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Veröffentlicht am 22.04.2020

So klein und so fein

Katzen – Letters of Note
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Für mich war dieses Büchlein eine überraschende Entdeckung. Denn so klein es auch ist, so sorgfältig ausgestattet ist es, mit rosa Lesebändchen, mit abgerundeten Ecken sowohl des festen Einbandes als ...


Für mich war dieses Büchlein eine überraschende Entdeckung. Denn so klein es auch ist, so sorgfältig ausgestattet ist es, mit rosa Lesebändchen, mit abgerundeten Ecken sowohl des festen Einbandes als auch des Schnittes, gedruckt auf feinem glattem Papier und mit sehr gefälliger graphischer Gesamtgestaltung. Bereits das Vorwort stimmt gekonnt ein auf den Inhalt, und vor allen Dingen animiert es zum Briefeschreiben. Briefe werden als „Zeitkapseln“ bezeichnet, Briefe als die vom Aussterben bedrohte kostbare und schönste Form der Kommunikation. Shaun Usher tut sehr viel dafür, dieser gefährdeten Minderheit ein Überleben, vielleicht sogar eine Renaissance zu ermöglichen durch seine Aktivitäten auf seiner von mehr als 70 Millionen Menschen besuchten Website „Letters of Note“, einer Art Online-Museum des Schriftverkehrs.

Doch zurück zum vorliegenden Band, in dem es um Katzen geht, genauer gesagt um Briefe, in denen es um Katzen geht, verfasst von unbekannten oder bekannten Persönlichkeiten wie zum Beispiel Raymond Chandler, Florence Nightingale, Elizabeth Taylor und vielen anderen.
Ich könnte nicht sagen, welcher der enthaltenen Briefe mich mehr faszinierte. Vielleicht war es der Brief von Nikola Tesla, dem genialen Erfinder des Wechselstrom-Induktionsmotors, weil er mich so sehr überraschte in seiner detailgenauen Schilderung seines Katers in Kindertagen, der sogar den Anstoss gab für die lebenslange Beschäftigung mit Elektrizität. Oder vielleicht der herzergreifende Brief der todkranken Autorin und Biologin Rachel Carson, die von dem Tod ihres geliebten Katers berichtet und dem Glück, dass er ihr vorausgehen durfte, dass sie ihn nicht allein zurücklassen muss. Oder der wütende Rundum-Brief an alle Verkehrs-Rowdies von Prof. Guy Davenport, nachdem sein geliebter Kater überfahren worden war. Eigentlich ist jeder der abgedruckten Briefe ein ganz individueller Lobgesang auf die Katze, die sozusagen von Geburt an adelig zu sprechen ist in ihrer ernsthaften Schönheit, in ihrer selbstverständlichen Empfindsamkeit. Sie ist eine große Seele, nie wirklich zu durchschauen, zart, erlesen, aristokratisch, sanft, manchmal wunderlich – und vor allen Dingen grenzenlos geliebt.

Kurzum: Ein feines Geschenkbüchlein für alle, die Katzen und Sprache lieben.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Familiensaga zum Schwelgen schön

Gut Greifenau - Abendglanz
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Was Downton Abbey für die englische Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts war, das war Gut Greifenau für die Deutschen in der Zeit vor und während des 1. Weltkrieges. Hanna Caspian legt mit ihrer opulenten ...


Was Downton Abbey für die englische Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts war, das war Gut Greifenau für die Deutschen in der Zeit vor und während des 1. Weltkrieges. Hanna Caspian legt mit ihrer opulenten Familiensaga hier den ersten Band vor, der in Hinterpommern von 1913 – 1919 spielt.

Da dieser erste Band bereits 2018 erschien, folgt hier die Inhaltsangabe des Verlages: „Mai 1913: Konstantin, ältester Grafensohn und Erbe von Gut Greifenau, wagt das Unerhörte: Er verliebt sich in eine Bürgerliche, schlimmer noch – in die Dorflehrerin Rebecca Kurscheidt, eine überzeugte Sozialdemokratin. Die beiden trennen Welten: nicht nur der Standesunterschied, sondern auch die Weltanschauung. Für Katharina dagegen, die jüngste Tochter, plant die Grafenmutter eine Traumhochzeit mit einem Neffen des deutschen Kaisers – obwohl bald klar ist, welch ein Scheusal sich hinter der aristokratischen Fassade verbirgt. Aber auch ihr Herz ist anderweitig vergeben. Beide Grafenkinder spielen ein Versteckspiel mit ihren Eltern und der Gesellschaft. So gut sie ihre heimlichen Liebschaften auch verbergen, steuern doch beide unweigerlich auf eine Katastrophe zu …“

Ich mag den Schreibstil von Hanna Caspian sehr. Mir fällt das Wort „sorgfältig“ dafür ein. Doch nicht nur das, er ist auch der geschilderten Zeit angepasst, dabei detailgenau und anschaulich. Bereits nach wenigen Seiten versinkt man völlig in der gräflichen Welt, leidet mit. Szene für Szene entsteht in meinem Kopfkino. Die Autorin erzählt fesselnd, farbig, mit historisch gut recherchierten Details. Auch wenn die Protagonisten mehrheitlich nicht unbedingt Sympathieträger sind – das Buch hat für mich absoluten Suchtfaktor und ist Lesefutter für viele Stunden.

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Veröffentlicht am 17.04.2020

Der Wald als magischer Ort

Ein Mädchen namens Willow 1: Ein Mädchen namens Willow
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Welch ein zauber-haftes Kinderbuch, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Liebenswert, verträumt, märchenhaft, mit einer klaren Botschaft, die man jedem Kind mitgeben möchte: Höre auf die Sprache der Natur ...


Welch ein zauber-haftes Kinderbuch, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Liebenswert, verträumt, märchenhaft, mit einer klaren Botschaft, die man jedem Kind mitgeben möchte: Höre auf die Sprache der Natur und achte sie!

Willow ist ein elfjähriges Mädchen mit unbezähmbaren roten Locken. Schon oft hatte Willow nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater umziehen müssen. Doch nun scheinen die Beiden ein endgültiges Zuhause gefunden zu haben, denn Tante Alwina hat ihnen ein altes Haus vererbt. Und nicht nur das, Alwina hat Willow einen kleinen angrenzenden Wald vermacht, was Willow gar nicht begeistert. Was soll sie bloß mit einem Wald, und warum in diesem alten Haus mit dem undichten Dach leben, schmollt sie. Auf einer ersten Erkundungstour durch das Wäldchen hat sie allerdings eine aufregende Begegnung mit einem zahmen Fuchs. Sie erfährt, dass Alwina ihr nicht nur den Wald, sondern auch ihre Hexenkraft hinterlassen hat, die sie sich allerdings erst erarbeiten muss. „Begabung und Fleiß. Das eine hat ohne das andere keinen Wert.“ Und sie braucht Mitstreiterinnen, die zu finden ihr als Einzelgängerin sehr schwer fällt. Mehr wird nicht verraten, denn es geht noch sehr aufregend weiter!

Das Buch ist mit einer großen Portion Humor und viel, viel Fantasie und Ideenreichtum geschrieben. Wo findet man sonst wohl Morgentau, abends geerntet? Oder Wegheckenschneckenschleim? Und es enthält, überraschend für ein Kinderbuch, sehr weise Sätze als Kapitelbeginn wie zum Beispiel „Wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken / dahin fließt unsere Energie. / Wenn wir also kein Ziel vor Augen haben, / dann wird auch nichts geschehen.“ Der Hauptperson Willow schenken wir sofort unsere volle Sympathie, denn das Leben hat ihr schon übel mitgespielt, dennoch ist sie neugierig, wissbegierig und mutig. Und sie ist unglaublich fleißig und engagiert, die Pflanzen und Tiere in ihrem Wald kennen zu lernen und zu verstehen, aber sie lernt auch, sich auf ihre neuen Freundinnen einzulassen, auch wenn diese ganz anders sind als sie selbst. Toleranz und Freundschaft sind die Grundpfeiler, auf denen die Hexenkraft schier Unmögliches zu leisten vermag, als der Wald in Gefahr gerät. Ich bin sicher, sowohl kleine als auch große Leser werden von diesem Kinderbuch verzaubert sein, wozu die feinen Illustrationen von Simona Ceccarelli einen nicht unwesentlichen Beitrag leisten.

Doch eine Anmerkung habe ich, liebe Sabine Bohlmann: Das Reh ist nicht die Frau vom Hirsch, das wäre der Rehbock. Bitte diesen Fehler unbedingt bei einer neuen Auflage ausmerzen!

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Veröffentlicht am 12.04.2020

Ein Schatzkästchen für alle, die neugierige Ohren haben

Ein Jahr voller Wunder
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Dieses Buch wurde zu meinem ganz persönlichen Schatzkästchen – und ich hoffe inständig, dass es das auch für alle wird, die wache Ohren haben. Clemency Burton-Hill, die Autorin, hat mich musikalisch ...



Dieses Buch wurde zu meinem ganz persönlichen Schatzkästchen – und ich hoffe inständig, dass es das auch für alle wird, die wache Ohren haben. Clemency Burton-Hill, die Autorin, hat mich musikalisch aus meiner Komfortzone herausgeholt, hat mich zum musikalischen Entdecker gemacht, ließ mich staunen oder fast Vergessenes wiederfinden. Einen vielschichtigeren, beglückenderen, gehaltvolleren Jahresbegleiter konnte ich mir gar nicht wünschen. Allen, die bereit sind, Musik und Neugier miteinander zu verbinden, lege ich das Buch sehr, sehr ans Herz.

Die Autorin, eine preisgekrönte Violonistin, Musikjournalistin und Moderatorin eines Klassik-Radiosenders auf BBC, hat für jeden Tag des Jahres ein Musikstück ausgewählt und dazu in kurzer, erfrischender Form Wissenswertes über den Komponisten, über das ausgewählte Stück , auch ihre persönlichen Gedanken zur ausgewählten Komposition beigefügt. Dies jeweils prägnant und unterhaltsam geschrieben, mit viel Wissen und Gefühl. Obwohl ich mich als ausgebildete Konzertsängerin über viele Jahre sehr intensiv mit klassischer Musik beschäftigt hatte, begegnete mir in diesem Buch so manch Unbekanntes, Fremdes, Ungewohntes. Und ich war überrascht, wie ich beim Hören des vorgeschlagenen Tagestitels anhand des Kommentares der Autorin Zugang fand zu Musikbereichen, die sich mir bislang nicht erschlossen hatten.

Ja, der Einwand ist richtig: das Buch kann man nicht hören. Aber Sie finden alles, zugegebenermaßen in unterschiedlicher Qualität, bei YouTube. Sie müssen sich also nicht bei AppleMusic anmelden, wie vom Verlag angeregt. Die vorgeschlagenen Musikstücke oder Ausschnitte aus großen Kompositionen sind immer nur wenige Minuten lang. Und doch lang genug, um sich bei YouTube einen ersten Eindruck zu verschaffen. Es liegt an Ihnen, ob und wann Sie einen solchen ersten Eindruck vertiefen wollen. Für den 29. Dezember wird zum Beispiel das Agnus Dei von Wojciech Kilar (1932 – 2013) vorgeschlagen. Der Komponist, wie wir von Clemency Burton-Hill erfahren, war besessen von der Idee, dass in einzelnen Tönen oder in einem Zusammenklang von ausgesuchten Tönen die tiefste Weisheit läge. Lassen Sie sich ein paar Minuten in meditativer Offenheit hinwegtragen auf einem Klangteppich, der „den Blick zugleich in die Vergangenheit und in die Zukunft richtet“. Am 30. Dezember hören wir von Arthur Sullivan (1842-1900), The long day closes, einen wehmütigen Chorgesang, passend zur nachdenklichen Stimmung zum Jahresende. Oder heute, am 10. April, das Allegro aus dem Konzert Nr. 7 in F-Dur für drei Klaviere von Wolfgang Amadeus Mozart, ein Stück, „das den Tag versüsst“, wie perlender Sekt…

Ich muss mich einfach selbst wiederholen: Einen vielschichtigeren, beglückenderen, gehaltvolleren Jahresbegleiter kann ich mir nicht vorstellen. Wunderbar!

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Eine prall volle Wundertüte

Die wunderkammer der Deutschen Sprache
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Ich gebe zu, ich bin sprachverliebt. Die oft zu hörende Verwechslung von „anscheinend“ und „scheinbar“ verursacht mir zum Beispiel regelrecht Schmerzen. Insofern war ich auf das Buch sehr gespannt. Ist ...



Ich gebe zu, ich bin sprachverliebt. Die oft zu hörende Verwechslung von „anscheinend“ und „scheinbar“ verursacht mir zum Beispiel regelrecht Schmerzen. Insofern war ich auf das Buch sehr gespannt. Ist es langweilig-öde? Ist es reine Wissensvermittlung? Oder was ist überhaupt eine Wunderkammer? Dass die Wunderkammer eine Wundertüte ist, prall vollgefüllt mit Sprachschätzen, war für mich eine freudige Überraschung, umso mehr, da sie dank einer gekonnten graphischen Gestaltung kein bisschen langweilig daherkommt.

Allem voran: Das ist ein Buch für viele Monate, ja länger noch, ein Buch, das man ein Leben lang immer wieder in die Hand nehmen kann und sollte. Um immer wieder aufs Neue auf Entdeckungsreise zu gehen, um sich zu amüsieren, um sich erstaunen zu lassen, um auf unterhaltsame Weise neue Achtsamkeit im Umgang mit Sprache zu erlangen. Was alles haben die beiden Autoren/Herausgeber da zusammengetragen: Über Nachtjargon in St. Pauli bis Homonyme und Homophone, über 10 Lieblingswörter von Autoren bis zur Auflistung von 55 verschiedenen Entenvögeln, über schwäbische Mundartwörter bis zu Titeln von Heftchenromanen, über Grabinschriften bis zu Schlusssätzen alter Märchen.

Wenn ich in der „Wunderkammer“ blättere, stelle ich mir den legendären Will Quadflieg vor, wie er aus dem Buch in seiner unvergesslichen Sprach-Gestaltungs-Kraft Wortschätze hervorholt und sie uns zu Ohren bringt, Diamanten und Glassteine, glitzernd oder stumpf, transparent oder bunt, mit Leuchtkraft oder erloschen – unermesslicher Reichtum der deutschen Sprache. Will Qadflieg konnte das. Das Buch kann es auch. Es ist gleichermaßen Schatztruhe, Entdeckerlandkarte, Theaterfundus, ein Dachboden voller sprachlicher Fundstücke. Genial!


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