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Veröffentlicht am 07.04.2020

Der gläserne Mensch: Vorteile und Gefahren

Digitalisierung: Datenhype mit Werteverlust?
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Unsere Welt wird immer digitaler. Ob Computerprogramme und Logistiklösungen, die ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, künstliche Intelligenz zur schnellen Diagnose eines Patienten, intelligente Häuser ...

Unsere Welt wird immer digitaler. Ob Computerprogramme und Logistiklösungen, die ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, künstliche Intelligenz zur schnellen Diagnose eines Patienten, intelligente Häuser und Haushaltsgeräte, oder selbstfahrende Fahrzeuge; alle Lebensbereiche werden in einem rasanten Tempo digitalisiert. Das bietet viele Vorteile. Leben können gerettet werden, Kosten werden eingespart, Arbeiten können präziser ausgeführt werden. Gibt es aber eine Kehrseite des Fortschritts?

Eingerahmt von zwei Beiträgen der Herausgeber, enthält dieses Buch neun Aufsätze über verschiedene Themen im Bereich der Digitalisierung und der Wirtschaft. In mehreren Artikeln werden die großen wirtschaftlichen Vorteile der neusten Entwicklungen aufgezeigt, doch in einem anderen Artikel weist ein Theologe eindringlich auf die Gefahren hin. Die Möglichkeiten und ethische Unklarheiten des autonomen Fahrens werden erläutert, und am Beispiel von Estland wird gezeigt, welche Vorteile eine e-Goverance bietet, also die Möglichkeit alle Amtsvorgänge online zu tätigen. Ein weiterer Artikel gibt wichtige Impulse für Führungspersönlichkeiten in dieser schnell wandelnden Welt, und zeigt wie wichtig christliche Werte sind.

Die äußere Gestaltung dieses Buchs überzeugt nicht unbedingt. Papier und Schriftart sind nicht besonders angenehm, und die Grafiken sind schwer lesbar. Der Inhalt ist aber interessant und wichtig, denn dieses Buch bietet viele unterschiedliche Denkanstöße zu den Vor- und Nachteilen der Digitalisierung. Manche Beiträge setzen einiges an Vorwissen in den Bereichen Informatik und Wirtschaft voraus, andere sind auch für Laien gut zu verstehen.

Neben den vielen Vorteilen der Digitalisierung, haben sogar einige Entwickler Bedenken, zum Beispiel Tesla-Chef Elon Musk. „Der Gedanke an die Künstliche Intelligenz lasse ihn nachts nicht mehr schlafen, denn sie sei deutlich gefährlicher als Atomwaffen.“ Auch ethische Fragen werden angesprochen. Was ist mit dem Pflege-Roboter, der einer alten einsamen Dame geduldig zuhört? Wer hat Zugriff auf die vielen Daten, die wir täglich generieren? Wie reagiert ein autonomes Fahrzeug im Notfall, wird das Leben der ältere oder der jüngeren Person gerettet? Wird mit mancher Entwicklung etwas angestoßen, dass später nicht mehr kontrolliert werden kann?

Entwicklungen in Ländern wie China, in denen eine totale Überwachung und Bewertung der Staatsbürger jetzt schon stattfindet, zeigen die Kehrseite. So werden Arbeitsstellen oder Wohnungen anhand des überwachten Verhaltens des Staatsbürgers vergeben, ähnlich einer Schufa-Bewertung. Es gibt natürlich Vorteile einer elektronischen Verwaltung aller Bürger, doch, „Die Grenze zur Kontrolle und Überwachung des Einzelnen bleibt im Dunklen. Damit ist Prämierung des individuellen Wohlverhaltens (‚social scoring‘) ebenso möglich wie ein fließender Übergang zur Diskriminierung und Verfolgung im Einzelfall.“

Fazit: Ein wichtiger Diskussionsbeitrag zur Digitalisierung, der viele Vorteile aufzeigt, aber auch moralische und christliche Bedenken zur Sprache bringt. Vor allem interessant für Menschen, die Vorkenntnisse im IT-Bereich haben und an wirtschaftliche Fragestellungen interessiert sind.

Veröffentlicht am 04.04.2020

Die langsame Machtübernahme der Nazis

Die goldenen Jahre des Franz Tausend
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Kommissar Heinrich Ahrndt darf an einem geheimen Treffen teilnehmen. Er erlebt wie Franz Tausend verschiedene Elemente zusammenmischt, um seine Zuschauer von seinen Fähigkeiten als Alchemist zu überzeugen. ...

Kommissar Heinrich Ahrndt darf an einem geheimen Treffen teilnehmen. Er erlebt wie Franz Tausend verschiedene Elemente zusammenmischt, um seine Zuschauer von seinen Fähigkeiten als Alchemist zu überzeugen. Seine reichen Zuschauer sind begeistert. Sie wollen seine großen Anlagen zur Herstellung von Gold unterstützen, und überschütten ihn mit Geld.

Obwohl Kommissar Ahrndt große Zweifel an den Fähigkeiten Tausends hat, verbieten ihm seine Vorgesetzten der Sache auf den Grund zu gehen. Stattdessen soll er eine mittellose Mutter einschüchtern, die ihren wertlosen Goldgutschein zurückgeben möchte, da sie das Geld dringend braucht.

Weil Ahrndt sich in Tausends Geschäfte einmischt, wird er entlassen. Wie gut, dass ihm eine vielversprechende Stelle in der Hauptstadt angeboten wird. Von München zieht er nach Berlin. Dort soll er vor allem einen aufrührerischen Mann beschatten, Carl Ossietzky. Weil dieser Pazifist offen darüber schreibt, dass das deutsche Volk unerlaubterweise aufrüstet, soll er unschädlich gemacht werden.

In diesen aufregenden Vorkriegsjahren lebt und wirkt auch der Dichter Thomas Mann. Sowohl seine Schaffenskunst als auch sein gespaltenes Verhältnis zum nationalsozialistischen Reich werden in diesem Buch thematisiert.

Dieser historische Roman vermittelt einen guten Einblick in die Stimmung unter den Volk in diesen bewegten Jahren zwischen den beiden Weltkriegen. Der ganz normale Alltag wird gut dargestellt. Da gibt es die stolzen Automobilisten, die über ihre neuen Fahrzeuge fachsimpeln, die Angst wegen der vielen Menschen, die einfach spurlos verschwinden, die unerwartete Popularität der Nationalsozialisten, erschreckend ist aber vor allem, wie Menschen zum Schweigen gebracht werden, die eine andere Meinung vertreten.

Diese Geschichte ist gut recherchiert. Viele der Charaktere sind bekannte historische Figuren. Die Geschichten von Tausend, Ossietzky und Mann sind gut erzählt und faszinierend, gelegentlich wirkt das Buch jedoch fast wie ein Sachbuch oder Lexikontext.

Wer eine Geschichte über Franz Tausend erwartet, wird vielleicht enttäuscht, denn die spannendste Geschichte in diesem Buch ist eigentlich die vom mutigen Journalist Carl Ossietzky. Doch da diese Geschichte so wichtig ist, ist das mit Sicherheit kein Nachteil.

Fazit: Ein historischer Roman, der die Stimmung in Deutschland vor der Machtübernahme der Nazis begreifbar macht. Sehr gut recherchiert, verfolgt der Leser an der Seite von einem sympathischen, authentischen Kommissar, wie schwer Gewissensentscheidungen in einer solchen Zeit sein können. Ein wichtiges und wertvolles Buch!

Veröffentlicht am 02.04.2020

Ein messianischer Jude erklärt die Bergpredigt

Die Bergpredigt aus jüdischer Sicht
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Die Texte der Bergpredigt gehören vermutlich zu den bekanntesten Teilen der Bibel. Doch gerade weil wir diese Texte so gut kennen, entgeht uns vielleicht einiges vom Inhalt. Das trifft sicher besonders ...

Die Texte der Bergpredigt gehören vermutlich zu den bekanntesten Teilen der Bibel. Doch gerade weil wir diese Texte so gut kennen, entgeht uns vielleicht einiges vom Inhalt. Das trifft sicher besonders auf das Vaterunser zu. Der Autor dieses Buchs versucht sich in die damaligen Zuhörer hineinzuversetzen. Als Jude kennt er viele jüdische Schriften, die vermutlich zurzeit Jesu schon verbreitet waren. Versweise erklärt er wichtige Abschnitte der Bergpredigt aus jüdischer Sicht.

Nach einer kurzen Einleitung ist das Buch in drei Teile unterteilt. Im ersten, etwas kürzeren Teil, geht es um die Seligpreisungen, und darum, dass Nachfolger Jesu Salz und Licht sind (Matthäus 5,1-12 und 13-16). Der zweite Teil steht unter dem Thema Gerechtigkeit. Hier erklärt Jesus ganz praktisch, wie seine Nachfolger leben sollen (Matthäus 5,17-48). Im dritten Teil werden schließlich die einzelnen Bitten des Vaterunsers erklärt.

Die Erklärungen enthalten viele aufschlussreiche jüdische Geschichten und Beispiele. Dadurch wird die Lebenswelt Jesu greifbar. Bezüge zum Alten Testament ziehen sich durch den Text, was gut ist, denn die Bibel legt sich selbst aus. Die Betrachtungen geben insgesamt ganz neue, ungewohnte Impulse, und regen dadurch zum Weiterdenken an. Das Buch ist für Laien sehr gut lesbar, und mit den vielen Geschichten unterhaltsam geschrieben.

Im zweiten Teil dieses Buchs geht es um die Aussagen der Bergpredigt, die vermutlich am anstößigsten sind, heißt es doch, dass schon ein begehrlicher Blick Ehebruch ist, oder böse Wort Mord. Die Erklärungen des Autors zähmen den Text. Durch verschiedene jüdische Schriften und Geschichten werden die Aussagen relativiert, die Unmöglichkeit sie zu erfüllen wird wegerklärt. Diese Erklärungen sind teilweise hilfreich, aber sie leuchten nicht immer ein. Vielleicht sollen diese Aussagen Jesu tatsächlich ein unerreichbares Ziel bleiben, damit Menschen erkennen, dass sie Gottes Maßstäben niemals genügen können.

Neben neuen Einsichten und Betrachtungsweisen sind die grundsätzlichen Gedanken über die Beziehung zwischen Gott und Mensch besonders wertvoll. So schreibt der Autor, „Das Besondere an der jüdischen Tradition ist, dass der Mensch als Partner und Partnerin Gottes gilt und dabei eine viel wichtigere Rolle einnimmt, als wir es aus der christlichen Tradition kennen. Diese Dimension eröffnet einen neuen Zugang zu einem oft gehörten und gesprochenen Text. Manche angebliche Unterschiede zwischen Judentum und Christentum verschwinden bei näherer Betrachtung. Dazu gehört die Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade.“

Fazit: Wertvolle Einsichten eines messianischen Christen zu wichtigen Texten der Bergpredigt. Dieses Buch regt zum Nachdenken an und lädt zu einer neuen Sichtweise ein. Sehr zu empfehlen!

Veröffentlicht am 28.03.2020

Von Rittern und Ketzern, Brillen und Bibeln

Die Brillenmacherin
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Eine mutige junge Frau, Catherine, reist ihrem Mann nach, da er länger wegbleibt, als erwartet. Es ist das Ende des 14. Jahrhunderts. Brillen sind ein kostspieliges und begehrtes Gut. Die Herstellung einer ...

Eine mutige junge Frau, Catherine, reist ihrem Mann nach, da er länger wegbleibt, als erwartet. Es ist das Ende des 14. Jahrhunderts. Brillen sind ein kostspieliges und begehrtes Gut. Die Herstellung einer Brille, die zur Sehschwäche des Auftraggebers passt, ist sehr aufwendig. Es müssen viele Brillen gefertigt werden, bis das richtige Glas gefunden ist.

Catherine liebt und bewundert ihren Mann. Zu gerne würde sie von ihm in diese geheimnisvolle Kunst eingeweiht werden. Sie beobachtet ihn bei der Arbeit, und mit ihrer raschen Auffassungsgabe meistert sie schnell dieses besondere Handwerk.

Aber dann wird ihr Mann ermordet. Sein Lohn ist weg, die geheimnisvolle Papiere, die er bei sich trug, auch. Catherine wird bedroht, und alle Brillenwerkzeuge werden geraubt. Zuletzt verliert sie noch ihr Zuhause, und das alles, obwohl sie schwanger ist.

Sie sucht ihren Bruder auf, der selbst schwere Schicksalsschläge hinnehmen musste. Gibt es einen Zusammenhang? Will jemand Catherine und ihren Bruder vernichten? Es ist schwer zu wissen, wem sie vertrauen können.

Beide finden beim Erzbischof Courtenay Zuflucht. Catherines Bruder wird als Bogenschütze ausgebildet, und Catherine muss unfreiwillig Aufträge für den Bischof ausführen. Unfreiwillig, da sie ihr geliebtes Baby nicht behalten kann, wenn sie den Wünschen des Bischofs nicht Folge leistet. Courtenay hat nur ein Ziel vor Augen. Er möchte die Ketzer ausrotten, allen voran den Doktor Hereford, der die Bibelübersetzung Wycliffes weiterführt. Er befürchtet, wenn diese Schrift, die Bibel, in die Hände des Volks gelangt, wird die mächtige Kirche die Menschen nicht mehr kontrollieren können.

Dieser historische Roman ist spannend geschrieben. Am Anfang fällt die Identifizierung mit den beschriebenen Personen schwer. Es tauchen auch schnell viele Namen auf. Aber nach einigen Seiten hat man sich eingelesen, und fiebert mit der verzweifelten Catherine mit.

Catherine ist eine mutige Heldin, aber ihre Entscheidungen sind manchmal nicht so leicht nachzuvollziehen. Die bildhafte Sprache, mit vielen Naturbeschreibungen, malen ein Bild dieser ruhigen Welt vor Augen. Anders als heute, musste man reisen, um eine Nachricht zu überbringen, und es waren viel mehr Tiere und Vögel zu sehen.

Auch die Gebräuche und Sitten des 14. Jahrhunderts werden gut wiedergegeben, von der mühseligen Herstellung einer Brille, bis hin zur Belagerung einer Burg. Die Bereitschaft der sogenannten Ketzer für die Wahrheit zu sterben, und ihr Wunsch Gottes Wort in einer für alle verständlichen Sprache weiterzugeben, wird eindringlich vor Augen gemalt.

Fazit: Ein spannender historischer Roman über die Zeit vor der Reformation. Mutige Ritter, die Kunst des Brillenmachens, das Leben auf einer Burg und der Streit zwischen Kirche und Reformatoren; das sind einige Themen in diesem lesenswerten Buch.

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Veröffentlicht am 23.03.2020

Bilanz aus der christlichen Medienwelt

Gott kann auch anders
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Der 1950 geborene Autor dieses Buchs ist Theologe und Journalist. Von 1978 bis 2017 leitete er die evangelische Nachrichtenagentur „Idea“. In diesem Buch sieht er zurück auf Begegnungen während seiner ...

Der 1950 geborene Autor dieses Buchs ist Theologe und Journalist. Von 1978 bis 2017 leitete er die evangelische Nachrichtenagentur „Idea“. In diesem Buch sieht er zurück auf Begegnungen während seiner Dienstzeit, und auf bewegende Erlebnisse in seinem persönlichen Leben. Dabei stellt er fest, Gott kann auch anders. Das heißt, Gott handelt manchmal ganz anders als wir erwarten. Was für uns unmöglich erscheint, ist für Gott kein Problem, denn – Gott kann auch anders.

Die zwölf Kapitel dieses Buchs stehen jeweils unter einem Schlagwort. Die Themen sind: Familie, Glaube, Niederlagen, Erweckung, Lehrer, Helden, Heilungswunder, Zweifel, Christsein, Propheten, Volkskirche und das Ende des Lebens. Neben vielen persönlichen Berichten, zum Beispiel über die Hinwendung des Autors zum Glauben oder dem Tod seiner Ehefrau, gibt Helmut Matthies faszinierende Lebensbilder wieder, und berichtet über kontroverse Themen im kirchlichen Leben.

Bereiche, die Kirche und Politik verbinden, sind natürlich für einen Journalisten besonders interessant. So berichtet der Autor ausführlich darüber, wie Kirchen in Westdeutschland auf die Vereinigung der beiden Teile Deutschlands reagiert haben. Als Leiter eines kirchlichen Nachrichtenmagazins interessieren ihn außerdem die verschiedene kirchliche Richtungen und Standpunkte. Da geht es beispielsweise um die evangelische und katholische Kirche, um Mission, um Charismatiker und den Heiligen Geist. Schließlich erklärt er natürlich als begeisterter Christ auch, warum es sich lohnt mit Gott zu leben.

Bunt gemischt, ist dieses Buch die Bilanz eines Menschen, der viele Jahre persönlich und beruflich für den christlichen Glauben unterwegs war. So kann er mit einem sterbenden jungen Mann sprechen, der durch seinen hoffnungsvollen Tod andere für Gott begeistern konnte. Er beobachtet aber auch so manche Fehlentwicklung im kirchlichen Bereich, und er leidet, wenn Gebete nicht erhört werden und lieblose Christen vorschnelle Antworten parat haben.

Der sympathische Autor dieses Buchs bleibt bei allem Berichten und Überlegen demütig. Er erzählt offen von seinen eigenen Fehlern und Zweifeln. Sein Fazit: Gott kann auch anders. Er ist groß, er ist mächtig, und ich kann ihm vertrauen, selbst dann, wenn ich ihn nicht verstehe.

Manche Themen werden vielleicht zu ausführlich behandelt, zum Beispiel die Wiedervereinigung oder die Stellung der Kirche zur Mission. Der Leser erfährt dabei neue, interessante Fakten, aber die vielen Lebensgeschichten, die erzählt werden, sind bewegend und berühren beim Lesen natürlich viel mehr als trockene Fakten.

Fazit: Ein Buch über gelebten Glauben und über brennende kirchliche Themen der letzten Jahrzehnte. Ein sympathischer Autor lädt zu einem Leben im Vertrauen auf einen großen Gott ein. Sehr zu empfehlen!

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