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Veröffentlicht am 21.05.2020

Fantasy vom Allerfeinsten!

Das Reich der Grasländer 1
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Der letzte König von Osten Ard 2
„Über dreißig Jahre sind in Osten Ard vergangen, seit der verheerende Sturmkönigskrieg endete – ein Krieg, der beinahe das Ende der Menschheit bedeutet hätte. König Simons ...

Der letzte König von Osten Ard 2
„Über dreißig Jahre sind in Osten Ard vergangen, seit der verheerende Sturmkönigskrieg endete – ein Krieg, der beinahe das Ende der Menschheit bedeutet hätte. König Simons und Königin Miriamel, beim Sieg über den Sturmkönig fast noch Kinder, herrschen jetzt auf dem Hochthron über die Länder der Menschen, aber sie haben den Kontakt zu ihren einstigen Verbündeten den unsterblichen Sithi, verloren. Tanahaya, die erste Sithi-Gesandte seit Kriegsende, wird auf ihrem Weg zum Hochhorst …“„Das Reich der Grasländer (1). Der letzte König von Osten Ard 2“ von Tad Williams, S. 9.

»Das Reich der Grasländer« von Tad Williams ist im amerikanischen Original der zweite Teil, in Deutschland, der dritte Teil Osten Ard Reihe.

»Das Reich der Grasländer« erzählt die Geschichte 30 Jahre nach dem Sturmkrieg weiter. Der Band setzt genau dort ein, wo die Hexenholzkrone 2 endet. Ich will gar nicht so viel erzählen, nur ein wenig Appetit machen.

Tad Williams Charaktere sind sorgfältig und liebevoll ausgearbeitet. Morgan wird erwachsen. Er ist lange Zeit auf sich selbst gestellt und freundet sich mit den Wechselwesen an. Er lernt, die Natur zu lesen. Aus dem oberflächlichen Abenteurer wird ein verantwortungsvoller Tronfolger.

Die Nornen und die Sithi stehen auf unterschiedlichen Seiten. Tanahaya erzählt Morgan die Geschichte der Sithi und der Nornen und wie es zur Trennung der Wolkenkinder und den Kindern der Dämmerung kam.

Das Hochkönigspaar fühlt, dass der Frieden, der bislang ihre Herrschaft begleitete, immer bedrohter ist, seit die Hikeda’ya sich immer öfter zeigen.

Die Nornenkönigin Utuk’ku ist erwacht und ihr Getreuer, der Zauberer Akhenabi, bestellt Vijeki ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Der Leser empfängt die Atmosphäre sozusagen von allen Seiten. Tad Williams schildert das Geschehen aus unterschiedlichen Erzählperspektiven. Aus der Sicht der Sithi, der Nornen und der Menschen entwickelt sich ein komplexer Weltenbau. Der Leser kennt die Protagonisten nun seit über 1 000 Seiten und erkennt auch die Entwicklung der Charaktere.

Das Reich der Grasländer
Morgan, der als Säuferprinz startete, muss sich nun bewähren. Aber nicht nur die Menschen entwickeln sich, auch einige der Hikeda’ya, wie Nezeru oder Viyeki beginnen das eigene Verhalten zu reflektieren. Die Helden der Sturmkriegs sind in die Jahre gekommen und der Leser erlebt nun, wie die nächste Generation, in Morgans Fall sogar die übernächste Generation, nun die Welt retten und gestalten müssen.

»Was hat mein Großvater gegessen, als er sich im Wald durchschlagen musste – in diesem Wald hier? Nicht zum ersten Mal bereute Morgan, dass er nicht genauer zugehört hatte. Aber wer hätte denn ahnen können, dass mir dasselbe passieren würde?«

Wie schon während des Sturmkrieges unterstützen Binabiq und seine Familie das Hochkönigspaar im Kampf gegen die Nornen.

Die Hikkeda’ya Nezeru ist meine Lieblingsfigur. Aus anfangs blinder Hingabe an die Nornenkönigin Utuk’ku entwickelt Nezeru schnell eine kritische Einstellung und überdenkt ihr Verhalten.

"Das Reich der Grasländer" Tad Williams 1
Besonders schön finde ich die Karten. Ich mag es, die Geschichte auf der Karte zu verfolgen. Tolles Kopfkino!

Nicht nur gut, sondern auch hilfreich, sind das Personenverzeichnis – überhaupt das ganze Glossar ist von großem Vorteil. Die Seiten 633-664 sind nur Glossar. Daran kann man vielleicht ermessen, wie komplex „Der letzte König von Osten Ard“ gestaltet ist.

Das Reich der Grasländer
Das Hörbuch „Das Reich der Grasländer“

Ich lese gerne, aber dabei höre ich liebsten noch die Hörbuchfassung. Es ist wie eine weitere Tür ins Geschehen. Das Hörbuch gibt es als Audio CD oder Hörbuchdownload. Ich habe es mit Audible gehört. Das Hörbuch wird ungekürzt von Andreas Fröhlich gelesen, den viele Leserinnen und Hörerinnen aus der Eragon Reihe, den „drei ???“, dem „Labyrinth der träumenden Büchern“ oder als Synchronsprecher von Gollum kennen. Ich schätze seine Stimme, Modulation und dramaturgische Umsetzung sehr. Das Kopfkino funktioniert hervorragend.

Das Hörbuch ist in Der Hörverlag am 23.03.2020 erschienen und hat eine Länge von 20 Std. 28 Min.

Meine Meinung „Das Reich der Grasländer“

Es ist mir immer wieder eine Freude, Tad Williams zu lesen. Der Autor bietet einen attraktiven Weltenbau mit einem komplexen Setting.

Die Charaktere leben, sie haben eine Geschichte, sie reflektieren die eigene Vergangenheit und machen Pläne für die Zukunft. Man glaubt, sie zu kennen und fühlt mit ihnen.

An diesem Band gefällt mir besonders gut, das der Leser viel Hintergrundwissen erhält. Pasevalles und Tzoja und erzählen von ihrer Vergangenheit. Es ist, als ob du Menschen näher kennen lernst und sie dir ihre Geheimnisse erzählen. Das ist wohl das Erfolgskonzept von Tad Williams. Du bist als Leser auch Beobachter, Gesprächspartner und leidest mit oder freust dich mit den Charakteren.

Und trotz aller Fantasy ist es letztlich wie in der Realität: Es gibt böse Menschen, es gibt gute Menschen. Es gibt Menschen, die auf andere herabsehen und diskriminieren und es gibt tolerante Menschen. Es gibt Staatsoberhäupter, die mit Weisheit und mit Güte demokratisch handeln und walten und es gibt Diktatoren, die eigennützig und unbarmherzig herrschen.

Tad Williams gelingt es eine gesellschaftliche, politische und psychologische Welt darzustellen, die ich gerne betreten habe.

Für mich als Freund von High Fantasy und dicken Wälzern, war es ein Genuss. Ich gebe zu, Man muss bereit sein, sich einzuwühlen, aber dann erlebt man einen überwältigenden Weltenbau.

Mein herzlicher Dank geht an Klett-Cotta für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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Veröffentlicht am 16.05.2020

Man ist nie zu klein, um großartig zu sein!

Lana Minzeblatt
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Kennt ihr Lana Minzeblatt?
Lana Minzeblatt
Beim Stöbern in Instagram fand ich eine Autorin, die einen Clown 🤡 gefrühstückt hatte, und das auch mit einem Bild dokumentierte. Das fand ich cool. @claudiagogolin.kinderbuch ...

Kennt ihr Lana Minzeblatt?
Lana Minzeblatt
Beim Stöbern in Instagram fand ich eine Autorin, die einen Clown 🤡 gefrühstückt hatte, und das auch mit einem Bild dokumentierte. Das fand ich cool. @claudiagogolin.kinderbuch war mir schon mehrmals durch die lustigen Feeds aufgefallen. Ich suche mir öfter Autoren, die nicht „mainstream“ sind, aus und bespreche eines der Bücher. Beim Weiterstöbern fand ich „Lana Minzeblatt“, die vor einigen Tagen bei uns eingezogen ist. Wir haben uns nun ein wenig kennenlernen, und ich möchte euch das Buch über Lana Minzeblatt vorstellen.

„Man ist nie zu klein, um großartig zu sein!“
Lana Minzeblatt - Man ist nie zu klein, um großartig zu sein
Zuerst will ich eine ganz wichtige Botschaft von Claudia Gogolin, dem Maulwurf, dem Löwenzahn und der Erdbeere übermitteln, die ganz vorne im Buch für jeden von euch steht. Das ist ganz wichtig. Das darfst du nie vergessen!

Wir wiederholen: „Man ist nie zu klein, um großartig zu sein!“
Wenn du ganz leise bist, nimmt Claudia dich mit in den Kräutergarten.

Lana Minzeblatt ist eine kleine Zottelelfe, der es gerade jetzt unheimlich langweilig ist. Sie möchte mit ihrem Freund, Golo dem Wurm, spielen.

Der hat aber gar keine Zeit, weil er unbedingt Humus herstellen muss. Weißt du was Humus ist? Oder geht es dir wie Lana, die Golo sagt:


„Also ich kenne nur Apfelmus und Pflaumenmus und Mandelmus.“
Du erlebst viele Abenteuer, wenn du Lana durch den Garten begleitest und lernst Freunde, wie Pfefferchen, Eberhilde, Wunnibald und Humbold kennen.


Du erfährst, dass es wichtig ist, eine Aufgabe zu haben.
„Lana Minzeblatt“ Claudia Gogolin 2
Erdbeerchen begleitet dich auf jeder Seite
Eine Fantasiereise in den geheimen Garten
Wenn du das Buch durchgelesen hast, bekommst du als Belohnung die Webadresse von Claudia Gogolin. Wenn du sie dort besuchst, liest Claudia dir nochmals die Fantasiereise vor, so oft du möchtest! Ist das nicht toll?

Auch beim Vorlesen, immer schön Abstand halten. Wir achten aufeinander! Bleibt gesund! Beim nächsten Buch sehen wir uns wieder!


Hallo liebe Eltern,
das möchte ich euch noch zu „Lana Minzeblatt“ erzählen:

Das Buch über Lana beschäftigt sich mit Dingen, die in der Natur, vor allem im Garten geschehen. Claudia Gogolin erklärt das Geschehen liebevoll und spricht über Probleme, mit denen Kinder, in diesem Alter zu kämpfen haben. Vieles ist fremd und unvertraut und macht Angst.

Die kleinen Leser können sich gut mit Lana identifizieren und sehen, dass aus Fremden auch Freunde werden können.

Eltern können mit der vertonten Fantasiereise, ein Autogenes Training begleiten. Auf dieses Ritual können die Kleinen jederzeit zurückgreifen und vielleicht hilft es den kleinen und den großen Menschen. Zum Runterkommen, vor dem Einschlafen, oder einfach nur, weil es Spaß, einen kleinen Raum zu haben, den man mit den eigenen Gedanken bilden kann.

Das Buch ist nicht nur zum Hören und Spielen, sondern gibt auch viele Informationen über die Natur.

Auch die Sprache ist altersgerecht und sehr bildhaft und animiert ein lustiges Kopfkino.

Dieses Buch eignet sich auch hervorragend als Geschenk.

Kritik „Lana Minzeblatt – die kleine Zottelelfe aus dem Kräutergarten“
Ich freue mich sehr, Claudia Gogolin und „Lana Minzeblatt“ gefunden zu haben und kann nur empfehlen, die kleine Zottelelfe im Kinderzimmer aufzunehmen. Das Buch ist auch eine Achtsamkeitsübung für die Natur. Einfach mal nichts reden, nur schauen, was wir im Garten alles erleben können.

Das Buch ist liebevoll illustriert und es hat ein rotes Lesebändchen. Ich liebe Lesebändchen. Das ist noch viel schöner als ein Lesezeichen, weil es immer da ist.

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Veröffentlicht am 17.04.2020

Ein kleine Biografie und teuflisch gute Kurzgeschichten

In Liebe Dein Karl
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»Die selbst erlebten Anekdoten sind allerdings schnell aufgebraucht. Doch jetzt beginnt die eigentliche Lust des Schriftstellers: Er wird zum Allmächtigen, darf einen neuen Kosmos erfinden und Menschen ...

»Die selbst erlebten Anekdoten sind allerdings schnell aufgebraucht. Doch jetzt beginnt die eigentliche Lust des Schriftstellers: Er wird zum Allmächtigen, darf einen neuen Kosmos erfinden und Menschen mit einem eigenen Schicksal erschaffen – einem spektakulären oder ganz alltäglichen, je nach Lust und Laune.« Aus Die Rolle des Erzählers – In Liebe Dein Karl.

»In Liebe Dein Karl« von Ingrid Noll ist nicht nur eine teuflisch gute Kurzgeschichtensammlung, sondern auch eine kleine Biografie.

Das Buch ist in 5 Teile gegliedert:
Diebe und Triebe
Lust und Last der Liebe
Tierische Täter
Mörderische Mythen
Erinnerungen und Notizen

Zum Inhalt
»In Liebe Dein Karl« ist die Heimat von 21 Kurzgeschichten und 10 autobiographischen Texten. Die Kurzgeschichten haben, wie wir es von Ingrid Noll gewohnt sind, oftmals schillernde weibliche Protagonisten, Charaktere, die sich nicht unterkriegen lassen und mit faszinierender intelligenter krimineller Energie, ihr Leben komfortabel machen. Männer haben sich unterzuordnen. Gerade in den Kurzgeschichten sind die Wendepunkte wichtig. Hier ist Ingrid Nolls Dramaturgie geradezu hinreißend. Der Leser lacht, weint und bangt mit der »Täterin«, dass sie ja nicht überführt wird, am besten erst gar nicht verdächtigt wird.

In Liebe dein Karl mit Don Cato
Don Cato liest gerne mit.
Autobiographische Schriften “In Liebe Dein Karl”
Für mich sind Ingrid Nolls autobiographische Schriften ein Juwel. Die Autorin erzählt aus ihrer Kindheit in China. Besonders nett fand ich, dass Mütter ihren Töchtern erzählen, dass sie abends zuhause bleiben sollten, weil sich in der Nacht Fledermäuse in den Haaren kleiner Mädchen einnisten.

Ingrid Noll ist ein sehr bodenständiger Mensch. Wie viel ihr Freundschaft bedeutet, kann man in der Geschichte über Manuela lesen.

»Im Nachhinein stelle ich fest, dass ich unerhörtes Glück hatte: Bereits mit zwölf Jahren fand ich eine humorvolle, originelle und überaus liebenswerte Freundin, mit der man noch lachen kann, wie vor fünfundfünfzig Jahren.«

Auch von der Nonnenschule, die sie besuchte, erzählt die Autorin, und ihrer Verehrung für Juliette Greco und den Kleidungsstil. Ein schwarzer Rollkragenpullover macht schon sehr existentialistisch. Die Feministin in ihr war geboren.

Und dennoch stand die Familie immer im Vordergrund. Ingrid Noll wartete auf ihre Zeit. Kaum waren die Kinder aus dem Haus, richtete sie sich ihr Arbeitszimmer, das Fenster über Eck hat und auch mal von Eichhörnchen besucht wird, um sich ein Nüsschen abzustauben, ein.

Der Leser findet einen sehr privaten Brief an die Mutter und erfährt einiges über den Vater. Und der Leser staunt, wie die Autorin sich ihren letzten Tag vorstellt.

Ich habe Ingrid Noll bei einer Lesung im Mainzer Theater erlebt. Man muss sie einfach lieben. Das Bild, das ich von der großen Dame der Kriminalgeschichten habe, hat sich mit diesem Buch bestätigt. Ich bin begeistert.

"In Liebe Dein Karl" Ingrid Noll 1
Cover und äußere Gestaltung »In Liebe Dein Karl«

Beim Covermotiv handelt es sich um den Ausschnitt eines Gemäldes von Caravaggio, eigentlich Michelangelo Merisi, »David mit dem Haupt des Goliath«.

Caravaggio wurde nicht willkürlich gewählt, sondern die im Buch enthaltene faszinierende Kurzgeschichte »Das weiße Hemd der Hure« ist aus der Sicht einer jungen Frau, die Caravaggio Modell sitzt, geschrieben. Eine schöne Idee für das Cover.

Das Hörbuch “In Liebe Dein Karl”

Das Hörbuch gibt es als Audio CD oder Hörbuchdownload, aber leider nicht bei Audible. Deswegen habe ich diesmal auf das Hörbuch verzichtet.

Das Hörbuch wird ungekürzt von Anna Schudt gelesen. Es umfasst 6 CDs und hat eine Länge von 6 Std. 4 Min.
Erschienen am 22. Januar 2020.

Fazit “In Liebe Dein Karl”

Es ist mir immer wieder eine Freude, Ingrid Noll zu lesen. Eine Autorin, die sich selbst auf die Schippe, die Leser zum Weinen und zum Lachen bringen kann. Ingrid Noll sieht die Welt nicht in Schwarz/Weiß, ihre Welt hat nicht nur zahlreiche Grautöne. Nein! Ihre Welt ist bunt. In meinem Beitrag zu »Ingrid Noll liest aus ‹Goldschatz›« schrieb ich:

Ich wünsche mir, ich möge im Alter von achtzig Jahren, diese Ausstrahlung, Präsenz und Eloquenz von Ingrid Noll haben!

Ja! Ingrid Noll ist nicht nur, die bei uns meist gekaufte Krimiautorin, sondern eine selbstbewusste Frau, der das Alter nichts anhaben kann. Eine Stelle möchte ich noch zitieren, weil es mir genauso geht, obwohl ich noch ein paar Jahre jünger bin.

»Viele über Siebzigjährige machen es wie ich – lehnen Spritze und Skalpell rigoros ab und kaufen stattdessen diese sinnlosen, teuren, entzückenden Cremedosen, denn irgendetwas will man sich auf die alten Tage doch noch tun.«

Vielleicht macht genau das Ingrid Nolls Charme und ihre Anziehungskraft aus: Ingrid Noll erkennt die kleinen liebenswerten Schwächen, die in uns allen wohnen. Wir identifizieren uns, meist sehr amüsiert mit ihren Texten. Ingrid Noll versöhnt uns, ihre Leser, mit unseren menschlichen Schwächen. Der Ehrenhauptkommissarin der Mannheimer Polizei ist eben nichts Menschliches fremd.

Mein herzliches Dankeschön geht an Ingrid Noll für die gute Unterhaltung und den Diogenes Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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Veröffentlicht am 14.04.2020

Siri Hustvedt spricht über sich, ihr Werk, Wissenschaft und Politik

Wenn Gefühle auf Worte treffen
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Ein Gespräch mit Elisabeth Bronfen
Die amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt bietet im Gespräch mit Elisabeth Bronfen in »Wenn Gefühle auf Worte treffen« einen Zugang zu ihrem Werk und ihren Gedanken. ...

Ein Gespräch mit Elisabeth Bronfen
Die amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt bietet im Gespräch mit Elisabeth Bronfen in »Wenn Gefühle auf Worte treffen« einen Zugang zu ihrem Werk und ihren Gedanken. Elisabeth Bronfen zeigt sich sehr vertraut mit Siri Hustvedts Büchern. Es ist eine Freude zuzuhören.

Der Aufbau „Wenn Gefühle auf Worte treffen“
Das Gespräch wurde in sieben Teile mit unterschiedlichen Schwerpunkten gegliedert. Die Gliederung ist gut gewählt:

Anfänge
Das Abenteuer New York
Engagement für Feminismus
Der Zauber der Malerei
Das magische Reich der Fiktion
Das verwundete Selbst
Für eine Kultur der Sorgsamkeit im politischen Handeln
Der Leser erkennt die Vielseitigkeit und Tiefe, die in den Werken Siri Hustvedts vorhanden sind. Ich bin versucht, es einen ganzheitlichen literarischen Anspruch zu nennen.

Wenn Gefühle auf Worte treffen
Anfänge „Wenn Gefühle auf Worte treffen“
Siri Hustvedt wuchs in Minnesota auf. Der Großvater stammte aus Norwegen. Die Autorin erzählt über ihre Familie und ihr Leben als Selfmade Wissenschaftlerin und Autorin. Ich bin immer wieder erstaunt, auf welch großen Wissensfundus oder Literaturfundus die Autorin zurückgreifen kann. Von „Jane Eyre“ über „Tristam Shandy“, „Middlemarch“ zu »Les Fleurs du mal«. Von Simone de Beauvoir über Georg Wilhelm Friedrich Hegel, bei Edmund Husserl und den Phänomenologen verweilend zu Georg Lacan und seinen Theorien, kann Siri Hustvedt mitreden.

Die Autorin liest viel und ist für alles offen, reflektiert ihren Erkenntnisfortschritt und recherchiert weiter. Es ist Wissens erweiternd, ihre Spur aufzunehmen und mit zu wandeln.

Das Abenteuer New York „Wenn Gefühle auf Worte treffen“
Siri Hustvedt beleuchtet in diesem Punkt ihre Faszination zu New York. Die Stadt New York hat nicht nur für Siri Hustvedt eine große Bedeutung, sondern auch für ihren Ehemann Paul Auster. Das lässt sich aus ihren Büchern lesen. Bei Paul Auster sind es u. a. die »New York Trilogie« und bei Siri Hustvedt, denke ich umgehend, an „Damals“.

Die junge S. H. als literarische Anfängerin, die nach ihrem Herkunftsort Minnesota genannt wird, ist nicht mehr der gleiche Mensch, nachdem sie Jahre in New York ge- und erlebt hat.

Engagement für Feminismus „Wenn Gefühle auf Worte treffen“
Die Autorin hat schon als junge Frau Simone de Beauvoir gelesen. In der Einführung zu »Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen« stellt sich die Autorin mit folgenden Worten vor:
»Ich liebe Kunst, Geistes und Naturwissenschaften. Ich bin Schriftstellerin und Feministin.«

Sie interessierte sich schon als junges Mädchen für die Rechte der Frau. Feminismus bedeutet für sie immer auch Freiheit. Und zwar die »Freiheit zu« genauso, wie die »Freiheit von«.

Einige berühmte Künstlerinnen, die Nachteile hatten, weil sie Frauen zu sind, widmet sich die Autorin immer wieder in ihren Büchern, so z. B in „Damals“ Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven. Sie war eine deutsche Künstlerin des Dadaismus und das als Muse, Aktmodell, Malerin, Bildhauerin, Dichterin und Rezitatorin. Das berühmte Kunstwerk „The Fountain“ wird bis heute Marcel Duchamp zugeordnet, obwohl es Beweise gibt, dass die Baroness die Schöpferin des Werkes war.

Der Zauber der Malerei „Wenn Gefühle auf Worte treffen“

Kunst entsteht durch den Betrachter und das Werk. Mittels eigener Vergangenheit und den erlittenen positiven wie negativen Schicksalsschlägen und der jeweiligen Befindlichkeit zum Zeitpunkt der Betrachtung. Das ist der strukturierte Raum, in dem dieses Kunsterlebnis entsteht und sich manifestiert. Gute Kunst ermuntert den Betrachter, die Struktur aufzubrechen und neu zusammenzusetzen.

Mit den Essays über Kunst gelingt es Siri Hustvedt, Kunst empfindsam und lebendig an den Leser weiterzureichen. Beim »Lauschen« des vorliegenden Gesprächs konnte ich viele Gedankengänge schrittweise nachvollziehen und verstehen.


Das magische Reich der Fiktion
Zum magischen Reich der Fiktion passt besonders gut das Essay »Warum diese Geschichte und nicht eine andere?«. Woher nimmt der Autor seine Ideen? Aus der eigenen Biografie? Oder sind wir wieder an dem Punkt Erinnerung? An dem Punkt zwischen Erinnerung und Fiktion? Besonders das

Z W I S C H E N

ist ein Bereich, den die Autorin immer wieder beleuchtet.

Im Gegensatz zu der mittelalterlichen Vorstellung, unsere Erinnerungen werden in einem Apothekerschrank verwahrt und wir müssen sie nur einfach aus der Schublade holen, ist das Erinnern ein komplexer Vorgang, dessen Ergebnis variabel ist.

Unsere Erinnerung wird mittels unserer Erfahrungen neu zusammengesetzt und damit auch bewertet. Dadurch ist Erinnerung nicht statisch, sondern dynamisch.

Jeder der schreibt, kennt das Gefühl, dass die Protagonisten ein eigenes Leben und einen eigenen Willen zeigen und dass die Geschichte sich ungeplant weiter entwickelt.


Das verwundete Selbst
In »Die zitternde Frau« verarbeitet Siri Hustvedt eigene Erfahrungen. Ausgelöst durch den Tod des Vaters, überfiel die Autorin zeitweise ein unerklärliches Zittern. Woher kommt das? Was sagen die Neurologen?

Indem sich die Autorin selbst als Fallbeispiel nahm, beleuchtete sie das Symptom aus Richtung der Psychoanalyse, der Psychiatrie und den Neurowissenschaften.


Für eine Kultur der Sorgsamkeit im politischen Handeln „Wenn Gefühle auf Worte treffen“
Siri Hustvedt bemängelt, dass niemand ihre Zeichnungen zum Beispiel in »Damals« kommentiert. Also ich finde gerade diese Zeichnung des »Mächtigsten Manns der Welt« treffend. Als Siri Hustvedt im Frankfurter Schauspiel las, bekam sie Standing Ovations, wegen ihrer politischen Haltung. Ich kann mich hier nur anschließen.

Die Autorin wuchs in Zeiten, in denen die Bürgerrechtsbewegung Thema der Abendnachrichten war, auf. Sie erinnert sich an Jimmy Carter und seinen unermüdlichen Einsatz für die Bürgerrechte und ihr Entsetzen über die Wahl Ronald Reagans zum Präsidenten.

Als Abschluss des Buches findet der Leser eine kleine Vita zu Siri Hustvedts Leben und Werk.

Fazit zu »Wenn Gefühle auf Worte treffen«
»Wenn Gefühle auf Worte treffen« zeichnet ein lebendiges Bild von Siri Hustvedt. Ein Bild, das genau das verkörpert, womit ich Siri Hustvedt verbinde. Wissen, Inspiration und Motivation. Die Autorin erkennt die Bedeutung von Wissen, dass Wissen Macht ist, nicht in dem Sinne jemanden zu beherrschen, aber in dem Sinne, dass man mit Wissen, Probleme lösen oder vermindern kann. Wissen ist das Fenster zur Weisheit.

Siri Hustvedt ist für mich Inspiration und Motivation

Das Buch erschien im Züricher Kampa Verlag in der Reihe „Kampa Salon.

Der Test ist die Kurzform. Den ganzen Text findet ihr auf Schreibblogg.

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Veröffentlicht am 02.04.2020

Josef Stalin, Lion Feuchtwanger und Lotte Germaine

Metropol
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oder


Es gibt in Moskau keine Hunde mehr.

Zum Inhalt »Metropol« Eugen Ruge
Eugen Ruge erzählt in »Metropol« einen weiteren Teil der Geschichte seiner Familien. Dieser Teil ergänzt »In Zeiten des abnehmenden ...

oder


Es gibt in Moskau keine Hunde mehr.

Zum Inhalt »Metropol« Eugen Ruge
Eugen Ruge erzählt in »Metropol« einen weiteren Teil der Geschichte seiner Familien. Dieser Teil ergänzt »In Zeiten des abnehmenden Lichts«. Großmutter Charlotte wird zur Protagonistin des Romans.

Zeitgeschehen und Hintergrund
Der Leser wird in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und vor dem Zweiten Weltkrieg entführt. Die Habsburger Monarchie ist gestürzt. Die russische Oktoberrevolution 1917 endete mit der Machtübernahme der linksrevolutionären Bolschewiki. Das Ziel war die Oktoberrevolution auf eine Weltrevolution zu erweitern und die »Diktatur des Proletariats« zu errichten. Dafür wurde die Komintern, als straff organisierte kommunistische Weltpartei gegründet, um die Koordination und Leitung mit dem Ziel »Weltrevolution«, zu übernehmen.

Zu Beginn der 1920er Jahre, nach der Konsolidierung der Sowjetmacht, war die Partei für den Staat und das Ziel Weltrevolution verantwortlich. Das ändert sich wiederum 1924 nach dem Tod Lenins und dem folgenden Machtkampf, den Josef Stalin gewann. Ab 1927 war Stalin der alleine Herrscher. Die Komintern wurde zu seinem persönlichen Instrument und Werkzeug. Er trieb die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft voran und forcierte die Industrialisierung.

Ab 1934 begannen die Moskauer Schauprozesse mit den »Säuberungen«. Seine politischen Gegner, ein Großteil der höheren Parteifunktionäre und Minister wurden in diesen öffentlichen Prozessen, die von der Weltöffentlichkeit als Inszenierung entlarvt wurden, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Jegliche Opposition wurde ausgeschaltet. Der Personenkult um Stalin wurde immer größer.

Auch der deutsche Schriftsteller Lion Feuchtwanger spielt eine Rolle in »Metropol«. Er war 1937 zwei Monate Ehrengast, Gesprächspartner Stalins und Beobachter im zweiten Moskauer Schauprozess. Während dieser Zeit erschien in der Sowjetunion eine Gesamtausgabe seiner Werke und der Roman »Die Geschwister Oppenheim« wurde verfilmt. Lion Feuchtwanger schrieb darüber das Buch »Moskau 1937«, das er selbst einen »Reisebericht für meine Freunde« nannte.

Lotte und Jean Germaine
Charlotte, die in Deutschland mit Haftbefehl gesucht wurde, gehörte zu den deutschen Kommunisten, die aus Angst vor den Nationalsozialisten nach Russland flohen. Nun in Moskau sind Charlotte und ihr Lebensgefährte Wilhelm für die Komintern tätig. Aus Charlotte und Wilhelm werden Lotte und Hans Germaine.

Stalin weitet seine Macht aus und verfolgt gnadenlos alle Gegner. Lotte und Hans erleben die zweite Säuberungswelle. Mit Schrecken erfahren die beiden, dass einer dieser »Volksfeinde« M. Lurie – Mossej Lurie, der eigentlich Alexander Emel hieß, sein soll.

»Charlotte hört ihr Herz pochen, so laut, dass es Wilhelms Schnarchen ein paar Schläge lang übertönt. Vorbereitung von Anschlägen auf Stalin, Molotov, Woroschilow … Unglaublich, was vor sich geht. Fast spürt sie etwas wie Wut. Wozu die ständigen Parteisäuberungen und Überprügungen?«

Kurze Zeit später werden die Beiden ohne Angabe von Gründen von ihren Aufgaben bei der Komintern freigestellt und im berühmten Moskauer Hotel »Metropol« interniert. Eineinhalb Jahre in einem Hotel fast schon eingeschlossen. Nun gibt es eine Zweiklassengesellschaft im Metropol. Zahlende Gäste und internierte Genossen. In dieser Zeit werden aus Genossen schnell Volksfeinde und von denen wird die Partei gesäubert.

Gegen Ende des Buchs erfährt der Leser, dass Wilhelm und Charlotte denunziert wurden.

Eugen Ruge - Metropol Weltkugel
Der Aufbau »Metropol« Eugen Ruge
Im Prolog bereitet Eugen Ruge den Leser auf die Geschichte von Charlotte vor. Im Epilog erzählt der Autor die Hintergründe und die erstaunliche Entstehungsgeschichte des Buchs.

Der Schriftsteller zeigt das Geschehen aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Der Leser nimmt die Position von Hilde (der ersten Frau Wilhelms), Wassili Wassiljewitsch Ulrich, Vorsitzender des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR und Vorsitzender dieser Schauprozesse.

»Das Schlimme ist, dass man nicht weiß, was er denkt. Vermutlich ist das seine Stärke. Lehnt sich zurück, hört zu. Raucht sein Pfeifchen … Das konnten sie alle nicht, Trotzki, Sinojew, Kamenew: schweigen. Mussten immer reden, sich in den Vordergrund spielen. Während Stalin im Hintergrund seine Fäden spinnt.«

Der Schwerpunkt liegt aber auf der Perspektive von Charlotte.

Alle drei haben ihre persönlichen Probleme, aber auch Schwierigkeiten mit dem System und Stalins Säuberungsaktionen.

Im Buch wurden die im Text vorkommenden Briefe als Bild, entweder von Hand, oder mit der Maschine geschrieben, eingefügt. Das gefällt mir gut. Das wirkt sehr authentisch.

Das Ebook ist im Scoobe Katalog enthalten.

"Metropol" Eugen Ruge 1
Das Hörbuch »Metropol« Eugen Ruge

Die ungekürzte Hörbuchfassung »Metropol« wird wirkungsvoll und beeindruckend von Ulrich Noethen und Ulrike Krumbiegel gelesen. Der Audioinhalt hat eine Länge von 12 Stunden und 29 Minuten. Das Hörbuch wurde am 8. Oktober 2019 im Argon Verlag veröffentlicht.

Ich habe »Metropol« mit Audible gehört. Der andere Teil der Geschichte der Familie Ruge trägt den Titel »In Zeiten des abnehmenden Licht«, und ist ungekürzt im Bookbeatkatalog enthalten.

Eugen Ruge

Der Schriftsteller, Dokumentarfilmer und Drehbuchautor Eugen Ruge ist der Sohn von Wolfgang Ruge, der selbst gegen Mitte und Ende der 1930er Jahre in Moskau Geschichte studierte und den selbst Stalins Terror erlebte, bis er wegen seiner deutschen Herkunft nach Kasachstan deportiert wurde und ein Jahr später als Zwangsarbeiter in ein Straflager des Gulags in den Nordural verschickt wurde. Erst 1956 gelang Wolfgang Ruge mit Frau und Sohn, die Ausreise in die DDR und er wurde einer der bekanntesten Historiker, der sich intensiv mit dem Aufstieg des Faschismus beschäftigte.

1988 siedelte Eugen Ruge in die Bundesrepublik über. 2011 veröffentlichte er seinen mit dem deutschen Buchpreis gekrönten Debütroman »In Zeiten des abnehmenden Lichts«. Darin trägt der Historiker Kurt Umnitzer die Züge von Wolfgang Ruge.

Kritik »Metropol« Eugen Ruge

»Grand Hotel Abgrund« von Stuart Jeffries war das letzte Buch, das ich rezensierte. Es ist ein Buch über die Frankfurter Schule und ihre Zeit. Die Frankfurter Schule beschäftigt sich mit den Theorien des Marxismus. Deswegen war es für mich unheimlich interessant, ein Buch über die praktische Umsetzung dieser Theorien zu lesen. Wie lebt man in einem Staat, der von einem machthungrigen Faschisten regiert wird. Eugen Ruge hat vor Ort recherchiert. Er hat sich intensiv mit der Geschichte seiner Großmutter beschäftigt. Eine Großmutter, deren Geheimnis er erst langsam entblättert.

Der Autor gibt einfühlsam die Resignation, Angst und Handlungsstarre der Beteiligten wieder. Hotelgäste in einem Grand Hotel, die in Schockstarre auf ihre Abholung, Verhandlung und im schlimmsten Fall sogar Hinrichtung warteten. Keiner kann dem Anderen trauen.

»Metropol« von Eugen Ruge ist ein Buch, das aufhorchen lässt. Ein Buch, das den Leser daran erinnert, wie wichtig es ist, unsere Demokratie zu stärken und gegen jeglichen Faschismus, unabhängig davon in welchem Kleid dieser erscheint, Links oder Rechts, zu schützen.

Ich wusste nicht viel über diese Zeit und habe beim Lesen viel über den Zeitgeist und der Ära des Marxismus unter Stalin erfahren, das mich ermunterte, ein wenig weiter über diese Zeit zu recherchieren.. Eugen Ruge hat einen Roman geschrieben, der sich nicht nur mit den historischen Daten dieser Zeit beschäftigt, sondern auch mit dem Elend der Menschen.

Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

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