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Veröffentlicht am 27.05.2020

Keine leichte Kost

Die Wahrheit
3

„Die Wahrheit“ kommt ganz schön heftig daher.
Leichte Kost ist dieses Buch nicht.

Für Freunde des guten Buches ist es nicht ganz leicht zu ertragen, dass in diesem Roman systematisch eine bedeutende ...

„Die Wahrheit“ kommt ganz schön heftig daher.
Leichte Kost ist dieses Buch nicht.

Für Freunde des guten Buches ist es nicht ganz leicht zu ertragen, dass in diesem Roman systematisch eine bedeutende Bibliothek nach der anderen frevelhaften Brandstiftern zum Opfer fällt.

Noch schlimmer: Nicht nur Bücher, die von der Vergangenheit zeugen, werden vernichtet, sondern auch unschuldige Menschen: Wissenschaftler die sich mit dem historischen Unrecht an Menschen befassen und Zeitzeugen, die noch aus eigenem Erleben von den unfassbaren Greueln berichten können, die Millionen von Menschen im Namen von verrückten Idealen und wahnsinnigen Despoten angetan wurden.

Dabei ist das Buch bedauerlicherweise sehr aktuell: Rechte Gesinnung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind wieder auf dem Vormarsch. Das „Nie wieder“ verblasst zusehends.

„Die Wahrheit“ ist nicht das, was der Krimi-Leser üblicherweise erwartet.
Über weite Strecken kommt es eher wie ein politisches Manifest, denn als ein Thriller daher.

Natürlich gibt es auch Elemente traditioneller Thriller-Kost.
Wesentlicher Kern aber ist ein politisch, philosophischer Diskurs über Wohl und Wehe der Wahrheit. Amnesie als politisches Konzept. Alternative Fakten verdrängen die Wahrheit.

Hinreißend die schonungslose Abrechnung des Ex-Chefstrategen McNamara mit - dem namentlich nicht genannten- Donald Trump, dem großartigen Helden aus dem gleichnamigen Tower.

Schließlich kommt das Buch dann aber doch noch in den Thriller-Modus.

In punkto Spannung bleibt „Die Wahrheit“ ein Stück weit hinter dem Vorgänger-Roman „Der Präsident“ zurück. Ein Page-Turner ist dieser Thriller zwar nicht, aber das Thema ist hochinteressant und gut dargestellt, das Buch von daher auf jeden Fall mehr als lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Thema
  • Spannung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 30.01.2019

Apokalyptische Szenen

Wer ist Michael Swann?
1

Die dunklen Wolken ziehen nur langsam herauf. Ganz zu Beginn ist die Welt der Familie Swann noch in Ordnung. Doch dann erschließt sich für Julia und ihren Michael jeweils getrennt und Schritt für Schritt ...

Die dunklen Wolken ziehen nur langsam herauf. Ganz zu Beginn ist die Welt der Familie Swann noch in Ordnung. Doch dann erschließt sich für Julia und ihren Michael jeweils getrennt und Schritt für Schritt die grausame Realität:

Auf die New Yorker Penn Station ist ein Bombenanschlag verübt worden. Es gibt Hunderte Tote und zahllose Verletzte, auch Michael wird verletzt.

Mit fast schon quälender Langsamkeit und en Detail beschreibt Bryan Reardon wie Michael Swann nach der Explosion nur sehr langsam das Bewusstsein wiedererlangt und erst nach und nach realisiert, in welche Katastrophe er hineingeraten ist.

Seine Frau Julia sitzt derweil zunächst unwissend mit ihren beiden Kindern daheim und sorgt sich um Michael. Dann sieht sie zufällig im Fernsehen die Nachricht über den Terroranschlag.
Hals über Kopf springt sie ins Auto um Michael zu suchen. . . .

Der Autor nimmt sich auch hier viel Zeit, um Julias innere Wandlung vom Familienglück hin zur Katastrophe aufzuzeigen. In zahlreichen Rückblenden gelingt es ihm, die Charaktäre seiner Protagonisten sehr einfühlsam zu entwickeln und Hintergründe aufzuzeigen.

Völlig desorientiert irrt der verletzte und schwer traumatisierte Mann durch New York, nicht wissend, wer er ist, wo er ist und wohin er will.
Zeitgleich hetzt Julia, getrieben von panischer Angst, auf der Suche nach ihrem Liebsten durch die Stadt.

Bryan Reardon nimmt uns mit in eine Apokalypse, die der der bedrückenden ersten Tage nach Nine Eleven ähnelt, wenn auch nicht deren unfassbares Ausmaß erreicht.
Er nimmt uns mit in eine irreale Realität und fesselt uns an das Buch.
Das ist Spannung pur und auf eine beklemmende Weise faszinierend.

Und als ob der Big Bang in der Penn Station nicht schon mehr als genug gewesen wäre, geht bei den Swanns zuhause kurz danach die zweite Bombe hoch:
Starr vor Entsetzen sieht Julia die Breaking News im Fernsehen, wonach ihr geliebter Ehemann angeblich der Terrorist vom Madison Square Garden ist.

Bryan Reardon beschreibt Julias verzweifelte Suche nach Michael überaus spannend. Man fiebert mit ihr, wünscht ihr so sehr den Erfolg.

Doch dann die alles verändernde Wende. . . . .

Das Buch ist unheimlich spannend, man mag gar nicht mit dem Lesen aufhören. Ein toller Thriller, der absolut begeistert.

Einzige Wermutstropfen sind ein zuweilen recht holpriger Sprachgebrauch und einige unverständliche Sätze, die vermutlich der Übersetzung geschuldet sind.

Vier Sterne sind auf jeden Fall hoch verdient. Die sprachlichen Mängel verhindern leider eine noch bessere Bewertung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Atmosphäre
  • Umsetzung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.03.2022

Brisantes Thema

Der dreizehnte Mann
0

Mit „Der 13. Mann“ legen Michael Tsokos und Florian Schwiecker den zweiten Band um den Berliner Rechtsanwalt Rocco Eberhardt vor.

Es geht um das „Granther-Experiment“, in dessen Rahmen von Berliner Jugendämtern ...

Mit „Der 13. Mann“ legen Michael Tsokos und Florian Schwiecker den zweiten Band um den Berliner Rechtsanwalt Rocco Eberhardt vor.

Es geht um das „Granther-Experiment“, in dessen Rahmen von Berliner Jugendämtern zahlreiche schutzbedürftige Kinder absichtlich an pädophile Männer vermittelt wurden.

Zwei der damaligen Opfer, die inzwischen erwachsenen Männer Jörg Grünwald und Timo Krampe, wollen den Skandal aufklären und an die Öffentlichkeit bringen. Aber sowohl bei der Polizei als auch bei den Jugendämtern stoßen sie auf eine Mauer aus Schweigen und Vertuschung, die offenbar auch von ganz oben aus der Politik gedeckt wird.,

Grünwald und Krampe wenden sich schließlich an eine Berliner Journalistin, die bereit ist, sich der Sache anzunehmen und einen Interviewtermin mit den beiden vereinbart. Kurz vor dem Termin aber ist Grünwald plötzlich spurlos verschwunden.

Da Krampe schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat, wendet er sich zusammen mit der Journalistin an Rechtsanwalt Rocco Eberhardt. Der übernimmt den Fall und beginnt zu recherchieren.

Kurz darauf wird Jörg Grünwalds Leiche im Landwehrkanal gefunden, und schnell stellt sich heraus: Das war kein Unfall und auch kein Selbstmord.
Wurde hier jemand gewaltsam zum Schweigen gebracht?

Im Laufe der Recherchen gerät Berlins Innensenator Markus Palme in Eberhardts Visier. Palme befindet sich im Wahlkampf und hat beste Aussichten, Berlins nächster Regierender Bürgermeister zu werden.

Eberhardt findet heraus, dass Palme vor Beginn seiner politischen Karriere Abteilungsleiter in einem eng mit dem Granther-Experiment verbundenen Berliner Jugendamt war. Auch zeitlich passt das zusammen.
Steckt der Politiker hinter dem Tod von Jörg Grünwald?
Als dann auch noch nachgewiesen werden kann, dass Palme im Darknet nach einem Auftragskiller gesucht hat, schlägt die Staatsanwaltschaft zu: Palme wird verhaftet und angeklagt.

Es kommt zum Prozess. Alle Indizien sprechen gegen den Poltiker, aber dann nimmt der Fall plötzlich eine überraschende Wendung . . . . .

*****

Der Roman trägt den Titel „Der 13. Mann“ und ist als Justiz-Krimi gelabelt.
Sowohl Titel als auch Label sind durch den Inhalt gar nicht bzw kaum gedeckt. Der Titel ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Und es ist auch nicht wirklich ein Justiz-Krimi. Dieser Aspekt taucht erst ganz am Schluss des Buchs auf.

Titel und Label folgen vermutlich der Marketing-Strategie des Verlages, das Buch als Teil einer als Serie zu kennzeichnen. Inhaltlich aber das tut dem Roman keinerlei Abbruch.

„Der 13. Mann“ ist ein gesellschaftspolitischer Krimi mit einem bedauerlicherweise immer noch sehr aktuellen Thema.

Das Buch zeigt auf, wie ein fehlgeleitetes, staatlich unterstütztes, pseudowissenschaftliches Experiment jahrelang großes Unglück über zahlreiche unschuldige Kinder bringt. Es zeigt auf, wie durch fortgesetztes Behördenversagen und politische Vertuschung die Dauer des Skandals verlängert und jegliche Aufklärung solange verhindert wird, bis schließlich alle Taten verjährt sind.

Das ist leider keine Fiktion. Die Autoren versichern, dass es ein solches Experiment, wenn auch unter anderem Namen, in Berlin tatsächlich gegeben hat.

Michael Tsokos und Florian Schwiecker gelingt es, diesen an sich ja schweren Stoff unterhaltsam aufzubereiten. Das Buch ist interessant, der Schreibstil flüssig, und der Roman ist auf jeden Fall lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.09.2020

Gefallene Helden auf Bewährung

Die Tote von Dresden
2

Klar, wer arbeitet macht Fehler. Man kann es aber auch übertreiben. Er verschlampt eine Ermittlung, so dass ein Mörder und Vergewaltiger vor Gericht ungestraft davon kommt, sie verprügelt im Dienst einen ...

Klar, wer arbeitet macht Fehler. Man kann es aber auch übertreiben. Er verschlampt eine Ermittlung, so dass ein Mörder und Vergewaltiger vor Gericht ungestraft davon kommt, sie verprügelt im Dienst einen Zuhälter, schlägt ihn krankenhausreif.

So finden sich die beiden gefallenen Helden der Dresdener Kripo strafversetzt im Keller einer Kleinstadtwache an der tschechischen Grenze wieder, wo sie einen uralten Cold Case aufklären sollen. Es geht um die Verschleppung in Zwangsprostitution und den Tod einer Dresdener Familienrichterin, der nie aufgeklärt wurde.

Autor Julius Kron arbeitet sehr schön heraus, wie sich zwei Kripo-Kommissare, die unterschiedlicher kaum sein könnten, langsam annähern: Frank Haberking, nach seinem Karriereknick nur noch wenig ambitioniert und streng an den Vorschriften orientiert; Anna-Maria Slakow, ehrgeiziger Wirbelwind mit Comeback-Ambitionen und bestenfalls am äußersten Rand der Vorschriften unterwegs.

Nachdem zunächst recht ausführlich die Hintergründe der handelnden Personen beleuchtet werden, nimmt der Roman im Verlauf deutlich an Fahrt auf und biegt dann in eine völlig neue Richtung ab.
Musste man zunächst davon ausgehen, dass die im sächsischen Prostitutionsgewerbe vorherrschende Serben-Mafia hinter Entführung und Missbrauch der Richterin steckt, öffnet sich nun ein völlig neues Tat-Umfeld.

Offensichtlich sind massenhaft Urteile der Richterin auf kriminelle Weise manipuliert worden. Ein Psychologe erstellt gegen Bezahlung falsche Gutachten und die Richterin spricht - bewusst oder irrtümlich, weil sie auf die falschen Gutachten hereinfällt - die gewünschten Urteile.

Das nährt den Verdacht, Opfer dieser Fehlurteile könnten sich an der Richterin gerächt haben. Aber wie kommt dann die Serben-Mafia ins Spiel?
Und woher kommt das plötzliche Interesse von Politik und Staatsanwaltschaft, diesen alten Fall nach so langer Zeit wieder aufzurollen?

Spannende Fragen.

Leider kann der Roman die Erwartungen, die in dem sehr guten Mittelteil geweckt werden, zum Ende hin nicht ganz erfüllen. Es gelingt nicht, die Spannung bis zum Schluss unverändert hoch zu halten, zumal der Autor im gestreckten Galopp auf die Zielgerade geht. Das wirkt zum Ende hin alles etwas hastig.
Auch die im Klappentext angekündigten „ungeahnten politischen Dimensionen“ halten sich dann doch sehr in Grenzen. Hinzu kommt, dass das Buch offenbar nicht sonderlich gründlich lektoriert wurde. Die ein oder andere Unstimmigkeit wäre bei etwas mehr Sorgfalt sicher vermeidbar gewesen.

Sollte es eine Fortsetzung geben, wäre der zu wünschen, dass sie etwas ausgereifter daherkommen möge.


„Die Tote von Dresden“ wird es sicherlich nicht in die Bestsellerlisten schaffen. Dennoch ist das Buch durchaus lesenswert und das Ermittler-Duo Haberking/Slakow ein Team, von dem man gerne gelegentlich wieder etwas lesen würde.

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  • Handlung
Veröffentlicht am 08.11.2021

Starker Fokus auf die Figuren

Abgründige Wahrheit
0

„Abgründige Wahrheit“ ist nach „Blue Note Girl“ der zweite Eric-Teubner-Roman des Hamburger Schriftstellers Bernd Richard Knospe.

Wie schon der Klappentext verrät, geht es im Wesentlichen um zwei Handlungsstränge:
Der ...

„Abgründige Wahrheit“ ist nach „Blue Note Girl“ der zweite Eric-Teubner-Roman des Hamburger Schriftstellers Bernd Richard Knospe.

Wie schon der Klappentext verrät, geht es im Wesentlichen um zwei Handlungsstränge:
Der erfolgreiche Journalist und Autor Eric Teubner wird beauftragt, eine Biografie über den unlängst verstorbenen Hamburger Verleger Heinrich Michaelsen zu schreiben. Während er sich im Dialog mit Verlegertochter Daniela ans Werk macht, kommt es in der Hansestadt zu einer grausamen Mordserie.

Zunächst scheinen beide Geschichten nichts miteinander zu tun zu haben; sie bewegen sich aber um Laufe des Romans immer mehr aufeinander zu. Es kommt zu einem dramatischen Finale, und schließlich offenbart sich das, was der Titel verspricht: Abgründige Wahrheit.

Bernd Richard Knospe mag seine Figuren, er entwickelt sie sorgsam und liebevoll. Niemand, so die Botschaft, ist nur gut oder nur schlecht. Der Autor hat einen sehr differenzierten und tiefen Blick auf sein Roman-Personal.

Und das ist so zahlreich vorhanden, dass hier nur einige Figuren erwähnt seien.

Da ist zunächst der Namensgeber des „Eric-Teubner-Romans“.
Der Journalist stößt bei seinen Recherchen auf unangenehme Überraschungen und gerät sowohl in Gewissensnöte, als auch in Konflikte mit seiner Auftraggeberin Daniela. Teubner steht aber nicht im Mittelpunkt des Geschehens, Hauptfiguren sind andere.

Zum Beispiel Kriminalkommissarin Anna Paulsen. Sie wurde am alten Dienstort Hannover Opfer sexueller Übergriffe, lässt sich nach Hamburg versetzen und droht dort vom Regen in die Traufe zu kommen.
Als Partner bekommt sie ausgerechnet den Kollegen Nolte zugeteilt, einen ungehobelten, sexistischen Klotz, der erst später auch andere Seiten offenbart.
Oder die stellvertretende Kripo-Chefin Birte Keller. Sie mobbt ihren Vorgesetzten so lange, bis sie selbst an der Spitze steht, hat dann aber große Schwierigkeiten, ihren eigenen Ansprüchen und denen der Kollegen gerecht zu werden.

Ein ganz spezieller Charakter ist der Gewohnheitsverbrecher Walker, inzwischen seit über 30 Jahren im Knast. Ein schlimmer Soziopath, der es liebt, den Gefängnispsychiater in endlose Rededuelle zu verwickeln.
Oder der Reporter Reifenberger, ein schmieriger Typ und ein wahres Ekel. Für eine gute Story geht er über Leichen.

Und so weiter, und so weiter. Ganz viele Figuren, und Bernd Richard Knospe liebt sie alle. Die ausführliche Beschäftigung mit den Protagonisten erfordert viel Raum, nicht zuletzt deshalb umfasst das Buch in der Print-Version stattliche 580 Seiten.

Kehrseite der Medaille: Da die Charaktere derart im Vordergrund stehen, gerät die eigentliche Story über weite Strecken fast zur Nebensache. Nach einem munteren Start und vor dem furiosen Finale geht im Mittelteil die Spannung deutlich verloren.

Wer sich als Leser nicht in jedem Detail für die Hintergründe und Tiefen der Figuren interessiert, hat zwischenzeitlich schwer zu kämpfen, um am Ball zu bleiben.

Alle diejenigen aber, denen der starke Fokus auf die Charaktere gefällt, dürfen sich auf drei weitere Eric-Teubner-Romane freuen. Der nächste - so verrät der Autor - ist so gut wie fertig und soll im kommenden Frühjahr erscheinen.

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