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Veröffentlicht am 27.03.2020

Erinnerungen

Die Glasschwestern
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Während die 39-jährige Dunja Lenzing mit ihren Kindern Jules und Augusta in der Großstadt lebt und dort Deutschkurse gibt, ist ihre Zwillingsschwester Saphie in einem Hotel in einem thüringischen Dorf ...

Während die 39-jährige Dunja Lenzing mit ihren Kindern Jules und Augusta in der Großstadt lebt und dort Deutschkurse gibt, ist ihre Zwillingsschwester Saphie in einem Hotel in einem thüringischen Dorf an der ehemals deutsch-deutschen Grenze heimisch. Dann schlägt der Zufall auf irrwitzige Weise zu: An ein und demselben Tag sterben ihre langjährigen Lebenspartner. Restaurator Winne, der Vater von Jules und Augusta, kommt bei einem Sturz ums Leben. Hotelchef Gilbhart stirbt durch einen Schlaganfall. Obwohl sich Dunja bereits von Winne getrennt hatte und der alkoholabhängige Gilbhart es Saphie zuletzt schwergemacht hat, leiden die beiden Schwestern unter dem Verlust und nähern sich einander wieder an. Dunja entscheidet sich, in Saphies Hotel zu ziehen und somit in die Heimat ihrer Kindheit zurückzukehren. Dort werden beide mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.

„Die Glasschwestern“ ist ein Roman von Franziska Hauser.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 40 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Jedes ist mit einem anderen Sprichwort überschrieben – eine sehr schöne Idee. Erzählt wird im Präsens zunächst nur aus der Sicht von Dunja, später auch aus der von Saphie. Der Roman ist chronologisch aufgebaut, aber es gibt immer wieder kurze Rückblenden in die Vergangenheit in Form von Erinnerungen. Der Aufbau ist sehr durchdacht und funktioniert gut.

Auch in sprachlicher Hinsicht hat mir der Roman sehr gut gefallen, denn sein Stil ist besonders. Ungewöhnliche Bilder und Vergleiche konnten mich begeistern. Dabei wirkt der Schreibstil eindringlich und stellenweise poetisch, aber nicht blumig oder gekünstelt. Der Roman ist unaufgeregt und atmosphärisch recht dicht.

Die zu Beginn ziemlich unterschiedlichen Zwillingsschwestern, die ich als interessante Charaktere empfunden habe, stehen im Vordergrund. Beide machen eine Entwicklung durch. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Allerdings habe ich mit den meisten Figuren zunächst gefremdelt, denn viele der Personen erscheinen etwas seltsam. Dazu passen die ausgefallenen Namen in der Geschichte, die nicht nur die Protagonisten, sondern auch einige der Nebenfiguren tragen.

Die Handlung braucht ein wenig, um Fahrt aufzunehmen. Dennoch konnte mich die Geschichte von Anfang an fesseln. Zwischendurch gibt es auf den mehr als 400 Seiten zwar einige kleinere Längen. Im Großen und Ganzen bleibt die Geschichte aber abwechslungsreich und unterhaltsam.

Inhaltlich ist der Roman sehr vielschichtig. Es geht um die Zeit vor der Wende und die Vergangenheit der Protagonisten, um Tod und Trauer, um wichtige Entscheidungen und die Suche nach einem neuen Sinn im Leben. Zugleich ist es aber auch eine Familiengeschichte und ein Generationen umfassender Roman, der Geheimnisse und Lügen beinhaltet. Eine Lektüre, die Fragen aufwirft und dazu einlädt, das Buch immer wieder zur Seite zu legen, um eigenen Gedanken nachzuhängen.

Toll finde ich auch das ansprechende Cover, denn es greift die melancholische Stimmung der Geschichte auf und symbolisiert durch die Spiegelung die Zwillingsschwestern. Auch der Titel, der sich schon nach wenigen Kapiteln erklärt, aber auch mehrdeutig interpretiert werden kann, passt sehr gut.

Mein Fazit:
Mit „Die Glasschwestern“ ist Franziska Hauser ein ungewöhnlicher, komplexer Roman gelungen, der mich sprachlich beeindrucken konnte. Das lesenswerte Buch ist nicht nur unterhaltsam, sondern bietet auch eine Menge Denkimpulse.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 24.03.2020

Der Trost, der in den schönen Künsten liegt

Die Frau im Musée d'Orsay
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Antoine Duris ist Professor an der Hochschule der Schönen Künste in Lyon, als ein Ereignis sein Leben erschüttert. Mit Ende 30 gibt er Hals über Kopf sein bisheriges Leben auf, kündigt seinen Job und seine ...

Antoine Duris ist Professor an der Hochschule der Schönen Künste in Lyon, als ein Ereignis sein Leben erschüttert. Mit Ende 30 gibt er Hals über Kopf sein bisheriges Leben auf, kündigt seinen Job und seine Wohnung – um nach Paris zu ziehen und als einfacher Wärter im Musée d’Orsay zu arbeiten. Freunde und Verwandte sind ratlos und glauben, dass eine Trennung dafür ursächlich sein könnte. Niemand ahnt, welcher traurige Grund wirklich hinter seiner plötzlichen Flucht steckt…

„Die Frau im Musée d’Orsay“ ist ein Roman von David Foenkinos.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen, die wiederum in mehrere kurze Kapitel untergliedert sind. Teil 1 und 4 spielen in der Gegenwart, Teil 2 und 3 in der Vergangenheit. Der Roman endet mit einem Epilog. Erzählt wird zunächst überwiegend aus der Sicht von Antoine, danach auch aus der Sicht einer weiteren Person, die der Leser erst später kennenlernt. Der Aufbau funktioniert ganz gut.

Der Schreibstil ist schnörkellos, wenig raffiniert, recht nüchtern und reduziert, aber dennoch eindringlich und stimmungsvoll. Der Roman ist ziemlich dialoglastig. Der Einstieg in die Geschichte fällt nicht schwer.

Mit Antoine steht ein etwas eigensinniger, aber interessanter Charakter im Vordergrund. Er und die übrigen Personen wirken authentisch.

Erwartet hatte ich eine Geschichte, die sich viel mit den Themen Kunst und romantischer Liebe beschäftigt. Ersteres trifft tatsächlich auf den Roman zu. Aber die Romantik spielt nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr stecken in der eher kurzen Geschichte mehrere düstere Facetten, bei denen es um Schuld, dunkle Geheimnisse und ein Verbrechen geht. Der Roman macht betroffen und regt zum Nachdenken an. Mehrere Wendungen sorgen für Überraschungen und Kurzweil. Die Erklärung für Antoines Abtauchen hat mich allerdings nicht ganz überzeugt. Zudem kommt das Ende des Romans ein wenig überhastet.

Ich habe die ungekürzte Lesung angehört. Sprecher Erich Wittenberg macht mit seiner sehr akzentuierten Aussprache einen guten Job.

Die deutsche Vermarktung des Romans finde ich etwas unglücklich. Weder das an sich hübsche Cover noch der Titel werden dem Inhalt gerecht und schüren falsche Erwartungen. Schade, dass man sich nicht stärker an der französischen Originalausgabe („Vers la beauté“) orientiert hat.

Mein Fazit:
„Die Frau im Musée d’Orsay“ von David Foenkinos ist ein Roman, der ganz anders ist als das, was ich vermutet hatte. Dennoch hat mich die Geschichte nicht enttäuscht und wird sicher noch eine Weile nachhallen.

Veröffentlicht am 05.03.2020

Mit dem Bücherbus durch Schottland

Happy Ever After – Wo das Glück zu Hause ist
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Bibliothekarin Nina Redmond liebt Literatur. Bisher hat sie in der städtischen Bücherei bei Birmingham gearbeitet, doch nun verliert die 29-Jährige ihren Job, weil die Einrichtung schließen wird. Was soll ...

Bibliothekarin Nina Redmond liebt Literatur. Bisher hat sie in der städtischen Bücherei bei Birmingham gearbeitet, doch nun verliert die 29-Jährige ihren Job, weil die Einrichtung schließen wird. Was soll jetzt nur aus ihr werden? Eigentlich würde sie gerne eine eigene Buchhandlung eröffnen, aber dafür fehlt ihr das Geld. Dann bekommt sie den Tipp, mit einem Lieferwagen einen mobilen Buchladen zu betreiben. Mit einem Bücherbus kutschiert sie also durch die schottischen Highlands, um Menschen mit Lektüre zu versorgen. Ob sie sich auch noch weitere Träume erfüllen kann?

„Happy Ever After – Wo das Glück in Büchern wohnt“ ist der Auftaktband der mehrteiligen „Happy-Ever-After“-Reihe, im Original auch als „Scottish Bookshop“-Reihe bekannt, von Jenny Colgan.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 36 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird aus der Sicht von Nina in chronologischer Reihenfolge. Der Aufbau ist recht einfach, funktioniert aber gut.

Der Schreibstil ist locker, bildhaft, anschaulich und – dank viel wörtlicher Rede – ziemlich lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer.

Mit Nina steht eine sympathische Protagonistin im Mittelpunkt. Sie ist unsicher, schüchtern und wenig selbstbewusst, wirkt zum Teil sogar etwas naiv. Aber ihre Begeisterung für Bücher und ihr großes Herz machen sie zu einem liebenswürdigen Charakter. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut nachvollziehen. Auch die Nebenfiguren sind interessant dargestellt.

Das Setting finde ich klasse. Gut gefallen hat mir auch, dass inhaltlich die romantische Liebe nicht im Vordergrund steht. Zwar taucht auch dieser Bereich im Roman auf. Aber andere Themen wie die Leidenschaft für Bücher, Freundschaft und Vertrauen nehmen viel Raum ein. Dadurch wird die Geschichte facetten- und abwechslungsreich und läuft nicht Gefahr, zu seicht zu werden.

Auf mehr als 400 Seiten kommt beim Lesen keine Langeweile auf, obwohl die Handlung nicht mit mehreren Überraschungen auftrumpfen kann. Allerdings trifft die Mischung aus emotionalen und humorvollen Momenten meinen Geschmack.

Ein Pluspunkt des Romans sind auch die witzig formulierten Tipps der Autorin, wo es sich am besten liest, verknüpft mit persönlichen Ausführungen. Sie sind der eigentlichen Geschichte vorangestellt.

Das Cover passt perfekt zum Inhalt und spricht mich sehr an. Der deutsche Titel ist etwas sperriger und ein wenig kitschiger als das englischsprachige Original („The Little Shop of Happy Ever After“), aber nicht mehr oder weniger treffend.

Mein Fazit:
„Happy Ever After – Wo das Glück in Büchern wohnt“ von Jenny Colgan ist ein unterhaltsamer Wohlfühlroman, der vor allem Bibliophilen schöne Lesestunden beschert und sich angenehm von anderer Frauenliteratur abhebt.

Veröffentlicht am 03.03.2020

Drei Frauen in unruhigen Zeiten

Die Frauen vom Alexanderplatz
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Berlin im Jahr 1918: In der Stadt tobt die Novemberrevolution und das Land leidet unter den Folgen des Ersten Weltkriegs. Der Matrose Benno Funke trifft zufällig auf die Schneiderstochter Vera Ingeborg ...

Berlin im Jahr 1918: In der Stadt tobt die Novemberrevolution und das Land leidet unter den Folgen des Ersten Weltkriegs. Der Matrose Benno Funke trifft zufällig auf die Schneiderstochter Vera Ingeborg Novak. Die junge Frau gewährt dem Fremden Unterschlupf in der ehemaligen Werkstatt ihres Vaters. Beide verlieben sich ineinander. Dann taucht plötzlich Veras Bruder, Kriegsheimkehrer Georg, wieder auf. Auch Benni wird schon vermisst. Friederike Lieselotte Petersen, genannt Fritzi, sucht ihn, denn er ist der Vater ihrer gemeinsamen Tochter Christel. Aus ihrem Heimatdorf bei Eckernförde macht sich die junge Mutter auf den Weg in die Großstadt. Auch die 20-jährige Hanna Münchow, eine reiche Fabrikantentochter, kehrt nach ihrem Dienst als Hilfsschwester im Lazarett nach Berlin zu ihrer Familie zurück. Ihren Eltern muss sie erklären, dass sie eine Ausbildung zur Krankenschwester machen möchte – und dass sie Cora, also eine Frau, liebt…

„Die Frauen vom Alexanderplatz“ ist ein historischer Roman von Elke Schneefuß.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus acht Kapiteln, die für meinen Geschmack viel zu lang sind. Erzählt wird aus der Sicht der drei Frauen. Die Handlung spielt im Jahr 1918. Leider gibt es keine einheitlichen Angaben zu Orten, Zeiten und Personen, die die Sprünge zwischen den einzelnen Erzählsträngen vereinfacht hätten. Der Aufbau funktioniert allerdings ganz gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, bildhaft, einfühlsam und angenehm zu lesen. Viel wörtliche Rede führt zu einem schnellen Lesefluss. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Im Vordergrund stehen drei starke Frauen, die mir bereits nach kurzer Zeit sympathisch waren. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt wird sehr gut deutlich. Obwohl ich nicht jedes Verhalten in Gänze nachvollziehen konnte, wirken die Charaktere realitätsnah. Ihre Schicksale habe ich gerne verfolgt. Auch die übrigen Personen sind interessant.

Das historische Setting gefällt mir sehr. Es erscheint stimmig. Die politische Unruhe kurz nach dem Ersten Weltkrieg wird spürbar. Dennoch hätte ich mich gefreut, mehr über die Umstände jener Zeit zu erfahren, denn der geschichtliche Kontext tritt oft in den Hintergrund. Ein Pluspunkt des Romans ist eine Stadtkarte von Berlin.

Trotz der mehr als 400 Seiten hat der Roman nur wenige Längen. Die Handlung bleibt - dank mehrerer Wendungen - überwiegend kurzweilig und abwechslungsreich.

Das stimmungsvolle Cover passt gut zum Genre und ist nach meinem Geschmack. Der Titel wirkt dagegen etwas uninspiriert und weniger treffend.

Mein Fazit:
„Die Frauen vom Alexanderplatz“ von Elke Schneefuß ist ein historischer Roman, der für unterhaltsame Lesestunden sorgt.

Veröffentlicht am 26.02.2020

(K)Eine alte Jungfer

Violet
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Die englische Stadt Winchester in den 1930er-Jahren: Nach ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause stößt die Schreibkraft Violet Speedwell in der Kathedrale zufällig auf die Gruppe der Broderinnen. Die ...

Die englische Stadt Winchester in den 1930er-Jahren: Nach ihrem Auszug aus dem mütterlichen Zuhause stößt die Schreibkraft Violet Speedwell in der Kathedrale zufällig auf die Gruppe der Broderinnen. Die 38-Jährige mag die Abende mit den ungewöhnlichen Frauen, an denen sie zusammen unter Anleitung von Louisa Pesel Stickereien für das Gotteshaus anfertigen. Die Treffen sind für Violet der Aufbruch in eine neue Welt. Nach dem Tod ihres Verlobten Laurence während des Ersten Weltkrieges ist sie allein geblieben und hat wenig Anschluss. Bei den Abenden in der Kathedrale lernt sie nun nicht nur das Kunsthandwerk kennen, sondern von Arthur auch das Läuten der Kirchturmglocken. Kann sie durch die Freundschaft zwischen den Frauen und die wachsende Nähe zu Arthur ein neues Leben in Winchester beginnen?

„Violet“ ist ein historischer Roman von Tracy Chevalier.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 25 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird aus der Sicht von Violet in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit einigen Rückblenden. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, einfühlsam, atmosphärisch und unaufgeregt. Dank viel wörtlicher Rede und gelungenen Beschreibungen ist er allerdings auch recht lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht. Sie nimmt jedoch nur langsam Fahrt auf.

Mit Violet steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund, deren Gedanke und Gefühle ich gut nachvollziehen konnte. Sie wird realitätsnah dargestellt. Trotzdem wurde ich nicht sofort mit ihr warm, da sie manchmal einen etwas unnahbaren und nüchternen Eindruck macht. Auch die übrigen Personen wirken authentisch.

Der Roman ist vor allem als Porträt von Violet angelegt. Aber der Leser erhält zudem ein gutes Bild der damaligen Zeit und Stimmung. Der Frauenüberschuss, die gesellschaftliche Stellung unverheirateter Damen und einige Themen mehr werden auf unterhaltsame Weise vermittelt. Dies macht die Lektüre tiefgründig. Gut gefallen hat mir auch, dass das Sticken so präsent in der Geschichte ist und dieses besondere Kunsthandwerk viel Aufmerksamkeit erhält. Auf rund 350 Seiten hat der Roman allerdings auch stellenweise Längen.

Das stimmungsvolle, nostalgisch anmutende Cover der deutschen Ausgabe gefällt mir sehr gut. Auch der Titel ist passend, obgleich ich die englischsprachige Originalversion („A Single Thread“) kreativer finde.

Mein Fazit:
„Violet“ ist ein unterhaltsamer Roman von Tracy Chevalier. Eine Geschichte, die mir schöne Lesestunden bereitet hat, aber mich nicht durchgängig berühren konnte.