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Veröffentlicht am 23.03.2020

Sprache killt Story

Wie viele willst du töten
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Vierzehn Jahre ist es jetzt her, seit Abby Hathaway aus der Gewalt eines Serienkillers befreit wurde. Eine traumatische Erfahrung, die sie bis heute nicht vergessen kann. Mittlerweile hat sie ihren Namen ...

Vierzehn Jahre ist es jetzt her, seit Abby Hathaway aus der Gewalt eines Serienkillers befreit wurde. Eine traumatische Erfahrung, die sie bis heute nicht vergessen kann. Mittlerweile hat sie ihren Namen in Ellery geändert und arbeitet nun als Polizistin in einem idyllischen Städtchen in Maine. Aber offenbar gibt es jemand, der um ihre Vergangenheit weiß, der sie leiden lassen will, denn alljährlich an ihrem Geburtstag erhält sie eine anonyme Karte. Aber das ist noch nicht alles, denn im gleichen Zeitraum verschwinden Menschen aus ihrem Umfeld spurlos. Ellie vermutet einen Nachahmungstäter, aber sowohl ihr Chief als auch die Kollegen wollen davon nichts wissen, tun es als Hirngespinste ab. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Agent Markham vom FBI. Er war damals für ihre Befreiung verantwortlich, und auch jetzt reagiert er trotz Suspendierung, die er aber nicht an die große Glocke hängt, prompt auf ihren Hilferuf. Seine anfängliche Skepsis weicht bald der Gewissheit, dass Ellie mit ihrer Vermutung recht hat, und gemeinsam machen sie sich daran, den Copykiller zu überführen. Eine Herausforderung, bei der sie sich ihren inneren Dämonen stellen müssen.

Mit ihrem Thriller hat Joanna Schaffhausen das Rad nicht neu erfunden. Ein Nachahmungstäter, eine traumatisierte Protagonistin, ein suspendierter FBI’ler, dessen Privatleben in Trümmern liegt – alles schon gelesen, aber dennoch spannend und gut geplottet. Vor allem, weil die Atmosphäre passt, die Autorin Informationen zurückhält, diese nicht von Beginn an, sondern erst allmählich im Verlauf der Handlung preisgibt und die Personen stimmig charakterisiert sind. Das mag mit ein Grund sein, weshalb „Wie viele willst du töten“ mit einem Preis für das beste Debüt ausgezeichnet wurde.

Doch leider gibt es ein großes Aber: Die Sprache ist alles andere als gelungen, was, so vermute ich, an der Übersetzung liegt. Simpel, ohne Gefühl für den Text, Satzkombinationen, die mir trotz jahrzehntelanger Leseerfahrung noch nie über den Weg gelaufen sind, nachlässige Wortwahl, die weder zu der Handlung noch zu dem üblichen Sprech der Personen passen. Bleibt nur noch Kopfschütteln.

Veröffentlicht am 22.03.2020

Leider nur Mittelmaß

Gerecht ist nur der Tod
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Es steht außer Frage, dass die Arbeit bei der Kriminalpolizei nicht immer einfach ist und schwerwiegende psychische Probleme verursachen kann. In manchen Dienststellen wird das stillschweigend ohne besonderes ...

Es steht außer Frage, dass die Arbeit bei der Kriminalpolizei nicht immer einfach ist und schwerwiegende psychische Probleme verursachen kann. In manchen Dienststellen wird das stillschweigend ohne besonderes Interesse hingenommen, in anderen überlegen sich Vorgesetzte und Behörden Gegenmaßnahmen, um die Gesundheit ihre Leute zu schützen.

Deshalb soll Ina Reich, Journalistin und Ex-Psychologin, das Team um KHK Schellenberg bei Ermittlungen begleiten und dessen Arbeit bewerten. Ob sie die Richtige für diese Aufgabe ist, wird sich zeigen, hat sie doch selbst mit traumatischen Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit zu kämpfen, die sie mit jeder Menge Tabletten in Schach hält. Ihre Beteiligung an den Einsätzen gestaltet sich von Anfang nicht einfach. Der besonnene KHK Schellenberg hat kein Problem mit ihr, aber seine Kollegin KK Sibel Bulut begegnet Reich mit einer gehörigen Portion Misstrauen. Ob das berechtigt ist, wird sich zeigen…

Ausgangspunkt der Story ist der Mord an einem Kölner Society-Liebling, vor dem Traualtar aus dem Hinterhalt erschossen, bei dessen Leiche ein mysteriöser Zettel gefunden wird. Und er soll nicht der einzige Tote bleiben. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus Ina Reichs Sicht, was auf den ersten Blick Nähe generiert, uns hautnah am Geschehen teilhaben lässt. Aber relativ schnell stellt sich die Frage, ob deren Informationen zutreffend sind, ob man Reich trauen kann oder ob sie eine der mittlerweile im Kriminalroman so beliebten „unzuverlässigen“ Erzählerin ist, die den Leser gekonnt auf eine falsche Spur lockt.

Die Handlung schleppt sich mit angezogener Handbremse ohne große Höhepunkte dahin, die Frage nach den Motiven bleibt lange im Dunkeln, hat bei mir aber auch nicht unbedingt großes Interesse geweckt. Zu wenig Tempo, zu wenig Fortschritt, dafür jede Menge Küchenpsychologie. Alles in allem leider kein Highlight, sondern nur Mittelmaß.

Veröffentlicht am 21.03.2020

Das Gerücht wächst, indem es sich verbreitet

Das Gerücht
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„Das Gerücht wächst, indem es sich verbreitet“. Dieses Zitat beschreibt treffend die unglückseligen Ereignisse, die durch eine unbedachte Äußerung in dem englischen Küstenstädtchen Flinstead ausgelöst ...

„Das Gerücht wächst, indem es sich verbreitet“. Dieses Zitat beschreibt treffend die unglückseligen Ereignisse, die durch eine unbedachte Äußerung in dem englischen Küstenstädtchen Flinstead ausgelöst werden. Existenzen und Leben von unbeteiligten Verdächtigen werden aufs Spiel gesetzt und wofür? Für ein fragiles Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft?

Joanna, alleinerziehende Mutter, ist mit ihrem Sohn Alfie in den kleinen Ort gezogen, da sie die Hilfe ihrer Mutter bei der Betreuung des Kindes braucht. Mit offenen Armen wird sie allerdings nicht von der Dorfgemeinschaft empfangen, und eine ähnliche Erfahrung muss leider auch der Junge machen, der von seinen Altersgenossen und Mitschülern geschnitten wird. Ein Umstand, der jeder Mutter das Herz zerreißt. Eine hingeworfene, zufällig mitangehörte Bemerkung über eine Kindsmörderin könnte dies für die beiden ändern, denn die Verbreitung von Klatsch und Tratsch war (und ist) noch immer die Eintrittskarte in die festgefügten Strukturen. Joanna wird plötzlich interessant und auch ihr Sohn erhält die Akzeptanz, die sie sich für ihn wünscht. Aber die Meute hat Blut geleckt, und so gerät die Situation zunehmend außer Kontrolle…

Dieses Psychogramm einer Kleinstadt ist ein interessanter Ansatz, dessen Potenzial die Autorin allerdings im Mittelteil verschenkt. Zu Beginn gelingt ihr die Darstellung des toxischen Kleinstadtmilieus sehr gut, aber nach gut einem Drittel tappt sie in die Falle, ergeht sich in Wiederholungen, walzt bereits Bekanntes breit aus und bremst somit das Tempo zugunsten eines Aufblähens der Seitenzahl. Und auch das Ende ist meiner Meinung nach nicht wirklich gelungen. Der Showdown wirkt unnötig überzogen, und auch die Auflösung birgt für versierte Krimi-/Thrillerleser keine Überraschung. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 14.03.2020

Etwas ist faul im Staate Dänemark

Glasflügel
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Es ist eine interessante Thematik, die Katrine Engberg im dritten Band ihrer Kopenhagen-Thriller behandelt. Was geschieht mit Jugendlichen, die von ihren Eltern aufgegeben werden? Die Probleme damit haben, ...

Es ist eine interessante Thematik, die Katrine Engberg im dritten Band ihrer Kopenhagen-Thriller behandelt. Was geschieht mit Jugendlichen, die von ihren Eltern aufgegeben werden? Die Probleme damit haben, sich in den normalen gesellschaftlichen Alltag zu integrieren? Die wegen Verhaltensauffälligkeiten in Betreuungseinrichtungen gegeben werden? Sieht man dort in ihnen den Mensch, oder werden sie zum bloßen Studienobjekt degradiert? Und wie wirken sich der Aufenthalt und die Behandlungen auf ihre Psyche aus?

Doch zuerst einmal bekommt es Jeppe Kørner mit einem Mordopfer zu tun, das mitten in Kopenhagen in einem Brunnen entsorgt wurde. Zu Tode gekommen durch feine Schnitte an Handgelenk und Leiste, ausgeblutet und mit einem Lastenfahrrad zu dem Brunnen transportiert. Aber das soll nicht die einzige Leiche bleiben, kurze Zeit später folgt die nächste. Die einzige Gemeinsamkeit, die im Laufe der Ermittlung auftaucht, ist eine Pflegeeinrichtung für auffällige Jugendliche, ehemaliger Arbeitsplatz der Opfer. Opfer? Wirklich? Bei dem geübten Krimileser klingelt es, vielleicht waren sie auch Täter und mussten mit dem Leben bezahlen. Man wird sehen…

„Etwas ist faul im Staate Dänemark“, dieses Zitat aus Shakespeares Hamlet fasst gut zusammen, wie es – nicht nur – um das dänische Gesundheitssystem bestellt ist. Private Institutionen übernehmen staatliche Aufgaben, arbeiten mit schlecht (oder überhaupt nicht) ausgebildeten Mitarbeitern, die schlecht entlohnt werden. All das ausgetragen auf dem Rücken derjenigen, die dringend Hilfe benötigen, aber in ihrer Hilflosigkeit allein gelassen werden.

Es ist ein durchaus heißes Eisen, das Engberg hier anpackt. Die Schilderungen wirken realistisch, und genau daraus bezieht dieser Thriller seine Spannung. Auch wenn es etwas Zeit braucht, bis sich das Thema herauskristallisiert. Allerdings hat die Autorin zum Ende hin dann doch etwas sehr übertrieben, aber spektakuläre Showdowns scheinen momentan im Trend zu sein. Unglaubwürdig und überflüssig.

Abstriche machen muss man hingegen bei der Darstellung ihres Personals. Sowohl Jeppe als auch Anette bleiben trotz der immer wieder eingeschobenen Hinweise zu Privatleben und Beziehungen für mich eher blass, konturlos, ohne Ecken und Kanten. Sie wirken austauschbar, sind keine Persönlichkeiten, sondern einfach nur beliebig und somit uninteressant. Zumindest für mich. Schade!

Veröffentlicht am 11.03.2020

Interessanter Roman über eine angesagte Spirituose

Der Gin des Lebens
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Eine Beziehung geht in die Brüche, ein Oldtimer versinkt im Rhein. Kein Wunder, dass Bene, der Auto-Schrauber aus Südbaden, Trost im Alkohol sucht und die Flasche Gin köpft, die ihm sein verstorbener Vater ...

Eine Beziehung geht in die Brüche, ein Oldtimer versinkt im Rhein. Kein Wunder, dass Bene, der Auto-Schrauber aus Südbaden, Trost im Alkohol sucht und die Flasche Gin köpft, die ihm sein verstorbener Vater hinterlassen hat. Der Selbstgebrannte schmeckt außergewöhnlich gut, und nach Rücksprache mit Freunden aus der Gastroszene ist Bene überzeugt, dass er auf eine Goldgrube gestoßen ist. Wenn er denn die Anleitung und das Rezept dafür hätte, was natürlich nicht der Fall ist, könnte er in die Produktion gehen und jede Menge Geld damit verdienen. Was liegt also näher, als den Spuren seines Vaters zu folgen, der sich öfter im südenglischen Plymouth, Heimat des Gin, aufhielt. Vielleicht findet er dort Hinweise auf die Rezeptur.

Parallel dazu lernen wir Cathy Callaghan kennen, die junge Betreiberin des Bed & Breakfast, in dem Benes Vater bei seinen Aufenthalten genächtigt hat. In ihrem Garten wird die Leiche eines stadtbekannten Obdachlosen gefunden. Erstochen mit einem Messer, was natürlich die Polizei auf den Plan ruft. Und natürlich kreuzen sich die Wege von Bene und Cathy.

Soweit die Ausgangssituation des neuen Buchs „Der Gin des Lebens“ von Carsten Sebastian Henn. Sympathisches Personal und eine nette Urlaubslektüre, wenn man eine Reise nach Devon plant oder die Gegend bereits kennt, denn zwischendurch hatte ich häufig den Eindruck, eine Broschüre von „Visit Britain“ in der Hand zu halten. Der Autor bedient nämlich sämtliche Klischees, die die Zuschauer von Inspector Barnaby erwarten: kuschelige Häuschen, gemütliche Pubs und skurrile Engländer. Aber leider weit und breit in den ersten Dreivierteln des Buches nichts zu sehen von einem Kriminalroman. Dafür gibt es jede Menge familiäre Verwicklungen der Callaghan-Sippe, in die, oh Wunder, auch Bene und sein verstorbener Vater involviert sind.

Was mich trotzdem bei der Stange hielt, waren die Informationen zur Herstellung des Wacholderschnapses. Man erfährt viel Wissenswertes über die Ursprünge, die Mazeration, unterschiedliche Tonics und die diversen Botanicals, die bei der Gin-Herstellung eingesetzt werden, um den Geschmack zu variieren. Abgerundet wird das Ganze durch ein informatives Glossar und verschiedene Rezepte, von denen ich mit Sicherheit die Queen-Mum-Cookies nachbacken werde.

Alles in allem ein interessanter Roman über eine angesagte Spirituose, aber definitiv kein Krimi. Auch wenn es eine Leiche gibt.

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