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Veröffentlicht am 21.01.2017

"Company Town" von Madeline Ashby

Company Town - Niemand ist mehr sicher
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Inhalt

Willkommen in New Arcadia, einer Vompany Town vor der kanadischen Küste. Hwa ist Leibwächterin und die letzte Bewohnerin der einstigen Ölplattform, deren Körper ohne künstliche Bauteile auskommt. ...

Inhalt

Willkommen in New Arcadia, einer Vompany Town vor der kanadischen Küste. Hwa ist Leibwächterin und die letzte Bewohnerin der einstigen Ölplattform, deren Körper ohne künstliche Bauteile auskommt. Das macht sie zur Außenseiterin, aber auch zur Hoffnungsträgerin für eine bessere Welt. Als eine Mordserie für Angst und Schrecken sorgt, steht nicht nur Hwas eigene Zukunft auf
dem Spiel - die gesamte Inselstadt ist bedroht.

Eindruck

Zukunftsvision oder vielleicht schon bittere Realität?

Der Einstieg in diese sehr komplexe Geschichte ist schwierig und es brauchte viel Konzentration um anzukommen. Aber als der Knoten platzte kam der Flash. Wahnsinnig interessante Protagonisten die einem die Reise durch diese erschreckende Welt leicht gemacht haben.
"Company Town" ist sehr kompakt und mit vielen Fachbegriffen ausgestattet, die Handlung teilweise ein wenig verwirrend, weil ein wahnsinnig hohes Tempo den Schreibstil beherrscht.
Man muss manchmal schon zwei oder dreimal über eine Stelle oder auch Seiten lesen, um die Zusammenhänge zu erfassen.

Die Darstellung von generierten Menschen, einer Welt in der "organisch sein" völlig aus der Mode ist und die Vorstellung, dass mein Vorgesetzer über meine Knochen mit mir Kommunizieren kann, ist seeeeehr authentisch dargestellt und ich möchte gar nicht so genau wissen, wieviel davon schon Realität ist. Bei mir kommt hier auch die Frage auf, ob ich in einer Welt, in der diese Dinge Normalität werden, noch leben möchte. Oder ob ich lieber bei der altmodischen
Variante bleiben würde.

Was die Sprache betrifft, ist diese teilweise sehr derbe gewählt, passt aber zum Ambiente und hat mich über alle Seiten durchweg klasse unterhalten. Bei einigen Küchengeräten kommen mir jetzt spontan sehr niedere Ideen in den Kopf.

Die ganze Geschichte ist sehr schnell, spannend und fesselnd und hat ein völlig unerwartetes Ende. Es bleiben auch einige Fragen offen - jedenfalls für mich -, so dass "Company Town" förmlich nach einem zweiten Teil schreit.

Fazit

Tolle Dystopie für Erwachsenen, nicht ganz einfach zu lesen und zu verstehen - aber definitiv eines DER Bücher in 2017, das ich auf jeden Fall in nächster Zeit ein zweites Mal lesen werde.
Leseempfehlung für allen Interessierten dieses Genre!

Veröffentlicht am 14.01.2017

"Der Club der Traumtänzer" von Andreas Izquierdo

Der Club der Traumtänzer
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Inhalt

Gabor Schöning sieht gut aus, ist erfolgreich, und die Frauen liegen ihm zu Füßen. Die Welt ist für ihn wie ein großer Süßwarenladen. Außerdem ist Gabor ein Mistkerl. Er schreckt vor nichts zurück, ...

Inhalt

Gabor Schöning sieht gut aus, ist erfolgreich, und die Frauen liegen ihm zu Füßen. Die Welt ist für ihn wie ein großer Süßwarenladen. Außerdem ist Gabor ein Mistkerl. Er schreckt vor nichts zurück, um seine Ziele zu erreichen. Doch dann fährt er mit dem Auto die Direktorin einer Sonderschule an. Und die kennt sich mit Schwererziehbaren wie ihm bestens aus. Als Wiedergutmachung soll Gabor fünf Sonderschülern Tango beibringen. Das Problem ist nur, dass alle Schüler einen IQ unter 85 und eigentlich keinen Bock auf Tanzen haben. Die Sache gerät außer Kontrolle. Die Kids stellen sein Leben auf den Kopf, sein ärgster Konkurrent wittert die große Chance, ihn aus der Firma zu drängen, und zu allem Überfluss verliebt er sich in eine Frau, die ihm nicht gleich zu Füßen liegt.
Als eines der Tangokids schwer erkrankt, setzt Gabor alles auf eine Karte - er wird diesen Jungen retten, egal, was er dabei aufs Spiel setzt.

Eindruck

Puh - was für ein Buch. Ich habe Tränen gelacht, mich geärgert und Rotz- und Wasser geheult. Es wird definitiv eines meines Highlights in 2017, wenn nicht sogar eines meiner Lieblingsbücher überhaupt.

Der Schreibstil ist so toll, dass ich - wie schon bei Romeo & Romy - sofort in der Geschichte drin war. Buch aufschlagen, zwei Sätze lesen und eintauchen. Die Geschichte des skupellosen Unternehmensberaters Gabor ist witzig und sarkastisch erzählt. Eigentlich ist er ein Ekelpaket, was sich aber durch die Art und Weise wie seine Person und seine Handlungsweisen beschrieben sind relativiert.
Eine weitere tolle Protagonistin ist die Schuldirektorin Kathrin. Über sie habe ich mich amüsisiert und geärgert, bis ich verstanden habe, dass sie in Gabor bzw. in seinem Wesen mehr gesehen hat. Das Gespür dafür zu haben, dass hinter der Fassade eines Menschen mehr steckt, als er zu zeigen bereit ist, ist etwas besonderes. Und da wir alle ein Produkt unserer Erziehung und Erfahrungen sind, bedarf es eben machmal eines Dritten, dies zu erkennen und uns auf einen anderen, besseren Weg zu lenken.

Besonders eindringlich, bedrückend und traurig beschrieben sind die Schicksale und Familienverhältniss der 5 Kinder. Diese Episoden beginnen mit "An einem bestimmten Tag im Leben von". Hier hatte ich bei einigen Gänsehaut und schon Tränen in den Augen. Umso schöner war es mitzuerleben, wie sie nach und nach auftauen, sobald sie merken, dass da jemand ist, der sie ernst nimmt und versteht und auf sie eingeht. Wer diese Kinder als kleine eigenständig Persönlichkeiten sieht, mit ihren Schwächen, ihren Leiden aber auch mit ihren Stärken, erhält ein Geschenk, dass mit keinem Geld dieser Welt zu bezahlen ist und macht im Falle von Gabor eine Wandlung durch und öffnet die Augen für Wesentliches - weil nämlich jeder Tag zählt...

Fazit

"Der Club der Traumtänzer" - eine Geschichte über Freundschaft, Liebe, Hoffnung und Schmerz. Mit sehr Humor, Feingefühl und Sensibilität geschrieben. Das Ende hat mich sehr mitgenommen, aber es wird mir nachhaltig im Gedächtnis bleiben ringt mir Hochachtung ab für Kinder wie Felix, für Menschen wie Gabor und Kathrin.

Gracias Andreas Izquierdo para este libro increíble!

Veröffentlicht am 09.01.2017

"Und Du bist nicht zurückgekommen" von Marceline Loridan-Ivens

Und du bist nicht zurückgekommen
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Inhalt

Marceline ist fünfzehn, als sie zusammen mit ihrem Vater deportiert wird. Sie nach Birkenau, er nach Auschwitz. Sie überlebt, er nicht. Siebzig Jahre später schreibt sie ihm einen Brief.
Einen ...

Inhalt

Marceline ist fünfzehn, als sie zusammen mit ihrem Vater deportiert wird. Sie nach Birkenau, er nach Auschwitz. Sie überlebt, er nicht. Siebzig Jahre später schreibt sie ihm einen Brief.
Einen Brief, in dem sie das Unaussprechliche zu sagen versucht: Nur drei Kilometer sind sie voneinander entfernt, zwischen ihnen die Gaskammern, der Geruch von brennendem Fleisch, der Hass, die Unausweichlichkeit der eigenen Verrohung, die ständige Ungewissheit, was geschieht mit dem anderen? Einmal gelingt es dem Vater, ihr eine kleine Botschaft auf einem Zettel zu übermitteln. Aber sie vergisst die Worte sofort - und wird ein Leben lang versuchen, die zerbrochene Erinnerung wieder zusmmenzufügen.

Eindruck

"Und Du bist nicht zurückgekommen" ist ein beklemmendes, den Atem raubendes Zeitzeugnis einer Überlebenden von Ausschwitz. Es ist keines der typischen Bücher über den Holocaust sondern die Gedanken und das Andenken einer Tochter an den über alles geliebten Vater, den sie nie wieder sah. Erlebnisse, Qualen, Ängste und Gefühle, die sie mit niemandem teilen konnte und vor allem nicht mit ihm zusammen verarbeiten konnte. Keinen Trost vom Vater
erhalten zu können und ihm keinen Trost geben zu können, wurde in bewegenden und aufwühlenden Zeilen festegehalten.
Töchter brauchen ihre Väter, Töchter brauchen den väterlichen Rat und Töchter brauchen den Segen des Vaters - weil Väter und Töchter eine besondere Beziehung zueinander haben.
Marceline Loridan-Ivens hat dieses alles in einem liebevollen, offenen Brief zusammengefasst und den verstorbenen Vater an ihrem Leben somit teilhaben lassen. Was mich besonders traurig gemacht hat, ist die Tatsache, dass die wenigen Zeilen ihres Vaters - die für beide hätten tödlich sein können - verloren gegangen sind.

Über die Liebe zu ihm, über die Gefühlskälte der Familie nachdem Marceline aus der Gefangenschaft freikam und das Drängen der Mutter, die Jahre unter dem Joch der Nazis zu vergessen, hatte ich oft Tränen in den Augen und mir blieb die Luft weg über die Grausamkeiten, die Menschen durch Menschen damals erleiden mussten und noch heute erleiden. Seelen und Körper werden zerstört und diejenigen, die entkommen konnten oder befreit wurde, müssen den Rest ihres Leben damit zurechtkommen. Ich frage mich immer wieder, wie das funktionieren kann. Wie kann man Anblicke, Geräusche und Gerüche vergessen, die sich festgesetzt haben?
Wie soll man die Gesichter von Säuglingen und Kindern vergessen, die in die Gaskammer geschickt wurden? Dieser Brief hat einen kleinen Einblick in das Innerste seiner Verfasserin gegeben.

Fazit

Eine Geschichte voller Schmerz, Sehnsüchte und Liebe, die aufwühlt und fassungslos macht. Ich kann Marceline Loridan-Ivens nur meine Hochachtung aussprechen, dass sie uns Leser hat teilhaben lassen an ihrem Schicksal aber auch an der Liebe zu ihrem Vater und hoffe das sie eines Tages wirklich sagen wird: "Ja, es hat sich gelohnt!"

Absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 08.01.2017

"Wintergeister" von Kate Mosse

Wintergeister
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Inhalt

Der junge Engländer, der endlich vergessen will. Eine Reise, die ihm eine einzigartige Begegnung beschert. Eine Begegnung die so tief ist, dass sie ihn wieder an das Leben und die Liebe glauben ...

Inhalt

Der junge Engländer, der endlich vergessen will. Eine Reise, die ihm eine einzigartige Begegnung beschert. Eine Begegnung die so tief ist, dass sie ihn wieder an das Leben und die Liebe glauben lässt - und ein Jahrhunderte alter Brief, der von diesem Zusammentreffen zeugt.

Eindruck

Aus dem Brief:
Wir sind, wer wir sind, wegen derjenigen, die wir beschließen zu lieben, und wegen derjenigen, die uns lieben.

Prima
Im Jahre des Herrn 1329

"Wintergeister" - eine mystische und sehr melancholische Reise durch Verlust, Trauer, Schmerz und Liebe. Eine magische - aber keinesfalls kitschige - Reise durch Raum und Zeit, die den Leser mitnimmt aus den 30er Jahren zurück zum Anfang des 14. Jahr-hunderts, zu den letzten Tagen der letzten Katharergemeinden.
Diese Geschichte ist so voller Verzweiflung und Schmerz, aber auch Hoffnung und Liebe, dass sie mich hineingezogen hat in einen magischen Traum, aus dem ich nicht mehr aufwachen mochte und der mein Gefühl, dass es auf der Welt - egal ob in ferner Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft - diese eine Seele gibt, die mir verwandt ist. Man muss nur die Brücke finden, über die eine Kommunikation möglich ist.

Fazit

Ein tiefgründiges Buch, für alle die fühlen, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt als wir rational erklären können und die sich fallen lassen können in das Mysterium Psyche.

Veröffentlicht am 22.12.2016

"Das schöne Lied der Marie Anne Mozart" von Gabriele Prohaska-Marchried

Das schöne Lied der Marie Anne Mozart
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Inhalt

Marie Anne Mozart ist bekannt als Nannerl, Schwester, Anhängsel des genialen Bruders. Wenige wissen, dass sie auch komponierte. Aus Rom schrieb ihr der Bruder: "Ich habe mich recht verwundert, ...

Inhalt

Marie Anne Mozart ist bekannt als Nannerl, Schwester, Anhängsel des genialen Bruders. Wenige wissen, dass sie auch komponierte. Aus Rom schrieb ihr der Bruder: "Ich habe mich recht verwundert, daß du so schön componieren kannst, mit einem Wort, das Lied ist schön..." Er ermutigte sie. Doch erhalten ist nichts von ihr. Was war geschehen?

Auf dem Untergrund von Recherchen macht der Roman weiße Flecken farbig. Es war eine Zeit mächtiger Autoritäten: Herr Vater mit Anspruch auf Gehorsam, Herr Gemahl mit Vorführungs- und Züchtigungsrecht, geistliche Herrscher definierten die Übertretung ihrer Normen als Frevel, ahndeten sie mit Unterwerfungsriten und sadistischen Körperstrafen. Der Roman ist die Geschichte einer starken, liebesfähigen Frau in reaktionärer Zeit, einer Frau, die wahrscheinlich genial war.

Eindruck

"Das schöne Lied der Marie Anne Mozart" - eine Zeitreise in ein beschwerliches Leben ohne Rechte, ohne eine eigene Stimme, ohne eigenen Besitz. Denn alles was eine Frau hatte war Eigentum des Ehemannes.

Marie Anne durch einen von Ansehen und Geld besessenen Vater - obwohl sie wohl die bei weitem bessere ausführende Musikerin war - unterdrückt, während er mit Wolfgang Amadeus - zeitlebens zart und kränklich - durch die Welt reiste und ihn vorführte wie ein Zirkusäffchen.
Ohne den erhofften großen finanziellen Schlag, reichten die Einnahmen fast nicht einmal um die weiten und kostspieligen Reisen zu finanzieren und die Familie geriet in die Überschuldung.
Da lag es nahe, die Tochter in eine Zwangsehe zu führen, denn für ein unberührtes junges Mädchen gab es ein hohe Ablöse. Dabei wäre der Erfolg vermutlich so einfach herbeizuführen gewesen.

In poetischer wunderschöner Sprache ist dieser Roman eine Biographie, die ich jedem Liebhaber der schönen Künste und historisch Interessierten wärmstens ans Herz legen kann. Zugegeben, es ist nicht ganz einfach zu lesen, da sowohl die Sprache als auch die Charaktere sehr authentisch verwendet werden und man sollte sich Zeit nehmen zu geniessen, wird dafür aber mit Einblicken in das Leben einer starken, faszinierenden und bewunderswerten Frau belohnt, die Unterdrückung, Erniedrigung und Züchtigung ertragen hat. Deren Träume und Ambitionen im Keim erstickt wurden und die trotz allem zu bedingunsloser Liebe fähig war und ihr kleines Geheimnis mit sich nahm - bis ins Grab.

Fazit

Ein ganz großes Schätzchen in meinem Bücherschrank, welches ich mit Sicherheit noch das ein oder andere Mal wieder hervorzaubern werde. Leseempfehlung!