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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2020

Coming of Age in Neapel

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
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Der neue Roman von Elena Ferrante nahm mich anfangs so gefangen wie die Neapolitanische Saga. Angesiedelt ist die Handlung dieser Coming-of-age-Geschichte im Neapel der 1990ˋer Jahre in einem gutbürgerlichen ...

Der neue Roman von Elena Ferrante nahm mich anfangs so gefangen wie die Neapolitanische Saga. Angesiedelt ist die Handlung dieser Coming-of-age-Geschichte im Neapel der 1990ˋer Jahre in einem gutbürgerlichen Lehrerhaushalt. Erzählt wird die Geschichte von der Teenagertochter Giovanna – ein behütetes, intelligentes Einzelkind, das Kontakt zur verstoßenen Tante aufnimmt, wodurch die weitere Handlung maßgeblich beeinflusst wird. Giovanna wuchs mir ans Herz, die pubertären Probleme mit den Eltern, der Umwelt und sich selbst waren für mich authentisch und nachvollziehbar. Mit Tante Vittoria kehrt der Leser in ein ähnliches Milieu, wie man aus der Neapolitanischen Saga kennt, zurück. Der Kontrast zwischen diesem von Armut und mafiösen Strukturen geprägte Leben und dem Elternhaus von Giovanna wird auch durch die Sprache (Italienisch oder Dialekt) und den Wohnort (oben auf einem Berg oder unten im Tal) verdeutlicht. Insgesamt war das vielleicht nicht unfassbar innovativ, aber doch intelligent unterhaltsam.
Im letzen Drittel wurde es dann aber etwas anstrengend: das Leben aller Protagonistinnen dreht sich nur noch um die jeweiligen Männer. Hier hatte die Handlung für mich Längen und die Protagonistinnen hätte ich gerne geschüttelt und ihnen zu etwas mehr Emanzipation und Unabhängigkeit geraten – von der Autorin vermutlich durchaus beabsichtigt dieses Gefühl, aber vielleicht etwas zu sehr auf die Spitze getrieben. Giovanna findet aus dieser Spirale schließlich einen ungewöhnlichen Ausweg und scheint sich am Ende zu emanzipieren. Trotz des etwas verstörenden Endes also auch Hoffnung am Horizont.

Veröffentlicht am 24.08.2020

Unterhaltsame Satire auf den Kunstbetrieb

Ein Mann der Kunst
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Kristof Magnusson hat mit "Ein Mann der Kunst" eine eingängliche Satire auf den Kunstbetrieb geschrieben. Kunstinteressiert sollte man als Leser also schon sein, aber auch für eher mittelmäßige Kunstkenner ...

Kristof Magnusson hat mit "Ein Mann der Kunst" eine eingängliche Satire auf den Kunstbetrieb geschrieben. Kunstinteressiert sollte man als Leser also schon sein, aber auch für eher mittelmäßige Kunstkenner ist das Buch verständlich und unterhaltsam. Dabei wird es aber nie flach und auch nie zu böse bzw. verletzend.
Hier bekommt jeder sein Fett weg: die Künstler, die im Kunstbetrieb Tätigen und auch das Publikum. All diese treffen bei einer sommerlichen Wochenendreise im malerischen Rheingau zusammen – zusammen mit den Temperaturen erhitzen sich auch die Gemüter ...
Die Figuren blieben für mich etwas blass – bis zu letzt konnte ich sie alle, inkl. des Ich-Erzählers, nicht wirklich greifen. Vielleicht ist das auch Absicht des Autors.
Alles in allem ein intelligenter, satirischer Unterhaltungsroman.

Veröffentlicht am 03.08.2020

USA – Land der Träume

Das geträumte Land
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Die USA aus Sicht von Migranten. In den Medien hört man meist von Migranten aus anderen amerikanischen Ländern – hier in Imbolo Mbues Debüt "Das geträumte Land" wird aber von einer jungen Familie aus Kamerun ...

Die USA aus Sicht von Migranten. In den Medien hört man meist von Migranten aus anderen amerikanischen Ländern – hier in Imbolo Mbues Debüt "Das geträumte Land" wird aber von einer jungen Familie aus Kamerun berichtet, die sich ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in New York aufhält und dort im Land der Träume USA ihr Glück sucht. Wir erfahren, wie sie die USA vor und während der Weltfinanzkrise erleben.
Ein Nebenschauplatz ist hierbei eine weiße privilegierte Familie, die die Weltfinanzkrise ebenfalls hautnah erlebt, da der Familienvater bei Lehman Brothers arbeitet. Die Lebenswirklichkeit der beiden Familien und auch wie sie jeweils aus der Krise herausgehen, bildet einen interessanten Kontrast.
Trotz aller Sorgen, Nöte, Ängste wird das Buch nie pessimistisch – es bleibt immer die (sehr US-amerikanische) Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dadurch liest sich das Buch flüssig und relativ unbeschwert.
Trotzdem beschäftigten mich gegen Ende und auch nach der Lektüre Fragen über Schuld und über Gerechtigkeit, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Veröffentlicht am 17.05.2020

Coming of Age beim Roadtrip

Nur kurz leben
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In "Nur kurz leben" nimmt der Ich-Erzähler Richie den Leser mit auf einen Roadtrip durch Westeuropa. Unfreiwillig wird der jugendliche Leon dabei zu Richies Reisebegleitung. Beide haben ganz unterschiedliche ...

In "Nur kurz leben" nimmt der Ich-Erzähler Richie den Leser mit auf einen Roadtrip durch Westeuropa. Unfreiwillig wird der jugendliche Leon dabei zu Richies Reisebegleitung. Beide haben ganz unterschiedliche Gründe für eine Flucht aus dem gewohnten Leben.

Interessant fand ich, dass man zusammen mit Richie schnell recht viel über die neue Bekanntschaft Leon erfährt, der Ich-Erzähler Richie aber lange schwer zu greifen bleibt.
[SPOILER] Zudem ist es ein unerwarteter und spannender Schachzug der Autorin, dass am Ende nicht der Ältere dem Jüngeren hilft, wie man vielleicht erwarten könnte, sondern anders herum. [/SPOILER]

Ein schöner, kurzer Coming of Age-Roman.

Ich würde das Buch ab dem mittleren Teenager-Alter empfehlen, durchaus auch für Erwachsene.

Veröffentlicht am 07.05.2020

Subtil-spannend und bewegend

Das wirkliche Leben
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Das Debüt der belgischen Schriftstellerin Adeline Dieudonné wird mit so viel Vorschusslorbeeren überschüttet, dass man nach dem Lesen leicht enttäuscht sein kann. Bitte nicht falsch verstehen: es ist ein ...

Das Debüt der belgischen Schriftstellerin Adeline Dieudonné wird mit so viel Vorschusslorbeeren überschüttet, dass man nach dem Lesen leicht enttäuscht sein kann. Bitte nicht falsch verstehen: es ist ein gutes, intelligentes, lesenswertes Buch mit einer Hauptprotagonistin, die ans Herz wächst, aber für mich war es keine literarische Sensation.

Deshalb: Bitte nicht die Zeit damit verschwenden, Preisungen oder Inhaltsangaben zu dem Buch zu lesen, sondern einfach das Buch unvoreingenommen lesen! Es lohnt durchaus!

Doch noch ein paar mehr Infos? Na, gut!
In "Das wirkliche Leben" lernt der Leser eine namenlose jugendliche Ich-Erzählerin kennen, die ihre Träume nie aufgibt. Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht, denn durch ihre lieblosen Eltern erfährt sie keinerlei Unterstützung. Stattdessen baut sich eine immer bedrohlichere Atmosphäre auf, die schließlich explodiert.
Das Buch lebt von seiner sympathischen Hauptprotagonistin, in die man sich sehr gut hineinversetzen kann und mit der man unwillkürlich um ein gutes Ende in diesem unheilvollen Szenario bangt. Für mich eine bewegende, subtil-spannende Geschichte.