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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2020

Über die Funktion von Sprache als Werkzeug und Waffe

Die Topeka Schule
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Ben Lerners „Topeka-Schule“ habe ich seit Ende des vergangenen Jahres auf dem Radar, denn damals ist es auf Barack Obamas Highlight-Liste 2019 aufgetaucht, die für mich immer wertvolle Anregungen bietet.

Adam ...

Ben Lerners „Topeka-Schule“ habe ich seit Ende des vergangenen Jahres auf dem Radar, denn damals ist es auf Barack Obamas Highlight-Liste 2019 aufgetaucht, die für mich immer wertvolle Anregungen bietet.

Adam und Darren, das sind die beiden Pole, um die herum sich diese Geschichte des Erwachsenwerdens entfaltet. Der eine bei allen beliebt, Klassenbester des Debattierteams. Der andere ein Außenseiter mit eingeschränkten Fähigkeiten, Patient bei Adams Vater Jonathan, Therapeut in einer psychiatrischen Einrichtung. Und da ist dann noch Adams Mutter Jane, eine berühmte Feministin, die immer wieder Anfeindungen aus der männlichen Ecke ausgesetzt ist. Adam nimmt Darren unter seine Fittiche, führt ihn in seine Kreise ein…mit fatalen Folgen.

Der Roman ist eine äußerst herausfordernde Lektüre, anstrengend zu lesen. Ein Handlungsfaden ist kaum zu erkennen, was an daran liegen mag, dass Lerner die Erzähltechnik des „stream of consciousness“ einsetzt, ungeordnet zwischen Zeiten, Personen und Ereignissen hin und her springt.

„Die Topeka Schule“ ist zum einen ein Buch über Sprache, deren Funktion als Werkzeug und Waffe, zum anderen ein Buch über toxische Männlichkeit. Beides verwoben zu einer kritischen Bestandsaufnahme der amerikanischen Gegenwart im Mittleren Westen, die aufzeigt, was Sprache anrichten und welche Auswirkungen sie auf eine Gesellschaft haben kann.

Sie glauben nicht an einen Zusammenhang? Oh doch, den gibt es. Bestes Beispiel der letzten Zeit sind die Tiraden des amtierenden amerikanischen Präsidenten.

Veröffentlicht am 27.07.2020

Es menschelt in Fjällbacka

Der Leuchtturmwärter (Ein Falck-Hedström-Krimi 7)
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„Der Leuchtturmwärter“ ist mittlerweile der 7. Band der Krimireihe um Erica Falck und Patrik Heckström, die ich alle mit großem Vergnügen gelesen habe, denn die schwedische Autorin Camilla Läckberg schreibt ...

„Der Leuchtturmwärter“ ist mittlerweile der 7. Band der Krimireihe um Erica Falck und Patrik Heckström, die ich alle mit großem Vergnügen gelesen habe, denn die schwedische Autorin Camilla Läckberg schreibt nicht nur spannende Kriminalgeschichten, sondern erzählt ihren Lesern auch noch von den kleinen und großen Katastrophen, die in der Familie, dem Freundeskreis und in Ericas und Patriks Wohnort Fjällbacka geschehen. Im Vergleich zu den anderen skandinavischen Schriftstellern schreibt Frau Läckberg mit leichter Hand und ergeht sich nicht in der endlosen Beschreibung depressiver Seelenzuständen, denn ihrer Protagonisten haben, wie auch ihre Leser, mit den ganz normalen Widrigkeiten des alltäglichen Lebens zu kämpfen. Und genau das macht die Reihe lesenswert – denn es menschelt in Fjällbacka.

Läckberg macht bereits in den ersten Seiten ihres Krimis verschiedenen Handlungsstränge auf, die den Leser dazu anregen, sich Fragen zu stellen: Wer hat Fredrik, Annies Mann, getötet? Was ist mit Mats geschehen, der offenbar misshandelt wurde? Wer hat das getan und warum? Was geschieht mit der Beziehung zwischen Anna und Dan? Können sie den Tod ihres Kindes überwinden? Was hat es mit dem Leuchtturm auf sich, in dem es angeblich spukt? Und welche Rolle spielen Erica und Patrik in diesen Zusammenhängen?

Leicht zu lesende, spannende Unterhaltung mit liebenswerten Protagonisten, das ist es, was diese Reihe auszeichnet. Genau die richtige Lektüre für Sommertage im Liegestuhl.

Veröffentlicht am 03.07.2020

Vom Gehen und Bleiben

Aus und davon
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Elisabeth, die „Eli-Oma“, hat Enkel-Dienst. Ihre Tochter gönnt sich eine Verschnaufpause in den Vereinigten Staaten und sie managt derweil den Familienalltag in der Stuttgarter Ostendstraße mit den beiden ...

Elisabeth, die „Eli-Oma“, hat Enkel-Dienst. Ihre Tochter gönnt sich eine Verschnaufpause in den Vereinigten Staaten und sie managt derweil den Familienalltag in der Stuttgarter Ostendstraße mit den beiden Kindern. Raus aus dem vertrauten Habitat in Hedelfingen in eine Umgebung, die ihr äußerst suspekt ist, die so gar nichts mit der gewohnten Aufgeräumtheit zu tun hat, die ihr bisheriges Leben bestimmt hat, sie mit Herausforderungen konfrontiert, denen sie sich anfangs nicht gewachsen fühlt, schlussendlich aber doch bewältigt. Auch – und vor allem – durch den Blick zurück.

„Aus und davon“ ist aber mehr als ein bloßer Familienroman. Hahn richtet ihren Blick entlarvend, aber nie wertend, auf die kleinen und großen Fluchten aus brüchigen Beziehungen, auf das Weggehen und das Dableiben, auf das sich Davonstehlen aus Lebensumständen, die die Freude am Leben im Keim ersticken. Elisabeth hat es schon einmal geschafft, konnte sich aber dennoch nicht völlig von ihrer pietistischen Sozialisation lösen, auch wenn sie glaubte, ihr durch die Heirat mit Hinz entkommen zu sein. Jetzt hat er sie nach seinem Schlaganfall verlassen, ist weg mit einer Reha-Bekanntschaft. Auch ihre Tochter Cornelia braucht wieder Luft zum Atmen, nachdem ihr Mann sie verlassen hat und zurück in seine griechische Heimat gegangen ist. Ob ihr die USA-Reise auf den Spuren ihrer ausgewanderten Großmutter dabei helfen kann?

Drei Ebenen aus Vergangenheit und Gegenwart, die Hahn gekonnt verbindet. Natürlich der Stuttgarter Alltag mit Elisabeth und den beiden Enkeln, Cornelias Erlebnisse während ihrer Reise und dazu dann noch der Rückblick auf die Geschichte der Großmutter. Vergangenheit und Gegenwart fließen ineinander, bedingen und beeinflussen sich gegenseitig, zeigen Zusammenhänge auf und heilen am Ende. Jeden einzelnen. Zumindest ein bisschen.

Veröffentlicht am 04.06.2020

Ein Wiedersehen mit alten Bekannten

Dunkles Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 6)
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Junge Frauen verschwinden und tauchen nach Tagen als Selbstmordopfer wieder auf. Nichts, was eine eingehende kriminalistische Untersuchung rechtfertigen würde. Wäre das nicht Leon Ritter, der Rechtsmediziner ...

Junge Frauen verschwinden und tauchen nach Tagen als Selbstmordopfer wieder auf. Nichts, was eine eingehende kriminalistische Untersuchung rechtfertigen würde. Wäre das nicht Leon Ritter, der Rechtsmediziner aus Deutschland, den es vor fünf Jahren in den Süden Frankreichs verschlagen hat und der mittlerweile die Leichenfunde für die Polizei in Le Lavandou überprüft. Alle Frauen weisen grässliche Verletzungen auf, was ihn vermuten lassen, dass sie vor ihrem Tod brutal misshandelt worden sind. Allerdings steht er mit dieser Meinung auf ziemlich verlorenem Posten, einzig in Isabelle, Capitaine der Polizei und seine Lebensgefährtin, hat er eine Verbündete. Als aber die Tochter des Kulturministers, die mit einer Freundin in dem Küstenstädtchen Urlaub gemacht hat, verschwindet, sind die Verantwortlichen endlich bereit, Ritter zuzuhören und einzugestehen, dass das Böse in der Maske des Biedermanns auch am Fuße des Massif des Maures existiert.

Obwohl ich kein großer Fan von Urlaubskrimis bin, liebe ich diese Reihe und verfolge sie bereits seit Beginn. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen sind da die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen, zum anderen die authentischen Schilderungen des Alltagslebens in einer südfranzösischen Kleinstadt. Die Szenen in Leons Stammbistro Chez Miou (und dort insbesondere seine liebenswerte Boule-Partnerin Veronique), sein skurriler Kollege Rybaud in der Rechtsmedizin in Saint Sulpice, das Schlendern über den Wochenmarkt oder die Turniere auf dem Bouleplatz. Urlaubsgefühl pur. Aber auch das familiäre Leben von Leon, Isabelle und Lilou, das immer wieder für eine Überraschung gut ist, weckt Interesse und vermittelt fast schon ein Gefühl des Wiedersehens mit alten Bekannten.

Dazu kommt in diesem Band eine wohl austarierte, spannende Krimihandlung, die nicht nur Leons Nachforschungen und Untersuchungen beschreibt (ok, das mit dem Ypsilonschnitt hätte nicht so häufig erwähnt werden müssen) sondern uns auch die Sicht der Opfer präsentiert. Die Entlarvung des Täters war allerdings nun nicht wirklich überraschend, aber das sehe ich dem Autor nach, hat er mir mit diesem Krimi doch eine unterhaltsame Auszeit unter südlicher Sonne beschert.

Veröffentlicht am 29.03.2020

Ein neuer Fall für Kraken

Die Herren der Zeit
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Wenn Autoren unter Pseudonym schreiben, scheint es, als würden ihre Bücher interessanter für die Leserschaft. Wer verbirgt sich hinter dem Namen, und warum versteckt hier jemand seine wahre Identität? ...

Wenn Autoren unter Pseudonym schreiben, scheint es, als würden ihre Bücher interessanter für die Leserschaft. Wer verbirgt sich hinter dem Namen, und warum versteckt hier jemand seine wahre Identität? Diese Frage stellt sich auch Inspector Unai López de Ayala, genannt "Kraken“, der samt Familie an der Präsentation des Mittelalter-Bestsellers „Die Herren der Zeit“ teilnimmt. Nach einem aufreibenden Vermisstenfall eine willkommene Abwechslung. Denkt er jedenfalls.

Aber er hat sich getäuscht, denn noch während der Lesung wird eine Leiche in den Waschräumen entdeckt. Wieder einmal ist sein kriminalistisches Gespür gefragt, denn dieser Todesfall wird nicht der einzige bleiben. Interessanterweise folgen alle Morde dem mittelalterlichen Modus Operandi, beschrieben in besagtem Buch, weshalb es für Kraken von besonderer Dringlichkeit ist, die Identität des Autors zu enthüllen und so dem Mörder auf die Spur zu kommen.

Wie bereits in den beiden Vorgängerbänden bildet Vitoria und Umgebung, Hauptstadt des Baskenlandes und Geburtsort der Autorin, den Hintergrund für diesen Abschlussband der „Trilogie der weißen Stadt“. Sáenz nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit und verknüpft diese mit der spannenden Suche nach einem Mörder in der Gegenwart. Dabei schafft sie es mit wenigen Worten, eine stimmige Atmosphäre bildhaft zu kreieren, was auch durch die Zweiteilung der Handlung unterstützt wird. Außerdem wird damit auch die Spannung durchgängig auf einem hohen Level gehalten. Die Vielzahl der Personen mag anfangs verwirren, aber das Personenverzeichnis sowie das ausführliche Glossar am Ende des Buches sind sehr hilfreich und helfen dem Leser, sich in diesem lebendigen, aber auch komplexen Thriller zurechtzufinden.