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Veröffentlicht am 10.03.2020

Vielseitige Geschichte

NOAMI - Eine Reise nach Jerusalem
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„...Erste Augenkontakte entscheiden die Sympathiefrage, kurze Blicke sind besonders gefährlich, sortieren, machen zum Jemand oder zum Niemand...“

Joachim ist Student der Politikwissenschaften. Er reist ...

„...Erste Augenkontakte entscheiden die Sympathiefrage, kurze Blicke sind besonders gefährlich, sortieren, machen zum Jemand oder zum Niemand...“

Joachim ist Student der Politikwissenschaften. Er reist im Jahre 1996 nah Israel. Kurz zuvor gan es zwei Selbstmordattentate in Jerusalem. Die Reise soll Joachim in seinem Studium neue Perspektiven eröffnen.
Der Autor hat eine abwechslungsreiche Geschichte geschrieben. Das Buch lässt sich schlecht einordnen. Es hat von vielen etwas: detaillierte Reisebeschreibung, Gesellschaftsanalyse, leise Liebesgeschichte.
Der Schriftstil passt sich gekonnt den Gegebenheiten an. Schon die Anreise wird anschaulich dargestellt. Ich lerne verschiedene Mitreisende kennen. Eine wird für Joachim eine besondere Bedeutung gewinnen: Leila, Palästinenserin, Doktorandin der Biologie in Deutschland und Mitglied einer christlichen Familie.
Sie ist die erste, die Joachim mit der aktuellen Lage konfrontiert.

„...Was ist das für ein Frieden, der dem einen alles gibt und den anderen alles nimmt?...“

Am ersten Abend geht Joachim zu einer Tanzveranstaltung. Dort lernt er Noami kennen. Die junge Frau ist Jüdin und absolviert gerade ihren Wehrdienst. Ihr Vater ist Mitglied der Knesset.
In den nächsten Tagen führt Noami Joachim durch Jerusalem. In ihrer Begleitung lerne ich auch Seiten der Stadt und der Umgebung kennen, die normalerweise nicht von Touristen frequentiert werden.
Das Besondere des Buches aber sind für mich die Gespräche, die Joachim führt. Natürlich geht es auch um die deutsche Vergangenheit, die Frage nach Schuld und Verantwortung und den Umgang der Nachgeborenen damit.
Einen breiten Raum allerdings nimmt die Lage in Israel ein. Geschickt werden die verschiedenen Ansichten gegenübergestellt. Es geht nicht nur um den Terror der Hamas, sondern auch um extremistische Ansichten israelischer Bürger. Die spannendsten Aspekte kommen von Professor Nebi. Er sieht beide Seiten kritisch.

„...Die Ideologien in den Köpfen auf beiden Seiten brauchen das feindliche Gegenüber. Ohne funktionierendes Feindbild gibt es nirgendwo eine Entwicklung...“

Und er hat konkret Vorstellungen, was sich ändern muss, um ein friedliches Miteinander zu gewährleisten. Einen besonderen Wert legt er dabei auf Bildung und den Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft. Doch noch ist das ein Traum.
Die Diskussion mit einem christlichen Priester zeigt, dass diese im Prinzip zwischen den fronten stehen. Positiv fällt mir bei all diesem Dialogen auf, dass ich als Leser Raum und Freiheit erhalte, mir eine eigene Meinung zu bilden.
Ab und an gibt es ruhige und besinnliche Momente:

„...Der Mond schiebt sich in den sternenklaren Nachthimmel und beleuchtet die ewige Stadt wie schon zu Zeiten König Davids, zu Zeiten Jesu, zu Zeiten der Osmanischen Herrschaft. Er wird auch diese verworrenen Zeiten hier geduldig beobachten und überdauern...“

Natürlich gehört zu einer Reise durch Israel auch ein Blick in die Vergangenheit. Alle drei Weltreligionen haben hier ihre Spuren hinterlassen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Seine Vielschichtigkeit macht das Lesen zum Vergnügen.

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Veröffentlicht am 08.03.2020

Die Kraft der Vergebung

Die zweifelhafte Miss DeLancey
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„...Er hatte gesehen, wie Männer aufgaben, Männer im Krieg, Männer, die ins Meer geschleudert worden waren, Männer, die keine Kraft mehr hatten, wenn Schmerzen oder schwere Wunden ihnen das Leben aussaugten. ...

„...Er hatte gesehen, wie Männer aufgaben, Männer im Krieg, Männer, die ins Meer geschleudert worden waren, Männer, die keine Kraft mehr hatten, wenn Schmerzen oder schwere Wunden ihnen das Leben aussaugten. Aber er hatte nie jemanden aufgeben sehen, der gesund war...“

Wir befinden uns im England des Jahres 1815. Clara DeLancey, gerade 25 Jahre alt, hat die Niederlagen ihres Lebens vor Augen. Sie steht nahe an der Klippe am Meer und kommt plötzlich ins Straucheln. Benjamin Richard Kemsley, ehemaliger Kapitän zur See, rettet sie. Die obigen Gedanken stammen von ihm.
Die Autorin hat einen tiefgründigen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Clara ist in einer gutsituierten adligen Familie groß geworden. Sie war der Star so mancher Ballsaison in London. Doch als der Mann ihrer Träume eine andere heiratete, war sie plötzlich nicht mehr gefragt. Ihre Mutter träumt noch immer von einer adligen Hochzeit. Sie sieht arrogant und überheblich auf andere Menschen herab. Claras Vater ist wesentlich toleranter und weltoffener.
Benjamin hat nach einem Unfall seinen Titel aberkannt bekommen. In der Gesellschaft allerdings gilt er als Held. Gern lässt man sich seine Erlebnisse erzählen. Dabei ist er bodenständig geblieben. Dazu trägt auch seine Familie bei. Seine Schwester Matilda hat einen Geistlichen geheiratet. Sie ist eine fröhliche und aufgeschlossene junge Frau. Das folgende Zitat zeigt ihren feinen Humor.

„...Ich rede mal mit ihm über die Predigten. Er glaubt, er müsse die Themen wählen, die der Bischof vorschreibt, aber wenn er das beibehält, werden die Kirchenbänke sich schneller lehren als eine Flache Rum...“

Clara lernt Matilda in der öffentlichen Bibliothek kennen. Unbefangen hat diese sie angesprochen, ein Verhalten, dass in Claras Kreisen nicht üblich ist. Die junge Frau tut Clara gut. Plötzlich hat Clara eine Gesprächspartnerin, die ihre Gefühle ernst nimmt. Gleichzeitig begreift sie, das es andere Dinge im Leben gibt als nur Vergnügungen. Beide führen tiefgründige Glaubensgespräche. Matilda macht Clara Mut.

„...Ich weiß, dass Gott Sie liebt und dass seine Pläne für Sie gut sind...“

In Rückblicken erfahre ich sowohl, wie es zu Bens Unfall kam, als auch, was bisher in Claras Leben schief gelaufen ist. Daran hatte ihre Mutter einen wesentlichen Anteil. Momentan tut sie alles, um Clara die Begegnungen mit Matilda zu verbieten. Und das zarte Pflänzchen Zuneigung zwischen Clara und Ben ist ihr erst recht ein Dorn im Auge. Der junge Mann ist nicht standesgemäß.
Deutlich dargestellt, wird die Verlogenheit der besseren Gesellschaft. So schnell, wie man ganz oben ist, so schnell wird man fallengelassen und ist nur noch für Klatsch und Tratsch gut. Beziehungen sind nur oberflächlich und werden von jetzt auf gleich gelöst.
Eingebettet in die Handlung sind bezaubernde Naturbeschreibungen:

„...Der Himmel leuchtet in Myriaden von Farben: tiefes Violett, das in zartes Rosé verschmolz, über einem gedämpften Orange, und darunter, unmittelbar über dem Horizont, ein sanftes Grün...“

Berührend finde ich Claras stille Zwiesprache mit Gott. Es sollte für sie zu einem Wendepunkt werden. Sie begreift, dass Vergebung ihr eine neue innere Freiheit schenkt. Dabei lernt sie auch, sich von den Ansprüchen ihrer Mutter abzunabeln.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist eher eine leise Geschichte, auch wenn spannende Momente nicht fehlen.

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Veröffentlicht am 07.03.2020

Brisanter Politthriller

Im Namen der Lüge
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„...Der beste Geheimdienst ist derjenige, dessen Arbeit keiner mitbekommt. Falls das nicht möglich ist, soll er zumindest im besten Licht erscheinen...“

Die Theorie klingt gut. Nach der Beendigung des ...

„...Der beste Geheimdienst ist derjenige, dessen Arbeit keiner mitbekommt. Falls das nicht möglich ist, soll er zumindest im besten Licht erscheinen...“

Die Theorie klingt gut. Nach der Beendigung des Buches kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden.
Ein Geldtransporter wird bei einem Baumarkt überfallen, kann aber entkommen. Als Täter werden drei ehemalige Mitglieder der RAF identifiziert.
Ein Funkspruch der Leitstelle beordert einen Streifenwagen in das Gewerbegebiet. Bei ihrer Ankunft hören sie, wie ein Mann im Keller erschossen wird. Der Fall landet bei Vincent Veih.
Melia Khalid arbeitet für den Inlandsgeheimdienst. Sie soll sich um die linke Szene kümmern.
Der Autor hat einen äußerst fesselnden Politthriller geschrieben. Das Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Für mich war es das erste Buch des Autors, aber sicher nicht das letzte. Nicht nur die oben angeführten Handlungsstränge werden gekonnt miteinander verwoben.
Positiv ist mir sofort aufgefallen, dass der Autor besondere Protagonisten kreiert. Kommissar Vincent Che Veih ist bei den Großeltern aufgewachsen. Seine Mutter gehörte zur RAF. Heute arbeitet sie als Künstlerin.
Melia Khalid heißt nur im Dienst so. Sie ist die Tochter eines Deutschen und einer somalischen Mutter. Im Buch erfahre ich die Geschichte der Mutter. Melia ist sehr ehrgeizig. Sie überschreitet gern Grenzen. Interessant war es für mich, ihre Entwicklung im Laufe der Geschichte zu verfolgen.

„...Sie war es gewohnt, dass ältere weiße Männer geschlossene Cliquen bildeten, um Frauen von den Schalthebeln der Macht fernzuhalten...“

Der Schriftstil unterstützt die rasante Handlung. Kurze Kapitel sorgen für einen schnellen Wechsel von Handlungsort und Personen. Hinzu kommt, dass gemauschelt wird, was das Zeug hält. Von Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz kann keine Rede sein. Eher scheint es so, als solle die Polizei kalt gestellt werden. Dabei hat man allerdings nicht mit Vincent gerechnet. Der ist hartnäckig.
Die Aktionen des Verfassungsschutzes bewegen sich hart am Rande der Legalität. Gekonnt werden politische Gegner gegeneinander ausgespielt. Dabei ist die Wahrheit das erste, was auf der Strecke bleibt. Vincent resümiert:

„...Er musste daran denken, wie oft Geheimdienstler schon Daten gelöscht hatten, um Spitzel zu schützen und eigene Untaten zu verdecken...“

Mehr und mehr zeigt sich, wie geschickt von den Verantwortlichen nicht nur die Presse manipuliert wird. Ab und an werden gekonnt platzierte Zeitungsausschnitte abgedruckt.
Melia weiß nicht, wem sie trauen kann. Ihre Aktionen haben sich verselbständigt und die Gewaltspirale angefeuert. Dass sie selbst auf der Abschussliste steht, ahnt sie lange nicht.
Zu einem der spannendsten und inhaltsreichen Gespräche gehört für mich das zwischen Melia und Vincent. Vincent versucht, ihr eine andere Sicht auf ihr Tun zu vermitteln.

„...Können Sie sich vorstellen, wie meine Mutter darunter leidet, wenn bei ihr Telefon und Internetnutzung dauerüberwacht werden, nur weil Sie mal wieder eine linke Verschwörung wittern?...“

Dabei durchzieht eine Frage das Buch. Wem nützt es? Die Antwort ist am Ende mehr als lapidar.
Politik, Wirtschaft und Verfassungsschutz gehen eine unheilige Allianz miteinander ein. Es zählen in erster Linie Ehrgeiz und Machtgier.
Ein Nachwort des Autors macht nachdenklich.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 29.02.2020

Spannender historischer Roman

Die Begine von Ulm
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„...Gier vernebelt das Gehirn...“

Eine junge Frau flieht vor ihren Häschern. Doch sie hat keine Chance.
Dann wechselt die Geschichte nach Ulm. Wir befinden uns im Jahre 1412. Der Spielmann Gallus hofft, ...

„...Gier vernebelt das Gehirn...“

Eine junge Frau flieht vor ihren Häschern. Doch sie hat keine Chance.
Dann wechselt die Geschichte nach Ulm. Wir befinden uns im Jahre 1412. Der Spielmann Gallus hofft, aus dem unbewachten Lagerhaus ein paar Kleinigkeiten stehlen zu können. Als zwei Männer die Halle betreten, versteckt er sich. Die beiden machen sich an einem Heringsfass zu schaffen. Neugierig, wie Gallus ist, wirft er später einen Blick hinein.
Die Begine Anna arbeitet im Spital. Dort wird ein Mann eingeliefert, der niedergeschlagen wurde. Wenige Tage später ist Konrad, so heißt er, tot. Anna vermutet, das er vergiftet wurde, denn er war schon auf den Weg der Besserung.
Die Autorin hat einen spannenden historischen Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Das Eingangszitat stammt von Gallus. Er hatte eine Geschäftsidee, die ihn fast das Leben gekostet hätte.
Sehr anschaulich wird über die Medizin der damaligen Zeit berichtet.

„...Anna wandte sich mit einer Grimasse ab und beschloss, ihm einen Trank aus zerstoßenem Lorbeer und Wein gegen die Schmerzen einzuflößen, sobald er erwachte...“

Im Rat gibt es Stimmen, die die Sammlung der Beginen schließen möchten. Anna befürchtet, dass man ihr Schuld an Konrads Tod gibt. Sie bittet den Mönch Lazarus, ihr bei der Suche nach dem Mörder zu helfen. Beide ahnen nicht, dass sie in ein Wespennest stochern und sich selbst in Gefahr bringen.
Gleichzeitig stellt Anna fest, dass ihr Lazarus nicht gleichgültig ist. Das macht die Zusammenarbeit nicht unbedingt einfacher.
Anna stammt aus einer angesehenen Patrizierfamilie. Speziell ihr Bruder Jakob ist mit den Weg, den Anna geht gar nicht einverstanden.
Das Buch verfügt über einen hohen Spannungsbogen. Das liegt nicht zuletzt an den komplexen Beziehungen der Protagonisten und den verschiedenen Handlungssträngen, die sich bis zum rasanten Ende nur punktuell berühren.
Dadurch aber wird das mittelalterliche Leben in Ulm vielfältig wiedergegeben. Einkäufe auf den markt, die Arbeit im Hospital und die Beschäftigungen in einem Patrizierhaushalt sind nur einige Beispiele dafür.
Anna entwickelt sich im Laufe der Handlung zu einer selbstbewussten jungen Frau, die deutlich macht, was sie will.
Ein informatives Nachwort rundet die Geschichte ab.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Nicht die Themen aus dem medizinischen Bereich zeugen von umfangreicher Recherche der Autorin.

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Veröffentlicht am 29.02.2020

Die Rache der Gestrigen

Der rote Judas
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„...Erinnerungen, die man glaubt vergessen zu können, indem man sie in Alkohol und Schweigen vergräbt, verfolgen einen ein Leben lang….“

Wir schreiben das Jahr 1920 in Leipzig. Gymnasiallehrer Jagoda ...

„...Erinnerungen, die man glaubt vergessen zu können, indem man sie in Alkohol und Schweigen vergräbt, verfolgen einen ein Leben lang….“

Wir schreiben das Jahr 1920 in Leipzig. Gymnasiallehrer Jagoda wird aus dem Krankenhaus entlassen. Es sind die Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg, die ihn in die Psychiatrie gebracht haben. Doch sein neues Leben währt nur wenige Stunden, dann ist er tot.
Paul Stainer kommt aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück. Auch ihn quälen Alpträume. Seine einst schwarzen haare sind schlohweiß. Hinzu kommt, dass seine Frau Edith ihn für tot hielt und einen neuen Freund hat. Es erstaunt Paul allerdings, dass er im Kommissariat freundlich empfangen und sofort zum Kriminalinspektor befördert wird. Sein erster Toter wartet schon auf ihn, denn Paul erkennt schnell, dass es sich bei Murrmann um keinen Selbstmord handelt.
Der Autor hat einen fesselnden historischen Kriminalroman geschrieben. Der Erste Weltkrieg liegt nur kurze Zeit zurück, doch er beeinflusst so stark wie nichts anderes das Geschehen.

„...Wahrscheinlich gab es keine Gespenster, ganz gewiss aber gab es deutsche Männer, die jahrelang kaum geschlafen, in Unterständen gehaust, in Schützengräben gezittert, neben toten Kameraden geweint, zu viel geraucht und zu wenig gegessen hatten...“

Das Zeitgeschehen wird gut beschrieben. Einerseits ist die junge Republik gerade entstanden, andererseits nimmt die Schwarze Reichswehr gern das Geschehen in die eigenen Hände.
Noch ahnt Paul nicht, dass der Mordfall mit Kriegsverbrechen aus dem Jahre 1914 zu tun hat und dass er etlichen alten Bekannten bald gegenüberstehen wird, ja, dass er selbst auf einer Abschussliste steht.
Der Schriftstil ist abwechslungsreich und passt sich den Ereignissen gekonnt kann. Dazu gehört auch, dass der Autor besondere Stilelemente verwendet. Eins davon ist Rosas Tagebuch, in dem sie sich an ihren gefallenen Verlobten wendet. Die junge Frau erscheint mir anfangs als leichtlebig und oberflächlich, entpuppt sich aber im Laufe der Handlung als starke Persönlichkeit.
Deutlich wird, dass an keinem der Weltkrieg spurlos vorübergegangen ist. Auch Stainer muss erst lernen, wer Freund und wer Feind ist. Dabei macht er überraschende Entdeckungen. Manch einer flüchtet sich in Alkohol und Sarkasmus, weil er sich seiner Vergangenheit schämt. Andere versuchen einen Neuanfang, so der junge Polizist Junghans. Gefährlich sind die, die alles Neue ablehnen und auf alte Machtstrukturen setzen. Ich weiß nicht, ob es der Autor beabsichtigt hat, aber für mich liegt daran schon der Keim für die Entwicklung, die ein reichliches Jahrzehnt später beginnen wird. Was schon spürbar ist, ist der Judenhass. So schreibt Rosa über ihren Bruder im Tagebuch:

„...Ich habe mich gewundert, denn vorige Woche erst hat er mir erklärt, dass er das Haus eines Juden lieber nicht betrete...“

Bei seinen Ermittlungen stößt Stainer auf den begriff der Operation Judas. Es zeigt sich, dass eine größere Mordserie in Leipzig geplant ist. Nicht jeder, der im Kommissariat arbeitet, spielt wirklich ehrlich. Das erschwert mögliche Fortschritte bei der Aufklärung der Morde.
Gleichzeitig wird Stainers innere Zerrissenheit in jeder Zeile deutlich. Er ist sich nicht sicher, ob er dem Leben schon wieder gewachsen ist. Es sind Kleinigkeiten, die ihn zurück an die Front katapultieren wie ein Gemälde an der Wand.
Nicht unerwähnt möchte ich die kurzen Ausflüge in die Psychoanalyse lassen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es thematisiert auf äußerst spannende Weise die Folgen der Ersten Weltkriegs für den einzelnen und für die Gesellschaft.

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