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Veröffentlicht am 27.03.2020

Fatale Verkettung von Kausalitäten

Miracle Creek
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Familie Yoo ist von Südkorea in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Ihre Tochter Mary soll eine bessere Zukunft haben, als ihr dies in Südkorea möglich wäre. Vater Pak hat bereits in seiner Heimat Erfahrungen ...

Familie Yoo ist von Südkorea in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Ihre Tochter Mary soll eine bessere Zukunft haben, als ihr dies in Südkorea möglich wäre. Vater Pak hat bereits in seiner Heimat Erfahrungen mit der Sauerstofftherapie für autistische Kinder gesammelt und investiert in einen entsprechenden Sauerstofftank. Als der Tank explodiert, kommen zwei der Patienten in den Flammen ums Leben, weitere Personen werden schwer verletzt. War es ein tragisches Unglück oder Brandstiftung? Haben womöglich die Demonstrantinnen ihre Hände im Spiel, die just an diesem Tag auf dem Gelände gegen diese Art der Behandlung demonstrierten?
In dem Buch erleben wir die einzelnen Verhandlungstage und die Vernehmung der Angeklagten und Zeugen. Hauptangeklagte ist die alleinerziehende Elizabeth, deren kleiner Sohn eines der Todesopfer ist. Kann es wirklich sein, dass sie den psychischen Belastungen nicht mehr standgehalten hat und sie ihren Sohn loswerden wollte? Oder ging es doch um Versicherungsbetrug?
Nach und nach kommen immer weitere Details ans Licht und es stellt sich heraus, dass jeder etwas zu verbergen hat. Kleine Unwahrheiten bringen ganze Lawinen ins Rollen und lösen eine fatale Verkettung von Kausalitäten aus. Nichts ist, wie es zunächst scheint.
Mir hat Miracle Creek gut gefallen, allerdings empfand ich es streckenweise als ermüdend, dass immer wieder die gleichen Situationen, wenn auch aus anderen Perspektiven, erzählt wurden und die Wahrheit in winzigen Häppchen ans Licht kam. Es ist aber auf jeden Fall ein lesenswertes Buch, in dem es nicht nur darum geht, den Schuldigen zu finden, sondern unter anderem auch die Themen Autismus und Fremdenfeindlichkeit zur Sprache kommen.


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Veröffentlicht am 19.02.2020

Der unfreiwillige Spion

Der Empfänger
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Die Brüder Josef und Carl Klein haben die Absicht, zusammen in die USA auszuwandern. Durch einen Unfall verliert Carl ein Auge, der Traum vom Auswandern ist für ihn geplatzt, denn Versehrte haben zu der ...

Die Brüder Josef und Carl Klein haben die Absicht, zusammen in die USA auszuwandern. Durch einen Unfall verliert Carl ein Auge, der Traum vom Auswandern ist für ihn geplatzt, denn Versehrte haben zu der damaligen Zeit keine Chancen, ein Einwanderungsvisum zu bekommen.

Josef, oder Joe, wie er sich mittlerweile nennt, schlägt sich zunächst mehr schlecht als recht in den USA durch, doch dann bekommt er einen Job in einer Druckerei und kann sich eine kleine Wohnung in Harlem leisten.

Es ist das Jahr 1939. Hitlers Nationalsozialisten werden in Deutschland immer stärker und auch unter den deutschen Emigranten in New York gibt es begeisterte Anhänger. Joe zählt nicht dazu, trotzdem geht er zu entsprechenden Versammlungen, da der Organisator ein Kunde der Druckerei ist. Joe ist Hobbyfunker. Eines Tages bekommt er das Angebot, gegen gute Bezahlung verschlüsselte Nachrichten zu funken, angeblich ist der Empfänger ein deutsches Unternehmen. Dass an der Sache etwas faul ist, wird Joe schnell klar, und am liebsten würde er aussteigen, doch so einfach ist das nicht...

Das Buch ist in drei Zeitstränge unterteilt. Die zweite Zeitebene spielt 1949 in Neuss. Der Krieg ist vorbei, Joe war mittlerweile in New York interniert und ist jetzt bei seinem Bruder Carl und dessen Familie. Obwohl alle ihm versichern, dass er so lange bleiben kann, wie er will, fühlt er sich nicht wohl und möchte so schnell wie möglich Deutschland wieder verlassen. Kontakte aus seiner Zeit in den USA raten ihm, nach Südamerika auszureisen.

Dort spielt auch die dritte Handlungsebene, nämlich in Costa Rica 1953, wohin es „Don José“ inzwischen verschlagen hat.

„Der Empfänger“ ist ein sehr interessantes Buch, das den Nationalsozialismus mal aus einer ganz anderen Perspektive betrachtet. Ich hatte mir noch nie darüber Gedanken gemacht, dass es auch im Ausland Deutsche gab, die Hitler unterstützten.

Joe Klein ist eine tragische Figur, die eigentlich nirgendwo zuhause ist. Das Ende lässt offen, wo er den Rest seines Lebens verbringen wird.

Ich habe dieses Buch gern gelesen, allerdings blieben mir die Personen, allen voran Joes Freundin Lauren, aber auch Joe selbst, fremd. Möglicherweise ist dies zum Teil auch dem nüchternen Schreibstil mit vielen verkürzten Sätzen geschuldet.

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Veröffentlicht am 14.02.2020

Taten statt Worte

Das Haus der Frauen
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Als sich der Klient der erfolgreichen Anwältin Solène nach einem verlorenen Prozess umbringt, stürzt Solène in eine tiefe Depression. Sie ist nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben und geht kaum ...

Als sich der Klient der erfolgreichen Anwältin Solène nach einem verlorenen Prozess umbringt, stürzt Solène in eine tiefe Depression. Sie ist nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben und geht kaum mehr aus ihrer Wohnung. Ihr Psychotherapeut rät ihr, sich ehrenamtlich zu engagieren, um wieder ins Leben zurückzufinden. Sie nimmt die Aufgabe eines „öffentlichen Schreibers“ in einem Frauenhaus an. Solène geht davon aus, dass sie hauptsächlich Schreiben an Behörden verfassen wird, doch die Frauen haben andere Bedürfnisse und stehen Solène mit ihrem schicken MacBook zunächst sehr kritisch gegenüber. Mit der Zeit öffnen sie sich mehr und mehr und Solène erfährt einiges über ihre Schicksale.
Ein zweiter Handlungsstrang führt ins Paris Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Blanche Peyron, die sich mit Herz und Seele für die Heilsarmee engagiert, erfährt durch Zufall von einem riesigen leerstehenden Gebäude, das wie geschaffen als Zuflucht für die vielen obdachlosen Frauen in Paris ist. Gemeinsam mit ihrem Ehemann steckt sie trotz gesundheitlicher Probleme ihre ganze Energie in das Projekt und schafft es tatsächlich, mithilfe von Spendengeldern, das Gebäude zu erwerben. „Der Palast der Frauen“ ist der neue Name, den das Gebäude fortan trägt. In ebendiesem Palast findet sich Solène jede Woche ein, um den Frauen zur Seite zu stehen...
Mir hat dieses Buch gut gefallen, vor allem, da es sich bei Blanche Peyron um eine reale und keine fiktive Person handelt. Die Schicksale der Frauen sind berührend und meiner Meinung nach durchaus realistisch geschildert. Mein einziger Kritikpunkt ist die teilweise sehr pathetische Sprache („Ruhmesglocken“, „kämpferischer Engel“), wenn von Blanche die Rede ist, weshalb mich die Geschichte rund um Solène auch mehr gefesselt hat. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, das Buch zu lesen.

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Veröffentlicht am 15.01.2020

Was macht ein erfülltes Leben aus?

Die Geschichte der getrennten Wege
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Elena und Lila entwickeln sich in diesem dritten Band der Neapel-Saga völlig unterschiedlich. Während Lila sich aus ihrer Ehe mit Stefano befreit, heiratet Elena. Nicht wirklich aus Liebe, doch Pietro, ...

Elena und Lila entwickeln sich in diesem dritten Band der Neapel-Saga völlig unterschiedlich. Während Lila sich aus ihrer Ehe mit Stefano befreit, heiratet Elena. Nicht wirklich aus Liebe, doch Pietro, ihr Ehemann, stammt aus angesehenem Hause und Elena gefällt es, sich des vermeintlichen Makels ihrer Herkunft zu entledigen und in der Schicht von Universitätsprofessoren und Intellektuellen zu verkehren. Bald nach der Hochzeit wird sie schwanger. Ihr zweites Buch ist kein Erfolg, der Verlag will es nicht drucken. So konzentriert sich Elena auf ihre Rolle als Mutter, ist damit jedoch intellektuell nicht ausgelastet. Sie fragt sich, wozu sie eigentlich studiert hat.
Lila, die als junges Mädchen geniale Ideen und sprühende Kreativität hatte, ist ganz unten angekommen. Sie schuftet in einer Wurstfabrik, in der es gang und gäbe ist, sowohl vom Chef als auch von den männlichen Kollegen begrapscht zu werden. Nicht, dass sie sich das gefallen ließe, so viel Stolz hat sie noch. Auf einer politischen Versammlung schildert Lila die Zustände in der Fabrik, die schlechten Arbeitsbedingungen und die Behandlung der Frauen. Dies führt dazu, dass vor der Fabrik demonstriert wird und es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und Kommunisten kommt. Der Chef vermutet, dass Lila die Probleme angezettelt hat und stellt sie zur Rede, woraufhin Lila kündigt.
Es passiert sehr viel in diesem dritten Band und der Leser bekommt einen guten Einblick in die politischen Verhältnisse in Italien und Europa der 1970er Jahre, der Zeit des Terrorismus, Baader Meinhof in Deutschland, die Roten Brigaden in Italien. Doch auch auf persönlicher Ebene stehen große Veränderungen für die Protagonistinnen an. Elena trifft ihre erste große Liebe Nino Sarratone wieder und beschließt, ihren Mann zu verlassen, Lila arbeitet für die früher so verhassten Solaras und macht Karriere. Am Ende dieses dritten Bandes ist alles offen, wie es für die beiden weitergeht.
Ich habe auch diesen Band als Hörbuch gehört und bin begeistert, wie ausdrucksstark Eva Mattes die Geschichte liest. Wie schon bei den Vorgängerbänden bin ich der Meinung, dass mir das Buch zum Lesen zu viele Längen gehabt hätte, aber als Hörbuch war es in Ordnung. Allerdings muss ich sagen, dass mir sowohl Elena als auch Lila zunehmend unsympathisch sind. Trotzdem werde ich mir auch den vierten Band anhören, da es mich interessiert, wie es im Leben der beiden Frauen weitergeht.

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Veröffentlicht am 27.12.2019

Die Gnade der Spätgeborenen

1793
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Als dieses Buch neu herauskam, dachte ich eigentlich, weshalb sollte ich mir so etwas antun? Eine brutal verstümmelte Leiche in einer stinkenden Kloake? Ich habe es jetzt aber doch gelesen und fand die ...

Als dieses Buch neu herauskam, dachte ich eigentlich, weshalb sollte ich mir so etwas antun? Eine brutal verstümmelte Leiche in einer stinkenden Kloake? Ich habe es jetzt aber doch gelesen und fand die Lektüre spannend, aber zutiefst verstörend. Die Welt, die in diesem Roman geschildert wird, ist ein echter Albtraum. Schon allein die Anfangsszene, als dieser menschliche Torso aus den stinkenden Fäkalien gefischt wird, ist ekelerregend, und eigentlich geht es das ganze Buch über so weiter. Menschliche Abgründe tun sich auf in einer Welt, in der jeder jeden zu quälen und zu betrügen scheint. Fast alle sind korrupt, die einzig positiven Personen sind die Ermittler Winge und Cardell sowie die unschuldig inhaftierte Stina, wobei auch diese drei moralisch zweifelhaft agieren. „1793“ lässt mich ein wenig ratlos zurück, was ich da gelesen habe. Ein Schwelgen in Gewalt und Brutalität? Ein Sittenbild der damaligen Zeit? Zumindest bin ich froh über die Gnade der Spätgeborenen, denn in dieser Zeit zu leben, stelle ich mir entsetzlich vor. Was ich für die Phantasie des Autors gehalten habe, stellte sich teilweise beim Lesen des Nachworts als historisch belegte Begebenheiten heraus, was das Ganze noch viel verstörender macht.

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