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Abibliophobia

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2022

Nie war Betrug witziger

Bekenntnisse eines Betrügers
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Das Cover ist witzig und auffällig, allein schon durch die gelbe Farbe. Der Klappentext weckt das Gefühl dieses sarkastische Werk direkt beginnen zu müssen und was soll ich sagen: wenn der Rest des Buches ...

Das Cover ist witzig und auffällig, allein schon durch die gelbe Farbe. Der Klappentext weckt das Gefühl dieses sarkastische Werk direkt beginnen zu müssen und was soll ich sagen: wenn der Rest des Buches so witzig und ironisch ist, wie das erste Kapitel, dann hat Raina alles richtig gemacht und ich bin an einem Tag mit dem Buch durch. Man schüttelt sich vor Lachen über den Selbstwitz gepaart mit durchaus ernst zu nehmender Gesellschaftskritik, ich amüsiere mich köstlich und bin selten so gut unterhalten worden.
Der Schreibstil ist sehr sarkastisch, aber dennoch beschönigt er nichts und webt geschickt Kritik an Indien ein, fast beiläufig, aber äußerst klar und scharf. Die Sätze sind intelligent, die Vergleiche göttlich, man möchte Ramesh stundenlang zuhören / lesen. Sein Prüfungsbetrug ist ein richtiges Business und es gibt allerlei zu planen und man versteht schnell warum Ramesh ein Meister seines Faches ist. Und als der dicke Rudi als Bester abschneidet, nimmt die Geschichte erst so richtig Fahrt auf.
Achtung: nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen, man läuft Gefahr die anderen zu erschrecken, wenn man laut loslacht bei Sätzen wie „ Wir wären miteinander und aneinander gewachsen, hätten die Stärken und Schwächend es anderen kennen gelernt und sonstigen westlichen Unsinn“. So bissig die Texte auch sind, so liebevoll werden die Menschen beschrieben, die Ramesh am Herzen liegen. Die Mischung wühlt auf und geht ans Herz. Eindringliche Themen wie Rassismus, Denken in Schichten und Gewalt und Armut werden thematisiert und das ohne Witz und gesellschaftliche Probleme so wirkungsvoll kombiniert. Schön und grausam zugleich, meinen höchsten Respekt vor Rahul Raina ein wahrer Wortkünstler.
Es wird nur noch witziger als er mit seinem neureichen „Kunden“ Rudi zusammen wohnt, der einfach das volle Klischee eines Papa-Sohnes bedient und so gar keinen Plan vom Leben hat. Von einem anderen Satz, wird es auf einmal wieder unfassbar tief: Glück, Sehnsucht, das Gefühl nicht genug zu sein  der Wechsel nimmt den Leser völlig gefangen. Man durchlebt die gesamte Palette der Gefühle innerhalb von ein paar Seiten. Nicht nur witzig, sondern auch spannend, ein Genuss dem Handlungsverlauf zu folgen. Der zweite Teil ist genauso intelligent, flüssig und fesselnd wie der erste Teil. So zieht es sich bis zum Ende durch Danke für diese tolle Lektüre.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2020

Die Suche nach der anderen Hälfte

Geteilt durch zwei
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Der Roman handelt von zwei, mittlerweile erwachsenen Frauen, die Zwillinge sind und von unterschiedlichen Familien adoptiert wurden. Nun begeben sie sich gemeinsam auf die Spuren ihrer Vergangenheit. Schon ...

Der Roman handelt von zwei, mittlerweile erwachsenen Frauen, die Zwillinge sind und von unterschiedlichen Familien adoptiert wurden. Nun begeben sie sich gemeinsam auf die Spuren ihrer Vergangenheit. Schon nach wenigen Seiten fällt dem Leser der sachliche, fast schon emotionslose Schreibstil auf. Erst ist das sehr irritierend, aber ich habe sehr schnell Gefallen daran gefunden. Man fragt sich unweigerlich wie es ist adoptiert zu sein, welchen Einfluss es auf das Leben, die Beziehung und die Psyche hat - bewusst oder unbewusst. Man fiebert richtig mit, es ist aufregend zu lesen, das etwas nach dem man sein ganzes Leben gesucht hat nun in greifbarer Nähe ist. Die Geschichte ist ergreifend und jede Seite geht einem sehr zu Herzen. Jede Person im Buch erlebt es auf seine Art und Weise mit unterschiedlichen Emotionen und Beweggründen. Es bleibt dennoch die ganze Zeit das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, das sät Zweifel und Spannung pur.
Etwas, das sich durchs gesamte Buch zieht ist der Gedanke, wie anders ein Leben verlaufen könnte und wie viel Einfluss andere an dieser Entscheidung haben. Vielleicht sind Lebenswege aber auch voreingestellt.
Man begibt sich mit den Schwestern auf eine Reise ins schöne Münster, aber auch zu sich selbst und begleitet sie dabei, wie sie sich kennenlernen. Dann wendet sich das Blatt und es kommen ganz andere Probleme zum Vorschein.
Eine tolle und abwechslungsreiche Familiengeschichte, die Gegenwart fasziniert genauso wie die Reise in die Vergangenheit.
Das Buch ist absolut zu empfehlen, die Handlung zieht den Leser Seite für Seite in seinen Bann.

Veröffentlicht am 09.12.2019

Herrlich witzig

Bülent Rambichler und der störrische Karpfen
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Sowohl das Cover, als auch der Klappentext wecken direkt Assoziationen zu den Eberhofer-Krimis, die ich sehr unterhaltsam finde. Daher waren die Erwartungen hoch. Den ersten Fall Rambichlers habe ich nicht ...

Sowohl das Cover, als auch der Klappentext wecken direkt Assoziationen zu den Eberhofer-Krimis, die ich sehr unterhaltsam finde. Daher waren die Erwartungen hoch. Den ersten Fall Rambichlers habe ich nicht gelesen, was allerdings nicht gestört hat, da man schnell ins Geschehen hineinfindet. Man ist sofort angekommen im vermeintlich idyllischen Strunzheim. Dort findet man noch echte Persönlichkeiten, eine skurriler als die andere. Man hört den Dialekt förmlich beim Lesen, ich liebe diese Sprache einfach. "Wischkästle" für Handy ist nur einer der vielen Begriffe, die man lieb gewinnt.
Belügt Rambichler wollte keinen weiteren Fall aus Strunzheim mehr annehmen, was sich allerdings ändert, als sein Vater in den Fokus der Verdächtigen gerät.
Die kleinen Dispute zwischen Astrid und Bülent machen die Handlung noch unterhaltsamer, ganz nach dem Motto "was sich liebt, das neckt sich". Sätze wie "Bülent Ludwig! Ich glaub dir brennt der Hut. Ausgenüchtert wird bei uns immer noch daham, verstanden!" sind einfach herrlich und machen dieses Buch so witzig und unterhaltsam.
Belügt hat es schwer sich gegen seine Eltern und überhaupt alle Einwohner Sturzhelms durchzusetzen und sich Respekt zu verschaffen. Manchmal sind die Strunzheimer stumpfe Hinterwäldler, die man dennoch ins Herz schließt, denn so viel sie auch schimpfen, so sehr halten sie auch zusammen.
Die Steckbriefe und die Skizze von Strunzheim sind klasse, so findet man schnell ins Buch.
Bei Astrid und den Strunzheimern treffen Welten aufeinander, höchst amüsant. Man ist erstaunt, welche Geheimnisse so ein erzkatholisches Dorf beherbergt, es geht drunter und drüber und wird nie langweilig.
Kurzum ein tolles Buch mit einem fulminanten Ende. Das wird definitiv nicht mein letzter Provinzkrimi sein.

Veröffentlicht am 04.12.2019

Zauberhaft

Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse
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Das Cover ist schon klasse, mit Katze und Lesesessel, so stelle ich mir eine gemütliche Buchhandlung vor. Die Ausgangssituation berührt den Leser sehr. Martinique kümmert sich um die Buchhandlung inkl. ...

Das Cover ist schon klasse, mit Katze und Lesesessel, so stelle ich mir eine gemütliche Buchhandlung vor. Die Ausgangssituation berührt den Leser sehr. Martinique kümmert sich um die Buchhandlung inkl. Streunerkatze ihrer verstorbenen Freundinnen, die ihr nie gesagt hat, wie krank sie wirklich ist. Dann taucht Saras Nichte Charlotte auf, die die Buchhandlung geerbt hat.
Die Buchhandlung kann man sich bildlich vorstellen, jedes Einrichtungsstück hat seine eigene Geschichte. So müssen Buchhandlungen sein! Und auch die Charaktere haben ihre eigene Geschichte, der man im Verlauf des Buches immer näher kommt.
Charlotte ist jung Witwe geworden und diesen Verlust hat sie lange nicht verarbeiten können. Martinique und die anderen Mitarbeiter der Buchhandlung helfen ihr langsam dabei, ohne überhaupt von ihrem Schicksal zu wissen. Alles ist etwas chaotisch, dennoch übermittelt die Autorin sehr gut das Zuhausegefühl, das man in dieser Buchhandlung empfindet. Zur eigentlichen Geschichte kommt noch die spannende Tatsache, dass Charlotte ihre Nichte gar nicht kannte, da die beiden Schwestern schon lange zerstritten sind und sich vor ihrem Tod nicht mehr aussprechen konnten. Man taucht tief in die Lebensgeschichte der beiden Schwestern ein und wartet mit Spannung darauf, dass die Wahrheit ans Licht kommt.
In diesem Buch geht es um viel mehr als "nur" eine Buchhandlung. Sie erzählt die Flucht nach England. Es geht um die Verarbeitung von Verlusten, um die Rettung der Buchhandlung und Freundschaft und Liebe. Alle ziehen an einem Strang. Man begleitet ein wundervolles Projekt, bei dem alle hochmotiviert sind, da die Buchhandlung ihr Lebensinhalt ist.
Dieses Buch ist nicht nur ein Buch für Liebhaber von Buchhandlungen, sondern für Fans von Familiengeschichten, Freundschaften und Liebe. Natürlich mit einem erwarteten Happy End, das dem Leser nach der letzten Seite ein schönes Gefühl im Herzen zurücklässt.

Veröffentlicht am 20.09.2019

Pflichtlektrüe

Ein anderer Takt
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Ein anderer Takt erzählt die Geschichte einer Kleinstadt, in der alle Schwarzen ihren Besitz zerstören und die Stadt gesammelt verlassen.
Das Vorwort erläutert uns, was für ein Mensch William Kelley war. ...

Ein anderer Takt erzählt die Geschichte einer Kleinstadt, in der alle Schwarzen ihren Besitz zerstören und die Stadt gesammelt verlassen.
Das Vorwort erläutert uns, was für ein Mensch William Kelley war. Man freut sich dadurch noch mehr auf das Buch und die spannende Geschichte.
Die Arroganz mit der die anderen Bewohner behaupten, man bräuchte die Schwarzen sowieso nicht ist einfach unfassbar und macht richtig wütend. Während der gesamten Lektüre ist man sich der bestürzenden Aktualität des Themas bewusst.
Die Sprache ist sehr derb und rassistisch, man zuckt beim Lesen zusammen, weil man solche Begriffe nicht lesen möchte. Dennoch taucht man dadurch tief in die damalige Situation ein und es wird nichts beschönigt. Das Buch hat mich ab der ersten Seite gefangen genommen.
Die Geschichte wird aus Sicht der Weißen erzählt, sie sind unbedarft und naiv und wissen gar nicht wie ihnen geschieht. Das ist natürlich keine Entschuldigung für ihr unmögliches, abstoßendes Verhalten. Ausgerechnet in diesem naiven Umfeld hat der kleine 8-Jährige, der von allen nur Mister Leland genannt wird, hat eine tolle Beobachtungsgabe, dadurch wird das Geschehen für den Lese sehr greifbar und authentisch. Besonders schlimm war es für mich zu erleben, wie die Kinder der Stadt am Anfang noch vorurteilsfrei sind und alle Menschen gleich behandeln, aber dennoch durch die Erwachsenen so vertraut mit alltäglicher Diskriminierung sind. Man ist bestürzt, wütend, traurig und fühlt sich hilflos.
Der Schreibstil Kelleys ist geprägt durch seine Intelligenz. Die Sätze sind kurz, aber sie machen nachdenklich und sind so tiefgründig, dass sie noch lange nachwirken.
Dieses Buch sollte jeder mindestens einmal gelesen haben. Es ist so wertvoll, dass es nie in Vergessenheit geraten darf. Zum Glück gibt es auch hier den ein oder anderen, der sich gegen Rassismus wehrt, aber das kompensiert leider nicht die Dummheit der Masse.
Ein berührendes, aktuelles Buch, das mich sehr berührt hat.