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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.03.2020

Ein überraschender Roman über die Freundschaft

Was wir sind
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Cate, Hannah und Lissa sind jung, engagiert und eng befreundet. Sie haben große Ziele für ihr Leben, Träume und Pläne, die sie verwirklichen wollen. Viele Jahre später sind sie erwachsen und stehen vor ...

Cate, Hannah und Lissa sind jung, engagiert und eng befreundet. Sie haben große Ziele für ihr Leben, Träume und Pläne, die sie verwirklichen wollen. Viele Jahre später sind sie erwachsen und stehen vor einem Leben, das sich ganz anders entwickelt hat. Cate lebt zusammen mit ihrem Mann und dem kleinen Tom außerhalb von London. Eigentlich sollte sie glücklich sein, doch das Kind verlang ihr viel ab, der Schlafmangel zehrt an ihr und sie fühlt sich einsam. Ihre beste Freundin Hannah hat dafür nicht allzu viel Verständnis, versucht sie doch seit Jahren verzweifelt ein Kind zu bekommen. Doch es will nicht klappen und die Sehnsucht und die zahlreichen Versuche zehren sie innerlich auf, alles droht zu zerbrechen. Und dann ist da noch Lissa, die vergeblich versucht als Schauspielerin erfolgreich zu werden und sich dabei auch einsam fühlt und unverstanden.

Alle drei haben auf irgendeine Weise mit Problemen zu kämpfen, sie fühlen sich isoliert, einsam, bestraft vom Leben. Sie wollen für ihre Freundinnen da sein und scheitern doch, da das eigene Leben im Weg zu stehen scheint. Erzählt wird die Geschichte abwechselnd von Hannah, Cate und Lissa, immer wieder durchbrochen von Rückblenden in die Jugend der drei Frauen.

Anfangs war ich mir nicht sicher, ob "Was wir sind" das richtige Buch für mich ist. Dcoch sehr schnell wurde ich eines besseren belehrt. Hope beschreibt die Emotionen so unfassbar berührend und realistisch, ich hatte das Gefühl, die drei Freundinnen schon ewig zu kennen und hätte sie am liebsten an die Hand genommen um sie vor ihren Fehlern zu bewahren. Hope schildert auf sehr direkte Art, wie das Leben ist, wie es den Menschen darin ergeht. Nicht immer ist alles Friede-Freude-Eierkuchen, manchmal hat man das Gefühl zu verzweifeln, genau wie es auch Cate, Hannah und Lissa tun. Ich war wie gefangen und habe den Roman fast an einem Stück gelesen. Als Leser hat man irgendwie Angst um die drei Frauen und hofft gleichzeitig, dass sie es schaffen, ihre Freundschaft über all die Jahre und Streiterein aufrecht zu erhalten, auch wenn es öfters Krisen zu meistern gibt.

"Was wir sind" hat mich mit seinem Tiefgang und den vielen Emotionen sehr überrascht und ich bin nun sehr froh, es gelesen zu haben!

Veröffentlicht am 15.03.2020

Aufwühlend und gewohnt brilliant

Dankbarkeiten
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Michka war eine stets unabängige und selbstständige Frau. Doch im Alter verliert sie immer mehr die Möglichkeit sich auszudrücken. Die Wörter entfallen ihr zusehends, sie findet die richtigen nicht mehr ...

Michka war eine stets unabängige und selbstständige Frau. Doch im Alter verliert sie immer mehr die Möglichkeit sich auszudrücken. Die Wörter entfallen ihr zusehends, sie findet die richtigen nicht mehr und ersetzt sie deshalb durch ähnlich klingende. Als sie dann auch noch immer öfter stürzt, muss sie in ein Altenheim ziehen, ihre einzigen Besucher sind ihre Ziehtochter Marie und ihr Logopäde Jérome. Geplagt von Alpträumen steigt ihre Angst vor der Zukunft und vollends die Kontrolle über ihre Sprache zu verlieren, bevor sie ihren letzten Wunsch umsetzen konnte. Sie wurde als kleines Mädchen von einem ihr unbekannten Ehepaar versteckt und beschützt, doch sie hatte nie die Gelegenheit ihnen zu danken. Dieses Versäumnis nagt sehr an ihr und setzt ihr merklich zu.

Delphine de Vigan hat mit "Dankbarkeiten" wieder ein sehr berührendes Buch geschaffen. Es gelingt ihr meisterhaft auf nur wenigen Seiten ein Gefühl beim Leser entstehen zu lassen. Mit jedem Wort, jedem Satz zerreist mein Herz ein bisschen mehr. Michka verliert nach und nach die Kontrolle, sie hat Angst und versucht alles mögliche um sich ein selbstbestimmtes Ende zu ermöglichen. Der Leser verfolgt Michkas Weg bis zum Ende, ihre Verzweiflung war für mich greifbar und innerlich spürbar. Sie hat mich zutiefst berührt, die tiefe Leere die sich in ihr ausbreitet hat mich zu Tränen gerührt. Auch Marie und Jérome fand ich tief berührend. Ihr Versuch, die alte Frau aufzumuntern, ihr ihre Sprache zurückzugeben und wie sie sich um sie Sorgen. Sie haben eigene Dinge zu bewältigen und fühlen sich doch irgendwie mit Michka verbunden, sie hat einen Platz in ihrem Herzen erhalten.

Delphine de Vigan hat einen einzigartigen Schreibstil, kein Autor/keine Autorin berührt mich mit ihren Büchern so sehr wie sie. Mit nur wenigen Worten schreibt sie sich in mein Herz und nach nur einer Seite nehmen mich ihre Geschichten gefangen. Nie behandelt sie einfache Themen und auch hier sind Themen wie das Vergessen, nicht bewältigte Situationen aus der Vergangenheit, verpasste Möglichkeiten, vertane Chancen keine einfache Kost. Doch de Vigan meistert diese so gekonnt, dass trotz all der Trauer, diebeim Leser aufkommt, die Verzweiflung nie die Oberhand gewinnt. Trotz allem wird auch Hoffnung vermittelt, dass am Ende alles gut ausgehen kann. Auch wenn Michka zunehmend resigniert, gelingt es ihr zu hoffen, dass sie ihr letztes Danke noch aussprechen kann.

"Dankbarkeiten" ist ein Appell Danke zu sagen. Danke für Kleinigkeiten, Danke für Wichtiges, Danke für Unwichtiges, ein Danke das man wirklich so meint, das einen mit anderen verbindet und das es einem ermöglicht am Lebensende vielleicht zufrieden auf die Vergangenheit blicken zu können. Es ist ein unglaublich menschliches Buch, das trotz schwieriger Themen den Leser zum Lachen bringt ohne zu gewollt zu wirken. Es ist ein einzigartiges Buch, berührend, emotional und gewohnt brilliant geschrieben.

Veröffentlicht am 20.02.2020

Wenn der Glaube lauter schreit als die Vernunft

Ein wenig Glaube
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Peg und Lyle haben lange verzweifelt versucht ein weiteres Kind zu bekommen, nachdem ihr erster Sohn kurz nach der Geburt gestorben ist. Sie hatten schon fast aufgegeben, als sie die Möglichkeit bekamen ...

Peg und Lyle haben lange verzweifelt versucht ein weiteres Kind zu bekommen, nachdem ihr erster Sohn kurz nach der Geburt gestorben ist. Sie hatten schon fast aufgegeben, als sie die Möglichkeit bekamen ein Baby zu adoptieren, Shiloh die fortan ihre Tochter ist. Mittlerweile sind Peg und Lyle im Rentenalter und die Beziehung zu ihrer Tochter ist oftmals angespannt. V.a. seit Shiloh wieder zu ihren Eltern gezogen ist, zusammen mit ihrem Kind Isaac. Peg und Lyle lieben Isaac über alles und freuen sich, ihre Familie wieder um sich zu haben und ein bisschen frischen Wind in ihr Leben zu lassen. Doch ihr Leben wird immer stärker von Sorgen überschattet. Nicht nur, dass sich Shiloh einer sehr radikalen Glaubensgemeinschaft angeschlossen hat, die sie immer mehr vereinnahmt und von ihren Eltern entfremdet. Dann wird auch noch bei Lyles bestem Freund Hoot Krebs im Endstadium diagnostiziert, was Lyle aus der Bahn zu werfen droht.

In letzter Zeit finde ich Geschichten über andere Glaubensgemeinschaften, Sekten etc. sehr interessant. Solche Bücher geben neue Blickwinkel und regen mich v.a. zum Nachdenken an. Als ich mit "Ein wenig Glaube" angefangen habe, war ich mir jedoch zunächst nicht sicher, ob das was wird, da Butler einen sehr detailreichen Schreibstil hat, was oftmals zu viel sein kann. Hier jedoch hat es immer genau das richtige Maß getroffen, ich habe mich nie gelangweilt beim Lesen. Ganz im Gegenteil, Butler schafft es auf sehr berührende Weise, die Figuren aufleben zu lassen und sie in ihrer Umgebung zu verankern. Der Detailreichtum seiner Erzählung und die ausschweifenden Beschreibungen können einen im ersten Moment abschrecken haben am Ende aber genau zu der geshcichte gepasst und sie zu dem gemacht, was sie ist. Es passiert bis ins letzte Vierteil auch eigentlich gar nicht so viel, es ist eher der Alltag den wir erleben, die Liebe von Peg und Lyle zu ihrer Tochter und ihrem Enkelkind, ihre Verzweiflung, die Veränderungen mitansehen zu müssen, ohne etwas tun zu können und schließlich auch die Sorge um Hoot. V.a. letzteres hat mich tief getroffen, denn Butler schildert die Krankheit sehr realistisch. Auch die Überlegungen die in so einer Situation unweigerlich aufkommen, ob es sich lohnt, eine Behandlung anzustreben oder ob man doch lieber die letzten Tage mit seinen Liebsten genießen soll. Lyles Verzweiflung wurde immer deutlich spürbar, auch seine alte Trauer und der Schmerz über den Verlust seines Sohnes, der ihn auch vom Glauben abgebracht hat.

Obwohl es nicht nur darum geht, nimmt der Glaube in diesem Buch natürlich eine sehr große Rolle ein, schwebt er doch über allem anderen. Man fragt sich als Leser selbst, was man in solchen Situationen tun würde, ob man selbst glauben kann an etwas Größeres, an eine höhere Macht. Aber man fragt sich auch, was passieren muss, dass man sich einer solchen Sekte, wie sie hier beschrieben ist, anschließt. Wie es sein kann, dass man sich so im Glauben verliert, dass die Vernunft ausgeschaltet wird. Wie es sein kann, dass man an so etwas wie Gesundbeten oder andere Praktiken glaubt und dabei sogar das Leben anderer Menschen riskiert. Wie man als Mutter so blind sein kann gegenüber den Schmerzen seines eigenen Kindes. Wie man sich als Frau so dem Mann unterordnen kann und dabei sogar seine eigene Persönlichkeit aufgibt. Und wie es sein kann, dass man es zulässt, dass der eigene Glaube die Familie entzweit, nur weil nicht jeder dort den gleichen starken Glauben hat wie man selbst.

"Ein wenig Glaube" ist aber auch ein Familienroman und der Zusammenhalt von Peg und Lyle aber auch von ihren Freunden hat mir sehr imponiert. Sie sind füreinander da, auch wenn es mal nicht gut läuft und stehen stets mit Rat und Tat zur Seite - selbst mitten in der Nacht oder wenn sie gar nicht wissen, was eigentlich los ist. Sie sind einfach da, damit der andere nicht alleine sein muss mit seinen Gedanken. Auch diese Zuneigung und Liebe hat Butler wunderbar beschrieben und man kann sie als leser förmlich fühlen. Alle Figuren fand ich sehr glaubwürdig, selbst, wenn manche nur am Rande auftauchen. Sie haben das Gesamtkonstrukt perfekt ergänzt.

Fazit: Butler hat mit "Ein wenig Glaube" ein tolles Buch geschaffen, dem ich viele leser wünsche. Es lenkt den Blick des Lesers auf andere Glaubensgemeinschaften und bringt ihn zum Nachdenken. Das Buch basiert auf einer wahren Begebenheit, was es noch viel eindringlicher gemacht hat für mich.

Veröffentlicht am 13.01.2020

berührend, poetisch, ein Buch das sich zu lesen lohnt

Auf Erden sind wir kurz grandios
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Ein Junge erzählt seine Geschichte und kommt dabei nicht umhin auch die Geschichte seiner Mutter und seiner Großmutter zu erzählen. Beide Frauen sind Überlebende eines Krieges, traumatisiert, fremd in ...

Ein Junge erzählt seine Geschichte und kommt dabei nicht umhin auch die Geschichte seiner Mutter und seiner Großmutter zu erzählen. Beide Frauen sind Überlebende eines Krieges, traumatisiert, fremd in einem Land in das sie fliehen mussten, das sich aber nicht wie zu hause anfühlt. Die Kindheit des Jungen ist geprägt von Gewalt, denn die Mutter kennt nichts anderes. Es tut ihr Leid, doch sie weiß nicht, wie sie sich anders verhalten soll, die Gewalt und das Trauma sind zu tief in ihr verwurzelt. Doch der Junge verzeiht ihr jedes Mal aufs Neue, versteht sie einerseits, er hat gelernt mit der angespannten Situation zu Hause zu leben. Doch er wächst auch in Amerika auf, verliebt sich das erste Mal - in einen Jungen. Nichts, womit er zu seiner Mutter gehen könnte. Und auch diese Liebe ist geprägt von Unterwerfung und Schmerzen, doch auch hier nimmt er sie gerne auf sich. All seine Gefühle fasst er in diesem Brief an seine Mutter zusammen, versucht ihr zu erklären, wie es für ihn war so aufzuwachsen, was er empfunden hat, von seinen Träumen und Ängsten. Doch er schreibt diesen Brief auch für sich, denn er weiß, dass seine Mutter ihn niemals lesen wird.

Ocean Vuong hat einen unglaublich tollen Schreibstil. Seine Sätze sind durchwirkt von Poesie und treffen dabei die Dinge doch auf den Kopf, skizzieren Situation messerscharf. Selten habe ich mir in einem Buch so viele Stellen markiert. Manche bringen mich zum Weinen, manche zum lachen aber alle berühren mich im Innersten, lassen mich fühlen und spüren. Man sollte meinen, dass der Junge wütend auf die beiden Frauen in seinem Leben ist, doch das ist nicht der Fall. Viel eher sind seine Gefühle durchwirkt von Liebe und Zugehörigkeit, die ihn diesen Brief schreiben lassen. Nicht um andere bloszustellen oder zu kränken sondern um seiner Liebe Ausdruck zu verleihen und ihnen zu zeigen, dass er versteht. "Auf Erden sind wir kurz grandios" ist ein leises, behutsames Buch aber es ist auch laut und schlägt zu. Es ist alles und nichts, ein Brief, eine Liebeserklärung, eine Aufarbeitung von erlebtem, eine Tragödie, es ist so vieles.

"Auf Erden sind wir kurz grandios" - ein Buch das noch lange nachwirkt, das man nicht so leicht vergisst und das mich mit seiner grandiosen Sprache gefesselt hat.

Veröffentlicht am 12.01.2020

emotionaler Bericht

Die Wand
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Die namenlose Erzählerin will mit ihrer Cousine und deren Mann ein Wochenende in den Bergen verbringen. Doch als die beiden von einem Ausflug nicht zurück kehren, stellt die Erzählerin fest, dass plötzlich ...

Die namenlose Erzählerin will mit ihrer Cousine und deren Mann ein Wochenende in den Bergen verbringen. Doch als die beiden von einem Ausflug nicht zurück kehren, stellt die Erzählerin fest, dass plötzlich eine unsichtbare Wand aufgetaucht ist, hinter der die Zeit stehen geblieben scheint und kein Leben mehr existiert.

Es beginnt alles mit dem Entdecken der Wand. Die Erzählerin ist zunächst schockiert, doch sieht sie die Situation nur als vorrübergehend an und versucht sich zu arranchieren. Dies hält sie in ihrem Bericht mit einer sehr nüchternen, fast schon emotionslosen Sprache fest. Es beginnt als eine schlichte Dokumentation ihres Alltags. Doch mit jedem Tag, der vergeht, wird der Bericht emotionaler, sowohl für die Erzählerin als auch für den Leser. Haushofer hat eine wundervolle Art, Dinge und Umgebungen zu beschreiben, sehr bildhaft, poetisch, den Leser berührend. Die Erzählerin beginnt ihr Leben zu überdenken, Vergangenes zu reflektieren, sich Gefühle einzugestehen. Ihr Namen und ihr Aussehen verlieren immer mehr an Bedeutung, sie droht sich zu verlieren und wird nur durch die Gesellschaft ihrer Tiere aufgefangen und am Leben gehalten. Die Einsamkeit und Abgeschiedenheit beginnt sie zu verändern und diese Veränderung, ihre Gedanken und Gefühle beschreibt Haushofer auf eine sehr eindringliche, berührende Weise. An vielen Stellen habe ich mich wiedererkannt, vieles konnte ich nachvollziehen. "Die Wand" lässt mich nachdenken über so vieles, denn Haushofer hat eine sehr zeitlose Geschichte geschaffen, die auf die heutige Gesellschaft erstaunlich gut übertragbar ist.

Fazit: Das Buch beginnt als nüchterner Bericht, doch steigert sich rasch zu einem emotionalen soghaften Tagebuch, das den Leser mitnimmt hinter die Wand und dort festhält. Eindringlich, aufwühlend und schonungslos schildert Haushofer, wie die Einsamkeit mit einem Menschen verändern kann ohne dabei viel an Handlung zu brauchen.