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Veröffentlicht am 07.03.2021

Die Insel sehen, hören und riechen

Die vier Gezeiten
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Als Eduard Kießling, dem renommierten Juister Hotelbesitzer, das Bundesverdienstkreuz verliehen werden soll, versammelt sich seine Familie im familieneigenen Hotel, um das Ereignis gebührend vorzubereiten. ...

Als Eduard Kießling, dem renommierten Juister Hotelbesitzer, das Bundesverdienstkreuz verliehen werden soll, versammelt sich seine Familie im familieneigenen Hotel, um das Ereignis gebührend vorzubereiten. Die biedermeiermäßig anmutende Atmosphäre wird schnell empfindlich gestört durch die Ankunft von Helen, deren Ähnlichkeit mit Eduards Frau Adda so frappierend ist, dass allen – auch gegen ihren Willen - klar ist, hier haben sie ein unbekanntes Familienmitglied vor sich. Helen ist auf der Suche nach ihrer Herkunft und landet auf Juist, da sie von ihrer australischen Adoptivmutter einen entsprechenden Hinweis erhalten hat. Helens Auftauchen setzt Erinnerungen und Ereignisse in Gang, die die Geheimnisse der Familie ans Licht bringen werden.
Bis dahin lernen wir die Familie Kießling kennen: Johanne, die das Hotel zu einem erfolgreichen Familienunternehmen gemacht hat, ihre Tochter Adda mit Ehemann Eduard und die drei Töchter des Paares. Eine weitere Tochter, Wanda, von deren Existenz der Leser erst im Laufe der Geschichte erfährt, fehlt allerdings bei dem Familientreffen. Der Prolog, der in Form eines Tagebucheintrags gehalten ist, legt den Schluss nahe, dass die Schreiberin 30 Jahre vorher den Freitod gewählt hat, was das Fehlen Wandas erklären könnte.
Die Idee der Geschichte ist sehr interessant und hat mich von Anfang an gefesselt, auch wenn ich aufgrund der Vielzahl der Figuren und der Erzählung auf verschiedenen Zeitebenen zu Beginn einige Schwierigkeiten hatte, einen Überblick zu bekommen über die Beteiligten und ihre Verwandtschaftsverhältnisse. Mit der Zeit wurde das immer besser und ermöglichte es mir, der Erzählung der Schicksale der verschiedenen Generationen von Frauen der Familie gespannt zu folgen. Die Figuren selbst bleiben allerdings etwas lauwarm, es ist mir nicht gelungen, mich mit einer von ihnen zu identifizieren oder sie liebzugewinnen, obwohl die vier Gezeiten aus dem Titel die grundverschiedenen Persönlichkeiten der Töchter andeuten. Hier ist das Potential leider nicht ausgeschöpft worden.
Die Technik der Autorin Anne Prettin, oft die Perspektive und auch die Erzählzeit zu wechseln, erhöht die Spannung sehr. In einem Crescendo rauscht die Geschichte auf ihren Höhepunkt und die Auflösung der zahlreichen Rätsel, die die Familiengeheimnisse aufgeben, zu und lässt den Leser recht befriedigt zurück, da keine losen Fäden bleiben, auch wenn die Fülle der Geheimnisse und Lebensereignisse manchmal fast zu dick aufgetragen erscheint.
Insgesamt eine trotz der Anfangsschwierigkeiten lohnende Lektüre, die nebenbei auch Einblick gibt in die jüngere Geschichte eines kleinen, den meisten unbekanntes Stück Deutschland, die ostfriesische Insel Juist, und ihre Natur, deren Schilderung mit zu den überzeugendsten Teilen des Romans gehört. Man kann die Insel regelrecht sehen, hören und riechen. Und schon allein deshalb verdient es der Roman gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 17.05.2020

Trotz Schwächen lesenswert

Die verlorene Tochter der Sternbergs
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Die Geschichte ist in eine Rahmenhandlung eingebettet, deren Beginn sich recht vielversprechend präsentiert: Die in New York lebende 80-jährige Élise Duval bekommt überraschend Besuch von einer Frau und ...

Die Geschichte ist in eine Rahmenhandlung eingebettet, deren Beginn sich recht vielversprechend präsentiert: Die in New York lebende 80-jährige Élise Duval bekommt überraschend Besuch von einer Frau und deren Tochter, die ihr längst verschollen geglaubte Briefe aus Kuba bringen. Élise erleidet dadurch einen Zusammenbruch und erinnert sich an längst Vergessenes und Verdrängtes, das sie als Kind in Berlin und in Frankreich erlebt hat. Hier beginnt die eigentliche Geschichte, welche die Schicksale der Mitglieder der jüdischen Familie Sternberg zur Zeit des Zweiten Weltkrieges erzählt.
An sich guter Erzählstoff, der mich genauso gereizt hat wie das Cover. Streckenweise war ich dermaßen in die Lektüre vertieft, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte, weil ich unbedingt wissen musste, wie die Geschichte weitergeht. Auch der etwas spröde Schreibstil, der wenig Raum für die Schilderung von Gefühlen lässt, überzeugt weitgehend, da das Thema dies nicht nur erlaubt, sondern meines Erachtens streckenweise fordert.
Was mich jedoch etwas unbefriedigt aus der Gesamtlektüre entließ, ist die Tatsache, dass der Autor zu viele Handlungs- und Schicksalsstränge auch von Hauptfiguren nicht weiterverfolgt hat, es scheint, er habe sie unterwegs vergessen, verloren. Zu gern hätte ich gewusst, was aus der einen oder anderen Figur geworden ist, nachdem sie den Staffelstab der Hauptrolle an eine neue Hauptfigur abgegeben hat. Auch am Ende des Buches, als es im Schlussakt der Rahmenhandlung die Möglichkeit gegeben hätte, zumindest hier dem Leser etwas mehr an Informationen zu bieten, was besagte Schicksale anbelangt, scheint es, als ob Correa vor allem schnell mit dem Schreiben fertig werden wollte, so dass er dem Leser bis auf einige wenige Angaben nichts gibt, was diesen doch noch rundum zufrieden das Buch zum letzten Mal schließen lässt. Wirklich sehr schade, es wurde die Gelegenheit zu einem großartigen Buch versäumt.
Und doch .... Trotz all dem muss ich sagen, dass mich der Erzähler verändert zurückgelassen hat, für mich ein Kriterium dafür, dass das Buch funktioniert. Ich werde auch sein erstes Werk lesen, und ich freue mich richtig darauf.

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Veröffentlicht am 15.12.2024

Schaler Geschmack der Enttäuschung

May Morrigans mysteriöse Morde
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Der Titel „May Morrigans mysteriöse Morde“ von Katherine Black schien mir vielversprechend, auch wenn ich dem Cover nicht allzuviel abgewinnen konnte. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es viel ...

Der Titel „May Morrigans mysteriöse Morde“ von Katherine Black schien mir vielversprechend, auch wenn ich dem Cover nicht allzuviel abgewinnen konnte. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es viel mehr über das Buch aussagt als der Titel, der eigentlich irreführend ist, da bereits nach einem Drittel des Buches nichts Mysteriöses mehr an besagten Morden bleibt. Die Geschichte beginnt gut, es werden einige Charaktere vorgestellt, die schön britisch-schrullig bis skurril rüberkommen, es wird eine gewisse Spannung aufgebaut, die nach dem ersten Drittel enorme Lust aufs Weiterlesen machte. Die eine oder andere Figur gewinnt Sympathiepunkte, besonders die Titelfigur May, die als liebe alte Dame mit einigen harmlosen Eigenheiten dargestellt wird. Auch ihr Freund Fletcher und ihr Buchhändler Bastian sind interessante Figuren, die gut gezeichnet werden. Leider beginnt bereits im zweiten Drittel der Abfall des Romans, da plötzlich Schlag auf Schlag Dinge enthüllt werden, die der Leser gern durch weitere raffinierte Textkonstruktionen entdeckt hätte, anstatt sie auf dem Tablett serviert zu bekommen. Und es geht gerade so weiter, die Handlung wird nicht nachvollziehbar und unlogisch, die Charaktere reagieren unglaubhaft und die ganze Geschichte hat mich am Ende mit dem schalen Geschmack der Enttäuschung zurückgelassen. Daher gibt es von mir leider keine Leseempfehlung. Sehr schade, denn der Stoff hat Potential, welches die Autorin nicht ausschöpfen konnte.

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  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung