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Veröffentlicht am 11.07.2020

"Das Haus stirbt nicht, das einen Gast willkommen heißt." (sudanesisches Sprichwort)

Willkommen im Flanagans (Das Hotel unserer Träume 1)
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1959 London. Die letzte Stunde des Jahres wird gerade in der Londoner Luxusherberge Flanagans eingeläutet, wo dessen Besitzerin Linda Lansing viele Gäste der High Society beim Silvesterball begrüßen kann. ...

1959 London. Die letzte Stunde des Jahres wird gerade in der Londoner Luxusherberge Flanagans eingeläutet, wo dessen Besitzerin Linda Lansing viele Gäste der High Society beim Silvesterball begrüßen kann. Linda, in der schwedischen Kleinstadt Fjällbacka aufgewachsen, führt seit 10 Jahren nun das von ihrem Vater geerbte Traditionshaus, wobei sie sich immer wieder gegen die missgünstigen, intriganten Verwandten stellen muss, die sie unbedingt aus dem Geschäft drängen wollen. Sie musste den Job ganz allein auf der Pieke an lernen und will sich nicht um ihren Erfolg bringen lassen, wobei sie Unterstützung von ihrer besten Freundin Mary erhält, die mit einem Adligen verheiratet ist und beste Beziehungen hat. Linda, selbst eine Kämpfernatur, ermöglicht zudem anderen jungen Frauen, in ihrem Hotel zu arbeiten und sich damit einen Traum zu erfüllen…
Asa Hellberg hat mit „Willkommen im Flanagans“ einen unterhaltsamen und kurzweiligen Auftakt für ihre historisch angehauchte Hotelserie gelegt. Mit flüssig-leichtem und bildhaftem Erzählstil zieht sie den Leser in die Vergangenheit hinein, wo er sich im „Flanagans“ einnistet und die Hotelerbin bei ihrem täglichen Kampf für ihr Erbe und die darin Angestellten begleitet. Schon die Beschreibungen des traditionsbeladenen Luxushotels lassen das Kopfkino anspringen, die reiche und illustre Gästeschar sowie die fleißigen Schar von Bediensteten hinter den Kulissen wechseln sich vor dem inneren Auge des Lesers ab, wobei Linda Lansing nebst ihren umtriebigen Cousins Lawrence und Sebastian den Mittelpunkt bilden. Die von der Autorin fließend eingearbeiteten Rückblenden geben dem Leser zusätzlich Einblick in Lindas Leben in Schweden, bevor ihr Vater starb und in ihre Anfangszeit im Londoner Hotel, wo sie sich von Beginn an den Drohungen der lieben Verwandtschaft gegenüber sah. Die Ansichten der damaligen Gesellschaft hat die Autorin ebenfalls gut eingefangen. Frauen, die sich für eine berufliche Karriere interessierten, wurde es nicht gerade leicht gemacht. Zu der Zeit herrschte immer noch die Einstellung, dass Frauen nur zur Ehe und Familienführung eignen. Umso erfrischender ist nicht nur die Tatsache, dass Linda sich alles selbst erarbeitet hat und auch jungen Frauen in ihrem Hotel die Möglichkeit bietet, sich hochzuarbeiten.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich gezeichnet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Ihre Lebendigkeit und Authentizität wirken glaubwürdig auf den Leser, der ihnen gerne folgt und dabei auch mal einen Blick durchs Schlüsselloch riskiert, um hinter die Fassade zu blicken. Die 31-jährige Linda hat dem Vermächtnis ihres Vaters verschrieben und unter einigen Entbehrungen das Hotel auf die Erfolgsspur geführt. Sie ist eine offene und kluge Frau, die sich ihren Platz erkämpft hat und sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen lässt. Mary ist Linda eine gute Freundin, die sie nicht nur unterstützt, sondern auch mit ihrer frischen offenen Art für Abwechslung sorgt. Lawrence ist kalt wie ein Fisch, er versprüht seinen Hass und seine Drohungen, schreckt vor nichts zurück, um seinen Willen zu bekommen. Elinor hat im „Flanagans“ einen Platz gefunden, wo ihre Hautfarbe keine Rolle spielt, sondern wo Leistung zählt – und die erbringt sie mit viel Fleiß und Hingabe. Emma hat andere Vorstellungen von ihrem Leben als ihre Familie, deshalb sucht die clevere und freche junge Frau im Hotel ihr Glück auf eine Anstellung. Aber auch Robert, Sebastian und Alexander spielen eine wichtige Rolle innerhalb der Geschichte.
„Willkommen im Flanagans“ beschert dem Leser einen unterhaltsamen Aufenthalt in einer Luxusherberge mitten in London, wobei er nicht nur auf illustre Gäste, sondern auch auf starke weibliche Persönlichkeiten sowie einige Intrigen und Dramen stößt. Sehr geeignet für einen gedanklichen Kurztrip. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 03.07.2020

"Ich bereue nichts im Leben außer dem, was ich nicht getan habe." (Coco Chanel)

Die Modeschöpferin
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1961 Rom. Simonetta de Rosa hat sich ihren Position als berühmteste Modeschöpferin Roms hart erarbeitet. Sie steckt mitten in den Vorbereitungen zur neuen Kollektion, ihr Brautkleid soll den Abschluss ...

1961 Rom. Simonetta de Rosa hat sich ihren Position als berühmteste Modeschöpferin Roms hart erarbeitet. Sie steckt mitten in den Vorbereitungen zur neuen Kollektion, ihr Brautkleid soll den Abschluss der Alta Moda bilden und auf dem Cover der Vogue erscheinen. Währenddessen siedelt ihre Schwester Chiara Arisi von Paris nach Rom über, um sich dort endlich selbständig und als Designerin für exklusive Handtaschen einen Namen zu machen. Simonetta und ihre jüngere Schwester Chiara haben seit Jahren keinerlei Kontakt mehr zueinander, niemand weiß, dass sie Schwestern sind. Als Simonetta Rom 1938 verließ, hat die jüngere Chiara ihr hinterhergerufen „Ich hasse Dich“, seitdem herrscht Funkstille zwischen den beiden. Nun werden die zwei nicht nur Konkurrentinnen auf dem schwer umkämpften Modemarkt, sondern haben auch eine Vorliebe für den gleichen Mann. Und Simonetta hat noch ganz andere Probleme, denn trotz hoher Sicherheitsvorkehrungen wird einer ihrer Entwürfe kopiert, während das wichtigste Kleid unter dramatischen Umständen gestohlen wird. Ist Simonettas Modenschau noch zu retten, und werden sich die beiden Schwestern jemals versöhnen?

Katja Maybach hat mit „Die Modeschöpferin“ einen lebhaften Roman vor historischer Kulisse vorgelegt, der sich in der eitlen Modeszene bewegt und dem Leser interessante Einblicke gewährt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil kann von Beginn an fesseln und lässt den Leser mal an der Seite von Simonetta, Chiara, Paolo oder Antonia hinter die Kulissen der bunten Modewelt schauen und ein wenig Exklusivität schnuppern. Wer sich in der Modeszene ein wenig auskennt, kann Maybachs bildhafte Beschreibungen über ein Designerhaus, die kreativen Tätigkeiten sowie die Exzentrik der dort Beschäftigten bestätigen. Die Autorin schöpft aus eigenen Erfahrungen und kann diese sehr glaubhaft in ihre Geschichte integrieren. Wechselnde Perspektiven spiegeln nicht nur wunderbar die Gedanken- und Gefühlswelt der einzelnen Protagonisten wider, sie zeigen auch ihre unterschiedlichen Positionen innerhalb des Modezirkus auf, lassen Träume wahr werden oder unsanft zerplatzen. Die nebenbei eingefädelte Familiengeschichte von Simonetta und Chiara wird von Maybach nur häppchenweise aufgedeckt, erst zum finalen Schluss erfährt man so einiges über ihre damalige Lebenssituation sowie über das Schicksal ihrer Eltern. Ausufernde kriminelle Aktivitäten sind mit einiger Spannung in die Handlung integriert worden, der Leser fragt sich eine ganze Weile, wer wohl der Langfinger innerhalb des Modehauses ist.

Die Charaktere sind individuell und lebhaft in Szene gesetzt, wirken mit ihren Eigenschaften glaubwürdig und authentisch, so dass der Leser sich ihnen schnell verbunden fühlt und mitfiebern kann. Simonetta ist eine freundliche, aber verschlossene Frau, die nicht nur einen kreativen Kopf besitzt, sondern auch ein großes Herz für ihre Mitmenschen. Trotz ihrer Bodenständigkeit weiß sie um die Träume ihrer exklusiven Klientel und arbeitet mit ihrem Team bis zur Erschöpfung. Chiara ist eine zurückhaltende Frau, die sich ihren Wunsch von einem eigenen Label erfüllen will. Sie ist warmherzig und noch etwas unsicher, ob sie es wohl schaffen wird. Paolo ist ein junger aufstrebender Designer, der einige wichtige Entscheidungen zu fällen hat. Antonia wächst über sich hinaus, denn sie hat ihren Traumjob gefunden. David ist ein Mann, der sich nicht binden will. Carla ist seit Jahren Simonettas rechte Hand, oftmals vorlaut, unangenehm und rechthaberisch, aber trotzdem unentbehrlich. Ebenso wichtig sind Protagonisten wie Ettore, Luigi oder der frascatische Winzer, die der Handlung zusätzlich Input geben.

„Die Modeschöpferin“ gibt einen wunderbar lebendigen Einblick in die exklusive Welt der Modedesigner. Neben kostbaren Kleidern und edlen Handtaschen sowie der eitlen Bussi-Bussi-Gesellschaft kann die Geschichte auch mit einer traurigen Familiengeschichte punkten. Aus den sich andeutenden Liebesbeziehungen hätte man doch noch etwas mehr machen können, vielleicht gibt es ja noch eine Fortsetzung? Fesselnde und konstruierte Geschichte, die eine Leseempfehlung verdient!

Veröffentlicht am 02.07.2020

"Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt das Leben Reisen ist." (Jean Paul)

Riviera - Der Traum vom Meer
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1922-1936. Salome hat das Meer noch nie gesehen, für sie ist es ein Märchen, dass bisher nur in ihrer Fantasie existiert. Doch verschlägt es die Tochter eines Reisebürobesitzers, der Ambitionen hat, das ...

1922-1936. Salome hat das Meer noch nie gesehen, für sie ist es ein Märchen, dass bisher nur in ihrer Fantasie existiert. Doch verschlägt es die Tochter eines Reisebürobesitzers, der Ambitionen hat, das Tourismusgeschäft in Italien mit Unterstützung des Hoteliers Renzo Barbera auszubauen, mit ihrer Familie nach San Remo an der italienischen Riviera. Schon bald erwächst nicht nur zwischen den beiden Geschäftspartnern, sondern auch zwischen ihren Töchtern Ornella und Salome eine enge Freundschaft. Als Ornella sich verliebt und Salome ebenfalls Gefallen an Ornellas Auserwähltem findet, wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Aber auch der immer größere Einfluss der Nationalsozialisten verdunkelt die Reisewelt…
Julia Kröhn hat mit „Riviera-Der Traum vom Meer“ einen sehr unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vor historischer Kulisse vorgelegt, der den Leser mit den ersten Zeilen in seinen Bann zieht. Der flüssig-leichte und bildgewaltige Erzählstil lässt den Leser an Salomes Seite gleiten, darf ihr Leben über einen Zeitraum von 14 Jahren verfolgen, mit ihr an die traumhafte Riviera reisen, in Ornella eine Freundin finden und auch die erste Liebe fühlen. Schon die Landschaftsbeschreibungen lassen das Urlaubsgefühl erwachen, wer diesen zauberhaften mondänen italienischen Küstenstreifen kennt, wird sich aufgrund der Beschreibungen erneut darin verlieben, nostalgischen Erinnerungen frönen und die Leichtigkeit sowie die Lebensfreude und Gastfreundschaft der Italiener hervorspüren. Geschickt fädelt die Autorin den historischen Hintergrund in ihre Handlung ein, lässt unterschwellig durch das Erstarken des Faschismus immer mehr bedrohliche Wolken am Horizont entstehen und spiegelt ein deutliches Bild der Bevölkerung wieder, deren Leben durch die politischen Verhältnisse immer mehr beeinflusst und eingeschränkt werden. Aber auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Unterschiede zwischen deutschen und italienischen Familien werden von der Autorin sehr schön beleuchtet, da gibt es u. a. die typischen italienischen Machos ebenso wie den Pantoffelheld, der sich dem Einfluss seiner Mutter nicht entziehen kann. Der Spannungslevel ergibt sich aus der sich langsam verändernden politischen Lage und deren Auswirkungen auf die Protagonisten, aber auch aus der Freundschaft der so unterschiedlichen Frauen.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausstaffiert und mit glaubhaften menschlichen Zügen versehen. Sie versprühen Lebendigkeit und lassen den Leser nahe an sich heran, was die nötige Nähe schafft, um mit ihnen zu fühlen, zu hoffen und zu fiebern. Zu Beginn der Geschichte ist Salome ein 8-jähriges aufgewecktes junges Ding, dass sich mit den Jahren zu einer offenen Frau entwickelt, die ihre Träume hat, aber leider auch die Schattenseiten des Lebens kennenlernt. Ornella ist in ihrem Wesen eher zurückhaltend und scheu. Oma Tilda ist ein Drachen und kalt wie eine Hundeschnauze, die ein eisernes Regiment führt. Artur lässt sich von seiner Mutter unterbuttern, ist unselbständig, wankelmütig und wenig abenteuerlustig. Paola ist für Salome eine Art Mutterersatz, die dem jungen Mädchen viel Liebe und Herzlichkeit entgegenbringt. Aber auch Renzo Barbera oder Felix füllen wichtige Rollen in dieser Geschichte aus.
„Riviera-Der Traum vom Meer“ ist ein wunderschöner Auftakt von Julia Kröhns Riviera-Dilogie, der die Geschichte verheißungsvoll einläutet, Italiens Farben erstrahlen lässt und vor einem historischen Hintergrund die Entwicklung von zwei jungen Frauen in Szene setzt. Die Neugier auf Band 2 ist geweckt. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.06.2020

Abschied von den Hannemanns

Töchter der Elbchaussee
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Zum Ende des Zweiten Weltkrieges muss die Familie um Frieda Hannemann einige Verluste erst einmal verdauen. Auch die Schokoladenfabrik soll endlich wieder in Schwung gebracht und die Pralinenherstellung ...

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges muss die Familie um Frieda Hannemann einige Verluste erst einmal verdauen. Auch die Schokoladenfabrik soll endlich wieder in Schwung gebracht und die Pralinenherstellung wieder aufgenommen werden, doch die Beschaffung der benötigten Materialien für die Produktion ist nach dem Krieg eine echte Herausforderung, die Frieda einiges abverlangt. Mit ihrem Sohn Henrik und Nichte Sarah möchte Frieda zudem würdige Nachfolger für das Familienunternehmen heranziehen. Ihrer Schwiegertochter ist das ein Dorn im Auge, denn sie fühlt sich übergangen und versucht deshalb mit allen Mitteln, Friedas Pläne zu boykottieren. Während Sarah viel Talent und Interesse zeigt, haben Henrik und seine Frau ganz andere Ansichten, wie die Manufaktur zu führen ist. Da sind die Schwierigkeiten innerhalb des Traditionshauses Hannemann-Krüger vorprogrammiert. Zudem tauchen sowohl Friedas Jugendliebe Jason als auch Sarahs Mutter Selma wieder auf der Bildfläche auf und bringen zusätzliche Unruhe in die Familie…
Lena Johannson hat mit „Töchter der Elbchaussee“ den dritten und letzten Teil ihrer Hamburger Schokoladendynastie-Saga vorgelegt. Vor einem interessanten historischen Hintergrund, der das Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Hamburger Sturmflut im Jahr 1962 wiederspiegelt, darf der Leser einiges an Unruhe und Intrigen innerhalb der Familie und der Schokoladenmanufaktur mitverfolgen. Der flüssige und bildgewaltige Schreibstil lässt den Leser zum letzten Mal in die Villa an der Elbchaussee bei den Hannemanns einziehen, um der Familie erneut über die Schulter zu sehen, während sie erlittene Verluste verarbeiten und das Traditionsunternehmen wieder zum Laufen bringen. Die Reaktivierung der Schokoladenmanufaktur sowie die Beschaffung der Rohstoffe direkt nach dem Krieg war eine besondere Herausforderung, denn die Kosten waren hoch, manches kaum zu bekommen und auch die Infrastruktur noch nicht wiederhergestellt. Die Autorin versteht es gut, die zwischenmenschlichen Beziehungen unter ihren Protagonisten glaubwürdig an den Leser zu bringen und sorgt mit einigen Wendungen für so manche Überraschung. Das alte Hamburg wird wieder sehr gut in Szene gesetzt und lässt während der Lektüre das Kopfkino anspringen, um durch die schöne Stadt zu wandeln oder das Schokoladenkontor zu besuchen, während man den Duft der Köstlichkeiten in der Nase zu haben glaubt.
Die Charaktere haben durch die Kriegsjahre erneut eine Entwicklung erfahren. Sie wirken lebendig und authentisch, so dass der Leser sich ihnen schnell anschließt, ihre Gefühls- und Gedankenwelt nachvollziehen kann und mit Spannung dem weiteren Verlauf folgt. Frieda ist inzwischen zur Familienpatronin herangewachsen, sie steuert das Unternehmen und hat genaue Vorstellungen davon, wie es mit der Manufaktur weitergehen soll. Sie ist ein Kind ihrer Zeit, die nicht gut Verantwortung abgeben kann, zu lange hat sie schon das Traditionshaus durch viele Schwierigkeiten geführt. Sarah ist eine talentierte junge Frau mit eigenen Ideen, die eine würdige Nachfolgerin für Frieda wäre. Henrik ist zu schwach, um sich gegen seine eigene Frau zur Wehr zu setzen. Lieber folgt er ihren kruden Plänen. Aber auch Selma und Jason sorgen für einige Überraschungsmomente.
Mit „Töchter der Elbchaussee“ liegt ein würdiger Abschlussband der Schokoladen-Saga vor, der mit gut recherchiertem historischen Hintergrund, Familienzwistigkeiten, Intrigen und alten Geheimnissen noch einmal gut unterhalten kann. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.06.2020

"These little town blues, are melting away..." (Frank Sinatra)

City of Girls
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1940. Die 19-jährige Kleinstadtpflanze Vivian Morris wird von ihren Eltern zu ihrer in New York lebenden Tante Peg geschickt, weil sie von ihrer Tochter enttäuscht und auch mit ihr überfordert sind. Die ...

1940. Die 19-jährige Kleinstadtpflanze Vivian Morris wird von ihren Eltern zu ihrer in New York lebenden Tante Peg geschickt, weil sie von ihrer Tochter enttäuscht und auch mit ihr überfordert sind. Die Großstadt schüchtert Vivian zunächst ein, doch je länger sie bei Peg wohnt und in derem kleinen Revueheater in „Hells Kitchen“ als Schneiderin anfallende Kostümarbeiten erledigt, umso mehr gewinnt sie aufgrund der skurrilen Gesellschaft an Selbstbewusstsein und Lebensfreude. So genießt sie mit Revuegirl Celia das Nachtleben in vollen Zügen sowie die Avancen der Männer und spricht dem Alkohol zu. Eine ganze Weile geht das gut, Vivian amüsiert sich, bis sie sich in Schwierigkeiten bringt und ihren Aufenthalt im Big Apple abrupt beenden muss, um in ihr Elternhaus zurückzukehren. Aber dort fühlt Vivian sich nicht wohl und kehrt bald mit Hilfe von Peg zurück nach New York...

Elizabeth Gilbert hat mit „City of girls“ einen unterhaltsamen und spritzigen Roman vor historischem Hintergrund vorgelegt, der den Leser von Beginn an zu begeistern weiß. Mit flüssigem und farbenfrohem Schreibstil entführt die Autorin ins Amerika vor dem Zweiten Weltkrieg und stellt dem Leser mit Vivian eine Protagonistin an die Seite, die das Abenteuer Großstadt auf ihre ganz eigene Weise erlebt. Die Geschichte wird aus der Sicht der inzwischen 95-jährigen Vivian in Briefform erzählt, die damit eine Lebensbeichte gegenüber ihrer alten Freundin Angela ablegt. Die damalige Zeit wird von der Autorin wunderbar in Szene gesetzt, das schäbige kleine Revuetheater erstrahlt dabei ebenso, wie Vivian dort aufblüht. Der Blick hinter die Kulissen der Theaterwelt ist ebenso unterhaltsam, wie Vivian Streifzüge durchs New Yorker Nachtleben, vor allem, wenn man bedenkt, welche gesellschaftlichen Normen damals im prüden Amerika herrschten und welche Rolle die Frauen dabei spielten. Die innerliche Zerrissenheit und die ewige Suche nach dem einzig Richtigen, der nicht nur das Gefühl von Abenteuer, sondern auch Geborgenheit vermittelt, wird von der Autorin sehr gut dargestellt. Da die Geschichte so lebendig und sprühend ist, kann man einige kleine Längen innerhalb der Handlung verzeihen.

Die Charaktere sind individuell und vielschichtig gezeichnet, lebendig in Szene gesetzt und spiegeln in ihrem Verhalten auch die damalige Zeit wieder. Der Leser ist hier als Beobachter eingesetzt und erlebt vor allem die Entwicklung der Hauptprotagonistin hautnah mit. Vivian ist als junge Frau sehr naiv, sehr direkt, etwas kopflos und immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. Doch je älter sie wird, umso mehr wird sie sich ihrer Taten bewusst, sie wirkt reifer und reflektierender. Peg ist eine Tante, die sich wohl jeder wünscht: weltoffen, lebensfroh und vor allem warmherzig. Marjorie wird zu Vivians bester Freundin, die beiden Frauen teilen und schaffen vieles gemeinsam, sind ein tolles Team. Aber auch Olive, Angela und weitere Nebenprotagonisten überzeugen mit ihren Auftritten.

„City of girls“ ist eine unterhaltsame Lektüre, die den Leser zurück ins vergangene Jahrhundert führt, um den Werdegang der jungen Vivian im Schlund der Großstadt bis in die Gegenwart zu verfolgen und ihrer Lebensbeichte zu lauschen. Rundum gelungen und daher mit einer verdienten Leseempfehlung ausgestattet.