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Veröffentlicht am 29.04.2020

Angenehme Urlaubslektüre

Wie durch ein dunkles Glas
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Eigentlich liegt gar kein Kriminalfall an. Commissario Brunetti ist zu Müßiggang verurteilt. So etwas wie ein Sommerloch tut sich in seiner Questura auf. Nur allzu gerne hilft er Vianello, dessen Öko-Freund ...

Eigentlich liegt gar kein Kriminalfall an. Commissario Brunetti ist zu Müßiggang verurteilt. So etwas wie ein Sommerloch tut sich in seiner Questura auf. Nur allzu gerne hilft er Vianello, dessen Öko-Freund in der Patsche steckt, diesen aus selbiger herauszuholen. Dabei erfährt er Interessantes aus dem handwerklich-industriellen Umfeld in Venedig. Abends bei dem Besuch einer Vernissage mit seiner Frau Paola trifft er auf die Personen, die ihn am Tag begegnet waren und von denen er gehört hatte. Da bittet ihn Paola, sich den Problemen ihrer neuen Freundin zu widmen. Guido Brunetti ist höflich und nicht uninteressiert. Nach kurzer Zeit muss er feststellen, dass er in ein Gewirr von Intrigen und Machenschaften in der Glasproduktion einerseits und die Müllentsorgung andererseits geraten ist. Die dienstliche Langeweile gestattet ihm jedoch, sich ausgiebig diesen Intrigen zu widmen. Er vermutet einen ausgewachsenen Umweltskandal. Jedoch hat er keine Beweise und ohne denen ist ihm sein Vice-Questore Patta wenig hilfreich. Wo kein Verbrechen, da keine Ermittlungen. Während sich Brunetti zu einem Umweltschützer entwickelt, wobei ihm Signorina Elettra gerne behilflich ist, gibt es plötzlich in einer Glasbläserei einen Toten. Alles deutet auf einen Unfall, zumal der Tote anscheinend paranoide Wahnvorstellungen hatte. Brunetti ist von einer anderen Todesursache überzeugt. Ein Bluff hilft ihm schließlich bei der Aufklärung dieses Falles. In gewohnt gekonnter Weise schildert Donna Leon die Ermittlungen in einem Umweltskandal und verknüpft dies mit der detailreichen Charakterisierung ihrer tragenden Figuren. Die Freunde Brunettis an gutem Essen, seine Verbissenheit, wenn ihn ein Fall nicht loslässt, seinen Respekt für seine Frau Paola und die Liebe zu seinen Kindern Raffi und Chiara. All das lässt die amerikanische Autorin voller Bilder im Kopf der Leser entstehen. Nicht zu kurz kommen die Borniertheit seines Vorgesetzten und die spitzzüngige Freundlichkeit dessen Sekretärin. Der Regionalkrimi mit einen gewissen Flair für den Touristen ist eine spannende und unterhaltsame Lektüre. Der Leser wird in die Stadt der Gondeln entführt und erfährt auf unterhaltsame Weise etwas über die Glasbläserei und die Entsorgung der dabei entstehenden Abfallprodukte. Angenehme Urlaubslektüre, die immer wieder in die Reisetasche oder auf den Nachttisch gehört.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011

Veröffentlicht am 29.04.2020

Ein spannender, historischer Roman

Der Katalane
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Katalonien im 19. Jahrhundert. Die Lebensverhältnisse sind schwer. Viele Bauern bauen Wein an, aber dessen Qualität reicht gerade mal, um daraus Essig zu machen. Josep ist nicht erster Sohn in der Familie ...

Katalonien im 19. Jahrhundert. Die Lebensverhältnisse sind schwer. Viele Bauern bauen Wein an, aber dessen Qualität reicht gerade mal, um daraus Essig zu machen. Josep ist nicht erster Sohn in der Familie und hat deshalb kein Anrecht auf den Hof. Wie auch in anderen Familien üblich, muss er frühzeitig sehen, wie und womit er seinen Lebensunterhalt verdient. Er lässt sich auf Anraten seines Vaters und dessen Freundes von der Armee anheuern und denkt, damit gut bedient zu sein. Doch die politischen Verhältnisse stehen nicht gerade zum Besten. Josep flieht und findet im Languedoc bei einem französischen Winzer Unterkunft, Arbeit und schließlich Ausbildung. Mehrere Jahre verbringt er dort, um schließlich in seine spanische Heimat zurückzukehren. Seinem älteren Bruder kauft er den Hof ab und beginnt, ihn zu bewirtschaften. Dabei geht ihm der Rat seines französischen Lehrmeisters nicht aus dem Kopf: er solle solchen Wein produzieren, den man auch trinken kann und nicht zu billigen Essig machen muss. So bemüht er sich und durchlebt viele Höhen und Tiefen. Der amerikanische Schriftsteller Noah Gordon hat sich einer historisch authentischen Kulisse bedient, um den Lesern eine andere Art des American Way of Live vorzulegen. Er ermutigt zum Kampf im Leben, nicht aufzugeben, seine Ziele stetig zu verfolgen. Was eignet sich besser, als solch ein Thema in einen Entwicklungsroman zu stecken. Darüberhinaus ist ihm eine packende Geschichte gelungen, die den Leser fesselt. Interessant und lehrreich sind die vielen Hinweise und Tipps, die etwas über die Weinherstellung erzählen. Katalanische Wörter in ihrer Sprache zu belassen und anhand eines angehängten Glossars zu erklären, ist eine sehr gute Methode, den Lesefluss nicht gewaltsam zu unterbrechen und den Leser auf so manche regionale Besonderheit hinzuweisen. Schön, dass diese Methode auch vom Übersetzer Klaus Berr so übernommen wurde. Ein spannender, historischer Roman, der nicht den Mainstream bedient, dafür aber jedem interessierten Leser im Gedächtnis bleiben wird.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011

Veröffentlicht am 29.04.2020

Daisy bei einer Party

Sie finden dich nie
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»Sie finden dich nie« von Cara Hunter ist eine spannende Jagd nach einem vermissten, achtjährigen Mädchen. Offenbar ist Daisy bei einer Party von dem Grundstück ihrer Eltern verschwunden. Die Polizei ermittelt ...

»Sie finden dich nie« von Cara Hunter ist eine spannende Jagd nach einem vermissten, achtjährigen Mädchen. Offenbar ist Daisy bei einer Party von dem Grundstück ihrer Eltern verschwunden. Die Polizei ermittelt sofort und befragt Eltern, Gäste und Nachbarn, später auch Lehrer und Mitschüler. Jeder scheint verdächtig, aber ernsthafte Spuren gibt es nicht. Detective Inspector Adam Fowley kommt mit seinem Team nicht voran, bis er schließlich Informationen aus der Vergangenheit einbezieht.

Gefallen hat: die Spannung bis zum Ende, stets neue Informationen , die in eine andere Richtung zeigen, überraschende Wendungen bis zum Schluss und schließlich eine verblüffende Auflösung des Falls.

Gefallen hat: Die Erzählweise aus unterschiedlichen Perspektiven hat mir besonders viel Spaß gemacht.

Nicht gefallen hat: zwei verschiedene strukturelemente, die von der Autorin eingebracht wurden, um dem Leser einen anderen Blick auf die Sachlage zu gewähren. Das sind einerseits die rückblenden, die beim Tag des Verschwindens beginnen und Stück für Stück immer weiter zurückgehen. durch die chronologisch umgekehrter Reihenfolge hatte dies für mich eher Verwirrung als weitere Erkenntnis zur Folge, obwohl ich durchaus erkenne, dass die Autorin damit bezweckte. andererseits sind es die vielen Twitter Meldungen, mit denen die medienmeldungen kommentiert werden. Die sind für mich total belanglos und komplett entbehrlich Punkt lese ich sowas doch in meinem normalen tagesablauf, also muss ich solch Geschwätz nicht auch noch im Roman lesen.

Mein Fazit: unterhaltsam und spannend mit Potenzial zum Überblättern wegen nutzloser Informationen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

Veröffentlicht am 03.04.2020

Skandinavischer Psychothrill aus deutscher Feder

Schwarzer Fjord
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»Schwarzer Fjord« ist skandinavischer Psychothrill aus deutschen Landen von Sven Koch. Dabei geht es um Liv, die in einem Bett in einer Klinik erwacht und sich nicht wirklich an etwas erinnern kann. Sie ...

»Schwarzer Fjord« ist skandinavischer Psychothrill aus deutschen Landen von Sven Koch. Dabei geht es um Liv, die in einem Bett in einer Klinik erwacht und sich nicht wirklich an etwas erinnern kann. Sie weiß nicht, was passiert war, wie sie hierhergekommen war. Sie weiß nur, dass sie einen Anruf von Magnus, dem Ehemann ihrer besten Freundin Vigga seit Kindestagen erhalten hatte. Er hatte sie informiert, dass Vigga verschwunden sein und bat sie, ihm bei der Suche nach seiner Frau und ihrer Freundin zu unterstützen. Liv machte sich auf den Weg.

Noch im Krankenhaus wird Liv von den Polizisten Tine und Knud über das Geschehen befragt. Es ist ein Schock, als Liv erfährt, dass Magnus in Blut getränkt tot neben ihr aufgefunden worden war. Sie gilt als Tatverdächtige. Der Kampf um die Wahrheit nimmt seine Fahrt auf. Somit die Spannung und der Thrill im Roman.

Zwar ist der Grundplot nicht neu, aber die Geschichte drumherum schon. Sie liest sich sehr schnell dank der kurzen Kapitel und der rasanten Szenenwechsel. Sie ist spannend und unterhaltsam. Als Leser muss man allen Nebensträngen folgen, da man keine Ahnung hat, hinter welchem Strang sich die Auflösung des Dilemmas verbirgt. Alle Figuren haben irgendein Geheimnis, verbergen etwas. Und jedes dieser Geheimnisse kann ein Motiv dafür sein, dass Menschen verschwundet sind oder getötet wurden.

In wohltuenden Ortsbeschreibungen erfährt der Leser von der skandinavischen Weite und kann von der spannenden Handlung einen Moment innehalten. Außerdem machen diese Abschnitte Lust auf Urlaub, trotz der Verbrechen. Sven Koch scheint diese Landstriche zu lieben. Zusätzlich unterfüttert er die Handlungen mit ausreichend Stoff über Ermittlungswissen.

Die Geschichte wird in erster und dritter Person erzählt. Die Gedankengänge der Protagonistin Liv, ihre Vermutungen zum Hergang des Vorgefallenen nehmen zwangsläufig einen großen Raum ein und sind in erster Person erzählt. Leider klingen diese Passagen nicht so authentisch, wie sie sollten. Das Wort „ich“ wird zu viel bemüht. Sowas liest sich in Romanen anderer Autoren eleganter.

Alles in allem tut dieser Stil, der mir persönlich nicht gefällt, der Spannung keinen Abbruch. Er macht den Thriller nicht weniger empfehlenswert. Also Daumen hoch!


© Detlef Knut, Düsseldorf 2020

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Veröffentlicht am 20.03.2020

ein Krimi, der zum Nachdenken anregt

Der Mann, der niemals töten wollte
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Ein sechsjähriges Kind wird vermisst gemeldet. Doch dies ist zunächst kein Fall für die Polizei. Der Entführer ist ein Bosnier, der sich von dem kleinen Mädchen mit „Vater“ anreden lässt.
An dieser Stelle ...

Ein sechsjähriges Kind wird vermisst gemeldet. Doch dies ist zunächst kein Fall für die Polizei. Der Entführer ist ein Bosnier, der sich von dem kleinen Mädchen mit „Vater“ anreden lässt.
An dieser Stelle kommt ein gesellschaftliches Thema ins Spiel, welches von der Autorin geschickt in eine spannende Handlung gekleidet wird. Krieg und Flucht aus Ex-Jugoslawien, Aufnahme in unserer westlichen Gesellschaft, Umgang mit ausländischen Mitbürgern. Haarklein werden die Verhältnisse eine Flüchtlingsfamilie in der deutsch-schweizer Gegend um Konstanz und den Bodensee herum geschildert.
Dass sich die Konstanter Kripo nicht um den Entführungsfall kümmert, hat seinen Grund: Sie hat wegen eines Toten, der erstochen in einer Badewanne gefunden wurde, genug zu tun. Das ohnehin schon große Team wird immer wieder durch weitere Experten vergrößert. Noch während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, gibt es einen zweiten Toten, der Ähnlichkeiten zu dem Tötungsdelikt des ersten Toten aufweist. Dieses Mal wurde der Leiter des Jugendamtes bestialisch erstochen und in einem Park abgelegt.
Geschickt sind die Ermittlungen um die Ermordeten mit der Entführung des Mädchens in einer parallelen Handlung verflochten. Die bluttriefenden Details bei der Leichenschau hätten auch ohne diese Konkretheit ihre Wirkung gezeigt, wie auch viele weitere kriminaltechnische Details passend in den Text eingeflossen sind und den Eindruck von Expertenwissen erwecken.
Als angenehm habe ich das Sprechen der handelnden Figuren empfunden, die teilweise im Dialekt oder mit osteuropäischem Akzent ihre Sätze hervorbrachten. Schade, dass dieser Stil nicht konsequent an jeder Stelle umgesetzt wurde.
Während die Ermittlungen der Kripo durchweg interessant und spannend sind, ist die Handlung um die Entführung ein wenig zähfließend. Es steht zwar immer die Frage nach dem „Warum“ im Raum, aber leider ändert sich dies über alle betroffenen Kapitel nicht. Im Ablauf der Entführung gibt es kaum eine überraschende Wendung, kein kleinerer Spannungsbogen, der den Leser bis zum nächsten (Entführungs-) Kapitel gefangen hält. Außerdem wirkt die Sichtweise des Kindes konstruiert, aus dessen Perspektive die Entführung geschildert wird. Es ist offensichtlich die eines Erwachsenen, der glaubt, dass ein Kind so denkt. Das hat nichts mit der realen Denkweise eines Kindes zu tun.
Auf das Thema des Buches ist bereits hingewiesen worden, aber die besondere Herangehensweise an die Problematik des Balkankrieges, an die Schicksale der Flüchtlinge, an die Schilderung der Kriegsleiden bosnischer Soldaten ist ein ausdrückliches Lob wert. Dadurch wird der Krimi einer, der auch zum Nachdenken anregt.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2011