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Veröffentlicht am 19.07.2020

Vincent

Der unsichtbare Garten
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Der unsichtbare Garten - Karine Lambert

Vincent hat eine seltene Augenkrankheit. Er wird innerhalb weniger Wochen fast vollständig erblinden. Der Leser begleitet Vincent durch den zwangsläufigen Prozess ...

Der unsichtbare Garten - Karine Lambert

Vincent hat eine seltene Augenkrankheit. Er wird innerhalb weniger Wochen fast vollständig erblinden. Der Leser begleitet Vincent durch den zwangsläufigen Prozess der Verzweiflung, über Selbsthilfegruppen und schließlich dem Kraftakt die neue Situation anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Auch eine neue Liebe spielt dabei eine Rolle, der Garten aus dem Titel kommt dagegen erst gegen Ende richtig raus. Viel mehr ist zu diesem Roman eigentlich nicht zu sagen. Und genau darin liegt für mich das Problem.

Es ist eine fürchterliche Situation, in der Vincent sich befindet und die Autorin bemüht sich sehr, alle möglichen Facetten einer solch einschneidenden Veränderung darzustellen. Natürlich möchte man als Leser wissen, wie Vincent zurechtkommen wird. Das ist durchaus spannend. Trotzdem bleibt diese Darstellung leider sehr oberflächlich. Die Geschichte wirkt recht eindimensional und vorhersehbar, ohne Raffinesse. Die Handlung wird relativ chronologisch runtererzählt, über die Nebenfiguren erfährt man wenig.
Dasselbe gilt auch für die Sprache. Sie ist sehr einfach gehalten. Manch schöner Satz wirkt seltsam deplatziert.
Die Seiten fliegen nur so dahin. Das Schriftbild ist großzügig, dazwischen immer wieder mehr oder weniger leere Seiten.

Ich hatte mir einfach mehr erwartet. Der vorliegende Roman ist trotz seines ernsten Themas eher in die Kategorie "leichter Sommerroman" einzuordnen. Als solcher mag er ganz gut sein, nur ist das leider nicht unbedingt mein Genre.
3 Sterne

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Veröffentlicht am 22.03.2020

In der Salpetriere

Die Tanzenden
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Die Tanzenden – Victoria Mas

Paris, 1885, eine frauenfeindliche Zeit, in der Frauen, die gegen die Konventionen rebellieren, ohne weiteres in die Salpetriere, eine Anstalt für geisteskranke Frauen eingewiesen ...

Die Tanzenden – Victoria Mas

Paris, 1885, eine frauenfeindliche Zeit, in der Frauen, die gegen die Konventionen rebellieren, ohne weiteres in die Salpetriere, eine Anstalt für geisteskranke Frauen eingewiesen werden können. Hier nun ist der Schauplatz dieses Romans.
Eugenie, eigentlich ein Mädchen aus gutem Hause, passiert genau das. Von Vater und Bruder wird sie in die Salpetriere gebracht, weil sie immer öfter aufbegehrt, schließlich sogar behauptet einen Toten zu sehen.
Louise ist schon mehrere Jahre in der Anstalt und träumt von einem ganz normalen Leben als Ehefrau und Mutter.
Auf der anderen Seite steht Genevieve, als Aufseherin der Geisteskranken. Sie muss feststellen, dass die Neue, Eugenie, etwas in ihr berührt, das ihre Überzeugungen in ihren Grundfesten erschüttert.

Diese Anstalt gab und gibt es tatsächlich.
„Das Hôpital de la Salpêtrière in Paris war im 19. Jahrhundert die wohl bekannteste psychiatrische Anstalt Europas. Unter der Bezeichnung Hôpital Universitaire Pitié Salpêtrière ist es heute noch ein Krankenhaus.“ (Wikipedia)
Somit ein wirklich spannendes Thema, das ich persönlich in der Umsetzung nicht so toll finde.

Tatsächlich spielen wie oben bereits erwähnt immer wieder esoterische Aspekte eine große Rolle. Das hat mich etwas gestört. Einerseits ist Eugenie das bemitleidenswerte Mädchen, das zu Unrecht in der Irrenanstalt landet, andererseits hat sie diverse Erscheinungen. Das passte für mich nicht zusammen. Vieles wurde mir auch etwas zu oberflächlich abgehandelt.
Es ist gut zu lesen, wirklich gefangen hat mich das Buch allerdings nicht. Eine gewisse Distanz zu den Figuren blieb die ganze Lektüre über.

Dies ist beileibe kein schöner Roman. Die Stimmung ist düster, die Lage aussichtslos. Die Frauen sind der Willkür der Männer ausgesetzt. Erst der Väter oder Ehemänner, dann der Ärzte. Sie werden zur Schau gestellt und vorgeführt. Ernst nimmt sie keiner.

Ein Roman über ein spannendes Thema, leicht zu lesen, aber schwer verdaulich. Für mich insgesamt 3 Sterne!


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Veröffentlicht am 15.03.2020

Eine mühsame Angelegenheit

Milchmann
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Milchmann - Anna Burns

Bei diesem Buch sollte man sich nicht vom Cover täuschen lassen. Auch wenn der idyllische Sonnenuntergang durchaus auch seinen Platz im Roman hat. Doch in erster Linie ist diese ...

Milchmann - Anna Burns

Bei diesem Buch sollte man sich nicht vom Cover täuschen lassen. Auch wenn der idyllische Sonnenuntergang durchaus auch seinen Platz im Roman hat. Doch in erster Linie ist diese Lektüre mühsam und fordernd, im Nachhinein habe ich auch das Gefühl, bei weitem nicht alles verstanden zu haben.

Die Handlung kann man im Nordirland-Konflikt in den 70er Jahren ansetzen, muss man aber nicht, denn weder die Stadt, noch die Personen haben Namen. Möglicherweise ist dies ein Stilmittel um die Geschichte allgemeingültig(er) zu machen. Auf jeden Fall geht eine gewisse Distanz damit einher. Über weite Teile ist die Geschichte sehr politisch, Hintergrundwissen wäre von Nutzen.
Nun geht es um ein namenloses 18jähriges Mädchen und um Milchmann (ohne Artikel), der unversehens in ihr Leben tritt und damit die Gerüchteküche anheizt. Die Gesellschaft, stockkonservativ, nach vielen Kriegsjahren auch traumatisiert, treibt das Mädchen immer weiter in eine Art Schockstarre. Mit der Situation ist sie eindeutig überfordert. Und diese furchtbare Gesellschaft damit, ihr zu helfen. Eine düstere, hoffnungslose Grundstimmung, die mir Magenschmerzen bereitet hat. Diese Beschreibung eines Zustands unheilvoller Erwartung ist der Autorin herausragend gut gelungen.
Zunehmend gerät der Roman auch noch zur Momentaufnahme einer frühen feministischen Bewegung, für die es in dieser zerrütteten Gesellschaft eindeutig noch zu früh ist. Für mich persönlich sehr viel schwere Themen in einem Roman.

Das eigentlich Anstrengende an diesem Roman aber ist die Sprache. Bei der ausufernden und abschweifenden Erzählweise hat man manches Mal das Gefühl, die Handlung bewegt sich nicht vom Fleck. Wiederholungen und Überspitzungen wirken auf mich zermürbend. Literarisch hochwertig ist es dabei aber auf jeden Fall. The Man Booker Prize 2018 wurde wohl schon zu Recht verliehen. Aber wie so oft bei hochgelobten Preisträgern, sind diese Bücher nicht immer eine Freude zu lesen…

Konnte mich nicht überzeugen, ich konnte auch nicht alles nachvollziehen. Ohne Leserunde hätte ich hier wohl nicht durchgehalten.
3 Sterne

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Veröffentlicht am 27.02.2020

Jahre des Terrors

Rote Kreuze
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Rote Kreuze - Sasha Filipenko

Vor einigen Jahren habe ich Solschenizyns Archipel Gulag schockiert abgebrochen. Streckenweise fühlte ich mich hier wieder daran erinnert. Denn auch in diesem Roman eines ...

Rote Kreuze - Sasha Filipenko

Vor einigen Jahren habe ich Solschenizyns Archipel Gulag schockiert abgebrochen. Streckenweise fühlte ich mich hier wieder daran erinnert. Denn auch in diesem Roman eines jungen weißrussischen Schriftstellers geht es zum großen Teil um die dunkelsten Kapitel russischer Geschichte.

Alexander, auch Sascha genannt, zieht mit seiner kleinen Tochter in die Nachbarschaft der über 90jähirgen Tatjana. Diese leidet unter Alzheimer und scheint nur darauf gewartet zu haben, jemandem ihre dramatische Lebensgeschichte erzählen zu dürfen. Sie hat vor vielen Jahrzehnten im Strudel des stalinistischen Terrors alles verloren und lebt nun sehr einsam.

Ein ganzes Leben und ein knappes Jahrhundert geschichtliche Hintergründe in nicht einmal 300 Seiten. Und gerade damit hat sich der Autor meiner Meinung nach etwas übernommen. Vieles wird quasi im Zeitraffer betrachtet, wirkt auf mich möglichst schnell abgehandelt.
Sascha ist im Prinzip nur Statist, damit so etwas wie ein Dialog stattfinden kann. Seine Geschichte hat nämlich weder mit der Tatjanas etwas zu tun, noch mit der russischen Geschichte.
Generell wirken sehr viele Situationen arg gestellt und unglaubwürdig, nur dazu da, Tatjanas Geschichte weiterzuerzählen. Erzähltechnisch fand ich diesen Roman oft sehr ungeschickt vorangetrieben. Dazu kommen mir viel zu viele Unterbrechungen, verschiedene Zeitstränge, Wechsel zwischen Tatjana und Alexander, Einschübe von vielen Textdokumenten. Das alles stört den Lesefluss enorm und schafft unnötige Distanz zu den Figuren.

Dabei ist Tatjanas Geschichte wirklich lesenswert und berührend. Der Autor erzählt mit einer nüchternen Distanz, die mich anfangs eher störte, im Verlauf war ich darüber allerdings sehr froh, denn nur diese Distanz macht dieses Schicksal überhaupt erträglich zu lesen.

Wie ein roter Faden durchziehen diverse rote Kreuze die Geschichte, das hat mir gefallen.
Es ist wichtig über die Gräuel der Zeit zu schreiben und zu lesen. Besonders angesichts der Tatsache, dass das russische Regime bis heute darüber schweigt. Trotzdem hätte ich mir hier mehr Seiten, mehr Raum für Erklärungen und Kennenlernen der Figuren gewünscht. Vieles wirkt zu schnell abgehandelt, Alexanders Geschichte nimmt zusätzlich Platz weg. Da wünschte ich mir doch die dicken, opulenten russischen Klassiker zurück.

Insgesamt fand ich die Geschichte sehr interessant, jedoch literarisch nicht gut umgesetzt. Schade.
3 Sterne


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Veröffentlicht am 20.02.2020

Der Palast

Das Haus der Frauen
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Das Haus der Frauen- Laetitia Colombani

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Haus in Paris, ein Frauenhaus, ein Palast, der allen verzweifelten, geflohenen, misshandelten Frauen Zuflucht bietet.

Die ...

Das Haus der Frauen- Laetitia Colombani

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein Haus in Paris, ein Frauenhaus, ein Palast, der allen verzweifelten, geflohenen, misshandelten Frauen Zuflucht bietet.

Die ehemals erfolgreiche Anwältin Solene steht nach dem Selbstmord eines Klienten vor dem Aus ihrer Karriere. Um sich selbst wieder aufzubauen, hilft sie den Frauen im "Palast" beim Schreiben ihrer Briefe. Vom Beschwerdebrief wegen ein paar Euro, über die Bitte um ein Autogramm, bis hin zum Brief an den in Afrika zurückgelassenen Sohn. Solene erhält nach und nach immer mehr Einblicke in die Schicksale dieser Frauen und schöpft daraus wieder Kraft für sich selbst.

In einem zweiten Handlungsstrang begleiten wir Blanche, die unter widrigsten Umständen 1926 für ebendieses Frauenhaus gekämpft hat und es aufgebaut hat.
Interessant fand ich, dass es dieses Frauenhaus, eines der ersten überhaupt, wirklich gab und gibt, ebenso wie seine furchtlose Gründerin Blanche Peyron.

Ein großes feministisches Thema, ein großangelegter Plot mit vielen verschiedenen Frauenschicksalen auf zwei Zeitebenen. Ein riesiges Potential, das meiner Meinung nach nicht ausgeschöpft wurde. Nicht genutzt werden konnte auf den wenigen Seiten. Alle Geschichten werden nur angerissen, keiner der Figuren kommt man wirklich nahe, was ich sehr schade finde. Zudem war mir die Geschichte zu eindimensional. Da wäre viel mehr drin gewesen. So reiht die Autorin ein Schicksal an das nächste, bleibt aber immer nur an der Oberfläche. Dabei gibt es durchaus sehr berührende Momente, die mir dann im Nachhinein aber wieder als zu bemüht erschienen.

"Ein ergreifender Roman über mutige Frauen und ein Plädoyer für mehr Solidarität. " (Klappentext)
Ja, das kann ich schon so unterschreiben. Dennoch hat mich dieser Roman nicht vollends überzeugen können.

Bei mir bleibt ein etwas schaler Nachgeschmack. Ich gebe dafür 3 Sterne.

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