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Veröffentlicht am 24.07.2020

“Orchester haben keinen eigenen Klang, den macht der Dirigent.” (Herbert von Karajan)

Die Dirigentin
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1926 New York. Die im Jahr 1902 geborene Antonia Brico wusste lange nicht, dass sie adoptiert wurde. Unter dem Namen Wilhelmine Wolters wächst sie in armen Verhältnissen auf, muss ihren kargen Verdienst, ...

1926 New York. Die im Jahr 1902 geborene Antonia Brico wusste lange nicht, dass sie adoptiert wurde. Unter dem Namen Wilhelmine Wolters wächst sie in armen Verhältnissen auf, muss ihren kargen Verdienst, den sie mit Sekretariatsarbeiten und als Platzanweiserin im Konzerthaus verdient, fast gänzlich an die Eltern abgeben. Auf dem alten Klavier, dass ihr Vater vom Müll mit nach Hause gebracht hat, stimmt sie nicht nur eigenhändig das Klavier, sondern bringt sich selbst auch das Spielen bei. Antonia liebt und lebt für die Musik, träumt von einer Karriere als Dirigentin, doch die Zeit ist nicht ihr Freund, denn nicht Frauen, sondern Männern bleibt es vorbehalten, einem Orchester vorzustehen. Antonia jedoch besitzt einen eisernen Willen, versagt sich vieles und kämpft oft genug gegen Windmühlen, um am Ende selbst die Initiative zu ergreifen und ein eigenes Frauenorchester zu gründen. Doch ist es ihr später gelungen, diverse Orchester zu dirigieren, wobei ihr der Vorstand eines berühmten Orchesters immer versagt blieb.
Maria Peters hat mit „Die Dirigentin“ einen interessanten, teils biografischen teils fiktiven historischen Roman vorgelegt, der einen Auszug aus dem Leben der Dirigentin Antonia Brico darstellt, wobei auch das der damaligen Zeit entsprechende Frauenbild in der Gesellschaft sehr gut widergespiegelt wird. Über drei Perspektiven lernt der Leser Antonia kennen: aus ihrer Sicht, aus der ihrer großen Liebe Frank und aus der ihres engen Freundes Robin. Der flüssige und bildhafte Schreibstil gewährt dem Leser schnell Einlass in Antonias Welt, die schon als Kind von der Lieblosigkeit der Mutter und einem meist abwesenden Vater geprägt war, wodurch sich bereits eine gewisse Zähigkeit und Stärke in ihrem Charakter manifestierte. Die damalige gesellschaftliche Haltung tat ein Übriges, denn Frauen galten grundsätzlich für gehobene Berufe und Karrieren als nicht geeignet. Obwohl Brico ein Studium absolvierte, war das in den Augen der Gesellschaft nicht ausreichend, um als Frau beruflich voranzukommen. Der Leser ist nicht nur erschüttert, wie ignorant das Umfeld auf eine herausragende Begabung reagiert, sondern gewinnt mehr und mehr Respekt gegenüber Brico, die sich trotz aller ihr in den Weg gelegten Hindernisse am Ende durchsetzt. Die Autorin hat geschichtlich belegte Fakten mit Fiktion sehr gut miteinander verflochten, um gleichzeitig mit ihrer Geschichte Brico ein Denkmal zu setzen. Frauen wie Brico haben uns den Weg geebnet, damit Frauen heutzutage beruflich alles erreichen können. Hier sei allerdings angemerkt, dass sich in punkto Orchesterleitung bis heute das Bild nicht sehr verändert hat, diese Domäne ist immer noch fast ausschließlich männlich besetzt.
Charakterlich bietet Antonia Brico das Bild einer stetig kämpfenden Frau, die sich jedem Hindernis mit Mut, Stärke und Entschlossenheit stellt. Sie denkt für ihre Zeit sehr modern, lässt sich nicht in eine Form pressen und bleibt dabei für den Leser nicht nur ausgesprochen sympathisch, sondern auch eine Person, der man Respekt und Anerkennung dafür zollt, wie sie ihre Träume vorangetrieben und was sie alles erreicht hat. Dieser Eindruck wird auch durch die Perspektiven von Robin und Frank noch verstärkt.
„Die Dirigentin“ ist ein eindrucksvoller Roman über eine außergewöhnliche Frau, der man mehr Beachtung hätte schenken sollen. Verdiente Leseempfehlung für alle, die gern Bücher über historisch belegte Personen lesen, deren Wirken die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit mit vorangetrieben haben.

Veröffentlicht am 19.07.2020

Ana Maria Garibaldi - eine leidenschaftliche Rebellin

Tage des Aufbruchs
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1839-1849 Brasilien. Die 18-jährige Ana Maria ist zwar verheiratet, doch ihr zur Gewalt neigender Ehemann hat sie schon vor einiger Zeit verlassen. Als sie dem italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi ...

1839-1849 Brasilien. Die 18-jährige Ana Maria ist zwar verheiratet, doch ihr zur Gewalt neigender Ehemann hat sie schon vor einiger Zeit verlassen. Als sie dem italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi begegnet, der mit der Guerilla für eine unabhängige Republik kämpft, verlieben sich beide Hals über Kopf ineinander. Giuseppe ist allerdings ein rastloser Mann, der nie lange an einem Ort weilt, so entschließt sich Ana Maria, ihn zu begleiten und ihn bei seinem Kampf zu unterstützen. Schon bald wird Anita, wie Garibaldi seine Gefährtin liebevoll nennt, für ihn unersetzbar, nicht nur als Frau an seiner Seite, sondern auch als eine unverzichtbare Streiterin für den brasilianischen Freiheitskampf.
Karin Seemayer hat mit „Tage des Aufbruchs“ einen historischen Roman vor exotischer Kulisse vorgelegt, dessen fiktive Geschichte sich an einer wahren Begebenheit und realen Persönlichkeiten orientiert. Mit eingängigem flüssig-bildhaftem und gefühlvollem Schreibstil lässt die Autorin den Leser gedanklich ins 19. Jahrhundert nach Südamerika sowie nach Italien zurückreisen, um dort über einen Zeitraum von 10 Jahren nicht nur die politischen und gesellschaftlichen Zustände kennenzulernen, sondern auch die Liebe zwischen zwei herausragenden geschichtlich belegten Personen, während man sie bei ihrem Freiheitskampf für das Heimatland begleitet. Seemayer beschreibt die teils gefährlichen Missionen und die Kämpfe sehr anschaulich, so dass man als Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein, während sie ihren Hauptfokus vor allem auf Ana Maria richtet und ihre leidenschaftliche Beziehung zu Giuseppe, die sich als eine Art Seelenverwandtschaft herausstellt. Auch Anas Rolle als Frau in der damaligen Gesellschaft wird thematisiert und zeigt auf, dass es schon damals einige gab, die sich den Konventionen entgegenstellten und sich nicht verbiegen ließen.
Die Charaktere sind lebendig ausgestaltet und glaubwürdig in Szene gesetzt, der Leser kann sich aufgrund des historisch belegten Hintergrunds und der politischen Ansichten gut in sie hineinversetzen und kämpft während der Lektüre innerlich an ihrer Seite mit. Ana Maria ist schon mit jungen Jahren eine intelligente starke und mutige Frau, die sich nicht um die Konventionen schert, sondern sich ihnen geradezu rebellisch entgegenstellt. Sie ist leidenschaftlich und lässt sich auch von Niederlagen nicht entmutigen, sondern wird dadurch nur noch verbissener. Giuseppe ist ein leidenschaftlicher Verfechter für die Freiheit, dessen Kampf er sein Leben gewidmet hat. Unermüdlich widmet er sich den politischen Ungerechtigkeiten und hat in Ana Maria sein weibliches Gegenstück gefunden, wobei diese ihn in ihrem Eifer oftmals regelrecht mitzieht.
„Tage des Aufbruchs“ ist ein gut recherchierter historischer Roman über eine bewundernswerte Freiheitskämpferin, den Guerillakampf in Brasilien und eine große Liebe, die vieles bewirken konnte. Spannend und bildhaft erzählt, gibt es hierfür eine verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.07.2020

"Alles ist gut, wenn es aus Schokolade besteht." (Jo Brand)

Der Schokoladenpavillon
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1953 Koblenz. Fenjas Traum vom Medizinstudium platzt jäh, als ihr Bruder stirbt und ihr als Alleinerbin die familieneigene Schokoladenmanufaktur zufällt. Obwohl sie weder von der Führung eines Unternehmens ...

1953 Koblenz. Fenjas Traum vom Medizinstudium platzt jäh, als ihr Bruder stirbt und ihr als Alleinerbin die familieneigene Schokoladenmanufaktur zufällt. Obwohl sie weder von der Führung eines Unternehmens noch der Schokoladenverarbeitung eine Ahnung hat, muss sie sich um die durch den Krieg ziemlich marode gewordene Fabrik kümmern, die bereits mit einem Bein am Abgrund steht. Cousin Felix, der schon immer ein Faible für Backwerk und Süßes hat, steht ihr nebst seiner Verlobten Amelie tatkräftig zur Seite, um das Geschäft mit neu entwickeltem Pralinenkonfekt wieder in Gang zu bringen. Als Fenja dem wohlhabenden Lennart begegnet, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn, aber auch Amelie hat es auf Lennart abgesehen. Wird er der Sargnagel für die Schokoladenmanufaktur?
Anna Jonas hat mit „Der Schokoladenpavillon“ den zweiten Teil um die Koblenzer Schokoladenfabrik Dorn vorgelegt, der allerdings an „Das Rosenpalais“ nicht ganz heranreichen kann. Mit flüssigem und farbenfrohem Schreibstil gelingt es der Autorin, wieder einmal das Kopfkino des Lesers anzukurbeln. So wird man in die Mitte des letzten Jahrhunderts gebeamt, wo man sich in der deutschen Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg wiederfindet und Fenja nicht von der Seite weicht, während sie um das Familienerbe kämpft. Knapp 20 Jahre sind inzwischen ins Land gegangen und die nächste Generation ist mit ihren Ideen und ihrem Kampfgeist gefragt, die Manufaktur in die Zukunft zu führen. Neben einer guten Hintergrundrecherche der Autorin, die das damalige Leben authentisch in die Handlung einfließen lässt, weht auch der Duft von Schokolade und Pralinen wieder durch des Lesers Nase, wobei es die damalige Gesellschaft Fenja bei ihren Anstrengungen, ein Unternehmen zu führen, nicht leicht macht. Zu sehr denkt man noch in alten Zöpfen, dass Frauen an den Herd gehören und nicht in die Fabrik als Geschäftsführerin. Der Gegensatz mit Cousin Felix, der sich dem Wunsch des Vaters widersetzt, dessen Unternehmen zu führen, um lieber seinen eigenen Vorstellungen zu folgen, wird hier ebenfalls gut herausgestellt. Einige Wendungen und Überraschungsmomente gestalten die Geschichte durchweg unterhaltsam und spannend.
Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet, sie überzeugen durch menschliche Ecken und Kanten, wirken glaubwürdig und authentisch. Der Leser fühlt sich ihnen schnell verbunden und kann mit ihnen hoffen, bangen und mitfiebern. Fenja ist als Frau ihrer Zeit bereits vorausgeeilt, nicht nur ihr Wunsch, Medizin zu studieren, sondern auch ihre Art, in der Fabrik die Ärmel hochzukrempeln, spiegelt dies wieder. Sie wirkt oftmals stur und eigensinnig ob der Verantwortung, die auf ihren Schultern liegt, doch sie ist eine mutige Kämpferin. Felix ist ein offener und ehrlicher Kerl, der sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalten will. Die Fabrik ist für ihn eine Herausforderung, der er sich gerne stellt. Amelie ist eine Frau mit zwei Gesichtern, sie kann hilfsbereit und freundlich sein, doch wenn sich ihr jemand in den Weg stellt, wird sie zur Furie. Lennard ist ein Mann aus gutem Hause, der sein Herz nicht unbedingt auf der Zunge trägt.
„Der Schokoladenpavillon“ öffnet dem Leser erneut die Pforten in die historische Schokoladendynastie der Dorns, angefüllt mit verlorenen Träumen, Intrigen, Liebe und jeder Menge süßen Verführungen. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 12.07.2020

"Am Fuße des Leuchtturms herrscht Finsternis" (Konfuzius)

Der Wind und Wellen lenkt
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Als Annie Bliss erfährt, dass ihr Großonkel Robert nach einem Unfall im Koma liegt, reist sie nach langer Zeit zurück in den kleinen Küstenort Ansel-by-the-Sea. Robert hat in seinem Leben so einige Verluste ...

Als Annie Bliss erfährt, dass ihr Großonkel Robert nach einem Unfall im Koma liegt, reist sie nach langer Zeit zurück in den kleinen Küstenort Ansel-by-the-Sea. Robert hat in seinem Leben so einige Verluste in Kauf nehmen müssen, aber vor allem hat ihn der Tod seines Zwillingsbruders Roy sowie der Wegzug dessen Ehefrau Jenny und William sehr zu schaffen gemacht. In seiner übermächtigen Trauer hat er ein Gedicht geschrieben und es in der Lokalzeitung veröffentlichen lassen. Er konnte nicht ahnen, was er damit auslösen wird, denn seine Zeilen riefen ungeahnte Reaktionen hervor. Einige dieser Reaktionen findet Annie in Form von Steinen in Roberts Haus wieder. Sie möchte unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hat und findet in dem Postboten Jeremiah Fletcher die nötige Unterstützung.
Amanda Dykes hat mit „Der Wind und Wellen lenkt“ einen tiefgründigen und gefühlvollen Debütroman vorgelegt. Der einfühlsame flüssige Erzählstil macht es dem Leser leicht, sich zwischen die Seiten fallen zu lassen. Mit zwei Zeitebenen breitet die Autorin zum einen die schicksalsgeprägte Phase in Robs Leben in den Jahren 1944 bis 1962 aus, zum anderen lässt sie dem Leser Annie im Jahr 2001 begegnen, die vor der großen Aufgabe steht, alte Familiengeheimnisse ans Tageslicht zu bringen und Robs Vermächtnis zu entschlüsseln. Mit einer farbenprächtigen und bildhaften Sprache lässt die Autorin während ihrer Handlung den kleinen Küstenort Ansel-by-the-Sea vor dem inneren Auge des Leser Gestalt annehmen, so dass er das Brechen des Meeres an den Felsen und das Lichtspiel auf den Wellen ebenso sehen kann, wie den alles überstrahlenden Leuchtturm. Der christliche Aspekt wurde sehr schön in die Geschichte eingearbeitet, denn es geht nicht nur um Verlust und Trauer, sondern vor allem um Gottvertrauen und die Hoffnung, immer einen Hafen zu haben, an dem man willkommen, gut und sicher aufgehoben ist, wo es Menschen gibt, die einen auffangen und mit Liebe begegnen.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet, ihre menschlichen Züge machen sie greifbar, glaubwürdig und vor allem authentisch. Der Leser findet sich in einigen von ihnen wieder, kann ihre Gefühlslage und ihr Handeln nachvollziehen, so dass Mitfühlen und Mitfiebern leicht fallen. Robert ist ein sehr sympathischer Mann, der immer selbstlos seine Unterstützung anbietet, wo sie gebraucht wird. Schmerzliche Rückschläge treffen zwar sein Herz, doch er bewahrt sich seine Hoffnung und schaut weiter nach vorn. Mit seinem Mut und seine Stärke beflügelt er viele andere, die sich davon angesprochen fühlen. Annie ist eine Frau, die mit ihrem bisherigen Leben nicht glücklich ist. Erst die Rückkehr zu ihren Wurzeln sowie die Spurensuche lassen sie aus sich herauskommen. Postbote Jeremiah ist die Hilfsbereitschaft in Person, dabei wirkt er immer ein wenig mysteriös, als hätte er selbst etwas zu verbergen. Aber auch Protagonisten wie Roy, Jenny, William oder Eva spielen wichtige Rollen in dieser emotionalen Geschichte.
„Der Wind und Wellen lenkt“ lässt den Leser eine tragische und gefühlvolle Familiengeschichte kennenlernen, deren Ausgang Hoffnung und Licht verspricht. Achtung: Taschentuchalarm!!!

Veröffentlicht am 11.07.2020

"Das Haus stirbt nicht, das einen Gast willkommen heißt." (sudanesisches Sprichwort)

Willkommen im Flanagans (Das Hotel unserer Träume 1)
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1959 London. Die letzte Stunde des Jahres wird gerade in der Londoner Luxusherberge Flanagans eingeläutet, wo dessen Besitzerin Linda Lansing viele Gäste der High Society beim Silvesterball begrüßen kann. ...

1959 London. Die letzte Stunde des Jahres wird gerade in der Londoner Luxusherberge Flanagans eingeläutet, wo dessen Besitzerin Linda Lansing viele Gäste der High Society beim Silvesterball begrüßen kann. Linda, in der schwedischen Kleinstadt Fjällbacka aufgewachsen, führt seit 10 Jahren nun das von ihrem Vater geerbte Traditionshaus, wobei sie sich immer wieder gegen die missgünstigen, intriganten Verwandten stellen muss, die sie unbedingt aus dem Geschäft drängen wollen. Sie musste den Job ganz allein auf der Pieke an lernen und will sich nicht um ihren Erfolg bringen lassen, wobei sie Unterstützung von ihrer besten Freundin Mary erhält, die mit einem Adligen verheiratet ist und beste Beziehungen hat. Linda, selbst eine Kämpfernatur, ermöglicht zudem anderen jungen Frauen, in ihrem Hotel zu arbeiten und sich damit einen Traum zu erfüllen…
Asa Hellberg hat mit „Willkommen im Flanagans“ einen unterhaltsamen und kurzweiligen Auftakt für ihre historisch angehauchte Hotelserie gelegt. Mit flüssig-leichtem und bildhaftem Erzählstil zieht sie den Leser in die Vergangenheit hinein, wo er sich im „Flanagans“ einnistet und die Hotelerbin bei ihrem täglichen Kampf für ihr Erbe und die darin Angestellten begleitet. Schon die Beschreibungen des traditionsbeladenen Luxushotels lassen das Kopfkino anspringen, die reiche und illustre Gästeschar sowie die fleißigen Schar von Bediensteten hinter den Kulissen wechseln sich vor dem inneren Auge des Lesers ab, wobei Linda Lansing nebst ihren umtriebigen Cousins Lawrence und Sebastian den Mittelpunkt bilden. Die von der Autorin fließend eingearbeiteten Rückblenden geben dem Leser zusätzlich Einblick in Lindas Leben in Schweden, bevor ihr Vater starb und in ihre Anfangszeit im Londoner Hotel, wo sie sich von Beginn an den Drohungen der lieben Verwandtschaft gegenüber sah. Die Ansichten der damaligen Gesellschaft hat die Autorin ebenfalls gut eingefangen. Frauen, die sich für eine berufliche Karriere interessierten, wurde es nicht gerade leicht gemacht. Zu der Zeit herrschte immer noch die Einstellung, dass Frauen nur zur Ehe und Familienführung eignen. Umso erfrischender ist nicht nur die Tatsache, dass Linda sich alles selbst erarbeitet hat und auch jungen Frauen in ihrem Hotel die Möglichkeit bietet, sich hochzuarbeiten.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich gezeichnet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Ihre Lebendigkeit und Authentizität wirken glaubwürdig auf den Leser, der ihnen gerne folgt und dabei auch mal einen Blick durchs Schlüsselloch riskiert, um hinter die Fassade zu blicken. Die 31-jährige Linda hat dem Vermächtnis ihres Vaters verschrieben und unter einigen Entbehrungen das Hotel auf die Erfolgsspur geführt. Sie ist eine offene und kluge Frau, die sich ihren Platz erkämpft hat und sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen lässt. Mary ist Linda eine gute Freundin, die sie nicht nur unterstützt, sondern auch mit ihrer frischen offenen Art für Abwechslung sorgt. Lawrence ist kalt wie ein Fisch, er versprüht seinen Hass und seine Drohungen, schreckt vor nichts zurück, um seinen Willen zu bekommen. Elinor hat im „Flanagans“ einen Platz gefunden, wo ihre Hautfarbe keine Rolle spielt, sondern wo Leistung zählt – und die erbringt sie mit viel Fleiß und Hingabe. Emma hat andere Vorstellungen von ihrem Leben als ihre Familie, deshalb sucht die clevere und freche junge Frau im Hotel ihr Glück auf eine Anstellung. Aber auch Robert, Sebastian und Alexander spielen eine wichtige Rolle innerhalb der Geschichte.
„Willkommen im Flanagans“ beschert dem Leser einen unterhaltsamen Aufenthalt in einer Luxusherberge mitten in London, wobei er nicht nur auf illustre Gäste, sondern auch auf starke weibliche Persönlichkeiten sowie einige Intrigen und Dramen stößt. Sehr geeignet für einen gedanklichen Kurztrip. Verdiente Leseempfehlung!