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Veröffentlicht am 17.12.2020

wenig Handlung, viele moralische und grausame Facetten mit einigen sehr futuristischen Ideen

Eve of Man (2)
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Allgemein:

Was würde passieren, wenn unsere Erde eine Apokalypse durchmacht? Umweltkatastrophen, Endzeitszenario und als wäre es nicht genug, werden keine Frauen mehr geboren. Als Jahrzehnte später Eve ...

Allgemein:

Was würde passieren, wenn unsere Erde eine Apokalypse durchmacht? Umweltkatastrophen, Endzeitszenario und als wäre es nicht genug, werden keine Frauen mehr geboren. Als Jahrzehnte später Eve als die Retterin der Menschheit geboren wird und gut behütet in einem Turm aufwächst, ahnt sie nicht, dass ihre Welt bald aus allen Fugen gerät. Mit der Wahrheit und ihrer ersten Liebe Bram im Gepäck flüchtet sie auf spektakuläre Art und Weise aus ihrem alten Leben. Doch wird sie „draußen“ zurecht kommen? Welches Ziel hat der Widerstand? Und wird Eve frei sein können? Die Antworten auf diese Fragen gibt der 2. Band von „Eve of Man – Die Rebellin“ von Giovanna und Tom Fletcher. Der dtv-Verlag nahm sich erneut der Übersetzung an und veröffentlichte den Titel im November 2020.

Mein Bild:

Oh ja, ich habe länger als erwartet auf dieses Buch gewartet. Das war nicht so einfach, denn Band 1 endet in einem miesen Cliffhanger und der jetzige Band 2 endet in einer Erkenntnis mit der ich mich gern noch länger hätte auseinandersetzen wollen, obwohl ich geahnt habe, dass es so kommt. Aber zu Vorahnungen und Unerwarteten komme ich gleich noch.

Meine Überraschung war ziemlich groß als ich dieses dünne Büchlein in der Hand hielt. Um die 100 Seiten weniger als der 1. Band. Das hat mir zunächst Angst gemacht. Ich hab mich echt gefragt, wie die Antworten auf meine Fragen da hinein passen sollen. Dafür überzeugt das Hardcover auf Anhieb. Der Metallic-Effekt ist wirklich toll und Eves Symbol fand ich mit dem gleichen Effekt auch unter dem Schutzumschlag wieder.

Beim Aufschlagen des Buches war ich darauf gefasst erneut auf die Ich-Perspektiven der 16-jährigen Hoffnungsträgerin Eve und ihrem best friend/ love Interest Bram zu stoßen. Ja, und dann kam Michael. „Wer zum Teufel ist Michael?“ Dachte ich mir. Er war mein Rückblick, denn zu Beginn nahm ich die Verfolgung von Eve und Bram während ihrer Flucht aus seiner Perspektive heraus wahr und es hat Klick gemacht. Michael begegnete mir bereits kurz im 1. Band. Er ist ein Finalgardist in dem autoritären Regime, dass sich um die Retterin Eve kümmert und „sorgt“ oder genauer gesagt ist er Soldat und Bodyguard. Sein Blickwinkel zeigte mir ab sofort das Geschehen im Turm, dass nicht nur Eves zuhause war, sondern auch eine Art Illusion für sie. Dieses Gebäude und seine BewohnerInnen zeigen weiterhin, wie detailliert das Setting konstruiert wurde. Hochtechnologisch, bildlich und umso mehr ich las, umso mehr zeigten sich mir die Tiefen – Dank Michael.

Ich fand seinen Charakter eingangs mühselig zu beobachten. Ein Mann, der Befehle ausführt, der völlig unter der Kontrolle eines Regimes steht und das unter anderem aufgrund absolut crass technischer Möglichkeiten. Natürlich fragt Michael sich auf welcher Seite er eigentlich steht. Mir hat das eindeutig zu lange gedauert. Als er dann endlich die Schlussfolgerungen zieht, denen er zuerst den Rücken zugekehrt hat, machte seine Perspektive, sein Umgang mit Vertrauen, Loyalität und Barmherzigkeit mehr Sinn.

Mit Eve war es eine kleine Achterbahnfahrt. Ich bewundere sie definitiv für ihren Mut und sie ist wirklich schlau und es hat Spaß gemacht zu sehen, wie sie anderen zeigt, dass man sie nicht unterschätzen sollte. Sie legt dahingehend eine wunderbare Entwicklung hin, sich selbst treu zu sein und sich nicht rum kommandieren lassen. Das Autorenduo zeichnet sie aber nicht perfekt. Ihre Gedanken spiegelten wider, dass sie eine ganz neue Welt betritt, sich fragt, wo sie hingehört, wem sie trauen kann und ob sie ihren Platz gefunden hat. Mit 16 und bis dato völlig abgeschirmt gibt einem niemand komplette Ruhe und Allwissen mit. Deswegen wunderte es mich, dass man ihr unter den Rebellen (Libertisten) eine ziemlich hohe Position zur Verfügung stellte. Das wirkte als Konzept nicht ausgereift.
Rückenwind gab ihr da, manchmal mit Widerwillen, Bram. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war er mir im Buch nicht präsent genug. Tatsächlich hätte ich ihn für die Handlung bei den Libertisten nicht gebraucht. Schade. Ich nenne es mal Degradierung zum Love Interest, um irgendwann den ein oder anderen Plottwist einzuschieben. Er fiel zu wenig auf. Schon allein, weil Eve und er in die „Tiefen“ der Stadt Central flüchteten – beide also am gleichen Ort fast das Gleiche erlebten. Mir fiel es tatsächlich schwer beide Perspektiven zu unterscheiden. Der Charakter war am Erzählstil nicht immer erkennbar. Das erschwerte mir das Verständnis für die Storyline.
Dafür ist das Setting in den „Tiefen“ ein sehr feuchtes, jedoch bekanntes Versteck. Der Gegensatz zu dem hochtechnologischen Turm ist prägnant und zeigt anhand dessen, wie die Menschen behandelt werden bzw. was sie der Macht im Turm wert sind. Die Deutlichkeit schon allein darin, gefiel mir.

Die Handlung selbst ist irgendwie typisch für einen 2. Band. Von der Erkenntnis gehen die beiden Autoren nun über zur Rebellion. Es gilt die gegnerische Seite auszuschalten, um das zu bekommen, was man möchte. Gut, nur nichts Neues – es war zu erwarten. Mich überraschte also der ein oder andere Verrat oder die Grausamkeiten nicht. Jedoch die Masse an Gewalt. Dahin blickend hätte ich mir eine Triggerwarnung gewünscht. Die Altersempfehlung liegt ab 14 Jahren. Ob das alt genug ist, möchte ich infrage stellen, denn innerhalb des Buches werden Menschen gefoltert. Ich bekam eine Gänsehaut beim Lesen, betete wirklich, dass nicht das passiert, was ich denke und dann kam es oft schlimmer. Einerseits finde ich es gut, dass nichts beschönigt wird. Eine autoritäre, technologisch hoch entwickelte Herrschaft von Wenigen über Viele besinnt sich oft darauf, dass Menschen Mittel zum Zweck werden. Das ist falsch und zeigt das Buch deutlich anhand der Hauptcharaktere, die für viele gesellschaftlich gute Eigenschaften einstehen und dafür büßen sollen. Andererseits wäre weniger mehr gewesen. Es war zu viel der Brutalität.

Hingegen brachte ein psychologischer Aspekt einige Überraschungen mit sich: Die Manipulation von Menschen. Ich fand es irre, wie daraus Wendungen eingewoben wurden, die vor allem darauf beruhten, dass Liebe, Vertrauen, Freundschaft und noch einige andere menschliche Züge als Schwäche ausgelegt werden können. Wer kennt das nicht,? Lässt man Gefühle zu, macht man sich verwundbar. An mancher Stelle hätte ich nie soweit gedacht. Chapeau!

Fazit:

Ein typisch 2. Band, in der sich 2 Seiten gegenüberstehen und die Protagonisten einen durchwachsenen Eindruck hinterlassen. Dafür sind die Ideen für Wendungen und Storyline oft spannend verpackt. Für Fans des 1. Bandes und Dystopien mit technologisch-evolutionären Touch.

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Veröffentlicht am 08.07.2020

Mehr Elsass als Paris, mehr RomCom als Roadmovie

Coco, Sophie und die Sache mit Paris
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Allgemein:

Stephanie Jana und Ursula Kollritsch sind nicht nur ein Autorinnenduo, sondern auch beste Freundinnen. Da liegt es nicht weit entfernt, einen Roman über zwei Frauen zu schreiben, die schon ...

Allgemein:

Stephanie Jana und Ursula Kollritsch sind nicht nur ein Autorinnenduo, sondern auch beste Freundinnen. Da liegt es nicht weit entfernt, einen Roman über zwei Frauen zu schreiben, die schon ewig durch dick und dünn gehen. Coco ist frisch verliebt und will ihren heimlichen Schwarm Nik ein paar Tage in Paris besuchen, um herauszufinden, ob er das ist, wofür ihr Herz ihn schon längst hält. Aus Angst, dass es nach hinten los gehen könnte und der Zufall, dass Nik auch noch der Bruder ihres Ex-Mannes ist, brachte sie bisher dazu, kein Wörtchen über ihn zu verlieren. Nicht mal gegenüber ihrer besten Freundin Sophie, die dringend eine Auszeit von Job und Alltag benötigt. Als Sophies geplanter Single-Wellnesstrip ausfällt und alternativ nun Urlaub mit der Teenie-Tochter in Paris ansteht, führt eins zum anderen, so dass Coco auf einmal in Sophies grünen Renault sitzt ohne ein Wort über Nik zu verlieren. Kann das gut gehen? Den sommerlichen Roman veröffentlichte Goldmann im Mai 2020 als Klappenbroschur.

Mein Bild:

Knapp 450 Seiten lagen vor mir. Das Cover einfach gestaltet, aber irgendwie niedlich, wie die zwei Frauen auf dem Oldtimer sitzen und den Eiffelturm anschauen. Ich sage es euch gleich, die Protagonistinnen sitzen innerhalb der Story in keinem Oldtimer, sondern in einem laubfroschgrünen Renault. Ebenso ist der Eiffelturm eher ein Teil einer Erinnerung, die beide Protagonistinnen mit ihrer "Sehnsuchtsstadt" Paris verbinden. Irgendwie hatte ich da andere Vorstellungen. Was mir im Buch bzw. hinter der Klappe sehr spät aufgefallen ist, ist die passende Playlist mit Klassikern rund um den französischen Lifestyle, die im Buch selbst benannt und mitgesungen werden. Die Idee ist absolut perfekt und die Playlist auf Spotify schnell auffindbar.

Der Einstieg ins Buch begann mit einem Prolog, der auf das Ende der Geschichte anspielte und Spielraum für Spekulationen zulässt. Ich bin kein Fan davon, weil es mich entweder spoilert oder irritiert, weil die Geschichte danach erst los geht und ich mich in einer völlig anderen Situation befinde. Also, Prolog ja, aber ohne das eine Schlüssel- bzw. Schlusssituation vorweg genommen wird. Auch wenn mir bewusst ist, dass diese Art Spannung und Anreize schaffen soll.

Ansonsten gefiel mir die simple Struktur des Buchs ziemlich gut. Gerade richtig, um sich bei sommerlichen Temperaturen schnell zurecht zu finden. Es gibt klare Unterteilungen wie Kapitelüberschriften, die ein wenig vorweg nahmen, was passieren könnte und darunter die Namen der jeweiligen Protagonistin, der ich per Ich-Perspektive folgte. Zudem gibt es kleine kreative Gadgets, wie handschriftliche Einschübe in Form von To Do - Listen und auf den letzten Seiten Rezepte zu manch kleiner Leckerei, die innerhalb der Geschichte eine Rolle spielen.

Die zwei Mittdreißigerinnen sind ein Kaliber für sich. Ich lernte sie ziemlich schnell kennen, mochte aber Sophie lieber als Coco, zumindest am Anfang. Sophie leitet eine Literaturagentur, ist alleinerziehend, steht ziemlich unter Stress und versucht über diverse Möglichkeiten mehr Entspannung in ihr Leben zu bekommen. Ich habe sehr geschmunzelt, wie sie ein esoterisches Onlineportal namens "shine your light" entweder sehr ernst genommen oder sich selbst darüber lustig gemacht hat. Sophie ist schlagfertig und sarkastisch, gerade, was ihre Autoren betrifft - und Himmel, da kann ich sie verstehen. Von wegen Agentin, nein, viel mehr Psychologin und die Nummer gegen Kummer für Autoren scheint sie zu sein. Überspitzter Humor gehört zu diesem Buch wie die Sahne aufs Vanilleeis, entweder man mag es oder nicht. Ich freute mich drüber. Außerdem verstand ich Sophies Wunsch nach Entschleunigung: Einfach nicht zu müssen, sondern einfach zu sein. Ich finde den Ausdruck sehr passend. Das Autorinnenduo trifft es dahingehend oft auf den Punkt.

Coco hingegen ist eine Lebefrau, eine launische, aber bildhübsche Lebefrau. Ihr Name ist Programm. Sie schreibt Kolumnen bei einer Tageszeitung trotz eines hochgradigen, für mehr geeigneten, Studienabschlusses. Ihre direkte, gern auch sarkastische, Art ist herrlich - besonders wenn sie gedanklich Personen mit Schauspielern oder Stereotypen vergleicht, konnte ich nur mit den Kopf schütteln und gleichzeitig schmunzeln, weil ein bisschen Offenheit gegenüber neuen Menschen nun wirklich nicht schadet. Im Verlauf nervte Coco mich dann schließlich sehr damit, dass sie ihre Selbstbeherrschung verlor und zur Unhöflichkeit neigte (diskret gesagt). Ja, ich verstehe, dass sie es eilig hat nach Paris zu kommen, aber sie hat sich das Dilemma selbst eingebrockt, meine Güte! So ungefähr ging es mir mit ihrer Perspektive.

Meine Vorstellung bezüglich des Plots war eine ganz andere. Ich dachte echt, dass sie in Paris ankommen und Coco einfach versucht, sich zu teilen, damit Sophie nicht mitbekommt, dass sie jemanden trifft. Ha! Falsch gedacht! Stattdessen lerne ich eine sehr idyllisches Fleckchen Erde im Elsass kennen und möchte am liebsten sofort in der alten Villa von Sophies Tante Marlene Urlaub machen. Es war nicht überaus kitschig und ausladend formuliert - eine Rarität in so einem Setting - und kurze Stichworte genügten schon, um mich in Sommerstimmung zu versetzen. Ich spürte die Wärme der Sonne, schmeckte den Kirschlikör, saß unter einem schattigen Kirschbaum auf einer Bank, spazierte durch das Dorf und feierte ein Fest.

Mir fiel auch auf, dass das Autoinnenduo wert auf viele Nebendarsteller legt. Zumindest kam ich mir nie einsam mit den beiden Hauptdarstellerinnen vor. Man nehme typische Klischees wie den gutaussehenden, französischen Lover, verpasse ihm ein Piratenoutfit und ne Küchenschürze und voila aufgepeppt. Ebenso der Autor, der Angelromane schreibt - ok, ihn male ich lieber nicht aus, der war zu gut. Wie der Humor sind die Figuren überspitzt dargestellt. An mancher Stelle wünschte ich mir mehr Alltäglichkeit in ihren Eigenschaften, weil ich das nicht ernst nehmen konnte, lustig hin oder her.

Absolutly unglaubwürdig war die Nummer mit den Freundinnen, die sich ewig kennen, in und auswendig, also so richtig, aber Sophie bekommt nicht mit, dass Coco in love ist. Ich hätte mir die Haare ausreißen können, weil die Beiden nicht offen miteinander umgegangen sind. Sie sind doch keine Teenies mehr, sondern gestandene Frauen. Wenigstens lernt man hier wieder einmal, dass Lügen nichts verbessern. Ich finde, weniger Drama hätte dieser sommerlichen Geschichte gut getan - einfach ein paar mehr schöne Erlebnisse rein basteln, fertig. Der Abschluss entschädigte definitiv, wie ein schöner, lauer Sommerabend mit einem Glas Wein.

Fazit:

"Coco, Sophie und die Sache mit Paris" macht schon Lust auf Urlaub im schönen Frankreich, jedoch muss man mit überspitzter Dramatik und Humor rechnen. Dafür geht der Roman leicht von der Hand und führt zu einem angenehmen Ende.

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Eine abenteuerliche Idee mit Oliver Twist-Charme, aber da geht definitiv mehr

Die Namenlose Königin
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Allgemein:

Die amerikanische Autorin Rebecca Mc Laughlin ist eine leidenschaftliche Schreiberin und beweist das in der Öffentlichkeit vor allem auf ihrem Blog oder auf YoutTube. Ihre Vorliebe für Fantasy-Romane ...

Allgemein:

Die amerikanische Autorin Rebecca Mc Laughlin ist eine leidenschaftliche Schreiberin und beweist das in der Öffentlichkeit vor allem auf ihrem Blog oder auf YoutTube. Ihre Vorliebe für Fantasy-Romane zeigt sich in Ihrem Debüt "Die namenlose Königin", das Bastei Lübbe 2020 in Deutschland veröffentlichte. Innerhalb der Geschichte lernt der Leser / die Leserin die junge Namenlose Münze kennen. Sie gehört zur erbärmlichen Bevölkerungsschicht Seridens und versucht ihren Lebensunterhalt als Diebin zu "verdienen". Doch von einem Moment auf den anderen erscheint das königliche Kronen-Tattoo auf ihrem Arm. Mehrere Dinge verändern sich damit: Der bisherige Herrscher ist nicht mehr am Leben und Münze wird zu seiner Thronerbin inklusive besonderer Gaben. Jeder fragt sich nun, wieso König Fallow eine Namenlose gewählt hat.

Mein Bild:

Zunächst einmal empfinde ich eine große Coverliebe gegenüber diesem knapp 350 Seiten dicken Taschenbuch. Es strahlt Kampfgeist und etwas Mystisches, ja, Verschleiertes aus. An sich sehr passend, allerdings wäre mir eine Krone lieber als ein Schwert gewesen. Das nur am Rande.
Ich war wahnsinnig überrascht, dass die Story in der Ich-Perspektive geschrieben ist. Das ist bei Fantasy so selten und ich finde, dass mir dadurch Informationen enthalten werden, weil es teilweise etwas von Scheuklappensicht auf eine mir gänzlich unbekannte Welt ist. Natürlich könnte ich es auch als Challenge ansehen, aber lesen soll hauptsächlich Spaß machen. Ich wurde also zu Beginn gleich in Coins bzw. Münzes Alltag geworfen. Und ja, es war verwirrend. Namen wie Coin (später war es dann nur noch Münze, warum weiß ich nicht), Hut, Kreisel oder Teufel wurden umher geworfen und nach wenigen Seiten sogar schon der Beginn einer Nebenhandlung angeteasert. Ich kam schwer in die Geschichte und der Schreibstil hob mich wenig aus den Latschen - verständlich, einfach, aber wenig fantasievoll. Schritt für Schritt wurde es jedoch besser, es kam mir vor, als hätte die Autorin sich auch erst einmal einarbeiten müssen. Später empfand ich die Art und Weise, gelegentlich sogar mit Lebensweisheiten geschmückt, als angenehm.

Also gut Ding will Weile haben, nicht wahr? Umso mehr ich gelesen habe, umso mehr habe ich verstanden, wie die Gesellschaft im Königreich Seriden funktionierte, also zu einem Großteil, denn die Rolle der Namenlosen hatte für mich logische Lücken. Zum einen werden sie als Menschen ohne Rechte definiert, deren Taten oft unter den Tisch fallen gelassen werden bzw. werden sie ignoriert und trotzdem richtet man über sie. Gut, es ist jetzt nichts Neues, dass eine arme Bevölkerungsschicht unterdrückt wird, aber warum hat man die Namenlosen nicht einfach verbannt oder ähnliches? Dafür gefielen mir die klaren Linien zur Unterscheidung der jeweiligen Gruppen und wie viel Bedeutung Namen haben können. Denn das ist gar nicht abwägig, dass ein Name Macht verleihen kann! Das war einer von vielen kleinen Aspekten, die den Reiz an der Geschichte ausgemacht haben.

Des Weiteren gefiel mir das Gimmick von Oliver Twist sehr gut, denn Münze wurde von einem Betrüger großgezogen, der eine kleine Kinderbande unter seine Fittiche hat. Dem Wiedererkennungswert eines Klassikers konnte ich mich nicht verwehren. Ebenso entwickelten sich die Nebencharaktere von anfangs klischeebehafteten Typen, wie einer Prinzessin oder der eigene Wachschutz, zu mehrschichtigen Persönlichkeiten, denen ich gern begegnet bin. Die Autorin hielt dahingehend einige Überraschungen bereit und Plotttwists sind definitiv ihre Stärke - wie die kleinste Situation auf einmal ganz anders erscheint. Das war richtig, richtig gut umgesetzt und wäre mir nie so eingefallen. Allerdings gibt es einen Haken dabei. Die Autorin nahm sich ein paar Freiheiten, um die Twists so umsetzen zu können. Ich meine, jemanden Befehlsgewalt zu erteilen, der eigentlich keine besitzt oder Fähigkeiten, die rudimentär vorhanden waren, in Windeseile zu beschwören... Das gibt einen faden Beigeschmack. Zumindest erschien es mir im Nachgang teilweise so.

Umso entscheidungssicherer die Charaktere wurden, insbesondere die Protagonistin, umso selbstsicherer verlief die Handlung. Jegliche Umschiffung einer Tatsache erreichte endlich ihr Ziel. Das half mir mit Münze warm zu werden. Einerseits mochte ich ihre schnippische, herausfordernde, ja, fast schon straßenköterische Art. Andererseits gab es diese Wankelmütigkeit in ihrer Meinung. Ist sie nun dem Schicksal gewachsen oder nicht? Weglaufen, angreifen, wieder weglaufen... Ganz ehrlich: Wenn ich schon herauslese, wo sie letztendlich hin möchte, brauche ich es nicht noch unnötigerweise hinauszögern. Dafür vertraute sie meines Erachtens auch viel zu schnell Menschen, die sie nicht kannte und das für jemanden, der es bisher vorzog allein zu überleben. Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen. Aber wie gesagt, um so mehr die Geschichte voranschritt, umso besser wurde das Doing mit ihr.

Aspekte wie Freundschaft, Loyalität, Familie, Herkunft und Macht werden auf vielseitige Weise in den Plott verwoben und hinterfragt. Die Message, offen gegenüber jedem Menschen zu sein, zeigt sich und das nicht überzogen.Ich glaube, dass die Autorin ihren Schwerpunkt vor allem auf die Handlung und Entwicklung der Charaktere legte, dabei das Setting jedoch aus den Augen verlor. Ich habe immer noch Schwierigkeiten mir die Stadt auszumalen, obwohl hier und da situationsbedingte Orte mit Liebe beschrieben werden, fehlt es am großen Ganzen. Ist es nur altertümlich angehaucht? Oder doch schon etwas moderner? Total witzig fand ich übrigens, dass sich alle geduzt haben. Entweder liegt es an der Übersetzung oder es ist selbst bei der royalen Schicht innerhalb der Geschichte so gewollt. Ungewöhnlich? Ungewöhnlich.

Fazit:

Eine Autorin mit Potenzial, das bestimmt noch nicht ausgeschöpft ist. Ein Fantasyroman, der Gesellschaftskritik, Abenteuer ähnlich Oliver Twist und einem sich steigernden Plott beinhaltet. Dafür sollte man Logiklücken und einen recht einfachen Schreibstil hinnehmen.

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Veröffentlicht am 25.04.2020

Besonders, ein wenig seltsam, aber eine Freundschaft?

Charlotte & Ben
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Allgemein:

Erin Entrada Kelly ist in Deutschland keine Unbekannte. Ihr Jugendbuch "Vier Wünsche ans Universum" erhielt 2019 den Deutschen Jugendliteraturpreis und nun legt sie 1 Jahr später mit einer ...

Allgemein:

Erin Entrada Kelly ist in Deutschland keine Unbekannte. Ihr Jugendbuch "Vier Wünsche ans Universum" erhielt 2019 den Deutschen Jugendliteraturpreis und nun legt sie 1 Jahr später mit einer neuen Geschichte bei dtv nach. In "Charlotte & Ben" dreht es sich um die beiden titelgebenden Protagonisten, die sich über ihre Leidenschaft, dem Online Scrabble kennenlernen. Ein persönliches Treffen scheidet für die beiden angehenden Teenager allerdings aus, denn sie wohnen 2000 km voneinander entfernt. Jedoch teilen sie, mehr oder weniger bewusst, nerdige Gedankengänge, Familienprobleme und die Möglichkeit sich online anders zu geben als in der Realität. Doch manchmal ist der Nickname online nicht das wirkliche Leben.

Mein Bild:

Aus etwas über 200 Seiten besteht dieses hübsch, aber irgendwie auch simpel aufgemachte Hardcover. Farbe und Symbolik sprechen mich hier mehr an als das so oft vorkommende Glitzer oder Prägungen. Zudem enterte mich der Klappentext. Zwei hochbegabte Kids, die sich über eine große Entfernung anfreunden und zusätzlich noch mit den eigenen Problemen rumschlagen müssen. Ich erwartete keine Spannung oder ein Abenteuer, aber eine tiefer gehende Freundschaft. Es sei so viel verraten: Das traf es nicht wirklich, aber dazu gleich mehr.

Die inhaltliche Einteilung überraschte mich beim Durchblättern. Mir war bewusst, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Handlungssträngen bzw. den zwei Protagonisten folgen werde. Nur der Zeitraum erschien mir zu kurz. Gerade mal knapp eine Woche vergeht im Buch - das zeigte mir vor Beginn des Lesens bereits ein Inhaltsverzeichnis. Reicht das, um die Beiden kennenzulernen? Mir ihre Welt näher zu bringen? 200 Seiten sind nicht viel. Meine Skepsis verflog zumindest Schritt für Schritt, trotz des simplen Schreibstils, der immer nur den Augenblick aufnahm. Ich hatte oft das Gefühl, dass mir der Blick auf die Umgebung fehlte, als würde ich noch etwas verpassen.

Die weibliche Protagonistin Charlotte hat es mir jedenfalls nicht leicht gemacht. Ihre personale Perspektive wirkte kühl, teilweise abwesend oder abgelehnkt von den Schwerpunkten einer Situation. Sie verkroch sich in ihren "Kaninchenbau", der übrigens als Einleitung in die Kapitel eine wichtige Rolle spielt und mich nicht nur mit Wissen abseits meiner bisherigen Googlesuchen versorgte. Charlotte ist mit ihren 12 Jahren nicht das typische Mädchen. Das fällt besonders auf, wenn sie mit ihrer frühreifen Freundin Bridget unterwegs ist. Ebenso wird sie mit der Situation eines schwer erkrankten Elternteils konfrontiert. Ich gebe offen zu, dass ich Probleme hatte, ihren Umgang mit der Situation zu verstehen, mich in sie hineinzufühlen. Nüchtern und Klug in emotionalen Momenten zu bleiben ist mir eben fremd. Im Verlauf der Storyline fiel bei mir dann doch der Groschen, genauso wie bei Charlotte. Es geht darum, dass es nicht schlimm ist, wenn sich Wege irgendwann trennen, weil man sich in eine andere Richtung entwickelt. Veränderungen gehören zum Leben, man kann darüber trauern oder auch froh sein. So einfach ist das, eigentlich. Mir hat die Umsetzung dieser Punkte gut gefallen.

Trotzdem mochte ich Ben lieber. Der 11-Jährige steht auf Harry Potter, natürlich ist sein Haus Ravenclaw, denn der junge Kerl strotzt nur so vor Intelligenz und Behaarlichkeit (wie Charlotte). Er kam mir oft vor wie ein kleiner Wissenschaftler oder Politiker. Sicherlich hing das vor allem damit zusammen, dass er sich urplötzlich für schulische Aktivitäten außerhalb des Unterrichts interessiert. Es ist seine Rebellion gegen die "Devolution" seiner Eltern. Denn auch er merkt, dass er nicht alles in seinem Leben unter Kontrolle behalten kann. Eine Veränderung, die ihn verändert und die Augen öffnet. Bens Emotionen spürte ich viel deutlicher, obwohl er sie versuchte zu unterdrücken. Es waren die Trotzreaktionen eines Kindes, dass eine neue Situation nicht wahrhaben will. Genauso ignoriert er tatsächlich die Mobbingattacken seiner Mitschüler und das tat mir im Herzen weh.

Ich fand es schade, dass beide Handlungsstränge nicht wirklich zusammengeführt werden. Zumindest nicht physisch. Die Message hingegen vereint beide Protagonisten. Beide lernen, dass das Ausblenden von Problemen nicht hilft, dass es ok ist, Dinge nicht gut zu finden und das auch auszusprechen. Das es ok ist, man selbst zu sein, sogar verdammt ok!

Trotzdem sehe ich die im Klappentext angesprochene Freundschaft zwischen den Charlotte & Ben nicht wirklich. Sie telefonieren einige Male kurz miteinander, lügen sich sogar zum Schein an. Auf mich wirkt es wie eine Bekanntschaft, deren Geschichten unabhängig vom Handeln des Anderen weiter bestehen kann. Man hätte ebenso gut ein Buch über Charlotte und ein Buch über Ben schreiben können, aber wie vorher erwähnt geht es hier nicht um eine physische Zusammenführung, was es wieder zu etwas Seltsamen und irgendwie Besonderem macht.

Fazit:

Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt und nur im geringen Maße Abenteuer verspricht. Für Teenager, die anfangen sich zu fragen, wer sie sind und ob das für sie ok ist. Für junge Leser ab 11 Jahren mit Hang zum Nerdigen.

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Veröffentlicht am 23.03.2020

Eine Szene im Kopf, aber die Musik dazu fehlt

Four Keys – Die Stadt im Schatten
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Allgemein:

Die amerikanische Autorin Christine Lynn Hermann arbeitete, bis zum Entschluss nur noch schreiben zu wollen, in einer Literaturagentur. "Four Keys - Die Stadt im Schatten" ist ihr Debüt und ...

Allgemein:

Die amerikanische Autorin Christine Lynn Hermann arbeitete, bis zum Entschluss nur noch schreiben zu wollen, in einer Literaturagentur. "Four Keys - Die Stadt im Schatten" ist ihr Debüt und erschien als Auftakt der Mystic-Fantasy-Reihe 2019 in Deutschland bei dtv. Innerhalb der Storyline betritt der Leser die kleine, aber auch rätselhafte Stadt Four Keys, die seit ewiger Zeit von den vier Gründerfamilien geprägt ist. Doch es geschehen in kürzester Zeit mehrere Morde, die das Vertrauen in die Stadtgründer erschüttern. Nur die 4 Jugendlichen Justin, Violet, Isaac und Harper können dem förmlichen Grau entgegentreten.

Mein Bild:

Das Buch wurde uns im letzten Jahr mit einem Vergleich zu "Stranger Things" vorgestellt. Ich bin wohl eine der Wenigen, die von der Serie nicht gehyped ist, von daher half diese Argumentation nicht. Ich bin auch kein großer Mystery-Leser, aber ich wollte gern wissen, was diese amerikanische Kleinstadt denn heimsucht. Also griff ich mir die rund 370 Seiten und hoffte, dass das thrillermäßige, nicht ganz überzeugend wirkende Paperback zwischen den Buchdeckeln mehr zu bieten hat.

Die Inhalte der Story sind in drei große Teile mit eigenem Titel gesplittet. Ich bin ehrlich: Keine Ahnung, warum man das gemacht hat, weil es für mich beim Lesen absolut keine Relevanz hatte. Zudem gibt es noch Kapitel, das reicht vollkommen aus.

Der Einstieg in die Story ließ mich zunächst rätseln, was ich damit anfangen soll. In personalem Erzählstil wurde ich in eine esoterisch angehauchte Situation geworfen, in der ich mit den Reaktionen der Beteiligten nichts anfangen konnte. Es glich einem Einstieg in einem Film oder einem Teaser. Und zack bist du danach in einer völlig anderen Szene, der Film geht richtig los und du hoffst einfach, dass sich der Teaser irgendwann von allein erklärt. Ich mochte das nicht. Es gibt Prologe, in denen man einfach schon mehr versteht, hier wurde ich allein zurück gelassen.

Der generelle Schreibstil ist verständlich, trotz diverser Schachtelsätze und Mittelchen wie Tagebucheinträgen, unvorhergesehenen Zeitversatz, parallelen Handlungssträngen, sowie wechselnden Perspektiven. An Abwechslung und Ideenreichtum mangelt es nicht. Doch, wenn ich bedenke, dass es nur knapp 400 Seiten sind, wirken einige Gesichtspunkte too much bzw. gekünstelt und nicht glaubwürdig. Wie war das? Manchmal ist weniger mehr.

Mir gefiel die Idee der Kleinstadt, die Rätsel aufgibt, bei denen Magie und gruselige Erscheinungen eine Rolle spielen. Ich hatte Bilder im Kopf, jedoch fehlten die Feinheiten. Ich bekam das Szenenbild, aber nicht die Filmmusik. Es gibt Autoren bzw. Autorinnen, die schaffen mit ihren Beschreibungen Welten genau so, dass sie sich kein Leser bzw. keine Leserin anders vorstellen kann, hier bin ich mir da nicht so sicher.

Die Protagonisten kann ich klar in folgende Typen einteilen: Der Bad Boy, der bemitleidenswerte Prinz, die Überlebende und die Neue. Stereotypen, die trotz vieler Begabungen, kritischer Familiengeschichten und intensiver Auseinandersetzungen miteinander zwar ganz gut ausgebaut waren, aber mir fiel es trotzdem schwer eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Wie soll ich es sagen? Als hätte man ein konkretes Bild, das trotzdem immer wieder verschwimmt. Beispielsweise hatten alle mit ihrer eigenen Familie oder Vergangenheit zu tun, müssen sich noch um das gegenwärtige Problem kümmern und dann wird auf einmal auf ihre Sexualität angespielt oder häusliche Gewalt. Die Protas brauchten das nicht, wirklich nicht. Es hat die Handlung nicht weiter gebracht, es gab dadurch nur mehr gezwungene Nebenstränge, um die Anspielungen zu untermauern.

Die wichtige Handlung, sprich, dass Grauen um die Stadt über die 4 Jugendlichen zu enträtseln, war gut durchdacht. Jedes einzelne Puzzleteil bekam sein Plätzchen. Mir erschien es logisch, aber nicht hochspannend und mystisch. Wie gesagt, ein paar Musiknoten fehlten einfach. An mancher Stelle musste ich allerdings auflachen, als es um Rebellion oder Rituale ging. Meine Gedanken zogen Kreise zum Ku-Klux-Clan oder dem verhexten Salem. Ein wirklich irrer Mix, der nur durch die Linienführung der Gründerfamilien realistisch blieb. Denn die mochte ich sehr. Jede Familie bekam ihren Ursprung, ihr zuhause, ihre Begabung, ihren "Fluch". Wie die Hogwartshäuser, nur viel düsterer. Jedenfalls favorisiere ich klar die Familie Carlisle. Warum, spoilere ich an dieser Stelle lieber nicht.

Der Show Down verlief nicht nach meinem Geschmack. Ich habe mich gefühlt wie bei einem gruseligen, sehr skurrilen Friedhofsritual. Es näherte sich glatt einer Komödie. Ich konnte es nicht ernst nehmen. Erneut wäre hier weniger mehr gewesen. Ein heroisches Ende hätte dem Plot genüge getan. Schade.

Fazit:

Eine richtige gute, düstere Idee für einen Jugendroman auf Fantasybasis. Mystische Begabungen, uralte Familien und ein Monster hätten vollkommen gereicht, allerdings wurden zu viele Nebensächlichkeiten eingewoben. Vielleicht um den nächsten Band damit einzuleiten? Wer weiß.

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