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Veröffentlicht am 01.07.2020

Süße Selbstverwirklichung als leichter Sommerroman

Kann Gelato Sünde sein?
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Das wöchentliche Tortentreff mit Freundinnen und Nachbarinnen ist schon seit einer ganzen Weile der einzige positive Fixpunkt im Leben der Schwäbin Emilia. Doch auch wenn Backen ihre Leidenschaft ist – ...

Das wöchentliche Tortentreff mit Freundinnen und Nachbarinnen ist schon seit einer ganzen Weile der einzige positive Fixpunkt im Leben der Schwäbin Emilia. Doch auch wenn Backen ihre Leidenschaft ist – sehr viel mehr tut sich nicht im Leben der verwitweten Frau. Zum 60. Geburtstag will sie daher ihre im süditalienischen Kalabrien studierende Tochter Julia mit einem Spontanbesuch überraschen.
Die Überraschung gelingt, und zwar wechselseitig: Denn Julia hat ihr Lehramtsstudium weitgehend geschmissen, um mit ihrem italienischen Freund Francesco ein „Agroturismo“aufzumachen. Dass aller Anfang schwer ist, gilt auch für die beiden Jungunternehmer. Vor allem, da Francesco jeder Anflug von Luxus in der Öko-Unterkunft zuwider ist. Emilia, als ehemalige Versicherungskauffrau doch sehr auf Sicherheit bedacht, muss da erst mal schwer schlucken. Dann allerdings erliegt sie dem Charme des kalabrischen Dorfes und beschließt, eine Konditorei zu eröffnen. Ein Gedanke, der wiederum Julia suspekt ist, denn das Mutter-Tochter-Verhältnis war in der Vergangenheit nicht immer spannungsfrei…
Eigentlich versteht es sich von selbst, dass Tessa Hennigs „Kann Gelato Sünde sein?“ letztlich nur auf ein unvermeidliches, generationsübergreifendes happy end zusteuern kann – mit viel Amore, ein bißchen Eifersucht, einigen Komplikationen und skurrilen Dorfbewohnern, die mitunter ein wenig klischeebeladen daher kommen. Mit Totengräber Arturo findet Emilia einen Menschen, der sie wieder mit dem Leben aussöhnt und die Erkenntnis bringt, dass es nie zu spät für einen neuen Anfang ist.
Die Handlung plätschert überschaubar-unterhaltsam dahin und dürfte auch bei hohen Temperaturen und Sonneneinstrahlung die Konzentration der Leser nicht überfordern. Die klassische Pool- und Urlaubslektüre eben, sahnig-süß wie Emilias Schwarzwälder Kirsch-Torten.

Veröffentlicht am 29.06.2020

Camping-Premiere mit 82

Ans Vorzelt kommen Geranien dran (Die Online-Omi 14)
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Wer sagt denn, dass alte Menschen unflexibel und in ihren Gewohnheiten festgefahren sind? Renate Bergmann jedenfalls macht mit 82 Jahren den ersten Campingurlaub ihres Lebens, zusammen mit dem befreundeten ...

Wer sagt denn, dass alte Menschen unflexibel und in ihren Gewohnheiten festgefahren sind? Renate Bergmann jedenfalls macht mit 82 Jahren den ersten Campingurlaub ihres Lebens, zusammen mit dem befreundeten Ehepaar Ilse und Kurt Gläser. Da Oma Renate eine künstliche Hüfte und Ilse ein künstliches Kniegelenk hat, verzichten sie weise auf die spartanische Tour mit Zelt und Luftmatratze - ein Wohnmobil soll die seniorenfreundliche und wirbelsäulenschonende Alternative bieten. Bleibt nur ein Problem: Kurt ist schon am Steuer seines Kleinwagens überfordert. Da setzt sich Renates Neffe lieber selbst hinters Steuer, um die Rentnergang zum Campingplatz zu kutschieren - und nimmt Renate das Versprechen ab, die Schlüssel zu verstecken und Kurt keinesfalls ans Steuer zu lassen. Nicht, dass es am Ende Ärger mit der Versicherung gibt!

Die Abenteuer des Trios, dessen Lebensfreude gerade angesichts der Erkenntnis angestachelt wird, dass deutlich mehr Lebenszeit hinter ihnen liegt als noch zur Verfügung steht, werden im unaufhörlich dahinplätschernden Monolog von Oma Renate erzählt, gespickt mit Anekdoten aus ihrem Leben. Immerhin hat sie vier Ehemänner überlebt und nun die Pflege der vier Gräber vorübergehend in zuverlässige Hände gelegt. Die anderen Witwen sollen nichts zu tratschen haben! Auch der geliebte Kater wird versorgt (namenlos, weil das Tierheim an Tierfreunde ihren Alters nur Tiere vergibt, die ihre neuen Besitzer nicht überleben dürften. Es gibt also wohl eine gewisse Samtpfoten-Fluktuation im Haushalt Bergmann), nur die Geranien kommen mit, wegen wohnlicher Atmosphäre und weil sie schließlich zehn Euro gekostet haben.

Zugegeben: Viel Handlung gibt es nicht in diesem Buch. Doch Renate Bergmann alias Torsten Rohde schwatzt munter und ungebremst von der Leber weg, steht mit einigen Neuerungen des 21. Jahrhunderts auf Kriegsfuß und bildet da eigene Wortschöpfungen (Interweb und Täblett, zum Beispiel), aber ist doch offen und neugierig - vor allem, was die Nachbarn auf dem Campingplatz angeht. Das ist weder spektakulär noch hohe Literatur, aber auf jeden Fall Material zum Schmunzeln. Und viele, die selbst alte Damen im Alter von Renate Bergmann im Familien- oder Bekanntenkreis haben, dürften viel Vertrautes vorfinden. Ein unbeschwertes Urlaubsbuch, das niemandem weh tut und heitere Lesestunden beschert.

Veröffentlicht am 29.05.2020

Mami in der (Ehe-)Krise

Mami kann auch anders (Die Mami-Reihe 3)
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Auch Vorstadtmamis werden älter und müssen neuen Herausforderungen ihrer Mittelstandsexistenz begegnen. Ellen, die Autorin Gill Simms vor ein paar Jahren als trinkfreudige Mutter zweier noch kleiner Kinder ...

Auch Vorstadtmamis werden älter und müssen neuen Herausforderungen ihrer Mittelstandsexistenz begegnen. Ellen, die Autorin Gill Simms vor ein paar Jahren als trinkfreudige Mutter zweier noch kleiner Kinder ("Mami braucht nen Drink") eingeführt hat, fühlt sich auch mit Mitte 40 noch flippig und jung - jedenfalls, so lange sie nicht das entsetzte "Mutter!!!"ihrer pubertierenden Tochter hört. Tja, 15-jährige finden ihre Mutter nun mal peinlich, das Problem kennen Ellens Freundinnen ebenso. Es könnte schlimmer sein: Ellens beste Freundin ist schwanger. Noch einmal Morgenübelkeit, schlaflose Nächte und die Fürsorge für ein Baby, während die Teenager-Kinder peinlichst berührt sind angesichts dieses offenkundigen Beweises dafür, dass ihre Eltern noch Sex haben.

So richtig prickelnd ist Ellens private Situation aber auch nicht: Ehemann Simon, der doch mal die Liebe ihres Lebens war, ist fremdgegangen. Ein paar Matratzenübungen während einer Dienstreise, die ihm wenig bedeuteten - doch Ellen tobt. So viel Weißwein gibt es gar nicht, um ihre Mordgelüste zu betäuben. Zur Mörderin wird sie als beherrschte Mittelstandsbritin denn auch nicht, aber die vin Simon angestrebte vorübergehende Trennung ist für Ellen der Anlass, einen Schlussstrich zu setzen.

Also alles wieder auf Position Eins, mit Tindern für Menschen mitlleren Alters, Speed Dates, den Turbulenzen des Alltags mit zwei Pubertierenden, die mal furchtbar anstrengend und dann auch so lieb und schon so reif sein können, mit Verlusten und der Erkenntnis, dass die eigenen Eltern nicht unsterblich sind. Auch wenn Ellen wie schon in den früheren Büchern ein wenig überdreht ist - hier wird sie angesichts diverser Krisen ein ganzes Stück erwachsener.

Gill Simms schildert die Abenteuer der nun aufs Land ziehenden Ellen humorvoll und spart nicht mit Herausforderungen durch kotzende Hunde, gehässige Hühner und Festival-Glimmer. Bei allen Übertreibungen - viele Situationen dürften Leserinnen im gleichen Alter bekannt vorkommen. "Mami kann auch anders" will keine tiefschürfende Literatur sein, sondern einfach Unterhaltung in einem Alltag, mit dem auch Vorstadtmami Ellen nur zu gut vertraut ist.

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Veröffentlicht am 19.04.2020

Trauer, Sprachlosigkeit und ein tanzender Panda

Pandatage
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Danny Maloony hat mit seinen gerade mal 28 Jahren schon jede Menge Schicksal zu bewältigen. Während mancher seiner Altersgenossen noch in ausgedehnter Jugendphase steckt, ein Gap-Year einlegt, alles mögliche ...

Danny Maloony hat mit seinen gerade mal 28 Jahren schon jede Menge Schicksal zu bewältigen. Während mancher seiner Altersgenossen noch in ausgedehnter Jugendphase steckt, ein Gap-Year einlegt, alles mögliche ausprobiert, um sich selbst zu verwirklichen und Träumen nachzujagen, hat der Held von James Gould-Bourns Buch "Pandatage" gar keine Zeit zum Träumen: Der Hilfsarbeiter auf dem Bau ist alleinerziehender Vater seit dem Unfalltod seiner Frau. Will, der zwölfjährige Sohn, der bei dem Unfall schwer verletzt wurde, hat seitdem kein Wort gesprochen.

In dieser Situation wäre Danny auch schon überfordert, wenn er sich nicht mit Mietschulden und einem rabiaten Hausbesitzer herumplagen müsste. Wenn er nicht obendrein seinen Job verloren hätte und seine finanziellen Sorgen dadurch noch weiter anwachsen. Denn ungelernte Arbeiter wie Danny sind auf dem Arbeitsmarkt nicht wirklich gefragt, wie er bei seiner verzweifelten Suche feststellen muss.

Eher zufällig und ohne einen wirklichen Plan startet Danny in eine neue Laufbahn als Straßenkünstler im Pandakostüm - es war, abgesehen von einer Nazi-Uniform und einem Boris Johnson-Outfit das billigste, was der Kostümladen zu bieten hatte. Der Anfang ist schwer: Danny wird von anderen Straßrnkünstlern bestohlen, von Kindern gedemütigt und verdient nicht einmal genug für den Bus nach Hause.

Doch während die Existenznöte andauern, erweist sich das Pandakostüm als Segen, als Danny eines Tages Zeuge wird, wie zwei ältere Jungen seinen Sohn misshandeln. Der "Panda" verjagt sie - und Will, der sich bei dem Straßenkünstler bedankt, spricht sein erstes Wort seit mehr als einem Jahr. Danny hofft, dass dies ein Durchbruch sein könnte. Doch Will schweigt zu Hause genauso wie in der Schule. Doch die Sprachlosigkeit ist nicht nur Ausdruck von Trauer und Trauma - Danny weiß im Grunde kaum etwas über seinen Sohn. Der vertraut sich nur dem stummen Panda an, der seine Antworten auf einen Notizblock schreibt. Können Vater und Sohn doch noch zueinander finden ?

Auf der Suche nach einem Ausweg aus seinem finanziellen Dilemma sind Dannys einzige Verbündete sein ukrainischer Kumpel Ivan und die Stangentänzerin Krystal, die Danny zwar seit der ersten Begegnung verhöhnt, sich dann aber trotzdem breit schlagen lässt, ihm das Tanzen beizubringen.

"Pandatage" ist eine tragikomische Geschichte, die sich in einem Rutsch lesen lässt und trotz ernster Themen nicht allzu viel Tiefgang hat. Die Charaktere sind eher einfach gestrickt nach einem schwarz-weiß-Schema, der Ausgang irgendwie unausweichlich. Anrührender Schmökerstoff für Tage, an denen keine allzu schwere Lesekost gefragt ist und dessen Fernsehverfilmung vermutlich nur eine Frage der Zeit ist.

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Veröffentlicht am 07.01.2020

Interessante Idee, Schwächen bei der Umsetzung

Miroloi
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Eigentlich passt "Miroloi", der Debütroman von Karen Köhler, gut in die Zeit der #MeToo-Debatten und -Bücher. Schließlich geht es ja auch der Ich-Erzählerin um Freiheit, um Emanzipation, um das sich Herauslösen ...

Eigentlich passt "Miroloi", der Debütroman von Karen Köhler, gut in die Zeit der #MeToo-Debatten und -Bücher. Schließlich geht es ja auch der Ich-Erzählerin um Freiheit, um Emanzipation, um das sich Herauslösen aus traditionellem Rollenverständnis. Ein bißchen märchenhaft mutet das Buch an, geschrieben in Strophen, nicht in Kapiteln, ganz so wie einst die Lieder der Ilias. Und an Griechenland erinnert auch die Beschreibung der Insel, auf der die Erzählerin lebt, mit ihren Häusern in Weiß und Blau, mit den Olivenbäumen, den Hirten, den Frauen in Schwarz.

Doch zugleich ist es eine ganz und gar archaische Welt. Gäbe es nicht Flugzeuge, die ihre Kondensstreifen am Himmel hinterlassen, die Schiffe des Händlers, die moderne Errungenschauften auf die Insel brachten, die Debatten mit dem Regierungsbeamten über einen Stromanschluss - das Geschehen im Dorf auf der Insel könnte auch in einer Jahrhunderte zurück liegenden Zeit spielen.

Die Erzählerin, als Findelkind vom Bethaus-Vater großgezogen, ist eine Außenseiterin in dieser Dorfgemeinschaft, in der jeder seinen Platz, seinen Stammesnamen, seinen Anker hat. Sie hat noch nicht einmal einen Namen. Aber sie stellt Fragen - erst sich, dann auch dem Bethausvater, ihrer mütterlichen Freundin, Fragen nach ihrer Herkunft, aber auch nach dem Sinn der strengen Regeln, der Trennung der Welt der Männer und der Frauen. Frauen dürfen nicht lesen und schreiben lernen - Männer dürften nicht singen oder kochen. Niemand darf die Insel verlassen, es gibt drakonische Strafen gegen Regelverstöße, selbst die Zahl der Kinder, die ein Paar haben darf, ist in dieser patriarchalisch-archaischen Gesellschaft reglementiert.

Das erinnert an "Den Report der Magd" oder "Die Zeuginnen", erinnert an "Vox", und auch die Erzählerin wagt das Aufbegehren, lernt lesen, findet eine verbotene Liebe. Doch der Weg zur eigenen Stärke gerät irgendwie allzu gefällig. Das Emanzipationslied ist schnell und leicht lesbar, lässt aber Tiefe und wirkliche Einsichten in die Frau vermissen, die sich selbst Alina nennt. Gegen alle Wahrscheinlichkeit hat sie schon immer reflektiert, durchlebt deshalb auch in ihren Strophen keine echte charakterliche Entwicklung, sondern erlernt nur neue Fähigkeiten. Die Gesellschaft um sie herum, die übrigen Dorfbewohner, bleiben merkwürdig vage und auch die Sprache wirkt mitunter schablonenhaft. Eigentlich schade, denn ich hätte mir eine überzeugendere Erzählung von Freiheitsstreben und Empowerment gewünscht.

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