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Veröffentlicht am 07.07.2021

Konnte mich nicht überzeugen

Der Tintenfischer
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Venedig in Zeiten des Corona-Lockdowns ist menschenleer, aber neben dem Canal Grande erholen sich auch die kleineren Canäle von den Touristenströmen der Vergangenheit.
Auf einem Routinerundgang beobachten ...

Venedig in Zeiten des Corona-Lockdowns ist menschenleer, aber neben dem Canal Grande erholen sich auch die kleineren Canäle von den Touristenströmen der Vergangenheit.
Auf einem Routinerundgang beobachten Antonio Morello und Anna Klotze wie ein farbiger junger Mann von der Rialtobrücke springt. Beherzt setzt Anna dem jungen Mann nach und kann ihn vor dem Ertrinken retten.
Dieser Einsatz wird von einer Überwachungskamera gefilmt und im Netz verbreitet. Statt einer Belobigung für ihren Einsatz, erwartet die Retter ein Donnerwetter vom Questore und die Order den „NEGER“ schnellstmöglich abzuschieben.


Eigentlich ein guter Plot, der Anfang erschien mir auch sehr vielversprechend. Ich liebe Venedig.
Das erste Drittel des Krimis erinnert stark an die Krimis von Donna Leon, Questore (alla Patta), Sekretärin Viola (Elettra) und unfähige Polizisten (Sergente Alvise), aber der Commissario ist ein ganz anderer. Während Commissario Brunetti ein absoluter Familienmensch ist und bei seinen Ermittlungen seine Familie immer zu schützen weiß, ist der sizilianische Commissario Morello einsam (seine Frau und sein ungeborenes Kind fielen einem Bombenattentat zum Opfer) und heimwehkrank. Er ist voller Hass und Zweifel.
Anna Klotze liefert bei jeder Begleitung des Commissario Morello Hintergrundwissen über Venedigs Vergangenheit und erzählt viel über die Umgebung. Anna will mit ihren Beschreibungen für Morello ein Wohlfühlszenario aufbauen, um ihm die Eingewöhnung zu erleichtern. Aber auch uns Lesern gibt sie damit eine Atmosphäre wieder, die wir an Venedig lieben. Aber nach Erledigung lokaler Verbrechensbekämpfung entwickelt sich der Krimi zum Mafia-Drama.
Nachdem Commissario Morello sich durch Suspendierung Freiraum geschaffen hat, um sich ins unvermeidliche zu stürzen, erleben wir erst einmal einen romantischen Segelturn mit Kindheitserinnerungen, sehr atmosphärisch beschrieben.
Anschließend mutiert der Krimi, wenn ich ehrlich sein soll, teilweise zum Slapstick (die Entführung einer Prostituierten bei laufenden Motor des Fluchtfahrzeuges) und zum unglaubwürdigen Amoklauf.
Vielleicht liegt es auch an mir. Ich glaube nicht an diese naiven Räuberpistolen. Krimis sind fiktiv, sicher, aber für mich müssen sie wenigstens nachvollziehbar sein. Die Mafia ist eine erste Sache. Die betrügt man nicht und die besiegt man heute auch nicht mehr. Höchstens können, wie bei der Hydra immer nur einzelne Köpfe zerschlagen werden, wo neue dann wieder nachwachsen. Ein einzelner Commissario, als Rächer, Richter und Vollstrecker, ist da unglaubwürdig.
In diesem Krimi wurde viel recherchiert, über die italienische Flüchtlingspolitik, über die europäische Wirtschaftsspritze und ihre Adressaten sowie über die Struktur und Ausbreitung der Mafia, und alles nachvollziehbar dem Leser vermittelt.
Für mich ergibt sich aber trotzdem nur ein mäßig spannender Krimi, weil ein naiver Commissario, der die Stärke, Kompromisslosigkeit und Grausamkeit der Mafia erlebt hat, sich todesmutig zur Rettung einer einzigen jungen Frau in die Höhle des Löwen wirft, sie rettet und es erstaunlicherweise überlebt.
Sorry, nicht mein Ding.

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Veröffentlicht am 19.05.2021

Schatten der Vergangenheit

Lange Schatten über der Côte d'Azur
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Im jüdischen Teil des historischen und landschaftlich wunderschön angelegten Friedhofs Le Grand Jas wird die Leiche eines unbekannten jungen Mannes gefunden. Erst nach Veröffentlichung seines Fotos gelingt ...

Im jüdischen Teil des historischen und landschaftlich wunderschön angelegten Friedhofs Le Grand Jas wird die Leiche eines unbekannten jungen Mannes gefunden. Erst nach Veröffentlichung seines Fotos gelingt es Kommissar Duval und seine Kollegen Simon Wolff zu identifizieren. Simon Wolff betreute in Cannes seinen jüdischen Großvater Jakob Silberstern.
Welches Motiv hatte der Mörder oder die Mörderin, Rache, Gier, Antisemitismus?

Die Staatsanwaltschaft sieht den Mord keinesfalls als antisemitische Gewalttat. Kommissar Duval ist anderer Ansicht, schafft sich damit einige Probleme und das obwohl zu Hause auch kein ruhiges und entspannendes Heim ist. Die kleine Julie hält ihre Eltern mit ihren kommenden Zähnchen auf Trapp.


Schnell wird dem Leser klar, dass „Lange Schatten über der Côte D’Azur“ nichts mit Sonne und Schatten zu tun hat. Diese „Lange Schatten“ sind wohl die Schatten der Vergangenheit. Das war mir am Anfang nicht klar und somit erwartete ich einen mediterranen Krimi, weshalb mich das Buch ziemlich enttäuscht zurücklässt.

Für mich war das kein richtiger Krimi. Es entwickelte sich kein Spannungsbogen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Duval von seiner Partnerin, aus einen mir nicht bekannten Grund, in eine Geschichtsaufarbeitung gedrängt wurde, die weder er noch ich als Leser in diesem Maße wollten.

Der geschichtliche Exkurs, der nicht zur Lösung des Falls beitrug, war einerseits zu oberflächlich, um die wirkliche Stimmung und Situation in der damaligen Zeit wiederzugeben. Andererseits war er zu ausführlich, um neben der Krimihandlung zu stehen. Er hat sie immer wieder verdrängt. Die Dialoge zwischen Duval und Annie waren unnötig aggressiv. Duval wusste nichts von den unrühmlichen Festnahmen durch französische Polizisten, es interessierte ihn auch nicht sonderlich, worüber Annie sich immer wieder aufregte.

Der geschichtliche Hintergrund war nur emotional wichtig, um die Figur des Jakob Silberstern zu verstehen, sowie die Ursache der Erpressung nachzuvollziehen. Dafür nahm er aber viel zu viel Platz in diesem Buch ein.

Die Lösung des Falles folgt nach dem zweiten Mord etwas abrupt und überraschend, aber nachvollziehbar und stimmig.

Im Grunde finde ich es schon wichtig, dass über die Zeit und über die Judenverfolgung durch französischer Polizisten geschrieben wird, aber bitte nicht in Rahmen eines Krimis, der auch noch als "Mediterranes Lesevergnügen mit Nervenkitzel" beworben wird.

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Veröffentlicht am 08.12.2020

Zu viele Themen, um spannend zu sein

Kreuzberg Blues
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Georg Denglers Partnerin Olga wird von ihrer in Kreuzberg wohnenden Freundin Silke um Hilfe gebeten. Das Haus, in dem Silke mit ihrer Tochter Lena lebt, soll entmietet werden. Die Mieter, die nicht ausziehen ...

Georg Denglers Partnerin Olga wird von ihrer in Kreuzberg wohnenden Freundin Silke um Hilfe gebeten. Das Haus, in dem Silke mit ihrer Tochter Lena lebt, soll entmietet werden. Die Mieter, die nicht ausziehen oder horrende Mieterhöhungen in Kauf nehmen wollen, werden schikaniert und bedroht. In Silkes Fall wurden aggressive Ratten ins Haus gesetzt, die ihre kleine Tochter angriffen und einen Teil ihres Fingers abgebissen haben.

Es handelt sich um Denglers 10. Fall, aber es ist der Erste, den ich lese und ich bin enttäuscht. Die hochgelobte Serie, die teilweise ja sogar verfilmt wurde, kam bei mir nicht an.

Ich empfand keine Spannung. Ich hatte das Gefühl im ersten Drittel von einer Filmsequenz in eine andere geschoben zu werden. Im Film mögen die schnellen Schnitte rasant die Handlung vorantreiben, aber beim Lesen habe ich mich öfters nicht mehr zurechtgefunden.

Ich hatte auch den Eindruck, dass Dengler unmotiviert agierte, sich mit Niemandem absprach und den Leser hinter sich her zockeln ließ und die Reaktionen auf seine Aktionen beobachten ließ.

Zu allem Überfluss agierte Dengler in zu vielen Problemzonen, da wären die Wohnungs-Immobilienhaie, feindliche Übernahmen internationaler Großkonzerne, Umsturzpläne und Machtkämpfe nationalsozialistischer Gruppierungen, Corona-Pandemie, Impfgegner, Virusleugner……… Das ist einfach zu viel für 416 Seiten!

Im „Finden und Erfinden“ zum Abschluss findet man interessante Hinweise zum Buch. Das hat mir einiges verständlicher gemacht, aber aus der Vielfalt der Informationen, die sicher berichtenswert sind, ist es nicht gelungen einen spannenden Krimi zu formen.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Höchst kompliziert und satirisch

Terrorland
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In Berlin wird ein Sightseeing-Bus während eines kurzen Stopps vor der russischen Botschaft in die Luft gesprengt. Zufällig befand sich der russische Botschafter im Vorgarten. Er wird von einem Trümmerteil ...

In Berlin wird ein Sightseeing-Bus während eines kurzen Stopps vor der russischen Botschaft in die Luft gesprengt. Zufällig befand sich der russische Botschafter im Vorgarten. Er wird von einem Trümmerteil getötet. Unter den Touristen im Bus befanden sich auch ein französisches Geheimdienstpärchen und ein CIA-Agent.

Auf dem Flug von Berlin nach London wird ein Flugzeug durch eine Bombe zum Absturz gebracht. Ministerialdirektor Max Solms, Chef der Spionageabwehr, war auf dem Weg zu einem Treffen mit dem Chef des MI5.

Deutscher, russischer und französischer Geheimdienst stehen vor einem Rätsel.

Kann Kommissar De-Bodt da noch helfen?




Ich liebe Thriller und ich weiß, dass Politthriller immer Vorwissen und Konzentration bedürfen, aber dieser Thriller hat mich weder begeistert noch überzeugt. Ich habe mich schwergetan die 442 Seiten zu lesen.

Unter Berufung vieler Geheimdienste, deren Abkürzungen und Bedeutungen nicht immer geklärt wurden, und vieler Regierungsbeamten wird ein Konstrukt gebastelt, das allgemeinen Befürchtungen und Mutmaßungen entspricht. Die Namensänderungen tatsächlicher Personen könnten simpler nicht sein. Es werden schnöde Verschwörungstheorien auf perfide Weise weitergesponnen und unglaubwürdig lächerlich gemacht. Auch wenn ich vielleicht einige Anfangstheorien für glaubwürdig halte, wurde das Ganze dann doch pervertiert und ins Absurde geführt.

Der Kriminalkommissar Eugen de Bodt, den ich aus vorherigen Thrillern noch nicht kannte, wurde von Herrn von Ditforth kreiert , Zitat: „hat mit Eugen de Bodt einen Ermittler kreiert, der aus der Masse der literarischen Kommissare heraussticht.“

Sorry, aber mit de Bodt hatte ich so meine Schwierigkeiten, auch die Toleranz, die seine Mitarbeiter für ihn aufbrachten, sowie die Komik ihrer Dispute und Diskussionen, haben mich ziemlich genervt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kriminalkommissar auf diese Art und Weise mit Beamten und Ministern umgehen könnte.

Eigentlich war es verlorene Zeit dieses Buch zu lesen. Es war viel zum kompliziert, mit den vielen Geheimdiensten und deren Agenten, um als unterhaltsame Satire gehalten zu werden.

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Veröffentlicht am 27.06.2020

Ihre Taunuskrimis haben mir besser gefallen

Sommer der Wahrheit (Sheridan-Grant-Serie 1)
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Fairfield in Nebraska, 1994
Die 15-jährige Sheridan Grant, innerhalb einer großen Farmer-Familie aufwachsend, beginnt diesen Sommer mit Aufmüpfigkeit und Rebellion gegen ihre Adoptivmutter Rachel und das ...

Fairfield in Nebraska, 1994
Die 15-jährige Sheridan Grant, innerhalb einer großen Farmer-Familie aufwachsend, beginnt diesen Sommer mit Aufmüpfigkeit und Rebellion gegen ihre Adoptivmutter Rachel und das hinterwäldlerische Leben auf der Farm.

Sie wird von ihrer Adoptivmutter terrorisiert und mit Beschimpfungen und Arbeitsaufträgen überhäuft. Einzig bei ihrer Tante Isabella kann sie sich zu Gesprächen und zum Lesen zurückziehen.

Nach zahlreichen sexuellen Erfahrungen wendet sie sich der Suche nach ihrer Identität und ihrer leiblichen Mutter zu.

Dabei macht sie erstaunliche Entdeckungen.



Ich habe den flüssigen und unterhaltsamen Schreibstil von Frau Neuhaus in den Taunuskrimis immer bewundert und genossen. Dieser leichte Schreibstil hat mich dieses Buch überhaupt zu Ende lesen lassen. Die Geschichte fand ich mühsam und unrealistisch. Mir ist zwar immer klar, dass ich fiktive Belletristik lese, aber irgendwie muss es für mich noch glaubhaft sein.

Was diesem Mädchen in knapp zwei Jahren widerfährt, ist in dieser Häufung unglaubwürdig.

Nicht nur, dass Sheridan bezüglich ihrer leiblichen Eltern belogen wird, sie wird von ihrer Adoptivmutter gehasst, sie wird von ihrem Bruder fast vergewaltigt, sie wird von einem Polizisten vergewaltigt und geschwängert, sie wird von all ihren Bezugspersonen verlassen, sie wird verführt und abhängig gemacht, sie kann mit 15 Jahren komponieren, singen und einer großen Bühne performen……….

Das ist einfach zu viel.
Die nächsten Teile der Geschichte werde ich mir nicht mehr antun.

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