Eine andersartige Welt mit origineller Geschichtsidee und anspruchsvollen Erzählstil!!
Der Händler der TöneInhaltserzählung:
Wie es sich mit den Klängen in der Klangwelt verhielt, wusste jeder: Klänge gehörten zu jemanden oder zu etwas. Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jeder Ort und jedes beseelte Ding ...
Inhaltserzählung:
Wie es sich mit den Klängen in der Klangwelt verhielt, wusste jeder: Klänge gehörten zu jemanden oder zu etwas. Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jeder Ort und jedes beseelte Ding trugen einen Klang. Seinen Klang konnte man sich nicht aussuchen, er entsprang aus dem tiefsten Innern und konnte sich im Laufe eines Lebens ändern. Manche Klänge wurden voller und dichter, blühten wie eine wunderschöne Symphonie, andere wurden dünner, unscheinbarer, manchmal auch ein bisschen schräg oder sogar unharmonisch. Das hing ganz davon ab, welches Leben man führte. Im Grunde war der Klang so etwas wie ein Ausdruck der Seele. Klänge waren ständig da, doch im Gegensatz zu Tönen waren sie einzigartig, und man konnte sie nicht auf Anhieb hören. Sie wurden erst dann hörbar, wenn man sich füreinander öffnete und man die Seele seines Gegenübers, sei es nun Mensch, Tier, Pflanze, Ding oder Ort, zu spüren begann.
So wusste Noé auch, dass es keine herrenlose Klänge geben konnte. Und doch hörte er sie.
(Seite 9/10)
Autorin:
Verena Petrasch wurde 1981 in der Schweiz geboren und wuchs in Österreich auf. Sie verbrachte ihre Freizeit als Leistungssportlerin in Fechthallen, mit Jazzmusikern am Klavier, spielte Bratsche in einem Orchester und ging nirgendwohin ohne Bücher, Notizblöcke und Stift. An der Universität für Angewandte Kunst in Wien und in Göteborg studierte sie Grafikdesign, in Innsbruck Management. Nach längeren Auslandsaufenthalten arbeitet sie nun als freie Schriftstellerin und Grafikdesignerin in Österreich. Für ihre grafischen Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet. 2014 nahm sie ein Sabbatical, um sich in New York, Peru, Island, Italien und Südfrankreich ganz ihrem ersten Roman „Sophie im Narrenreich“ zu widmen. 2015 erhielt sie das Mira-Lobe-Stipendium für Kinder- und Jugendliteratur.
Bewertung:
Das Cover ist voller Farbenpracht, die mit der rubbeligen Aufmachung des Buchdeckels prima zur Geltung kommt. Dennoch könnte das Motiv passender gewählt sein, in meinen Augen. Auf jeden Fall haben die Personen darauf Wiedererkennungswert in der Geschichte. Der Titel passt hervorragend. Man merkt schon am Klappentext, dass das Buch kein 08/15-Abenteuer enthält. Allerdings finde ich den Klappentext nicht recht gelungen, was sich erst nach der Hälfte des Buches sagen lässt. Ich finde es etwas unglücklich und fehlerhaft beschrieben.
"Fürchte dich und geh nicht weg, sonst entführet dich der Menschenschreck!"
(Seite 20)
Ich konnte mich sofort auf diese Welt der Klänge und Töne einlassen, ich habe mich sogar sehr gefreut, mal was anderes an Abenteuer und Welten zu lesen. Gerade der Anfang ist sehr poetisch geschrieben, das finde ich klasse. Ich mag ja den poetischen Schreibstil von Geschichten. Diese Erzählart verläuft sich im Laufe der Geschichte, bleibt aber dennoch unterschwellig vorhanden. Der Schreibstil ist sehr flüssig und ließ mich trotz anspruchsvollen Erzählstil durch das Buch fliegen. Wenn man sich die Überschriften der Kapitel vor dem Lesen anschaut, glaubt man zum Teil, Kauderwelsch zu lesen. Neben Namen und Orten ergeben viele Wörter gar keinen Sinn. Aber natürlich versteht man diese, wenn man sich in den jeweiligen Kapiteln befindet. Ich fand es aber interessant, welche Wahrnehmung ich vor dem Lesen hatte.
"Man kann nur von dem lernen, der das, was er tut, gern tut", hatte Noés Freundin Minu einmal zu ihm gesagt.
(Seite 7)
Die Autorin hat es geschafft, eine unglaubliche Anderswelt zu erschaffen. Sie ist rundum anschaulich mit Klängen, Tönen, Klanggabeln, Klangsog und weiteres präsentiert. Schon direkt zu Beginn der Erzählung bin ich in diese neue und fantastische Welt eingetaucht. Was mir sehr gut neben der eigentlichen Grundidee gefällt, ist, dass sie so authentisch erschaffen wurde. Es tauchen nicht plötzlich nicht-zusammenhängende Sachen in dieser Welt auf, die einen stutzig werden oder aus dieser ziehen lassen. Alles ist von vorn bis hinten durchdacht und durchzogen mit Klängen und Tönen. Eine kleine Vorstellung davon? Zum Beispiel bekommt man Tees nur mit entsprechenden Klanggabeln mit verschiedenen Düften und Geschmäcker. Die Heilkräuter gibt es ebenfalls als Klanggabeln. Alles existiert durch sie. Man ersetze unsere Technologie durch Klanggabeln und unsere Seele durch einen eigenen Klang. Da bekommt man die Vorstellung von dieser Welt. Die Autorin hat, was das Setting und die Ausstattung der Grundidee angeht, an alles gedacht. Es wirkt so realistisch. Da fiel das Eintauchen in diese Welt gar nicht schwer.
"Geht es sich noch aus?", fragte ihn der Händler und deutete mit dem Kinn zum Himmel.
"Was, wenn ich Nein sage?", fragte der Fischer.
"Dann fahren wir trotzdem", sagte der Händler kurz.
"So kenne ich dich", sagte der Fischer, und sie stiegen ein.
(Seite 78)
Die Charaktere gefallen mir allesamt sehr gut. Der Händler wird mir mehr oder weniger zu schnell weich Noé gegenüber. Das finde ich doch etwas zu salopp, aber ansonsten finde ich die Haupt- und Nebencharaktere sehr gelungen und überzeugend dargestellt. Im Grunde gibt es zwei große Abenteuer, neben den kleinen Herausforderungen für Noé, die das Buch in einen Handlungsstrang wiedergibt. Es gibt währenddessen ein paar Unebenheiten in der Erzählung und manches ist für mich zu einfach konstruiert. Aber man muss bedenken, dass die Autorin das Buch für ein Alter ab 10 Jahren geschrieben hat. In diesem Alter finde ich die Einfachhaltung realistisch. Gleichaltrige wie Noé und Minu nehmen sicher keinen Anstoß an Kleinigkeiten und moralischen Fragen, wie ich es als Erwachsene tue. Das Ende ist mir aber leider doch was zu schnell, zu einfach und zu verschönt gestrickt. Hier wirkt es auf mich, als ob nicht mehr genug Zeit für ein ausgeschriebenes Ende blieb. Das finde ich sehr schade.
Fazit:
Eine tolle Anderswelt voller Klänge und Töne mit einem andersartigen Erzählstil und einer andersartigen Grundidee. Ich halte es als Kinderbuch zu speziell bzw. zu hoch gegriffen in der Geschichte. Ich würde es eher jungen Jugendlichen ab 12 Jahren empfehlen. Die Sprache ist teilweise poetisch und auch sonst nicht einfach gehalten. Mir gefällt es sehr, nur zweifle ich daran, dass das alle 10 Jährige so sehen. Es könnte für diese etwas unverständlich und anstrengend sein. Originell, einfallsreich und fantastisch lässt sich das Buch beschreiben.
"Dein Lebensglück ist wie ein Vogel, den du liebst. Du nährst ihn mit den Körnern deines Herzens und tränkst ihn mit dem Licht deiner Ohren."
(Seite 110)