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Veröffentlicht am 12.04.2020

"Das Zeitalter der Frauen bricht an..."

Die Frauen vom Alexanderplatz
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Berlin kommt Ende 1918 nicht zur Ruhe. Gerade ist der erste Weltkrieg beendet worden, der unvorstellbares und schreckliches Leid über die Völker gebracht hat. Und noch hält die Novemberrevolution die Menschen ...

Berlin kommt Ende 1918 nicht zur Ruhe. Gerade ist der erste Weltkrieg beendet worden, der unvorstellbares und schreckliches Leid über die Völker gebracht hat. Und noch hält die Novemberrevolution die Menschen in Atem, in deren Folge das deutsche Reich zu einer Republik geworden ist. Die instabile Regierung hat die Lage nicht im Griff. Aufruhr, andauernde Scharmützel und Straßenschlachten, in denen quasi jeder gegen jeden kämpft, lösen weiteres Chaos aus.

In dieser Zeit trifft die junge Fritzi in der Großstadt ein. Die Tochter eines Müllers aus Rieseby in der Nähe von Eckernförde ist auf der Suche nach Benno, dem Vater ihrer Tochter Christel. Vier Jahre lang hatte sie darauf gehofft, dass ihre Jugendliebe wieder heimkehrt. Nun will sie nicht länger warten und ihm nach all der Zeit offenbaren, dass er Vater ist und sie heiraten soll.

Als sie Benno endlich findet, ist dieser gar nicht begeistert. Der Matrose hat auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg Unterschlupf bei Vera gefunden und sich in die Schneiderin verliebt. Vera trägt die Verantwortung für Familie und Haushalt, auf ihren Schultern lastet nach dem Tod des Vaters allein die Sorge für die Mutter, bis ihr Bruder Georg aus dem Krieg zurückkehrt und sie die Werkstatt erneut eröffnen können. Als Georg dann in der Tür steht, erschrickt Vera über die Veränderung des jungen Mannes.

Fabrikantentochter Hanna hat andere Pläne als ihre Familie. Nach vier Jahren, die sie als Hilfsschwester in Kriegslazaretten arbeitete, möchte sie jetzt Schwester "mit allem Drum und Dran" werden. Zwar entschädigt ihr gutes Verhältnis zum Vater, der bislang stets ihr einziger und mächtigster Verbündeter ist, sie für die fehlende Zuneigung ihrer Mutter Irene, aber ob er auch ihren Wunsch nach Selbstverwirklichung ohne einen Ehemann verstehen wird, ist fraglich. Und ob er gar die Liebe seiner Tochter zu einer Frau akzeptiert, mehr als unwahrscheinlich...


„Das Zeitalter der Frauen bricht an..“ (Seite 151)

Mit „Die Frauen vom Alexanderplatz“, wobei sich der Titel als unpassend gewählt entpuppt, beleuchtet Elke Schneefuss das Schicksal von drei jungen Frauen unterschiedlicher sozialer Herkunft, die im Angesicht des Endes des ersten Weltkriegs, der Novemberrevolution und der Auswirkungen dieser gesellschaftlichen Umbrüche ihr Leben mehr oder weniger selbst in die Hand nehmen und auf der Suche nach Erfüllung und eigenem Glück sind und dabei Hindernisse und Niederlagen Hindernisse überwinden müssen.

Die Einbindung des historischen Hintergrundes ist sicher und äußert sich in Momentaufnahmen, die dem Geschehen eine gewisse Würze geben und es möglich machen, die Menschen im Wandel der Zeit zu begleiten. Dabei gibt die Autorin bei der Schilderung in drei abwechselnden Erzählsträngen ihren Heldinnen Hanna, Vera und Fritzi, die sich bis auf eine Ausnahme niemals begegnen, den nötigen Raum der Entfaltung, wenngleich hierdurch bisweilen die Intensität, besonders bei der Darstellung von Emotionen verlorengeht. Wiederholungen in Gedankengängen und Dialogen wirken zudem gelegentlich angestrengt, seien allerdings verziehen, da die Autorin ansonsten mit ihrem lebendigen Schreibstil gut unterhält.

Alle Frauen vereint, dass sie sich nicht mehr an die überkommende Moralvorstellungen und Konventionen halten und die ihnen als weibliche Person gesetzten Grenzen sprengen oder überschreiten wollen.

Mit bewundernswerter Geduld und ebensolchem Geschick, vielleicht auch beschwerlicher Hartnäckigkeit verfolgt Hanna mutig und konsequent ihren Traum vom Ergreifen eines medizinischen Berufes und der Erfüllung ihrer Liebe zu Cora.

Vor allem ihre Vera lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen und ist nach anfänglichem Zögern sehr couragiert, nachdem ihr Bruder heimgekehrt. Georg ist im Krieg ein anderer geworden, der Wandel, den er durchgemacht hat, ist katastrophal. Mitten in einem Gebiet, in dem jede Menge Kommunisten und Sozialisten wohnen, agieren er und seine Männer von der Reichswehr und gefährden Hab und Gut und Leben der Menschen.

Fritzis Leben im Dorf als ledige Mutter ist kein Zuckerschlecken. Die Leute schneiden sie, es wird viel getratscht. Sie möchte dem Gerede ein Ende bereiten und eine „ehrbare“ Frau werden. Moralisch ist sie im Recht. Doch schmerzhaft begreift sie, dass Benno nicht mehr der Mann an ihrer Seite sein wird, weil man Liebe nicht erzwingen kann. Indes findet sich das Glück manchmal unerwartet an anderer Stelle…

Elke Schneefuss' „Die Frauen vom Alexanderplatz“ ist als beispielhafte Lektüre für den Aufbruch dreier Frauen in einer neuen Zeit durchaus zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Die Aschebringerin

Die Aschebringerin: Sprung zwischen den Welten
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In der Zukunft des Jahres 2450 ist die Erde nur noch traurige Vergangenheit, und die Menschheit hat sich vor zweihundert Jahren nach der Zerstörung der Erde durch einen Asteroidenschauer in einer weit ...

In der Zukunft des Jahres 2450 ist die Erde nur noch traurige Vergangenheit, und die Menschheit hat sich vor zweihundert Jahren nach der Zerstörung der Erde durch einen Asteroidenschauer in einer weit entfernten Galaxie eine neue Heimat suchen müssen. Aber das Leben auf dem künstlich erschaffenen Planeten Alpha bedarf einiger Anstrengungen. Um die Bevölkerung versorgen zu können, muss die zum Überleben wichtige Energie von den benachbarten 23 Monden geholt werden, die dort in Generatoren gespeichert wird. Der „Transport“ geschieht durch das Öffnen von Portalen, und die sogenannten Portalläufer kommen ins Spiel. Eine von ihnen, die zu den besten ihres Faches gehört – ist Yashira Willow. Sie besitzt das Portalsprung-Gen, und wenn sie im Wettkampf startet, ist der Erfolg vorprogrammiert.

Doch während des Portal-Running-Championships Finale, das über die Top Ten des Jahres entscheiden soll, geht alles schief. Yashira, die nie auf dem Mond Epsilon hätte „landen“ sollen, rettet sich und dem (wie sich später herausstellt) seit drei Jahren verschollenen Portalläufer Riley Chase gerade noch so das Leben, bevor der Mond in einem Feuer verglüht. Was folgt erscheint wie ein böser Traum, ist indes bittere Realität: Yashira wird von der umjubelten Sportlerin zur gesperrten Außenseiterin. Die Begründung: Sie hätte Riley nicht mit durch das Portal ziehen dürfen. Allein ihr neuer Name „Aschebringerin“, der Tatsache geschuldet ist, dass sie bei ihrer Rückkehr von Epsilon allein mit Ascheflocken des zerstörten Mondes in den Händen durch das Portal zurückkehrte, bleibt ihr.

Als wäre das nicht schon schlimm genug, steckt Yashira bald in ernsten Schwierigkeiten. Nach ihr wird gefahndet, weil sie erschütternden und furchtbaren Wahrheiten auf der Spur ist. Sie muss fliehen und ihre Heimat verlassen. Zusätzlich verunsichern sie ihre Gefühle für Riley und die Frage, ob sie ihm trauen kann.


„Der Pfeil bin ich, Yashira Willow, die Aschebringerin. Einst Weltenspringerin, Goldbringerin, beste Portalläuferin seit der zweiten erdgeschichtlichen Stunde null. Früher gefeiert, geliebt, bejubelt – heute gehasst, gejagt, verstoßen.“

Mit „Die Aschebringerin. Sprung zwischen den Welten“ legt P. J. Ried ein ambitioniertes Debüt vor, das mit einem kühnen und abenteuerlichen Geschehen punktet. Die Menschen, durch eigenes Verhalten gezwungen, die Erde zu verlassen, haben sich in einer anderen fernen Galaxie die Möglichkeit gesucht, weiter zu existieren. Geschaffen haben sie Alpha, umgeben von 23 Monden.

An sich ist die Idee der Kolonialisierung fremder Planeten nicht neu. P. J. Ried offeriert einen in den Grundzügen durchdachten Hintergrund und eine individuelle, außergewöhnliche Handlung bei sich steigender Erzähldynamik. Dabei greift die Autorin unterschiedliche Thematiken auf und bringt zum Beispiel Ablehnung und Konfrontation mit Andersartigen und Andersdenkenden, Radikalität und Manipulation zur Sprache und zieht hieraus eine imposante Dramatik, wenngleich die Gewichtung schwankend ist: Teilweise beschäftigt sich die Autorin damit sehr intensiv, andererseits wird bei vielerlei Dingen nur an der Oberfläche gekratzt. An dieser Stelle zeigen sich dann auch die Schwächen der Geschichte. Leider ist nämlich die Anzahl der Monde, die zusammen mit dem Planeten Alpha ihre Bezeichnung den Buchstaben des griechischen Alphabet verdanken, mit 23 zu hoch. Weniger hätten gut getan, zumal sich die Beschreibungen verständlicherweise lediglich auf einige Monde konzentrieren. Die Chance, in die Tiefe zu gehen, wurde so bedauerlicherweise etwas verschenkt.

Vereinzelt gilt das auch für die Figuren, obwohl positiv hervorgehoben werden soll, dass die Autorin für die Nebenrollen ihre Fantasie spielen lassen und unterschiedliche Charaktere kreiert hat.

Im Mittelpunkt steht vor allem Yashira. Das Geschehen bekommt durch die Schilderung aus ihrer Sicht eine sehr persönliche Note. Die engagierte und strebsame Sportlerin verliert von einem Tag auf den anderen ihr Ziel. Außerdem wird sie komplett aus ihrem bisherigen Leben gerissen und gezwungen, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. P. J. Ried findet einen gelungenen Weg der Darstellung und zeichnet ein umfassendes Bild ihrer Protagonistin. Daneben werden die romantischen Empfindungen, die Yashira für Riley zu entwickeln beginnt, nachvollziehbar und in einer zurückhaltenden, nicht in den Vordergrund drängenden Art vermittelt. Wobei die Autorin Yashira und damit auch den Leser im Unklaren lässt, ob Riley die Gefühle erwidert.

Überhaupt wirkt Riley durch die spärlichen Informationen, die die Autorin präsentiert, sehr geheimnisvoll und mysteriös, was einen besonderen Reiz ausmacht.

„Die Aschebringerin. Sprung zwischen den Welten“ entpuppt sich als motiviert geschriebenes Zukunftsabenteuer mit einer energischen Heldin, die sich selbst treu bleibt.

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Veröffentlicht am 31.03.2020

Blüte der Ewigkeit

Die Jahresprinzessin 1: Blüte der Ewigkeit
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„Ich habe meine Wahl getroffen. Marlowe, Mensch des Sommerlandes seit neun Jahren und Ziehtochter einer Ewigen, ist die Jahresprinzessin.“ Als die Königin des Sommerlandes diese Worte ausspricht, erfüllt ...

„Ich habe meine Wahl getroffen. Marlowe, Mensch des Sommerlandes seit neun Jahren und Ziehtochter einer Ewigen, ist die Jahresprinzessin.“ Als die Königin des Sommerlandes diese Worte ausspricht, erfüllt sich für Marlowe, einen sogenannten Wechselbalg, die mit acht Jahren aus der Welt der Menschen gerettet wurde und bei ihrer Ziehmutter Anrile in einem kleinen Weiler zu Hause ist, ein Traum. Alle zehn Jahre wird ein Menschenmädchen zur Jahresprinzessin gekrönt, opfert für dieses eine Jahr ihre Zeit und erhält damit den Frieden und die Schönheit des Sommerlandes aufrecht. Denn das Sommerland ist ein Paradies, in dem die Zeit mehr oder weniger still steht und deren Bewohner, die Ewigen, nicht altern.

Für ein Jahr lebt Marlowe in der Hauptstadt im für sie eindrucksvollen Palast in purem Luxus. Doch so glänzend und prächtig wie die Gewänder, in die das junge Mädchen von nun an gekleidet wird, ist das Dasein tatsächlich nicht. Vielmehr vergehen die Monate im Fluge, ohne dass Marlowe sich erinnern kann, was mit ihr geschieht. Verwirrung und Gedächtnislücken beschäftigen sie. Verschiedene Ereignisse, unter anderem Übergriffe des Prinzen, lassen sie zweifeln. Sie gerät mitten hinein in einen Strudel von Verschwörungen, Geheimnissen, trügerischem Schein, einen gefährlichen Kampf um Leben und Tod. Sie lernt die Liebe kennen und weiß indes nicht, ob sie am Ende all das überdauert...


Leni Wambach hat in "Blüte der Ewigkeit", dem ersten Band ihrer Dilogie "Die Jahresprinzessin unter Verwendung zahlreicher detailsicherer Bilder die vielfältige Welt Avalun geschaffen, in der neben den Ewigen und den menschlichen Wechselbälgern auch noch weitere Völker wie die Fae und die Eddelin, die die Edla, die rätselhafte Magie Avaluns beherrschen, existieren. Auf den ersten Blick scheint insbesondere das Sommerland der Ewigen ein wundervolles Paradies zu sein. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart jedoch eine Düsternis, die das nahezu perfekte Sommerland in Frage stellt und nicht nur für die Protagonisten der Geschichte zur Falle wird...

Die angenehme Art des Erzählens, die zeitgemäß und jugendlich ist und bei der die Fantasie angeregt wird, dürfte Ältere gleichermaßen ansprechen. Deshalb ist es zu verzeihen, dass sich ab und an ein paar Längen eingeschlichen haben. Davon einmal abgesehen, gelingt es der Autorin sehr gut, wichtige Themen wie Gewalt, Krieg, Fremdenhass und sexuelle Übergriffe kritisch anzusprechen.

Ihre Charakterzeichnung der verschiedenen Figuren ist ebenfalls bemerkenswert.

Leni Wambachs Heldin Marlowe, ein Menschenkind, ist von sympathischer Wesensart. Im Gegensatz zu ihr ahnte ich von Anfang an, dass im vermeintlichen Paradies einiges im Argen liegt. Die Erfahrung muss die Jahresprinzessin erst noch machen, und wie sie dies tut, ist stimmig beschrieben. Anfänglich verträumt, naiv-unkompliziert und schüchtern entwickelt Marlowe sich zu einer verständnisreichen, hinterfragenden, immer sicher werdenden Persönlichkeit, die versucht, sich in einem Gewirr aus Geheimnissen zurechtzufinden und zu begreifen, dass diese nicht nur für ihre Feinde, sondern ebenso für Freunde bedeutungsvoll sind.

Besonders gefallen hat mir, dass sich Leni Wambach für eine romantische Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen entschieden hat, es ihrem gleichgeschlechtlichen Liebespaar aber auch nicht einfacher macht. Marlowe trifft auf Charis, eine Eddelin-Kriegerin, die neun Jahre in einen komaähnlichen Schlaf fällt und die dann für ein Jahr erwacht, wenn die Königin des Sommerlands sich auf die Suche nach ihrer Jahresprinzessin begibt. Sie ist enorm willensstark und fähig, sich im Kampf zu behaupten, allerdings hinsichtlich der Offenlegung ihrer Empfindungen und dem Eingehen emotionaler Bindungen sehr zurückhaltend. Vielleicht schrammt die Autorin hier angesichts der Eigenschaften am Rande des Klischees vorbei. Im Verlauf der Handlung verschwimmen hingegen die Konturen, und es ist wunderbar zu sehen, wie sich Marlowe und Charis einander annähern, an- und zugleich abstoßen. Die Darstellung der Gefühlswelt beider Protagonistinnen, die glaubhaft agieren in ihrem Verlangen, ihrer Unsicherheit und ihrer Hingabe wird mit Empfindsamkeit vermittelt.

Leni Wambach überrascht am Ende mit einem ergreifenden Finale, das mich betroffen und bange zurücklässt, so dass ich auf die Fortsetzung unbedingt hoffe.

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Veröffentlicht am 13.03.2020

Wie viele willst du töten

Wie viele willst du töten
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Ellery Hathaway ist Polizistin im verschlafenen Woodbury. Ihre Entscheidung, dort zu leben, kommt nicht von ungefähr. Vor vierzehn Jahren wurde sie vom Serienmörder Francis Michael Coben verschleppt und ...

Ellery Hathaway ist Polizistin im verschlafenen Woodbury. Ihre Entscheidung, dort zu leben, kommt nicht von ungefähr. Vor vierzehn Jahren wurde sie vom Serienmörder Francis Michael Coben verschleppt und sollte sein siebzehntes Opfer werden. Sie ist die einzige, die dessen Grausamkeiten überstanden hat und gerettet werden konnte.

Als innerhalb von drei Jahren jedes Mal um ihren Geburtstag herum Menschen aus der Stadt verschwinden, und sie Glückwunschkarten erhält, befürchtet Ellery, dass – obwohl sie ihren Vornamen und ihre Haarfarbe änderte – jemand ihr Geheimnis kennt und dass auch zwischen den Entführungen ein Zusammenhang bestehen muss. Gehör findet sie bei ihrem Vorgesetzten nicht, zumal von den vermissten Personen keinerlei Spuren zu finden sind. Nun naht wieder ihr Geburtstag, und Ellie vermutet, dass es eine erneute Entführung geben wird. Sie wendet sich an Reed Markham, jenem Special Agent des FBI, der sie damals aus ihrem Gefängnis, einem Wandschrank, befreit und somit gerettet hat, dem sie vertraut und ebenso zutraut, sie zu unterstützen, mit seinem Fachwissen die Wahrheit aufzudecken.



Joanna Schaffhausen überzeugt in “Wie viele willst du töten” mit einer gut ausgearbeiteten Geschichte, die atmosphärisch dicht, aber auch mit Düsternis erzählt wird und geschickt aufgebaut ist. Während wir zu Beginn gemeinsam mit einer unbekannten Person aus der Entfernung die Entführung beobachten, hält sich die Autorin im Verlauf des Geschehens mit detaillierten Angaben zurück. Lediglich die Fakten, dass Ellery, die einst Abigail hieß, verschleppt und gefoltert wurde, legt sie offen. Was genau der Serienmörder Coben ihr angetan, was sie so verändert hat, bleibt wage, rätselhaft und im Dunkeln. Weiter wissen wir nur, dass sie gerettet wurde. Doch wurde sie das wirklich? Wir sehen die Narben an ihren Handgelenken und ahnen, dass die Realität dessen, was passiert ist, außerordentlich erschütternd sein muss und bekommen Spielraum für eigene Interpretationen, inwieweit sich die Ereignisse vor vierzehn Jahren auf Ellies geistige Gesundheit ausgewirkt haben.

Ellery ist verschlossen und zurückhaltend, von ihrer Vergangenheit weiß hier in Woodbury niemand etwas. Sie scheut Kontakte außerhalb der Arbeit und pflegt ledigleich wenige Beziehungen, wie die zu Bump, ihrem Hund, und einem Mitarbeiter des Tierheims, aus dem Bump stammt.

Trotz ihrer unzweifelhaft wegen des in der Jugend erlittenen Schicksals vorhandenen psychischen Probleme ist die junge Frau eine glaubwürdige Heldin, die ihre Dämonen der Vergangenheit in ihrem stillen einsamen Haus mit den zugenagelten Wandschränken hartnäckig in Schach zu halten versucht. „Sie ist wie eine Soldatin, die aus dem Krieg heimgekehrt ist… Sie ist stark. Angeschlagen. Erstaunlich witzig, wenn sie sein will.“ (Seite 143)

Reed Markham ist nach all den Jahren immer noch stolz darauf, dass er Ellie aus Cobens Fängen befreien konnte. Indes die Gegenwart sieht eher traurig aus. Seine Ehe ist gescheitert und nach einem fehlerhaften Profiling mit fatalen Folgen wurde er beurlaubt. Seine Unsicherheit, wieder zu versagen, verbirgt er, will er Ellie - auch wegen ihrer besonderen Beziehung – helfen und zugleich erfahren, was aus ihr geworden ist.

Schnell wird klar, dass viele Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Die Jagd nach dem Killer, die Geheimnisse und verschiedenen Möglichkeiten weiß Joanna Schaffhausen wendungsreich und mit langsam, stetig ansteigendem Spannungsbogen in Szene zu setzen.

"Wie viele willst du töten" erweist sich als faszinierende komplexe psychologische Studie, die sich vor allem auch einmal mit den Auswirkungen eines Verbrechens beschäftigt.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

Die Nacht der fallenden Sterne

Die Nacht der fallenden Sterne
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Bei "Die Nacht der fallenden Sterne" von Jennifer Alice Jager fiel mir zuerst das Cover auf. Sein blauer Grundton ist einfach magisch. Genauso wie die Geschichte, die dahinter steckt, meiner Liebe zu Märchen ...

Bei "Die Nacht der fallenden Sterne" von Jennifer Alice Jager fiel mir zuerst das Cover auf. Sein blauer Grundton ist einfach magisch. Genauso wie die Geschichte, die dahinter steckt, meiner Liebe zu Märchen eine neue Facette hinzugefügt hat...

Als zukünftige Regentin des Inselreiches Havendor, dessen Himmel stets wolkenfrei und mondbeschienen und das voller wundersamer und magischer Legenden ist, wächst Luna Lightgrow behütet auf und wird von ihrem Vater auf ihre kommende Aufgabe vorbereitet, den silbernen Thron als Vorsitzende des Parlaments der Zwölf Familien zu besteigen.

Doch eine Revolte der Familie Hallender ändert unerwartet Lunas Leben und ihre Zukunft. Und auch die Sterne, die vom Himmel fallen und zu Kriegern der Mondkönigin werden, kennen nur ein Ziel: Luna. In ihrer höchsten Not findet sie dort Freunde und Helfer, wo sie es nie vermutet hätte, und sie muss sich mit einem Mann verbünden, dessen Familie ihr Ende herbeiführen will. Kann sie Hayes Hallender wirklich vertrauen?


Jennifer Alice Jager adaptiert in „Die Nacht der fallenden Sterne“ das Grimmsche Märchen vom Sterntaler und reichert dieses mit fantastischen Elementen an. Sie kreiert eine neue Welt und stattet sie mit ausführlichen und anschaulichen Details aus, die verständlich und durchaus vergleichbar mit realen sind. Havendor ist eine Klassengesellschaft, in der die privilegierten Magnaten die Macht inne haben, über Wohlstand und Reichtum verfügen, während die Thrall, die arbeitende Bevölkerung, in Armut lebt.

Das Geschehen vermittelt uns Luna aus ihrer Sicht, wodurch die Ereignisse besonders von ihren Gefühlen geprägt sind. Der Erzählton ist angenehm und mühelos, enthält ebenso märchenhafte Poesie, allerdings verhätschelt die Autorin den Leser auch nicht, wenn sie die Geschichte von Macht und Intrigen, Hass und Neid, Selbstbestimmung und Manipulation, Liebe und Freundschaft, Hoffnung und Magie schildert. Der Verlauf weist einen ordentlichen Spannungsbogen auf, der kontinuierlich gesteigert wird. Allein das Ende wirkt etwas abrupt.

Gelungen ist der Autorin die vielfältige Ausformung und glaubwürdige Darstellung ihrer Hauptcharaktere, die mit ihren Ecken und Kanten im Verlauf der Handlung ihre sie prägenden Eigenschaften entfalten.

Luna zeigt sich als intelligente, sensible, aufgeschlossene und wissbegierige Person, die anfangs noch mit Naivität auffällt und den Einschränkungen, denen sie auf Grund ihres Standes unterworfen ist, zuwiderlaufen will, weil sie sich nach mehr sehnt. Sie möchte frei sein, die Welt außerhalb des Palastes erkunden und Abenteuer erleben. Als einzige Freundin bringt ihre Zofe Emma Freude in ihre Tage. Luna hat ein hohes Gerechtigkeitsempfinden und ist mutig, aber nicht angstfrei. Tatsächlich geht die Autorin nicht zimperlich mit ihrer Protagonistin um und konfrontiert diese mit emotional einschneidenden Ereignissen.

Hayes Hallender als Gegenpart erhält zunächst weder von Luna noch vom Leser Sympathiepunkte, erscheint er auf Grund seiner Taten in keinem positiven Licht. Der junge Mann lässt sich nicht in die Karten schauen. Denn seine Herkunft hat ihn gelehrt, vorsichtig zu sein bei dem, was er tut und denkt. Deshalb mutet er eher undurchsichtig und gefühlskalt an, verbirgt seine „gute“ Seite, die der Leser gemeinsam mit Luna ergründen muss...

Mit "Die Nacht der fallenden Sterne" unterhält Jennifer Alice Jager alle Freunde von märchenhafter Fantasy auf originelle und erquickliche Art und Weise.

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