Bildhafter Blick auf's eigene Gepäck
Der Gepäckträger„Der Gepäckträger“ ist ein ungewöhnliches Buch, das eine interessante Thematik originell verpackt. Der Untertitel sagt es schon: „Eine Erzählung über die Kunst, unbeschwert zu leben“. Das Gepäck, um das ...
„Der Gepäckträger“ ist ein ungewöhnliches Buch, das eine interessante Thematik originell verpackt. Der Untertitel sagt es schon: „Eine Erzählung über die Kunst, unbeschwert zu leben“. Das Gepäck, um das es hier geht, ist nur zu Beginn das tatsächliche Reisegepäck der Protagonisten, aber letztlich das Gepäck, das man im Inneren mit sich herumträgt. Die Gestaltung des Buches ist gelungen – das erfreulich reduzierte Titelbild zeigt uns das Wesentliche schon, originell ist der von außen blaue Buchblock. Hier wurde liebevoll gestaltet und so etwas ist immer schön, paßt auch zum Liebevollen der Geschichte.
Der Leser ist gleich mitten in der Geschichte drin, lernt die drei Reisenden Gillian, David und Michael kennen, die mit dem gleichen Flugzeug ankommen und aus Versehen am Gepäckband den falschen Koffer erwischen. Mir haben die Schilderungen dieser drei unterschiedlichen Leute ausgezeichnet gefallen. Ihre Gedanken, ihre Erlebnisse sind ebenso bildhaft wie die geschilderte Umgebung. Man sieht den Flughafen vor sich, das schicke Haus von Gillians Schwester, die kühle Büroumgebung Davids und die Trainingsbahn, von der Michael aus auf seinen eigentlichen Traum blickt. Denn alle drei kommen mit gemischten Gefühlen und Sorgen an ihrem jeweiligen Ziel an, alle haben eben ihr Gepäck dabei. Der Autor hat hier drei Lebenssituationen ausgewählt, die so gängig sind, dass die meisten Leser sich mit einer oder mehreren davon identifizieren oder sie zumindest gut nachempfinden können. Das ist gelungen, erfreulich ist auch, wie gut die unterschiedlichen Welten der drei geschildert werden. Jeder kommt glaubhaft rüber, hat eine eigene Stimme, man kann sich beim Lesen darin versinken lassen. Dieser bildhafte angenehme Schreibstil zieht sich durch das ganze Buch.
Während das erste Drittel des Buches uns diese lebensnahen Situationen ausgezeichnet nahebringt, geht die Geschichte ab dann ziemlich vom Realen weg. Der titelgebende Gepäckträger macht unseren Protagonisten klar, welches Gepäck sie eigentlich mit sich herumschleppen. In diesem Teil muß man sich darauf einlassen, daß nicht alles logisch und real ist. Das ist nicht unbedingt mein Fall, aber es ist gut gemacht, wenn auch manchmal die Botschaft ein wenig flach rüberkommt. Auch hier gelingt es dem Autor, die drei verschiedenen Perspektiven und Reaktionen der Protagonisten anschaulich zu schildern. Sie scheinen ihm alle auf ihre Art wirklich am Herzen zu liegen. Es gibt keine großen Überraschungen, was wohl auch nicht beabsichtigt ist. Die Entwicklung der drei Stränge in sich ist absolut stimmig und nachvollziehbar. Der Weg zur Erkenntnis war mir manchmal ein wenig zu flach, in einem Fall fehlte auch etwas Würze, es ging doch alles sehr glatt, die Botschaft war ziemlich einfach. Im zweiten Fall verpaßt das Ende m.E. eine gute Möglichkeit, ist zu zuckerwattig, zu märchenhaft. Mit diesem letzten Drittel des Buches war ich also nicht uneingeschränkt glücklich.
Insgesamt aber hat David Rawlings eine charmante Methode gewählt, seine Botschaft zu vermitteln. Leicht, locker und bildhaft, vielleicht an manchen Stellen ein wenig oberflächlich, aber doch insgesamt mit Substanz und einigen Anregungen, über das innere Gepäck nachzudenken. Das Ganze in einem absolut angenehmen Schreibstil, der das Lesen zur Freude macht.