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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.07.2020

Nichts ist so wie es scheint. Oder doch?

Die Nanny
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„Roman“ steht auf dem sehr passend gestalteten Cover. Aber dieser Roman ist sowohl vom Schreibstil als auch von der Spannung her eher ein Thriller. Einmal begonnen zu lesen, konnte ich nicht mehr aufhören!
Jocelyn, ...

„Roman“ steht auf dem sehr passend gestalteten Cover. Aber dieser Roman ist sowohl vom Schreibstil als auch von der Spannung her eher ein Thriller. Einmal begonnen zu lesen, konnte ich nicht mehr aufhören!
Jocelyn, genannt Jo, war sieben, als ihre geliebte Nanny Hannah über Nacht ohne irgend eine Erklärung verschwand. Was die kindliche Welt von Jo völlig ins Wanken brachte. Denn ihre Kindheit war zwar von Luxus geprägt, aber ohne mütterliche Wärme und Zuwendung. Dreißig Jahre später, nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes, kommt Jo zusammen mit ihrer Tochter Ruby zurück in das elterliche Herrenhaus Lake Hall, in dem ihre Mutter Virginia wie eh und je hochherrschaftlich residiert. Das Zusammenleben birgt Konflikte ohne Ende. Als im See, der an das Anwesen grenzt, ein Totenschädel gefunden wird, wächst das Misstrauen allüberall. Und als schließlich eine Frau auftaucht, die behauptet, sie sei Hannah, Jo’s Kindermädchen von früher, reagiert Jo naiv-überglücklich und will nichts wissen von Virginias Warnungen und Zweifeln. Wo aber liegt die Wahrheit?
Weil im Präsens geschrieben, rückt die Handlung dem Leser sehr nahe, man nimmt unmittelbarer an den Geschehnissen teil. Zeitsprünge und Perspektivwechsel, beliebte Stilmittel bei Thrillern, fordern permanent die Aufmerksamkeit des Lesers. Gerade die Tatsache, dass wir sowohl aus der Sichtweise von Jocelyn als auch von Virginia die Schilderungen aus Vergangenheit und Gegenwart verfolgen, dringen wir als Leser tief in die jeweilige Situation und in die jeweilige Persönlichkeit ein. So glauben wir, die beiden besser kennen zu lernen und genauer zu wissen, was wirklich geschehen ist. Die kurzen Sequenzen aus der Sicht von Detective Andy Wilton sind erholsame sachlich-nüchterne Einschübe. Erschreckend insgesamt, wie wenig empathisch und wie emotionsarm letztlich alle Protagonisten miteinander umgehen, was das Misstrauen des Lesers schürt. Aber die Kunst der Autorin liegt darin, uns dennoch permanent zu täuschen. Was ist Erinnerung? Was ist Wunschdenken? Was ist Traum? Und was ist Wirklichkeit? Je weiter man liest, desto verwirrender werden die Dinge. Jede der handelnden Personen vermischt ihre vermeintlich objektiven Wahrnehmungen und Erinnerungen mit Sehnsüchten, Hoffnungen und Gewissensaspekten. Nichts ist wie es scheint. Oder doch?
Ein von Anfang bis Ende durchweg spannend-faszinierender Roman, versprochen!

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Veröffentlicht am 19.07.2020

Erstlingsroman mit großer schriftstellerischer Kraft

Die Dünenvilla
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Wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer schreibt solch malerische, mit allen Sinnen erlebbare Schilderungen? Wer verfügt über solch intensive Ausdruckskraft beim Beschreiben von Natur und innerseelischen ...


Wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer schreibt solch malerische, mit allen Sinnen erlebbare Schilderungen? Wer verfügt über solch intensive Ausdruckskraft beim Beschreiben von Natur und innerseelischen Befindlichkeiten gleichermaßen? Neugierig war ich zu erfahren, wer hinter dem Pseudonym Nicole Winter steckt. Leider blieb es bei der einzigen Information, dass es sich um eine nach Kanada ausgewanderte Hamburgerin handelt, die als Literaturübersetzerin an den Quellseen des Yukon River in der Wildnis lebt. So ist zumindest die Thematik dieses Buch-Debuts, etwas verständlicher, nämlich dass sie eine opulente Auswanderer-Saga einer deutschen Arzt-Familie an die Ostküste der USA geschrieben hat.
1884. Nach einer Schiffshavarie, die die Familie des deutschen Arztes Friedrich Böhm nur knapp überlebt, bleiben die Familienmitglieder in Martha’s Vineyard, dem „Sylt der US-Ostküste“. Dort will Friedrich Böhme ein Sanatorium für Lungenkranke oder an Hysterie erkrankte Damen etablieren. Sohn Thomas ist bleibt nur ungern. Er ist nur widerwillig Arzt, denn er möchte viel lieber in Harvard Psychologie studieren, ist jedoch abhängig vom Vater, der ihm diesen „Unsinn“ ausreden will. Tochter Sophia, still, in sich gekehrt, intelligent und wissbegierig, fühlt sich aufgrund ihres gelähmten Beines perspektivlos und keines Mannes würdig. Deren Zwillingsschwester Julia ist ungestüm, eine wilde Reiterin, die sich nur wenig an die Konventionen der Gesellschaft hält. In der Nachbarschaft hat sich ein Naturforscher niedergelassen, der sich der Nachzucht der fast ausgestorbenen Wandertauben verschrieben hat. Er ist fasziniert von Sophia, doch wagt es nicht, ihr seine Gefühle zu offenbaren.
Viele Fragen tragen die erzählte Geschichte. Was bewirkt Fortschritt im Guten und im Bösen? Was treibt uns Menschen an und was behindert uns in unserer Weiterentwicklung? Was hilft es, den Körper zu stärken, wenn die Seele schwächelt? Und viele weitere Themen kommen im Buch zusammen. Tiere gehen der Welt verloren, weil der Mensch zukunftsgläubig die Natur ausbeutet. Das Amerika Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Aufbruchsstimmung mit zunehmender Entwicklung technischer Erfindungen und Neuerungen, traditionell lebende Einwohner des Wilden Westens und die Zuwanderung vieler Siedler, die Fuß zu fassen versuchen – all dies verknüpft sich zu einem spannenden Konglomerat, konfliktreich und schöpferisch gleichermaßen. Zwar bekommt dieser besondere Zeitgeist im Buch durchaus seinen Platz, aber für mein Empfinden wird der historische Aspekt zu sehr überlagert von den Schilderungen der einzelnen Familienmitglieder und ihren jeweiligen Unsicherheiten, gelegentlichem Aufbegehren, vergeblichen Wünschen und passivem Hinnehmen der Gegebenheiten. Obwohl der Roman durchweg gut zu lesen ist, ergeben sich einige Längen gerade durch die ewig zaudernde Sophia. Vielleicht gibt es auch manchmal ein wenig zu viel Überschwang der Gefühle, zu viel Dramatik, zu viel an Unausgesprochenem. Dennoch halte ich diesen Erstlingsroman für einen sehr gekonnten Beweis der großen schriftstellerischen Kraft von Nicole Winter.

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Veröffentlicht am 02.07.2020

Empfehlenswerte Urlaubslektüre

Der Sommer der Islandtöchter
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Auslöser, dieses Buch zu lesen, war für mich der Ort des Geschehens. Denn zu Island habe ich eine besondere Affinität, besonders zu Islands Pferden (die leider im Roman keinerlei Erwähnung fanden). Das ...


Auslöser, dieses Buch zu lesen, war für mich der Ort des Geschehens. Denn zu Island habe ich eine besondere Affinität, besonders zu Islands Pferden (die leider im Roman keinerlei Erwähnung fanden). Das Cover mit den Illustrierten-Frauen empfinde ich allerdings wenig einladend. Ich habe den unterhaltsamen Roman gerne gelesen, insbesondere haben mir die Schilderungen der Natur gut gefallen. Dennoch ist es leider kein Buch, das mir länger in Gedächtnis bleiben wird.

2018: Hannah kann ihren Traumberuf als Violonistin nicht mehr ausüben. Sie sucht Abstand von ihrem wenig einfühlsamen Noch-Ehemann Nils, indem sie zusammen mit ihrem kleinen Sohn Max für ein Jahr nach Island reist. Sie fühlt sich innerlich leer, erschöpft, sucht einen Weg, sich neu zu finden.
1978: Monika, eigenwillige Tochter aus reichem Haus in Lüneburg, soll die Geschäfte ihres Vaters übernehmen, träumt jedoch von einer Zukunft als Malerin. Mit ihren Eltern verbringt sie den Sommer in Island, während ihr strebsamer Verlobter zu Hause an seiner Karriere arbeitet. Monika genießt die Freiheit Islands in vollen Zügen…

Die Autorin kennt Land und Leute aus eigener Erfahrung. Das spürt man dem Buch sehr wohltuend an. Tatsächlich liegt die Stärke des Romans in den Schilderungen von Natur und Landschaft, von Eindrücken, die Meer und Witterung, Licht und Wind hinterlassen, von den inneren Bildern, die man von Island gewinnt. Die Handlung, beide Zeitstränge, werden gefühlvoll und sehr unterhaltsam erzählt. Für beide Protagonistinnen kann man Sympathie empfinden und ihre Situationen, Gefühle und Handlungen nachvollziehen. Die Ausgestaltung der Person Nils empfand ich jedoch als sehr klischeehaft und plakativ, vor allen Dingen unglaubwürdig. Ein Dirigent, der tatsächlich das Trauma seiner Frau, einer gefeierten Violonistin, nicht versteht? Sowohl Hannah als auch Monika finden auf Island Unerwartetes und stellen sich mutig neuen Herausforderungen. Letztlich ist die Geschichte, das Zusammenführen beider Handlungsstränge, vorhersehbar, aber dennoch mit einigen Überraschungen verbunden.

Fazit: Ein unterhaltsamer Roman, leicht zu lesen, ohne besondere Tiefe, mit schönen Naturschilderungen, als Urlaubslektüre sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 20.06.2020

Zuviel des Guten

Die Eishexe (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
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Dieses Buch habe ich mehrmals begonnen, dann wieder abgebrochen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder begonnen und jetzt erst bis zum Ende durchgehalten. Denn ich hatte einen spannenden Krimi erwartet in ...


Dieses Buch habe ich mehrmals begonnen, dann wieder abgebrochen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder begonnen und jetzt erst bis zum Ende durchgehalten. Denn ich hatte einen spannenden Krimi erwartet in der Qualität der früher erschienenen Bände. Doch dieses Mal hatte ich leider keine ungetrübte Freude beim Lesen.

In Fjällbacka, einem beschaulichen Küstenort, ist ein kleines Mädchen verschwunden. Genau wie es schon einmal vor 30 Jahren passiert war. Damals war das Kind tot aufgefunden worden. Die Tat blieb bis heute ungeklärt. Verständlich, dass Hauptkommissar Patrik Hedström mehr als beunruhigt ist. Seine Frau, die Schriftstellerin Erica Falck, recherchiert schon seit längerer Zeit in dem alten Fall. Gibt es einen Zusammenhang mit dem jetzt verschwundenen Kind? Was hat es mit der alten Legende aus dem 17. Jahrhundert auf sich? Oder was ist mit den Flüchtlingen vor Ort?

Zwar ist der Krimi, was den Schreibstil der Autorin betrifft, gewohnt angenehm und flüssig zu lesen, die Beschreibungen sind knapp gehalten, aber sehr plastisch. Was ist also an diesem Buch anders als bei den vorherigen, was macht es für den Leser so sperrig? Mir kommt es so vor, als wollte Camilla Läckberg in dieses Buch viel zu viel hineinpacken. Damit gerät der eigentlich vom Leser erwartete Fokus auf den Fall ins Hintertreffen und recht viel der Spannung ging verloren. Die verschiedenen Handlungsstränge finden letztlich nicht zueinander. Wozu also das Ganze? Wozu auch die irgendwie kitschig wirkende Behandlung des Themas rund um die syrischen Flüchtlinge? Und warum wird auch noch das Thema Mobbing oben drauf gepackt? Als wäre das nicht genug, bekommen wir es auch noch mit Hexenverfolgung zu tun. Nein, das war mir schlichtweg zu viel des Guten.

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Veröffentlicht am 07.06.2020

Überlieferter Geisterfluch begegnet nüchternen Ermittlungen

Das kalte Echo
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Zugegeben, es wird viel Tee getrunken in diesem Buch. Mit Zucker oder ohne, mit Milch oder ohne, immer aber mit Teebeutel. Und wenn gar nichts mehr hilft, gibt es Kaffee. Das ging mir zwischendrin schon ...


Zugegeben, es wird viel Tee getrunken in diesem Buch. Mit Zucker oder ohne, mit Milch oder ohne, immer aber mit Teebeutel. Und wenn gar nichts mehr hilft, gibt es Kaffee. Das ging mir zwischendrin schon mal auf die Nerven. Doch insgesamt gesehen hat mich das Buch durchweg gut unterhalten.

In einer Höhle mitten in einem unzugänglichen Gebiet von Peak District (es lohnt sich, diese Gegend zu googeln!) wird die Leiche eines Rechtsanwaltes aufgefunden. Gestorben durch Gift. Selbstmord liegt nahe. In der Felswand sind seine Initialen eingemeißelt, dazu ein Bild von einem Sensenmann. Allerdings schon mehr als hundert Jahre alt. DI Megan Dalton, gehandicapt mit einem Gehfehler und Höhenangst, ermittelt wegen Mord und fühlt sich gefangen in einem Spagat zwischen überliefertem Geisterfluch und rationalen Ermittlungen. Ihre ganz persönlichen Dämonen machen ihr die Arbeit auch nicht gerade leichter.

Mit viel Selbstironie lässt die Autorin Meg Dalton selbst von ihrer „Mission Neustart in Derbyshire“ und ihrem ersten Fall berichten. Durch die sehr anschaulichen, bildhaft vorstellbaren Beschreibungen fühlt man sich als Leser sehr schnell eingesponnen in das Umfeld von Meg. Immer ist es kalt. Oder es regnet. Oder es ist kalt und regnet. Der Kollege Craig ist ein Fiesling, wie er schlimmer nicht sein könnte. Megs Wohnung ist alles andere als ein Wohlfühlort. Und die Menschen, denen Meg begegnet, sind entweder seltsam oder lügen oder sind krank. Also irgendwie eine arg verfrorene Angelegenheit. Und doch hatte das Buch für mich seinen Reiz. Vielleicht weil sich im Verlauf der Seiten immer mehr und nachvollziehbar erklärte, weshalb Meg so ist wie sie ist. Oder weil, tröstlich für den Leser, der feinfühlige Kollege Jai immer zur rechten Zeit am rechten Ort ist. Vielleicht auch, weil ich immer wieder auflachen musste über witzige Wortscharmützel. Und mir gefielen die eingestreuten intelligenten Verknüpfungen („ein Gebäude wie ein Mondrian-Verschnitt“, „ein Hund, der über den Rand seines Körbchens floß wie Dalis Uhren“), oder auch, wie Sterbehilfe thematisiert wurde. Lange Zeit blieb ich wie Meg ziemlich orientierungslos in den Ermittlungsschritten und in den vielen nicht zueinander passenden Zeichen stecken. Doch das irrsinnig spannende, temporeiche Ende entschädigte mich schließlich voll und ganz für so manche unnütz getrunkene Tasse Tee…

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