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Veröffentlicht am 19.04.2020

8 Klässler ermitteln

Die Alster-Detektive 6. Langfinger-Alarm
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Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch bereits um den 6. Teil der Alsterdetektive. Man kann ihn jedoch unabhängig von seinen Vorgängern lesen. Eigentlich soll das Projekt „Die Alsterdetektive“ den Schülern ...

Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch bereits um den 6. Teil der Alsterdetektive. Man kann ihn jedoch unabhängig von seinen Vorgängern lesen. Eigentlich soll das Projekt „Die Alsterdetektive“ den Schülern der 4. Klassen in Hamburg ihre Stadt näher bringen, ihnen die Stadtbezirke, die Hamburgische Bürgerschaft und ihre Arbeitsweise erklären, zeigen, wie Politik funktioniert, wie sie selbst etwas tun können usw. Dies alles wird jeweils in einem altersgerechten Kinderkrimi amüsant und aufschlussreich mit vielen Aha-Effekten umgesetzt. Die Idee hinter dem Projekt finde ich großartig – einerseits lesen, andererseits etwas lernen, das wirklich vor der Haustür nachzuvollziehen ist. Mein Sohn bekam das Buch von seiner Schule geschenkt und liest es im Rahmen der Hausaufgaben. Mir gefiel die Geschichte um Koko, Johanna, Lukas und Marek selbst so gut, dass ich das Buch eben auch einfach durchlas. Für Lehrer wird innerhalb des Projektes Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, sodass mithilfe der Bücher diese wunderschöne Stadt wirklich unter die Lupe genommen werden kann.

Ein weiteres Schmankerl für Hörbuchfans dürfte sein, dass es die Hörbücher zur Serie auf bei Spotify und anderen Plattformen gibt.

Worum geht’s?
Die vier Alsterdetektive – Koko, Johanna, Lukas und Marek – wollen sich auf dem jährlichen Hafengeburtstag amüsieren. Als sie einer Darbietung von Straßenkünstlern folgen, werden sie bestohlen und wie das bei Detektiven üblich ist, haben sie ihren neuen Fall und lassen erst locker, als der Diebstahl aufgeklärt ist. Um ihren Diebstahl aufzuklären, holen sie sich u.a. Hilfe im Rathaus und bei der Hamburger Polizei.

Die Charaktere:
Die 4 Detektive sind Schüler einer 8. Klasse, die einen unterschiedlichen familiären Background und unterschiedliche Herkünfte haben – eben absolut typisch für Hamburger Schulen. Eines verbindet die 4 ganz sicher – ihr Sinn für Gerechtigkeit. Dazu sind sie klug und mutig, vielleicht auch ein bisschen draufgängerisch. Wenn man die Geschichte liest, kann man sich die 4 gut vorstellen. Sie wirken authentisch und ich denke, man könnte sie sich gut als Nachbarskinder denken. Mein Sohn kann sich gut mit ihnen identifizieren und dadurch, dass sie etwas älter als er selbst sind, dienen sie vielleicht sogar ein bisschen als Vorbild.

Sehr gefallen hat mir in diesem Zusammenhang auch, dass zwischenmenschliche Aspekte angesprochen werden – zwar nur am Rande, aber doch so, dass man sie bemerkt. Johanna, die etwas andere Schülerin mit der Ratte, scheint nämlich in Kokos großen Bruder Konstantin verschossen zu sein und auch Lukas wirft ein Auge auf ein Mädchen. Und nicht nur er...

Zudem sind die 4 Schüler neugierig und stellen die richtigen Fragen an den richtigen Stellen. Auf diese Art und Weise wird dem jungen Leser häufig erklärt, wie was funktioniert. So erklärt der Polizeibeamte, warum es nicht mehr Personal bei der Polizei gibt, was passieren müsste, damit sich das ändert; der Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft erklärt in einer Randhandlung, warum es wichtig ist, wählen zu gehen und kann für die 4 Detektive stets die richtigen Kontakte herstellen und Opa Jost erklärt dem Leser das Hamburg von damals und heute – z.B. wie lange es den Hafengeburtstag gibt, woher so manche Redewendung kommt usw.

Es wird aber auch erklärt, warum manche Idee der jungen Detektive nicht so gut und vielleicht sogar verboten ist. Insofern werden auch die Nebenfiguren wirklich gut gezeichnet, wenngleich ich so manches Mal grinsen musste, wenn der Polizeibeamte etwas zu freundlich dargestellt wurde. Meistens schauen sie ja doch eher grimmig.

Lerneffekte:
In der heutigen Zeit habe ich oft das Gefühl, dass gerade das Regionale in der Schule zu kurz kommt. Insofern freue ich mich sehr über dieses Projekt, das aus meiner Sicht viel zu wenig publik gemacht wird. Nach einem Besuch im Rathaus bekam mein Sohn das Buch geschenkt, aber ich finde, an den Hamburger Schulen sollte deutlich früher auf diese spielerische Möglichkeit hingewiesen werden, die eigene Stadt zu erkunden.

Hier ist mir Opa Jost besonders wichtig. Der alte Seebär, der auf einem Hausboot mitten in Hamburg lebt, bekommt immer wieder eigene Absätze, die auch mit seinem Konterfei gekennzeichnet sind. Nicht nur, dass er Zeitsprünge innerhalb der Geschichte geschickt überbrückt, er erzählt immer auch etwas, das ganz sicher nicht jeder weiß – manchmal über die Detektive, meistens aber über die Stadt.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist dem Alter der jungen Leser angemessen. Die Sprache ist zeitgemäß und lässt sich leicht lesen. Gerade die Dialoge mit den Erwachsenen sind so geschrieben, dass sie verständlich sind. Und obwohl es sich hierbei ja um ein Buch voller Wissen über die Stadt handelt, kommt die Spannung nicht zu kurz. Diese Mischung gefällt mir sehr gut.

Eignung für Kinder:
Das Buch ist m.M. nach der Zielgruppe „10 Jahre“ angepasst. Den Umfang der Geschichte halte ich für gut. Mit knapp 130 Seiten, einigen ganzseitigen Bilder,n und kurzen Kapiteln dürfte die Lesemotiviation aufrecht erhalten werden um die komplette Geschichte zu lesen. Da sich der junge Leser sicherlich in mindestens einem der Detektive wieder finden kann, gehe ich davon aus, dass der Reiz der Geschichte und der Charaktere ausreichend hoch ist.

Fazit:
Eine tolle Idee, super umgesetzt – lesen, erfahren, verstehen. Lesenswert, vielleicht nicht nur für Hamburger Schüler, sondern auch für alle, die sich für Kinderkrimis und diese schöne Stadt interessieren. Ich würde mir mehr Werbung für das Projekt „Die Alsterdetektive“ wünschen und werde das Buch demnach auf jeden Fall weiterempfehlen. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Wie genau kennen Autoren eigentlich ihre Charaktere?

Das Rätsel von Ainsley Castle
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Das Buch:
Nachdem ich die Leseprobe gelesen hatte, war ich unbedingt der Meinung, auch den Rest des Buches lesen zu müssen. Ich bedanke mich herzlich beim Verlag und der Autorin für das Rezensionsexemplar. ...

Das Buch:
Nachdem ich die Leseprobe gelesen hatte, war ich unbedingt der Meinung, auch den Rest des Buches lesen zu müssen. Ich bedanke mich herzlich beim Verlag und der Autorin für das Rezensionsexemplar.

Worum geht’s?
Die vierzehnjährige Lizzy ist mit ihrem Vater in ein Hotel auf einer rauen schottischen Insel gezogen – zu ihrer Noch-nicht-Stiefmutter. Begeistert ist sie davon ganz sicher nicht – weder vom Umzug, weg aus ihrer gewohnten Umgebung und weg von ihren Freunden, noch von der Tatsache, dass ihr Vater diese Frau auch noch heiraten will - diese Frau mit den ochsenblutroten Fingernägeln. Lizzy plagt sich mit Albträumen und Schwindelanfällen herum, die sie sich nicht erklären kann. Und eines Tages geschehen seltsame Dinge. Sie bekommt e-Mails von einer Adresse, die keine Adresse zu sein scheint und der Inhalt dieser Mails ist so wahr wie erschreckend. Gemeinsam mit ihrem Freund Mack macht sie sich auf die Suche nach dem Absender der Mails, trifft dabei ein Mädchen, das aussieht wie sie selbst und findet heraus, dass tatsächlich Ungeheuerliches vorgeht.

Charaktere:
Mir haben die Charaktere alle sehr gut gefallen. Sie kommen glaubwürdig daher und je nachdem, wer das Buch liest, wird sich der Leser sicher zu dem einen oder anderen Charakter mehr hingezogen fühlen. Der Autorin gelingt es schon nach sehr kurzer Zeit, gewisse Bilder vor dem inneren Auge zu formen. Allein die Distanz zwischen Lizzy und ihrer Stiefmutter, die sie konsequent nur Stiefmutter nennt, ist bereits in den ersten Kapiteln zu spüren. Ebenso wird Lizzys Abneigung gegen die neue Situation perfekt eingefangen und ich gehe davon aus, dass Leser der Zielgruppe sich quasi sofort mit ihr verbünden würden.

Ich mochte die doch recht unterschiedlichen Eigenschaften der Jugendlichen sehr. Während Lizzy eher ruppig und fast ein bisschen jungenhaft gezeichnet wird, ist Betty – die optisch ja ein Abbild von Lizzy ist – das genaue Gegenteil. Etwas schüchtern vielleicht und ziemlich naiv, aber nicht so nervig naiv. Sie wirkt einfach nur weicher und jünger als Lizzy. Anfänglich hielt ich sie eher für einen Eindringling, im weiteren Verlauf der Geschichte wurde sie mir jedoch immer sympathischer. Auch Mack nimmt den Leser für sich ein. Er ist der Nerd, der Computerspezialist, aber keineswegs ein Stubenhocker. Er ist so eine herrliche Mischung zwischen einem Lausbuben und eben besagtem Nerd. Was mir sowohl an ihm als auch an Lizzy besonders gefallen hat, ist der Umstand, dass sie beide klug sind – pfiffig, war das Wort, das mir als erstes eingefallen ist. Im Verlauf der Geschichte entwickelt sich zwischen den drei Jugendlichen eine wirkliche Freundschaft, von der man am Ende des Buches wohl behaupten würde, dass diese durch kaum etwas zu erschüttern ist. Aber ist das auch tatsächlich so?

Für Lizzys Stiefmutter hatte ein sehr konkretes Bild im Kopf – ich verglich sie mit Cruella. Allerdings entwickelt sich das Verhältnis der beiden im Verlauf und zwar so ganz anders, als man am Anfang vermuten möchte. Da es auch im wahren Leben so ist, dass sich Verhältnisse zwischen Menschen verändern können, wenn sie mit bestimmten Ereignissen konfrontiert werden, ist diese Entwicklung aus meiner Sicht absolut glaubwürdig.

Schreibstil:
Die Autorin schreibt in der Ich-Form aus Lizzys Sicht und im Präsens – eine Art und Weise, die dem Leser das Gefühl gibt, als wäre er mitten im Geschehen. Darüber hinaus wendet die Autorin die Geschichte geschickt in eine Richtung, die ich überhaupt nicht erwartet hätte. Ich war davon ausgegangen, dass am Ende des Buches das Geheimnis einer alten Burgruine gelüftet werden würde, was zu Schottland gepasst hätte, aber es kommt alles ganz anders. Auf dem Weg zum Finale wollte und konnte ich das Buch nicht mehr zur Seite legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht – wohl nicht zuletzt deshalb, weil die beschriebene Antagonistin möglicherweise höchst selbst an der Schreibmaschine saß.

Zitat S. 190 "Ich glaube nicht, dass alle Autoren ihre Figuren in- und auswendig kennen, bevor sie anfangen, ihre Geschichte zu schreiben. Wahrscheinlich lernen sie die Figuren erst während der Arbeit richtig kennen." - Ob das immer so ist, können Autoren sicherlich deutlich besser beurteilen als ich, in diesem Fall ist es aber ganz bestimmt so gewesen.

Die Wortwahl der Autorin passt zur Zielgruppe. Der Text ist nicht zu umständlich geschrieben und die Dialoge passen nach meiner Einschätzung definitiv zu einem Teenager. Aber auch für Erwachsene ist das Buch leicht und locker zu lesen. Man kann sich darauf einlassen und ein Stück mit den 3 Freunden gehen. Es gibt immer wieder Wendungen, die einfach spannend sind und die große Auflösung hebt sich Holly-Jane Rahlens bis zum Ende auf.

Fazit:
Spannende Geschichte mit einer absolut unerwarteten Wendung und einem dramatischen Finale, nach dem sich so manche Dinge ins Gegenteil verändern. Mir hat das Buch Spaß gemacht und wer Lust auf eine Geschichte zwischen Realität und Fiktion hat, ist hier genau richtig. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Wie sehr beeinflusst die Hautfarbe unsere Denkweise wirklich?

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
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Das Buch:
Nach der Leseprobe und dem Klappentext habe ich dieses Buch recht spontan in einer Riege mit dem Film „American History X“ gesehen. Und tatsächlich lassen sich hier gewisse Parallelen erkennen. ...

Das Buch:
Nach der Leseprobe und dem Klappentext habe ich dieses Buch recht spontan in einer Riege mit dem Film „American History X“ gesehen. Und tatsächlich lassen sich hier gewisse Parallelen erkennen. In jedem Fall ist dieses Buch absolut lesenswert und man stellt sich unweigerlich selbst viele Fragen. Selbst längere Zeit nachdem ich das Buch beendet hatte, denke ich noch darüber nach und reflektiere das Gelesene. Das schaffen nicht viele Bücher.

Worum geht’s?
Der 17jährige Jessup ist ein begnadeter Footballspieler, hat eine Freundin und ist ein guter Schüler. Er träumt davon zu studieren und eine Football-Karriere zu machen. Nach einem wichtigen Play-off-Spiel, welches Jessups Mannschaft gewann, weil er einen klugen Spielzug tat, greift ihn ein Spieler der gegnerischen Mannschaft an. Und dann passiert ein Unfall… Was daraus wird, ist zunächst kaum zu erahnen und doch passiert es.

Meine Meinung:
Oberflächlich betrachtet könnte alles ganz einfach sein. Jessup entstammt einer Familie, die Mitglied in der Heiligen Kirche des weißen Amerika ist, Vater und Bruder haben eindeutige Tattoos und sitzen im Knast, weil sie zwei schwarze Studenten töteten. Also gehört Jessup eindeutig in diese Schublade. Aber ist das wirklich so? Und ist es wirklich so, dass Menschen ihre Einstellungen niemals ändern?
Die Situation, die Vater und Bruder in den Knast brachte, wurde mit den Worten kommentiert Zitat S. 45 „… wenn die Studenten weiß gewesen wären, hätte man die Sache als Notwehr betrachten können, …“
Muss man sich dann nicht die Frage stellen, warum es das nicht wurde, weil die Studenten schwarz waren?

Ich habe über die Länge des Buches mit Jessup und David John, Jessups Stiefvater, gebangt, ich fühlte die Ungerechtigkeit, die Jessup fühlen musste, als er von Corson provoziert und angegriffen wurde. Jessup hat sich noch nicht einmal provozieren lassen und trotzdem geschieht dieser furchtbare Unfall. Das Gefühl, das ich beim Lesen hatte lautete: Es ist einfach nicht richtig! Und so schreibt der Autor auch Zitat S. 120 „Er weiß, er hat nichts Unrechtes getan, aber darum geht es nicht…“ – Aber worum dann?

Der Autor bringt den Leser dazu nachzudenken, die anfänglichen Vorurteile abzulegen und hinter die Kulissen zu schauen, das Ganze zu betrachten. Ich habe mich irgendwann gefragt, wie würde es sich eigentlich anfühlen, wenn die Geschichte bliebe, wie sie ist und sich nur die Hautfarben änderten. Jessup wäre schwarz und Corson weiß. Wie würde man die Geschichte dann wahrnehmen und wäre es dann immer noch so einfach zu sagen, Jessups Familie besteht aus Rassisten?

Die Art zu Schreiben wie es Alexi Zentner tut, ist großartig. Kurze Kapitel, teilweise kurze, sehr einfache Sätze, manchmal sogar nur Halbsätze. Dadurch entstehen ein irres Tempo in der Geschichte und eine enorme Eindringlichkeit mit der er die Geschehnisse darlegt. An keiner Stelle wird die Handlung der Figuren bewertet – er als Autor überlässt es dem Leser zu 100% sich eine Meinung zu bilden, wen er mag und wen nicht. Diesen Umstand habe ich sehr zu schätzen gewusst.

Mit seinem Text hat Zentner bei mir eine enorme Ambivalenz in Bezug auf die Charaktere ausgelöst. Es ist nicht ganz so einfach, wie man noch am Anfang der Geschichte annehmen möchte. Es gehört einfach zu viel dazu. Es gab nur eine Figur, die ich wirklich von Anfang bis Ende verabscheut habe – Brandon Rogers. Er tat das, was all die Aufrührer, Anstifter, Diktatoren vor ihm taten: Er zeigte mit dem Finger auf jemanden und versuchte eine Situation zu seinem Vorteil zu nutzen. Und es gab genügend Menschen, die ihm folgten, weil sie nicht selbst überlegten.

Der Autor legt hier ein Buch vor, dessen Aussage auf so viele Situationen in der heutigen Zeit übertragbar ist. Er zeigt einerseits, wie wichtig es ist selbst zu denken und andererseits, wie einfach es auch heute noch ist, Menschen zu beeinflussen. In seiner Geschichte liefert er nicht unbedingt etwas furchtbar Neues – ich schätze jeder hat schon eine dieser Geschichten gelesen oder im Fernsehen gesehen – aber er verpackt es in ein beeindruckendes Gewand!

Fazit:
Ich glaube, dieses Buch wird polarisieren. Ich hoffe, dass viele Menschen es lesen und darüber nachdenken, vielleicht miteinander diskutieren. Ich werde es definitiv weiter empfehlen und ich bin dankbar, dass ich es lesen durfte! Die 5 Sterne sind mehr als verdient!

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Veröffentlicht am 16.02.2020

Die Nebelinseln, die sich nicht suchen, mit etwas Glück aber finden lassen.

Snöfrid aus dem Wiesental (2). Die ganz und gar abenteuerliche Reise zu den Nebelinseln
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Das Buch:
Wer im ersten Teil bemerkt hat, dass er den Snöfrid mag, der wird diesen Teil ganz sicher lesen. Schließlich weiß er dann, dass der Snöfrid ein liebenswerter kleiner Bursche ist, mit dem man ...

Das Buch:
Wer im ersten Teil bemerkt hat, dass er den Snöfrid mag, der wird diesen Teil ganz sicher lesen. Schließlich weiß er dann, dass der Snöfrid ein liebenswerter kleiner Bursche ist, mit dem man durchaus einmal mehr auf die Reise gehen kann. Wer den ersten Teil nicht gelesen hat, kann aber trotzdem getrost mit diesem hier beginnen, da die Geschichten in sich abgeschlossen sind.
Das Buch besteht aus 30 Kapiteln, von denen jedes mit der schon aus dem ersten Teil bekannten Zusammenfassung überschrieben ist, die neugierig auf das Kapitel macht.

Worum geht’s?
Eigentlich mag ein Snöfrid Ruhe. Aufregung und Abenteuer sind so gar nicht seins. Aber dieses Jahr wacht der Snöfrid nach dem Winter mit einem seltsamen Gefühl auf, welches er als Fernweh erkennt. Und obwohl er doch eigentlich nur Holz sammeln will, um sich seinen geliebten Haferbrei zu kochen, schließt er seine Höhle ab (was er sonst nie macht), nimmt Proviant mit (was er sonst nie macht) und macht sich auf den Weg… nur ein Stück weiter als sonst. Und schon ist er mitten drin in seinem nächsten Abenteuer, denn da wird jemand gebraucht, der einen anderen davor rettet zu versinken. Aber wen?

Charaktere:
Der Snöfrid ist ein wortkarger Geselle. „Mh…“ ist sein am häufigsten gebrauchtes Wort und gleichzeitig auch Satz und Rede. Damit ist einfach alles gesagt – zumindest meistens und als Leser der Geschichte kann man nur froh sein, dass der Autor den Snöfrid besser kennt als alle anderen und tatsächlich immer weiß, was der Snöfrid sagen will. Mich hat es wieder ein ums andere Mal zum Schmunzeln gebracht – zumal auch ziemlich viele andere Figuren in der Geschichte wissen, was ein Snöfrid sagen will, wenn er „Mh…“ sagt.

Unterwegs trifft er die unterschiedlichsten Wesen – einige sind ihm wohlgesonnen, andere nicht. Aber insbesondere Björn – der wunderkleine Kauz – wächst dem Snöfrid ans Herz. Er wird sein Freund! Ich finde es schön zu beobachten, wie der Snöfrid im Laufe der Geschichte immer mehr seiner EIGENTLICH doch so fest verankerten Eigenschaften ablegt, etwas Neues wagt. Ein Snöfrid ist also mutig.

Und klug ist er auch! Aus jeder Situation, in die er und Björn hinein purzeln, kommen sie auch wieder heraus. Sie sind gewitzt und sie halten zusammen. Damit ist dies auch ein Buch über ihre Freundschaft.

Schreibstil:
Andreas H. Schmachtl besticht einmal mehr durch seinen ganz eigenen Schreibstil. Er erzählt diese Geschichte dem Leser just in dem Moment, in dem sie gelesen wird. Er versetzt den kleinen und großen Leser in den Glauben, dass die Geschichte gerade jetzt in diesem Moment passiert – als wären sie mit dem Snöfrid gemeinsam unterwegs. Mir gefällt diese Art des Erzählens, sie macht neugierig und erzählt vor allem die Geschichte nicht so, als wisse der Erzähler bereits alles.

Darüber hinaus verpackt der Autor gekonnt ganz reale Begebenheiten in seiner Geschichte. Aber er erklärt sie nicht oberlehrerhaft, sondern er formuliert sie so, dass man darüber nachdenkt und vielleicht einfach beim nächsten Mal darauf achtet. Zitat S. 19 „… und flogen dabei in der für Gänse typischen Keilform. Womöglich habt ihr das schon einmal gesehen?“ Er gibt so Denkanstöße, ohne dem Leser das Gefühl zu geben, dass ihm etwas fehlen würde, wenn er es nicht weiß. Auf diese Art und Weise verpackt er viele Dinge in diesem Buch z.B. erklärt er, wie der Snöfrid erkennt, dass er im Moor unterwegs ist. Das Thema Umwelt scheint dem Autor in diesem Fall generell besonders am Herzen zu liegen und so lässt er die sehr alte, sehr weise Greta den Satz sagen Zitat S. 200 „… Aber behandeln wir die Nebelinseln gut, dann leben wir wie im Paradies.“

Wie im Vorgängerband konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass ein anderes Buch für den einen oder anderen Aspekt Pate gestanden haben könnte. Diesmal habe ich Terry Pratchet gefunden. Wie oder wo… das müsst ihr schon selbst herausfinden.

Immer wieder fasziniert es mich, wie der Autor es schafft Längen in der Geschichte zu verhindern. Wann immer die Geschichte langatmig zu werden droht, baut er geschickt Formulierungen ein um direkt in der Handlung weiter zu kommen z.B. Zitat „… Darum wollen wir sie dabei nicht stören…“ Ich mag das, denn nichts ist schlimmer, als wenn eine Kindergeschichte zu langwierig ist.

Illustrationen:
Die Bilder im Buch sind einfach schön! Sie überlagen den Text nicht und lenken deshalb nicht übermäßig ab. Jedoch sind sie treffend gesetzt, sodass sich der kleine und der große Leser einen guten Eindruck verschaffen können, welche Wesen der Autor gesehen haben mag. Darüber hinaus finden sich Illustrationen, die zum Vorgänger und Nachfolger identisch sind und somit zu einem Wiedererkennungswert der Bücher beitragen. Ich mag es, wenn man Reihen von Büchern auch optisch erkennt!

Eignung für Kinder:
Ich halte das Buch absolut geeignet für Kinder. Zunächst zum Vorlesen und später durchaus zum selbst lesen. Allerdings könnte einen sehr jungen Leser der Umfang etwas einschüchtern, weshalb Erstleser vielleicht noch Unterstützung benötigen. Spätestens ab dem 3. Lesejahr sollte das aber alles gar kein Problem mehr sein – zumal die Geschichte so geschrieben ist, dass man immer weiter lesen möchte.

Fazit:
Wenn man es wollte, könnte man in diesem Buch ganz sicher lauter wertvolle Dinge finden, die man Kindern mit auf den Weg geben möchte. Aber viel wichtiger finde ich, dass der Autor es schafft, eben diese wichtigen Dinge liebevoll in seine Geschichte zu packen und Groß und Klein in der Geschichte zu halten. Ein großartiges Buch! 5 von 5 Sternen

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Veröffentlicht am 16.02.2020

Berührende, emotional geladene Geschichte über menschliche Schicksale und Grausamkeit

Mehr als die Erinnerung
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Das Buch:
Das Buch ist in 41 nicht allzu lange Kapitel eingeteilt. Der Hauptstrang spielt im Jahr 1920, weshalb diese Jahreszahl nur über dem ersten Kapitel zu finden ist. Bei Rückblenden in die Zeit ...

Das Buch:
Das Buch ist in 41 nicht allzu lange Kapitel eingeteilt. Der Hauptstrang spielt im Jahr 1920, weshalb diese Jahreszahl nur über dem ersten Kapitel zu finden ist. Bei Rückblenden in die Zeit des ersten Weltkriegs wird dies extra kenntlich gemacht, sodass der Leser zu jeder Zeit weiß, wo er sich befindet.
Das Cover des Buches hebt sich erfreulich von den heute beinahe standardisierten für historische Romane ab. Es zeigt ein Foto, welches in die Zeit des Romans passt und schon allein deshalb neugierig macht.

Worum geht’s?
Friederike von Aalen führt gemeinsam mit ihrem Vater Dr. Meinhardt auf Gut Mohlenberg eine Einrichtung für psychisch kranke Menschen – im Volksmund Irrenkolonien genannt. Sie kümmert sich rührend um ihre Patienten und ist der Überzeugung, dass es wichtig ist, auch und gerade geistig behinderten Menschen Zuwendung und eine Aufgabe zu geben, damit diese ein lebenswertes Leben haben können. Einer ihrer Patienten ist ihr Ehemann Bernhard, mit dem sie – trotz dass er nach einer Verwundung im ersten Weltkrieg geistig behindert ist – eine tiefe Liebe verbindet.
Nach einem Mord in der Nähe von Gut Mohlenberg wird einer ihrer Patienten – Kuno Pechstein – von Mohlenberg nach Langenhagen in die geschlossene Abteilung verlegt, weil jeder glaubt, dass nur er diesen Mord begangen haben kann. Doch dann geschieht ein zweiter Mord und Friederike beginnt auf eigene Faust Fragen zu stellen und Zusammenhänge zu finden.

Charaktere:
Melanie Metzenthin gelingt es in diesem Buch die perfekte Protagonistin und den ebenso perfekten Antagonist zu erschaffen. Während mir Friederike bereits auf den ersten Seiten überaus sympathisch erschien, bewirkte Dr. Weiß mit seiner distanzierten Art genau das Gegenteil. Zwar war meine Antipathie gegen ihn noch nicht besonders stark, jedoch mochte ich ihn einfach nicht. Er ist unglaublich kalt in seinen Äußerungen. Und selbst wenn man ihm zugutehalten möchte, dass er vielleicht ein persönliches Interesse an Friederike gehabt haben könnte, so kommt selbst dieses Interesse kalt und berechnend beim Leser an.

In diesen beiden Charakteren spiegeln sich die beiden Fraktionen der damaligen Psychologie wieder. Eine Seite setzte auf Fürsorge und gute Behandlung der Patienten, die andere auf Experimente und Verschluss der Menschen. Während am Anfang der Eindruck entsteht, dass alle auf Gut Mohlenberg auf die gleichen Behandlungsmethoden setzen, wird im Laufe der Geschichte klar, dass Dr. Weiß andere, eigene Ziele verfolgt. Er erforscht die Möglichkeit der Manipulation von Menschen. Diese Forschungen – insbesondere seine eingesetzten Mittel – habe ich als so abstoßend empfunden, dass sich bis zum Ende der Geschichte in mir eine tiefe Abneigung gegen diesen Charakter entwickelt hatte.

Neben Friederike sind mir Walter Pietsch – der Neue auf Gut Mohlenberg – und Bernhard – Friederikes Mann – sehr ans Herz gewachsen. Walter wirkte anfänglich etwas ambivalent. Ich wusste nicht genau, ob ich ihn mag oder nicht. Er hatte etwas zu verbergen und das passte mir irgendwie nicht, weil ich befürchtete, dass er die heile Welt auf dem Gut durcheinander bringen würde. Dennoch wirkte er in seinen Gesprächen mit Friederike aufrichtig, was ihm wiederum meine Sympathie einbrachte.

Bernhard hingegen muss man einfach von Anfang an mögen. Obwohl sein Geist während eines Unglücks im Krieg bedauerlichen Schaden genommen hatte, blieb er ein liebenswerter Mensch, der seine Frau über alles liebte. Im Laufe der Handlung entwickelt er sich vorteilhaft und der Leser kann sich in etwa einen Eindruck verschaffen, was für ein beeindruckender Mann er einmal gewesen sein musste. Mir fiel es am Anfang sehr schwer während der Dialoge mit ihm einen erwachsenen Mann vor meinem inneren Auge zu sehen, aber je weiter seine Entwicklung positiv voran schritt, desto wahrscheinlicher wurde das für mich. Im Nachhinein habe ich gedacht, der Autorin ist hier ein echter Geniestreich gelungen… denn sie beschreibt Bernhards anfänglichen Geisteszustand wie den eines 5jährigen. Allein durch seine Handlungsweisen und Dialoge hat sie es dann jedoch geschafft, dennoch den erwachsenen Mann zu zeichnen.

Auch alle anderen Charaktere werden ebenso vor dem inneren Auge lebendig. Hier besonders der arme Kuno. Mit ihm habe ich sehr gelitten, wenngleich ich mir das Ausmaß seines Leidens gar nicht wirklich vorstellen kann.

Schreibstil:
Nachdem ich von Melanie Metzenthin bereits „Die Hafenschwester“ gelesen hatte und sie mich dort mit ihren gründlichen Recherchen und dem plastischen Schreibstil überzeugt hatte, war ich sehr gespannt auf diesen Roman. Und auch hier gelingt es ihr vortrefflich eine Umgebung zeichnen, die dem Leser authentisch erscheint. Mithilfe von vielen Details – ohne detailverliebt oder ausschweifend zu werden – schafft die Autorin ein Bild jener Zeit, die dem Leser real erscheint. Auch dass zu dieser Zeit der Stand als solcher etwas zählt, bleibt dem Leser nicht verborgen; ein Detail, das ich wichtig finde. Eine von Friederikes Patienten ist nämlich die junge Juliane, die aus einer gut situierten Familie stammt und wegen Hysterie behandelt werden soll. Diese Patienten wurden im Allgemeinen anders behandelt als jene aus dem niederen Stand.

Mit ihrem flüssigen Stil zieht einen die Autorin in ihren Roman hinein. Es gibt Erkenntnisse, Wendungen und Spannungsbögen, die es dem Leser kaum ermöglichen, das Buch zur Seite zu legen. Kurzzeitig habe ich mir die Frage gestellt, ob ich eigentlich einen Krimi oder einen Roman lese. Die Ermittlungen, die Friederike anstellt und die Zusammenhänge, die sich am Ende offenbaren, hätten definitiv das Prädikat Krimi verdient!

Historischer Hintergrund:
Melanie Metzenthin ist selbst Psychologin. Sie erzählt in ihrem Buch über „Behandlungsmethoden“ von vor 100 Jahren, die den Leser in einer Art berühren, die alle Facetten an Emotionen zutage fördern können. Das Schlimme an diesen Behandlungsmethoden ist, dass sie tatsächlich so praktiziert wurden, wie die Autorin in ihrem ausführlichen Nachwort beschreibt. So manches Mal habe ich nur dagesessen und mit dem Kopf geschüttelt über die Grausamkeit der Handlungsweisen und über die emotionslosen Äußerungen der Mediziner jener Zeit. Geistig beeinträchtigte Menschen wurden schlimmer als Vieh behandelt und nur allzu oft bekommt man als Leser den Eindruck, dass deren Leben nicht mehr wert war, als dass es zu Experimenten herhalten konnte.

Auch beschreibt Melanie Metzenthin in ihrem Nachwort ausführlich die Benennung der Krankheiten, die sich im Laufe der Zeit doch sehr verändert haben. Was er davon hält, mag jeder Leser selbst beurteilen. Ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: Die Politik von heute sollte andere Probleme haben, als die Benennung von etwas, nur damit es politisch korrekt ausgedrückt ist.

Fazit:
Wer dieses Buch liest, sollte sich emotional warm anziehen. Die Autorin zeigt ein sehr dunkles Kapitel Vergangenheit. Und das auf eine Art und Weise, der sich der Leser, steckt er erst einmal in der Geschichte drin, nicht mehr entziehen kann. Es ist ein Buch, das tief berührt und gleichermaßen erschüttert. Ein klares Must-read für alle Fans historischer Romane! 5 von 5 Sternen.

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