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Veröffentlicht am 08.04.2020

Die Kompassmacherin

Die Kompassmacherin
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1531 Nürnberg. Katharina will in die Fußstapfen ihres Vaters treten und wie er Kompassmacherin werden. Ihr Vater hat sie immer unterstützt, doch fällt er einem Mord zum Opfer, der erst einmal vertuscht ...

1531 Nürnberg. Katharina will in die Fußstapfen ihres Vaters treten und wie er Kompassmacherin werden. Ihr Vater hat sie immer unterstützt, doch fällt er einem Mord zum Opfer, der erst einmal vertuscht wird und ihn als angeblichen Verräter dastehen lässt, der das Kompassgeheimnis verraten wollte. Katharina versucht mit allen Mitteln, das Handwerk ihres Vaters fortzuführen, doch die Innung der Kompassmacher nimmt die junge Frau nicht ernst. Selbst ihr eigener Onkel stellt sich gegen sie. Ludwig, der Sohn eines alten Freundes ihres Vaters kommt ihr zu Hilfe, als Katharina gewahr wird, dass ihr Vater einem heimtückischen Mord erlegen ist. Gemeinsam versuchen sie zu ergründen, wer dahinter steckt und geraten dabei selbst in Gefahr, denn jemand will unbedingt verhindern, dass sie die Wahrheit aufdecken…
Andrea Bottlinger hat mit „Die Kompassmacherin“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der im Renaissance-Zeitalter beheimatet ist. Der Erzählstil ist locker-flüssig und macht es dem Leser leicht, ins 16. Jahrhundert abzutauchen, um den Protagonisten bei ihrem Abenteuer zu folgen. Die Autorin mischt vor historischem Hintergrund eine Liebesgeschichte mit einer spannenden Mördersuche. Die geschichtlichen Fakten sind in Dosen eingesetzt, allerdings wäre hier etwas mehr Ausführlichkeit wünschenswert gewesen. Wechselnde Perspektiven erhöhen die Spannung innerhalb der Handlung und stellen den Leser mal an die Seite von Katharina, mal Ludwig, während nach und nach das Geheimnis offenbart wird. Die damalige Rolle der Frau wird leider nur angedeutet und nicht weiter ausformuliert. Frauen waren zu jenen Zeiten nicht als Meisterin für ein Handwerk zugelassen, dies war ausschließlich Männern vorbehalten. Frauen durften damals auch nicht die Betriebe ihrer Ehemänner übernehmen, wenn diese vor ihnen starben. Sie mussten sich entweder einen neuen Mann suchen und den Betrieb übertragen oder aber verkaufen. Der Spannungslevel liegt bei dieser Geschichte im mittleren Bereich, da wäre mehr drin gewesen.
Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und besitzen lebendige menschliche Züge, so der Leser ihnen gerne folgt. Katharina ist recht selbstbewusst, lässt sich nichts vormachen und steht für die Dinge ein, die ihr wichtig sind. Sie lässt sich nicht einschüchtern und geht den Dingen auf den Grund. Ludwig ist ein offener und fröhlicher junger Mann, der neben seiner Hilfsbereitschaft auch eine gesunde Neugier besitzt. Die Beziehung zu seinem Freund Theo ist eng, sie können sich immer aufeinander verlassen und nehmen das Leben, wie es kommt, immer mit einem Zwinkern in den Augen. Katharinas Magd Magda ist ihrer Herrin ebenfalls eng verbunden.
„Die Kompassmacherin“ ist ein unterhaltsamer Roman, der für kurzweilige Lesestunden sorgt. Wer allerdings eine tiefgründige Geschichte vor gut recherchiertem historischem Hintergrund sucht, wird eher enttäuscht sein. Eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 04.04.2020

Der Puderkrieg

Rouge
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Die junge Jüdin Josiah Herzenstein kommt als junge Frau von Polen per Schiff nach Australien, um bei ihren Verwandten in Sicherheit zu sein. Sie hat hochfliegende Pläne und möchte einmal ein eigenes Schönheitsunternehmen ...

Die junge Jüdin Josiah Herzenstein kommt als junge Frau von Polen per Schiff nach Australien, um bei ihren Verwandten in Sicherheit zu sein. Sie hat hochfliegende Pläne und möchte einmal ein eigenes Schönheitsunternehmen leiten. Schon bald setzt sie ihre Ideen in die Tat um und verkauft eigens angerührte Cremes mit großem Erfolg. Die Heirat mit einem amerikanischen Journalisten führt sie von Australien erst nach London und dann nach New York, wo sie ihren Namen in Josephine Herz ändert und ihr Kosmetikunternehmen immer mehr wächst. Ihre größte Konkurrentin ist die Kanadierin Constance Gardiner, die mit ihren Schönheitsprodukten ebenfalls den Weltmarkt erobern will. Die beiden Frauen wetteifern umeinander, indem sie immer wieder neue Produkte entwickeln und als erste auf den Markt bringen wollen. Constance‘ Geheimwaffe ist die junge CeeCee, die mit Ideenreichtum gesegnet ist. Als Constance eines Tages CeeCee eine ihrer Ideen klaut und sie auch noch vor den Kopf stößt, bewirbt sich CeeCee bei Josephine und vergrößert mit deren Hilfe das Herz-Imperium, während CeeCee auch ihre eigene Schönheitsmarke unter die Frauen bringt. Der Konkurrenzkampf zwischen Josephine und Constance wird immer härter….
Richard Kirshenbaum hat mit „Rouge-Rivalinnen der Schönheit“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der zwar fiktiv ist, dennoch starke biografische Parallelen der Lebensläufe von Helena Rubinstein und Elizabeth Arden aufweist, die jahrelang miteinander den berühmten „Puderkrieg“ miteinander führten. Der flüssige und bildhafte Schreibstil sowie wechselnde Perspektiven geben dem Leser die Möglichkeit, schnell in der Geschichte zu versinken, um den Frauen beim Aufbau ihrer Imperien und auch in ihrem bunten Privatleben zuzusehen. Der Autor erzählt seine Geschichte abwechselnd mal aus der Sicht von Josiah/Josephine, Constance und CeeCee und deckt mit ihnen einen Zeitraum von 1922 bis 1950 ab. Der Rahmen der Geschichte wird durch die Erzählungen von Josephines Butler Bobby de Vries abgebildet und erstreckt sich 1983 bis 1993. Interessant zu verfolgen sind die Verfolgung der einzelnen Produktideen der Hauptakteurinnen sowie die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sie mit ihren Marken ansprechen wollten. Der Autor lässt auch den historischen Hintergrund gut in seine Geschichte hineinfließen und zeigt auf, dass auch in den USA der Antisemitismus stark ausgeprägt war. Zudem wurden berufstätige Frauen schon damals eher schräg angesehen und als Unternehmensführerinnen erst einmal nicht besonders ernst genommen. Das Thema Homosexualität spielt in dieser Geschichte ebenfalls eine große Rolle, die zu jenen Zeiten in Amerika strafbar und ein Tabuthema war.
Die Charaktere sind gut in Szene gesetzt und wirken neben ihrer Lebendigkeit auch glaubwürdig. Sie strahlen zwar nicht gerade Wärme und Sympathie aus, dennoch folgt der Leser ihrem Treiben gern und lässt sich mitnehmen in die Welt der Schönheit. Josiah ist schon als junge Frau extrem ehrgeizig und einfallsreich. Sie arbeitet hart und verlangt von anderen unbarmherzig das gleiche. Oftmals wirkt sie wie ein General, der seine Kommandos abfeuert, doch gegen die Vorbehalte gegen sie als Jüdin und als Geschäftsfrau wappnet sie sich und erwirbt sich damit auch stetig immer mehr Respekt. Constance steht der Ehrgeiz ebenfalls auf die Stirn geschrieben. Allerdings kämpft sie oft mit unlauteren Mitteln, sie stiehlt die Ideen anderer, um sich zu bereichern und muss sich gleichzeitig darauf konzentrieren, dass ihr privates Geheimnis nicht ans Licht kommt. Als Mulattin hat CeeCee es besonders schwer, sich in der Geschäftswelt zu behaupten. Dennoch gibt sie nie auf und durch ihren scharfen Verstand erblickt so manche Innovation das Licht. Ebenfalls erwähnenswert sind Mickey, Alexej, Van Wyke, Lally oder James, um nur einige der Weggefährten der drei Frauen zu nennen, denen wichtige Rollen zukommen.
„Rouge-Rivalinnen der Schönheit“ ist ein unterhaltsamer Roman über den „Puderkrieg“, der jahrelang zwischen zwei Gründerinnen von Schönheitsimperien herrschte, der aber auch ihr Privatleben auf interessante Weise beleuchtet. Kurzweilige Lektüre, die eine Empfehlung verdient!

Veröffentlicht am 29.03.2020

Zwei Frauen suchen ihr Glück in Indien

Die Rückkehr nach Assam
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1922 Edinburgh/Schottland. Clarissa kam vor einigen Jahren mit ihrer Schwester Olive aus Indien nach Schottland und mussten schwierige Zeiten durchleben. Nun stehen Verwandte von ihr vor dem Aufbruch nach ...

1922 Edinburgh/Schottland. Clarissa kam vor einigen Jahren mit ihrer Schwester Olive aus Indien nach Schottland und mussten schwierige Zeiten durchleben. Nun stehen Verwandte von ihr vor dem Aufbruch nach Indien: Sophie, die ihrer Liebe Tam dorthin folgen will und ihre Cousine und gleichzeitig beste Freundin Tilly, die mit ihrem Ehemann in die britische Kolonie umzieht. Obwohl Sophie nur ganz wage Erinnerungen an ihre Kindheit in Assam hat, fällt es ihr sehr schwer, sich in Indien einzuleben. Tilly dagegen versucht, ihre Einsamkeit und Langeweile damit zu kompensieren, Sophies Vergangenheit und deren Erinnerungen zu einem Bild zusammenzufügen und stößt dabei auf ein altes Geheimnis, dass die enge Freundschaft der beiden Frauen auf eine harte Probe stellt…
Janet MacLead Trottern hat mit „Die Rückkehr nach Assam“ den zweiten Teil ihrer Teeplantagen-Reihe vorgelegt, der erneut mit guter Hintergrundrecherche und einer spannenden Geschichte aufwarten kann wie bereits der Vorgänger. Der flüssige und bildhafte Schreibstil der Autorin entführt den Leser schnell ins vergangene Jahrhundert zurück, zuerst nach Schottland und von dort ins exotisch-farbenprächtige Indien, wo er zwei sich eng verbundenen Frauen auf einem neuen Lebensabschnitt folgt, der allerlei Überraschungen für beide bereithält. Die schwierige politische Lage wird sehr gut dargestellt und macht deutlich, wie sehr sich die Inder gegen die britische Herrschaft auflehnen. Bitterarme Lebensverhältnisse und kulturelle sowie religiöse Unterschiede stehen im Gegensatz zu Teegesellschaften und Leben im Überfluss. Die Autorin hat den geschichtlichen Hintergrund sehr gut mit ihrer Handlung verwoben und zeichnet ein Bild von einer zerrissenen und unterdrückten Gesellschaft, in denen eine gute Krankenversorgung ebenso Mangelware ist wie Gleichberechtigung, was oftmals zu Aufständen führt. Der Spannungslevel steigt innerhalb der Geschichte gemächlich an, kann sich aber mit dem ersten Band leider nicht messen. Dafür überzeugt der Roman einmal mehr mit wunderbaren Landschaftsbeschreibungen, die dem Leser schöne Bilder in den Kopf zaubern.
Die Charaktere sind gut in Szene gesetzt, wirken glaubwürdig und lebendig, jedoch schaffen sie keine Nähe zum Leser, wie es im ersten Band der Fall war. So muss er sich als Beobachter begnügen, der ihr Schicksal mit gewissem Abstand verfolgt, jedoch gefühlsmäßig nicht so involviert wird, wie er es sich wünschen würde. Sophie hat kaum Erinnerungen an ihre Kindheit in Indien. Umso mutiger ist sie, der Liebe wegen von Schottland nach Indien zu gehen, ohne zu wissen, was sie dort wirklich erwartet. Auch wenn sie Tilly in der Nähe hat, ist sie die meiste Zeit auf sich selbst gestellt. Tilly dagegen langweilt sich in der Abgeschiedenheit zu Tode. Sie hat sich das alles völlig anders vorgestellt. Sie ist nicht gerade die Geduldigste. Clarissa ist freundlich, offen und hilfsbereit. Aber auch andere Protagonisten wie Rafi oder Tam tragen ihren Teil zur Handlung bei.
„Die Rückkehr nach Assam“ ist ein historischer Abstecher in das koloniale Indien in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bunt und farbenfroh erzählt, nimmt man als Leser nicht nur viele Informationen über Land und Leute mit, sondern darf zwei Frauen auf den Weg in eine ungewisse Zukunft begleiten. Unterhaltsam und mit Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.03.2020

Ausbaufähig

Die verschwundene Braut
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1845 Yorkshire. Im Herrenhaus Chester Grange findet ein Hausmädchen morgens das Schlafzimmer ihrer Herrin Elizabeth Chester blutverschmiert und verwüstet vor, von der Dame des Hauses fehlt allerdings jede ...

1845 Yorkshire. Im Herrenhaus Chester Grange findet ein Hausmädchen morgens das Schlafzimmer ihrer Herrin Elizabeth Chester blutverschmiert und verwüstet vor, von der Dame des Hauses fehlt allerdings jede Spur. Die drei Pfarrerstöchter Emily, Anne und Charlotte Brontë werden von ihren schriftstellerischen Exkursen abgelenkt, als sie über ihren Bruder Branwell von dem Vorkommnis erfahren. Die Neugier und kriminalistische Spürsinn der drei Schwestern ist sofort angestachelt, sie wollen herausfinden, was sich dort zugetragen hat und was Elizabeth Chester widerfahren ist. Da sie die in Chester Grange tätige Gouvernante Matilda French aus Internatszeiten kennen, erhoffen sie sich einen Einblick hinter die Mauern des Anwesens, um den rätselhaften Vorgang aufzuklären, wobei sie sich auch in Gefahr bringen…
Bella Ellis hat mit „Die verschwundene Braut“ einen interessanten historischen Kriminalroman vorgelegt, in dem die literarisch berühmten Brontë-Schwestern als Ermittlerinnen fungieren und den Leser mal nicht von ihrem schriftstellerischen Können überzeugen, sondern sich von ihrer persönlichen Seite zeigen sollen. Die Autorin bedient sich dabei reiner Fiktion, wobei sie sich an das in der Geschichte überlieferte Leben der Brontës nahe heranwagt, aber den Protagonisten dennoch ihren eigenen Stempel aufdrückt. So lässt sie den Leser mit flüssigem und bildhaftem Schreibstil in vier unterschiedliche Perspektiven springen, um die verschiedenen Gedanken und Sichtweisen der drei Schwestern und die des Bruders Branwell zu erfahren. Dabei wird einmal mehr deutlich, welch fortschrittliche Erziehung im Hause Brontë herrschte und dass gerade die Schwestern sich keinen Deut darum scherten, was andere über sie dachten. Den Spannungslevel, der zu Beginn noch recht hoch liegt, kann die Autorin durch die Handlung hinweg aber leider nicht halten. Jedoch lässt sie die damalige Zeit wunderbar wiederaufleben, schafft mit ihren Worten eine atmosphärisch-düstere und geheimnisvolle Stimmung, die ein gewisses Gänsehautfeeling produziert.
Die Charaktere sind der Zeit angemessen gestaltet, wirken glaubwürdig und authentisch. Durch den von der Autorin gewährten Einblick in ihre Persönlichkeit werden sie nahbar. Zwischen den Schwestern herrscht eine gewisse Konkurrenzatmosphäre, wobei keine von ihnen sich verbiegen lässt. Anne ist eine eher ruhige, feinfühlige und mitfühlende Frau. Charlotte prägt ein überlegtes und selbstsicheres Wesen, sie geht eher pragmatisch und mit Kombinationsgabe an die Dinge heran. Emily dagegen prescht immer wieder vor, ist impulsiv und offenherzig. Branwell, der Bruder der drei Schwestern ist ein unruhiger Freigeist, der eine gewisse Unsicherheit ausstrahlt ob der Frauenpower in der eigenen Familie. Aber er bietet den Frauen auch eine gewisse Sicherheit und Schutz, obwohl sie das nie zugeben würden.
„Die verschwundene Braut“ ist ein historischer Kriminalfall, der mit seinen eingefangenen Stimmungen entfernt an die Werke der Brontë-Schwestern erinnert. Gute Idee, allerdings würde der Geschichte etwas mehr Spannung gut zu Gesicht stehen. Ausbaufähig!

Veröffentlicht am 24.03.2020

Hier ist noch Luft nach oben

Unverblümt im Sommerwind
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Judith zieht das Unglück anscheinend an wie ein Magnet, denn sie verliert nicht nur ihren Job, sondern auch ihre Wohnung, weil sie einfach immer die Wahrheit sagt, denn sie ist nicht in der Lage zu lügen. ...

Judith zieht das Unglück anscheinend an wie ein Magnet, denn sie verliert nicht nur ihren Job, sondern auch ihre Wohnung, weil sie einfach immer die Wahrheit sagt, denn sie ist nicht in der Lage zu lügen. Damit eckt sie immer wieder an und sorgt auch für Unverständnis in ihrem Umfeld. Da sie praktisch auf der Straße steht, macht sie sich auf den Weg zu ihrem Onkel Olaf auf die Insel Amrum in der Hoffnung, dort endlich das Lügen zu lernen und ihr Leben in den Griff zu kriegen. Anscheinend ist sie auf der Insel genau richtig, denn sie findet in der Villa Pippilotta nicht nur Gleichgesinnte mit schrulligen Eigenschaften, sondern ein altes Tagebuch, dessen Lektüre Judith den weiteren Weg in ihrem Leben weist…
Simone Veenstra hat mit „Unverblümt im Sommerwind“ einen unterhaltsamen und farbenfrohen Roman vorgelegt, der den Leser mit einem flüssigen und teilweise humorigem Schreibstil schnell in Beschlag nimmt, ihn in die Geschichte hineinzieht und Protagonistin Judith an die Seite stellt, um ihr Schicksal und ihren weiteren Werdegang zu verfolgen. Die Autorin lädt den Leser zu einer Kurzreise auf die schöne Nordseeinsel Amrum ein und erweckt diese mit bildhaften Beschreibungen zum Leben, so dass man den Wind in den Haaren spürt, während der Blick über das Wasser zum Horizont schweift und man tief durchatmet in der salzigen Luft. Die Einzelschicksale von Judith und den skurrilen Villenbewohnern sind interessant, werden allerdings nicht immer zuende gedacht und lassen den Leser ratlos und blätternd zurück, ob er etwas verpasst hat. Die alten Tagebucheinträge lassen die Gedanken in die Vergangenheit schweifen, die dahin wechselnde Perspektive ist um einiges prächtiger und spannender formuliert, so dass der Leser dort lieber länger verweilen würde, als in die Gegenwart zurückzukehren. Leider werden auch nicht alle Fäden der teilweise langatmig anmutenden Geschichte miteinander verknüpft, so dass am Ende Fragen offen bleiben und den Leser unbefriedigt zurücklassen.
Eine bunte Vielfalt von Charakteren wird in diesem Roman liebevoll in Szene gesetzt, die der Leser allerdings nicht so kennenlernt, um sich ihnen nah und verbunden zu fühlen. Vielmehr verfolgt er ihr Schicksal mit gewissem Abstand und lässt sie nach der Lektüre auch leicht wieder gehen. Judith wirkt mit ihren knapp 30 Jahren noch sehr naiv. Sie ist schonungslos offen, ehrlich, unverblümt und eckt so auch immer wieder an. Ben hadert mit seinem Schicksal im Rollstuhl und leidet unter Schuldgefühlen. Er ist schroff und unfreundlich, sieht aus wie ein Zausel auf Speed und versteckt mit dieser Verkleidung seine Unsicherheit. Teda ist eine spannende Frau, deren Lebensgeschichte unverhofft Einfluss auf die Gegenwart nehmen wird. Auch die vielen weiteren Villenbewohner lohnt ein genauerer Blick, denn sie machen die Geschichte lebendig und bunt.
„Unverblümt im Sommerwind“ ist ein Buch über Ehrlichkeit, echte Freundschaften, Selbstfindung und Entscheidungen, dass an manchen Stellen recht langatmig ist und die Charaktere auf Abstand bleiben. Hier ist noch Luft nach oben!