bastelanleitungen in einem!

Mit Polli durchs Jahr
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Die Selfpublisherin Ilona Cornelia hat ein neues Kinderbuch auf den Markt geworfen. „Mit Polli durchs Jahr“ führt die Kinder (und deren vorlesende Eltern) mit in sich abgeschlossenen Geschichten durchs ...

Die Selfpublisherin Ilona Cornelia hat ein neues Kinderbuch auf den Markt geworfen. „Mit Polli durchs Jahr“ führt die Kinder (und deren vorlesende Eltern) mit in sich abgeschlossenen Geschichten durchs Jahr. Mein Sohn und ich haben das eBook gelesen.

Anfangs war Philipp ein bisschen enttäuscht, dass wir das Buch „nur“ als eBook haben. Die Enttäuschung hat sich aber recht schnell gelegt, als er festgestellt hat, dass das Umblättern eines eBooks viel „cooler“ ist als bei einem gedruckten Buch.

Auch dass das Buch mehr Text als Bilder (die eher rar gesät sind) enthält, wurde anfangs nur unter Protest akzeptiert. Aber wie das mit Geschichten so ist: Natürlich sind viele Bilder für Kinder toll, aber viel wichtiger ist, dass die Geschichten gut sind. Und so hat Philipp, 5 Jahre, bereits während der März-Geschichte keine enttäuschten, wegwerfenden Handbewegungen mehr gemacht, während ich ihm vorlas, sondern wollte vielmehr nach jeder Geschichte, dass ich eine weitere vorlese. Wenn das kein gutes Zeichen ist, was dann?

Auch ich fand die Geschichten toll. Für zwei Geschichten war Philipp mit seinen fünf Jahren noch etwas zu jung, um sie komplett zu verstehen, aber jede Geschichte für sich ist gut gelungen. Zu jedem Monat gibt es eine passende Geschichte und dazu passend jeweils im Anschluss ein paar Bastelideen. Diese sind so gewählt, dass Erfolge garantiert sind – selbst ich als völlig untalentierte Bastlerin komme mit den Anleitungen gut klar. Und Philipp? Der konnte sich nach jeder Geschichte nicht so recht entscheiden, ob ich nun weiterlesen soll oder wir lieber aufstehen und basteln gehen.

Für mich ist bei Kinderbüchern das wichtigste Kriterium, wie es Philipp gefallen hat. „Mit Polli durchs Jahr“ hat Philipp prächtig unterhalten. Und als Vorleserin war ich begeistert von der meiner Meinung nach richtigen Länge der Geschichten. Die lassen sich nämlich problemlos vor dem Schlafengehen vorlesen, ohne dass ich überfordert bin, selbst wenn ich hundemüde bin.

Fazit: Mir hat das Buch sehr gefallen und ich werde es bei den anstehenden Geburtstagen diverser Nachbarskinder ganz sicher verschenken! (Das Buch wird übrigens unterstützt von SOS-Kinderdorf.)

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Veröffentlicht am 29.01.2020

Es lebe die Vielfalt!

Ich bin Yola. Wer bist du?
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Es ist ganz witzig, wie sich manchmal Dinge zusammenfügen. Noch Anfang des Jahres habe ich mir vorgenommen, meinem Sohn mehr Kinderbücher, die kindgerecht Vielfalt thematisieren, zu kaufen. Vor einigen ...

Es ist ganz witzig, wie sich manchmal Dinge zusammenfügen. Noch Anfang des Jahres habe ich mir vorgenommen, meinem Sohn mehr Kinderbücher, die kindgerecht Vielfalt thematisieren, zu kaufen. Vor einigen Tagen dann erwähnte der Duden-Verlag auf Twitter das Buch "Ich bin Yola. Wer bist du?" und ich legte mir natürlich umgehend das Buch zu. Ich fasse mich kurz: Ich bereue es nicht!



Das Buch ist in einem handlich-quadratischen Format gebunden. Es wird als Hardcover angeboten, was schon einmal sehr gut ist, weil es so robust genug ist, um oft in die Hand genommen, angeguckt und vorgelesen zu werden. Mein Sohn (5 Jahre alt) ist so begeistert, dass ich es definitiv öfter vorlesen werden muss. Innen ist das Buch wie eines der Freundschaftsbücher gestaltet, die im Kindergarten und in der Schule so beliebt sind. Um es als reines Vorlesebuch zu nutzen, taugt es daher nicht. Um es aber gemeinsam durchzublättern, die Bilder anzugucken und die Antworten der Kinder zu lesen, ist es toll!

Mich freut vor allem, dass in diesem Buch Kinder mit unterschiedlichsten Hautfarben, aus den unterschiedlichsten Ländern und mit unterschiedlichen Vorlieben als etwas ganz Normales - was es ja auch ist - präsentiert wird. So ergibt sich ein stimmiges Bild dessen, wie es in einer Kita aussehen kann und wie es zum Beispiel in der Kita meines Sohnes tatsächlich aussieht. Sehr schön ist aber auch zu sehen, welche Gemeinsamkeiten es gibt. Auch hier ist alles stimmig. Die Einzigartigkeit, aber auch die Gemeinsamkeiten sind wunderbar herausgearbeitet worden.

Dabei ist auch schön zu beobachten, dass das für meinen Sohn zum Beispiel alles vollkommen normal ist. In seiner Kita sind auch viele Kinder mit den unterschiedlichsten Hautfarben vertreten, so dass für ihn dieses Buch hier für ihn Normalität darstellt. Viele Fragen ergeben sich dadurch für ihn nicht. Was ihn aber total fasziniert, das sind zum Beispiel die unterschiedlichen Lieblingsgerichte ("Mama, kannst du mir das auch mal kochen?") oder eben auch die unterschiedlichen Sprachen, die präsentiert werden. Jedes Kind wird nämlich zweisprachig präsentiert. Pro Doppelseite steht unter dem jeweiligen deutschen Text auch noch der Text in Sprache der Eltern des jeweiligen Kindes.

Den Abschluss des Buches bildet eine Doppelseite, in der kurze Sätze wie "Hallo!", "Wie geht's?", "Lass uns Freunde sein." etc. in die im Buch vorhandenen Sprachen übersetzt wurden.

Ganz ehrlich: Ich bin begeistert! Das Buch ist so schön aufgemacht und feiert die Vielfalt wie kein anderes Buch, das wir hier stehen haben. In Zukunft werde ich darauf achten, mehr solche Bücher zu kaufen.

Das Wichtigste ist aber - und das freut mich am meisten -, dass das Buch meinem Sohn so sehr gefällt. Er hat seinen Spaß, will nun auch ein Freundschaftsbuch und wir werden uns das Buch garantiert morgen wieder ansehen und durchlesen.

Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 25.10.2019

Ein tolles Buch, das mich zu Tränen rührte

Kein Teil der Welt
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"Deswegen isst jede Puppenmama den Brei am Ende selbst, deswegen aßen die Israeliten all die geopferten Tauben und Lämmer am Ende selbst. Ein Leben lang versuchen, einer Puppe das Essen beizubringen, das ...

"Deswegen isst jede Puppenmama den Brei am Ende selbst, deswegen aßen die Israeliten all die geopferten Tauben und Lämmer am Ende selbst. Ein Leben lang versuchen, einer Puppe das Essen beizubringen, das ist Glaube."

Es gibt nur wenige Bücher, die stark anfangen und sich trotzdem von Kapitel zu Kapitel steigern. "Kein Teil der Welt" gehört dazu, und obwohl ich hier mit vom Weinen geschwollenen Augen sitze, könnte ich nicht zufriedener sein. 

Denn Stefanie de Velasco erzählt in nüchternem Ton und doch immer wieder wunderschönen, bildhaften Sätzen und Worten die Geschichte einer jungen Frau, die von Geburt an den Zeugen Jehovas angehört, und deren besten Freundin. Wir erleben in Rückblenden, wie Esther und Sulamith sich kennenlernen, wie sie aufwachsen und in einer Welt leben, die - wie es in der Inhaltsangabe so schön formuliert ist - "mitten in der unsrigen existiert und dennoch kein Teil von ihr ist". 

Esther und ihre Eltern sind vor kurzem von Geisrath am Rhein überstürzt nach Peterswalde - den Geburtsort von Esthers Vater - gezogen, um dort die Gunst der Stunde (nämlich die Nachwendezeit) zu nutzen und neues Leben in die dortige Gemeinde der Zeugen Jehovas zu bringen.

Von Anfang an wird klar, dass Esther Sulamith wahnsinnig vermisst. Sie hat heimlich Kleidung von Sulamith mitgenommen, um weiterhin ihren Duft atmen zu können, sie denkt täglich an Sulamith, aber was mit Sulamith geschehen ist, das werden wir erst nach und nach im Verlauf des Buches erfahren. Esther gibt selbst an einer Stelle des Buches zu: "Als Kind wunderten mich solche Geschichten nicht". 

Es ist Sulamith, die zunächst rebelliert. Sie stellt Fragen, forscht. Sie legt einen faulen Apfel zu gesunden Äpfeln, um zu überprüfen, ob er wirklich die anderen Äpfel ansteckt, wie es in der Bibel steht, und stellt ihre Mutter und Esthers Eltern zu Rede, als das nicht passiert. Es ist Sulamith, die anfängt, die Regeln in Frage zu stellen. Der ultimative Akt der Rebellion aber ist die Liebe zu einem "Weltmenschen". 

Esther, obwohl sie Sulamith über alles liebt und sie nicht verlieren möchte, hält sich weitestgehend heraus: "Ich weiß nicht, woran ich sonst glauben soll, wollte ich sagen. Dass ich Angst habe vor dem Loch, das Jehova hinterlassen würde, wollte ich sagen, Angst vor dem Leben ohne ihn , ohne Mama und Papa, ohne die Versammlung, Angst vor einem Leben da draußen, wo ich niemanden kannte (...)." Diese Angst lässt Esther lange Zeit erstarren - vor allem geistig. Sie versucht, es allen recht zu machen und es führt zu den erwartbaren Konsequenzen. 

"Kein Teil dieser Welt" ist herzzerreißend - und zwar genau deshalb, weil Stefanie de Velasco es unterlässt, auf die Tränendrüse zu drücken. Sicher, sie schafft mit ihren Worten teilweise wunderbare Bilder, aber sie trägt die Geschichte in einem so nüchternen Ton vor, dass man sich dem Roman schwer entziehen kann. Es ist gerade die Selbstverständlichkeit, mit der die Protagonistin und Ich-Erzählerin Esther von ihrem Leben bei den Zeugen Jehovas erzählt, die den Roman so fesselnd machen. Es ist auch diese Selbstverständlichkeit, die bei mir teilweise für Entsetzen sorgte, für Gänsehaut, weil diese Welt, die sie beschreibt, so weit weg ist von der Welt, in der ich lebe. Aber da ist auch diese wunderbare Liebe von Esthers zu Sulamith, dieses Vermissen, das Sehnen nach der Freundin und eben auch das Erwachsenwerden, die Emanzipation und - ganz am Ende - die Hoffnung. 

Stefanie de Velasco ist ein wunderbares Buch gelungen. Ein Buch, das auf eine Art und Weise berührt, die ich anfangs nicht für möglich hielt, ein Buch, das mich packte und am Ende hemmungslos weinend und doch voller Hoffnung zurückließ.