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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2020

Faszinierend und facettenreich

Drei
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Dies war mal ein Krimi, der aus der Reihe tanzt, obwohl er über alle Elemente des klassischen Genres verfügt: wir haben einen Mörder, wir haben seine Opfer. Dabei geht der Mörder nicht immer nach dem gleichen ...

Dies war mal ein Krimi, der aus der Reihe tanzt, obwohl er über alle Elemente des klassischen Genres verfügt: wir haben einen Mörder, wir haben seine Opfer. Dabei geht der Mörder nicht immer nach dem gleichen Schema vor. Weder bei der Art wie er sie kennenlernt noch bei der Vorgehensweise beim Töten. Wie ihm schließlich das Handwerk gelegt wird und von welcher Seite ganz unerwartet das geschieht, ist wie eine Katharsis aus der antiken Tragödie.
In den ersten beiden Teilen bleibt der Erzähler außerhalb des Geschehens, wir erfahren was die beiden ersten Opfer bewegt, wie sie leben, was sie erleben, was sie suchen. Der Täter selbst bleibt vage, er liefert seinen Opfern das Bild des idealen Partners oder Freundes. Bis das Bild Kratzer bekommt. Die Erzählzeit ist der klassische Imperfekt Indikativ. Im dritten Teil ändert sich das. Die Tempi wechseln zwischen Imperfekt und Präsens, zwischen Indikativ und Konjunktiv. Der Erzähler bricht seine Distanz, er steht nicht mehr über dem Geschehen, sondern wendet sich direkt an die ersten beiden Opfer, erzählt und erklärt ihnen was geschieht, der Leser selbst wird zum Zaungast. Wenn in den ersten beiden Teilen der Leser zusammen mit dem Erzähler die Handlung verfolgt, ändert sich das im letzten Teil des Romans, der Leser erlebt den kathartischen Höhepunkt und Auflösung des Falls quasi im Alleingang, weil der Erzähler nicht mehr ihn im Blickpunkt hat sondern die ersten beiden Opfer.
Die Handlung spielt in Israel mit einem kurzen traurigen Intermezzo in Osteuropa. Aber wenn nicht ausdrücklich Tel Aviv und seine Viertel und Straßen im Buch genannt würden, könnte der Krimi in jedwelcher anderen Großstadt dieser Welt spielen. Keine Hisbollah, keine orthodoxen Strenggläubige, keine Intifada, keine Militärkontrollen, keine Anschläge, keine Raketen, keinerlei Anzeichen eines von Terrorismus und Politik gespaltenen Landes. Einfach nur normales 0815 Leben: Leute lernen sich übers Internet kennen, oder in Cafés, gehen spazieren, ins Kino, in den Kurzurlaub. Sie feiern Kindergeburtstag am Strand, korrigieren Klassenarbeiten, gehen auf Geschäftsreisen, schreiben an der Masterarbeit, pflegen alte Menschen. Man könnte das fast die unbekannte Seite Israels nennen, wenn wir als Vergleich das Bild Israels in den Nachrichten heranziehen.
Ich versuche mal zusammen zu fassen, ohne zu spoilern: Lesenswert, spannend, faszinierend

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Ein kurzer Blick auf eine Parallelgesellschaft in Deutschland

Mexikoring
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Wusstet Ihr was oder wer die Mhallamiye sind? Es sind Flüchtlinge. Schon seit bald 100 Jahren müssen sie immer wieder fliehen. Zuerst aus der Türkei in den Libanon, dann, als dort der Bürgerkrieg ausbrach ...

Wusstet Ihr was oder wer die Mhallamiye sind? Es sind Flüchtlinge. Schon seit bald 100 Jahren müssen sie immer wieder fliehen. Zuerst aus der Türkei in den Libanon, dann, als dort der Bürgerkrieg ausbrach weiter, nach Westeuropa. Seit etwa 1980 gibt es sie auch in Deutschland. Im Schutz der Demokratie haben sie eine eigene Parallelgesellschaft mit eigenen Gesetzen und Strukturen entwickelt. Schule? Ausbildung? Beruf? Ist nicht nötig. Für Mädchen sowieso nicht, die werden eh an den meistbietenden als Ehefrau verkauft, Jungs erlernen das Nötige (Schießen, Einbrechen, Autos stehlen, usw.) in der Familie, von den Vätern oder den älteren Brüdern. Wenn einer sich aber als intelligent genug erweist für einen Schulbesuch, dann bitte, dann darf er Rechtsanwalt oder Zahnmedizin studieren. Um danach dem Clan kostenlos zur Verfügung zu stehen. Aus dieser Welt brechen zwei junge Menschen aus. Sie lieben sich, halten aber ihre Liebe geheim, denn in ihren Familien wäre das undenkbar. Er ist der Sohn des Paten der Bremer Mhallamiye und sie ist aus einer untergeordneten rangniedrigen Familie. Und ein Mädchen muss sowieso dem Mann gehorchen, den ihr älterer Bruder bestimmt. Die Flucht gelingt nur für einige Jahre. Dann stirbt er.

Die ermittelnden Polizisten unterstützt von der Staatsanwältin Chastity Riley kommen der Wahrheit auf die Spur und machen auch die Schattenwelt der Mhallamiye sichtbar. Dabei haben sie selber auch mit ihren eigenen Schatten und Alpträumen zu kämpfen, die sei mit Alkohol und Zigaretten in Schach halten.
Die Sprache des Krimis ist faszinierend. Einfach, geradlinig. Wenn mal Nebensätze verwendet werden, dann wie um Nebensächliches en passant mitzuteilen. Und hinterher geht es einem auf, dass da Ungeheuerliches bekannt gegeben wurde: dass der Vater einer der Ermittler bei einer Schießerei der Mhallamiye Clans als Polizist zwischen die Fronten geriet und erschossen wurde, dass Chastitys Geliebter bei einem Anschlag einen Arm verlor, dass Stepanovic hoffnungslos in die Staatsanwältin verliebt ist. Und dann gibt es Sätze die wie unumstößliche Sentenzen klingen und so perfekt und in sich abgerundet sind wie eine Sphäre. Lasst Euch mal folgende Passagen auf der Zunge zergehen: „Dosenbier kannst Du nur dann mit Würde trinken, wenn du weißt, wie der Regen im Rinnstein schmeckt“ (S. 167). Oder das Polizeimuseum: „Die Kollegen da sind alle dienstunfähig. Ist wirklich ’ne ganz schöne Stimmung.“ (S. 107). Trocken und auf den Punkt, vermag es diese Sprache perfekt die Stimmung im Buch wieder zu geben.
Fazit: Volle, maximale Punktzahl für Simone Buchholz.

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Veröffentlicht am 29.07.2020

!Hola senhoras y senhores! Wie schön, Euch wieder anzutreffen!

Weiße Fracht
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Dritte Runde für Leander Lost und Kollegen. Aber es ist eine besondere Runde. Gleich aus mehreren Gründen:
- Das Jahr im Einsatz bei der Kriminalpolizei in Fuseta neigt sich für Leander dem Ende zu.
- Leander ...

Dritte Runde für Leander Lost und Kollegen. Aber es ist eine besondere Runde. Gleich aus mehreren Gründen:
- Das Jahr im Einsatz bei der Kriminalpolizei in Fuseta neigt sich für Leander dem Ende zu.
- Leander Lost will an der Algarve bleiben, in Fuseta.
- Es kommen zwei Kollegen Leanders aus Hamburg um bei einem Mord an einem Deutschen mitzuarbeiten. Wie effektiv diese Amtshilfe letztendlich ist, bleibt abzuwarten. Fischköpp sind nun mal Fischköpp.
- Wichtigster Grund für diese besondere Runde: Leander ist verliebt.
Graciana, Carlos und mittlerweile auch die Polizeichefin Isadora halten große Stücke auf Leander. Ohne Häme oder Ironie hören sie seinen Ausführungen zu, nehmen seine Aussagen ernst, fragen ihn nach seiner Meinung. Pech für die Hamburger Fischköpp oder Sub-Inspector Duarte, wenn sie Leander Lost von oben herab behandeln und ihn nicht ernst nehmen. Denn erstens deutet Leander Lost die Morde und die weiteren Entwicklungen richtig und zweitens sind Graciana, Carlos und Isadora inzwischen fester Teil des Teams Leander Lost. Und wer sich über Leander lustig macht, kann schon mal mit etwas Ungemach rechnen.
Wie in den vorangegangenen Krimis auch, ist der schnörkellose Stil Ribeiros wieder einmal ein Genuss. Genauso auch die wenigen Metaphern die verwendet werden. So etwa erklärt Leander Soraia seine Liebe ohne der berühmten drei Worte, sondern er sagt einfach er will mit ihr ins Ungewisse springen. Hand aufs Herz, wer braucht denn noch die berühmten drei Worte bei solch einer Liebeserklärung?

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Unsere Freundschaft mit Leander, Graciana und Carlos geht in die nächste Runde

Spur der Schatten
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Selten hat es mich so gefreut, eine neue Krimireihe zu entdecken. Dieses Dreigespann von der Algarve begeistert alle Wohlfühlkrimifans und Liebhaber von Südportugal, Land, Leute und Küche. Wir begegnen ...

Selten hat es mich so gefreut, eine neue Krimireihe zu entdecken. Dieses Dreigespann von der Algarve begeistert alle Wohlfühlkrimifans und Liebhaber von Südportugal, Land, Leute und Küche. Wir begegnen auch den anderen Kollegen der Polizeitruppe, Marisa Veiga, die gute Seele auf dem Revier, Miguel Duarte, der stolze Spanier mit der ramponierten Nase, das Universalgenie Isadora Jordao, Ana Gomes und Luis Dias, der seine Rente am liebsten heil und lebendig erleben möchte. Neuerungen gibt es auch, eine neue Polizeichefin, Cristina Sobral, die sich nicht mal s schlecht auf dem neuen Posten macht.
Und dann gibt es natürlich auch den Krimi. Eine Polizistin verschwindet und es beginnt eine fieberhafte Suche nach ihr. Eine afrikanische Politikerin soll in Lissabon eine Rede im portugiesischen Parlament halten und Miguel Duarte wird zu ihrem Schutz abkommandiert. Wie und ob diese zwei Fälle letztendlich zusammenhängen ist der Clou in diesen gar nicht so geradlinigen Krimi.
Die Situationskomik, die durch Leander Losts Geradlinigkeit und Ehrlichkeit entsteht, ist kaum zu übertreffen. Durch Flashbacks erhalten wir auch immer wieder in die schwierige Kindheit Leanders im Waisenheim. Da ist uns aber nicht mehr nach Lachen zumute. Wie grausam Kinder sein können.
Wenn ich einen Wunsch bei der Bücherfee frei hätte: Noch viele viele Bücher in dieser Serie.

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Ein Buch der Superlative

Eine Reise durch Deutschland in 100 ungewöhnlichen Bildern und Geschichten
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Das Buch ist mehr als nur ein Atlas, oder ein Buch mit Informationen oder eben ein Reisebuch. Es vermittelt kompakt eine wahre Flut an fundierten Informationen und Bildern, dabei sehr übersichtlich in ...

Das Buch ist mehr als nur ein Atlas, oder ein Buch mit Informationen oder eben ein Reisebuch. Es vermittelt kompakt eine wahre Flut an fundierten Informationen und Bildern, dabei sehr übersichtlich in geographische Regionen eingeteilt. Interessant ist, dass manch ein Ort nicht auf einen prominenten Vertreter reduziert wird, sondern eine andere Gestalt aus dem Dunkel der Geschichte ans Licht tritt. Zum Beispiel: Wenn ich Bayreuth schreibe, woran denken Sie? An die Festspiele, an Wagner und seinen ganzen Clan, an die Politikprominenz die sich allsommerlich hier ein Stelldichein gibt. Aber in diesem Buch wird Wagner nicht erwähnt, wenn es um Bayreuth geht. Die Ehre wird der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth zuteil, die viele der markantesten Gebäude dieser Stadt erbauen ließ. Und so verweigert sich das Buch dem Klischeehaften, ohne aber auf weltbekannte Merkmale deutscher Orte zu verzichten. So ist München einerseits eine Musikstadt mit den Aufführungen im Nationaltheater oder Prinzregententheater, aber auch eine Stadt berühmt und geliebt wegen seiner Biergartenkultur. Gegensätzlich? Vielleicht, aber ein Genuss in beiden Fällen. Geist und Bauch wollen bedient werden. Aber nicht nur die von Menschenhand geschaffenen Orte werden in diesem Buch meisterhaft porträtiert, auch Orte oder Gegenden die auf natürliche Weise entstanden, finden ihren wohlverdienten Platz hier. Von Helgoland, Altes Land, Mark Brandenburg und Spreewald, Bayrischer Wald, Königssee, Neckartal, bis hin zum Teutoburger Wald und Reinhardswald. Atemberaubende Landschaften, die in uns sofort das Fernweh wecken, die Reiselust bis hin zur Reisewut. Dass Deutschland schön ist, wissen wir schon seit je und eh. Dieses Buch führt uns Deutschlands Schönheit sehr eloquent in Wort und Bild wieder vor Augen.
Großen Dank an den Merian Verlag!

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