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Veröffentlicht am 17.08.2020

Wo Rauch ist, ist auch Feuer

Dort, wo die Feuer brennen
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Der neue Roman von Astrid Töpfner entführt den Leser diesmal nach Spanien, dort wo die gebürtige Schweizerin selbst seit 2005 lebt.
Die 28jährige Soledad arbeitet bei einer Eventagentur in Berlin. Sie ...

Der neue Roman von Astrid Töpfner entführt den Leser diesmal nach Spanien, dort wo die gebürtige Schweizerin selbst seit 2005 lebt.
Die 28jährige Soledad arbeitet bei einer Eventagentur in Berlin. Sie ist ein Workaholic und steht kurz vor einer Beförderung. Ihre Vergangenheit in Spanien hat sie hinter sich gelassen und versucht sie zu verdrängen. Die Nächte verbringt sie in Bars und Clubs. Mithilfe von Pillen und Energydrinks putscht sie sich Tag für Tag und Nacht für Nacht auf um all den Anforderungen gewachsen zu sein und nicht zu grübeln. Ihr Verlobter kann ihre Selbstzerstörung nicht mehr länger mitansehen und verlässt sie. Kurz vor der heiß ersehnten Beförderung knockt sie ein Unfall aus. Im Krankenhaus kann sie nicht zu den geliebten Aufputschmitteln greifen und zu Hause langweilt sie sich. Kurzfristig bucht sie einen Flug in ihre Heimat und versucht sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Doch nicht alle sind begeistert Soledad wiederzusehen....

Dies ist mein dritter Roman der Autorin. Immer wieder begeistert sie mich mit ihrem wundervollen Schreibstil, der einem in ihre Geschichte vollkommen eintauchen lässt. Mit "Wo die Feuer brennen" hat sie diesmal einen sehr atmosphärischen und wieder wahnsinnig bildhaften Roman geschrieben, der in die Tiefe geht. Nur in der Mitte hatte ich einen kleinen Hänger, aber ich denke ich war zu sehr abgelenkt und konnte mich zu wenig auf die Geschichte konzentrieren. Beim Weiterlesen war ich dann so im Flow, dass ich das Buch in einem Rutsch ausgelesen habe.

Neben dem Hauptstrang in der Gegenwart gibt es auch immer wieder Rückblenden ins Jahr 1992 und Soledads Jugend. Man lernt ihre Eltern und Geschwister kennen, sowie ihre kleine Freundesclique. Ein weiterer Erzählstrang berichtet aus dem Jahr 1970 und der jungen Eva.
Die oftmals melancholische Stimmung im Roman drückt auch Soledads Wahrnehmung in ihrer Heimat aus. Sie fühlt sich schuldig und kann sich trotzdem nicht daran erinnern, was damals eigentlich passiert ist und was der Grund war, dass die Spanien fluchtartig verlassen und ein neues Leben in Berlin angefangen hat. Ihre Verdrängung und ihr Selbstschutz lahmen sie und trotzdem versucht sie der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Intrigen, Hass, Eifersucht und Liebe sind die Hauptthemen. Die verschiedenen Emotionen werden dem Leser nahe gebracht.
Mehr möchte ich nicht verraten, denn genau die Aufdeckung von Sols Vergangenheit und die Erzählkunst der Autorin machen diesen Roman aus.

Schreibstil:
Astrid Töpfner schreibt ausdrucksstark, gefühlvoll und fesselnd. Ihre großartige Sprache und das Können die Figuren und die Landschaften so bildhaft vor meinem inneren Auge darzustellen ist großartig.Die Figuren sind lebendig und mitten aus dem Leben gegriffen. Die Nebenfiguren bleiben lange Zeit undurchschaubar und man fragt sich beim Lesen wer hier mehr über die Hintergründe Bescheid weiß.... Wer verheimlicht etwas? Und warum fühlt sich Soledad schuldig?

Fazit:
Eine tiefgründige Geschichte über Verlust und Schuldgefühle, wie einige kleine Begebenheiten zu einem Großen werden und innerhalb kurzer Zeit ein ganzes Leben verändern können. Eine wunderschöne melancholische Story, die ich gerne weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 03.08.2020

Eine bewegende Geschichte über die Praktiken in einem Sanatorium

Die Tochter des Arztes
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Dieser Roman von Kathryn Hughes hat mich mehr als positiv überrascht. Cover und Titel vermitteln eine ganz andere Story, als ich sie lesen durfte.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, einmal im Jahr ...

Dieser Roman von Kathryn Hughes hat mich mehr als positiv überrascht. Cover und Titel vermitteln eine ganz andere Story, als ich sie lesen durfte.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, einmal im Jahr 1959 und im Jahr 2006. Der Schauplatz ist das Sanatorium in Ambergate nahe Manchester in Großbritannien.

2006 ist das Sanatorium nur mehr eine Ruine. Sarah Charlton interessierte sich schon immer sehr für die Geschichte um Ambergate. Ihr Vater war vor Jahrzehnten dort als Arzt tätig, schweigt aber beharrlich über diese Zeit. Das erweckt Sarahs Neugier nur noch mehr. Sie verschafft sich regelmäßig Zugang zum Lost Place, der bald abgerissen werden soll. Eines Tages entdeckt sie tatsächlich auf einen der Dachböden mehrere Koffer. Einer davon erweckt ganz besonders ihr Interesse. Und so versucht Sarah mehr über die Person, der der Koffer gehörte, zu erfahren...

Der Vergangenheitsstrang nimmt einen Großteil des Romans ein. Zu dieser Zeit beginnt die junge und engagierte Ellen Crosby ihre Ausbildung als Krankenschwester in Ambergate. Sie ist entsetzt über die oft mittelalterlich anmutenden Behandlungsgmethoden an vielen Langzeitpatienen.

Am selben Tag, als sie ihre Arbeit beginnt, wird ein junges Mädchen, Amy Sullivan, von ihrem Vater im Santoriumn untergebracht, die völlig gesund erscheint. Sie leidet unter dem Tod der Mutter und ihr Vater weiß sich nicht anders zu helfen, als sie ins Sanatorium zu stecken. Viele der Insassinnen wurden, wie diese junge Frau, von ihrer Familie nach einem tragischen Vorfall einfach "abgeladen" und/oder für verrückt erklärt. Frauen, die als Hysterikerinnen oder wegen eines Fehltrittes in der Familie zu dieser Zeit als unzumutbar abgeschoben wurden - und das vor gerade mal sechzig Jahren!!

Mit Ellen verbringen wir den Klinikalltag und erfahren so mehr über die Insassen und ihre Schicksale. Als sich Ellen mit Dougie anfreundet, der als Pfleger in der Männerabteilung arbeitet, erhalten wir auch einen kleinen Einblick in die Schicksale der männlichen Insassen, die vorallem aus Kriegstraumatiserenden besteht.

Das schwere Los mancher Frauen ging mir sehr zu Herzen. Die oftmals fragwürdigen Heilungsmethoden und die rigorose Art der Pflegerinnen und Ärzte nimmt einem beim Lesen oft die Luft zum Atmen.

Als sich die Ereignisse im letzten Viertel immer mehr zuspitzen, wechselt die Autorin öfters die Zeiten, was die Spannung erhöht.

Charaktere:
Die Charaktere sind vielfältig und facettenreich dargestellt. Vorallem Amy bleibt undurchschaubar. Der Autorin gelingt es mit überraschenden Wendungen vorzüglich Amy einmal als Opfer und dann wieder als Täterin darzustellen. Als Leser rätselt man bis zum Schluss, ob die junge Frau gesund oder psychisch krank ist.

Ellen hat das Herz auf den rechten Fleck und hinterfragt die Methoden, die in Ambergate Gang und Gäbe sind. Sie sieht in den Patienten noch Menschen mit schweren Schicksalen und versucht ihnen zu helfen, während die langjährigen Pflegerinnen oftmals völlig abgestumpft sind.

Einzig Sarah blieb mir etwas zu blass, aber ihr Part ist auch wesentlich reduzierter im Vergleich zu Ellens. Ich konnte mich zwar gut in ihre Figur hineinversetzen, aber ich fand nicht wirklich eine Bindung zu ihr.

Fazit:
Ein bewegender und erschütternder Roman, der mich positiv überraschte. Ich konnte den Roman kaum aus der Hand legen und empfehle die Geschichte gerne weiter.

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Mordserie im Saarland

Zappeduschder
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Von der Autorin habe ich bisher ihren Thriller "Hillmoor Cross" unter ihrem Pseudonym Shannon Crowley gelesen, den ich mit fünf Sternen bewertet habe und richtig gut fand. Unter ihrem Klarnamen schreibt ...

Von der Autorin habe ich bisher ihren Thriller "Hillmoor Cross" unter ihrem Pseudonym Shannon Crowley gelesen, den ich mit fünf Sternen bewertet habe und richtig gut fand. Unter ihrem Klarnamen schreibt die Autorin Krimis, die nicht minder spannend sind.

"Zappeduschder" ist der zweite Teil um ihre Kriminalkommissarin Kristina Herbich, die nicht unbedingt zu den sympathischten Ermittlern gehört. Da ich aber Band 1 "Tod im Fichtelgebirge" nicht kenne, kann es auch daran liegen. Mit ihrem Kollegen versteht sie sich gut, aber die Zusammenarbeit ist trotzdem etwas distanziert.
Kurz vor Kristina Herbichs geplanten Urlaub passiert ein spektakulärer Mord in einer Bayreuther Tanzbar. Ein Mann wird mit einem vergifteten Brieföffner erstochen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Konrad Breuer nimmt sie die Ermittlungen auf. Unter den Gästen des Lokals ist auch ein gewisser Philipp, der als Kurgast in der Stadt ist. Obwohl gar nicht ihre Art, verliebt sich Kristina in den Mann aus dem Saarland und die beiden tauschen ihre Nummern aus. Da ihr Kollege alleine mit dem Mordfall zurechtkommt, nimmt Kristina ihren geplanten Urlaub und ist auch schon auf den Weg zu Philipp ins Saarland. Auf einer Autobahnraststätte spricht sie ein Mädchen an, das gerne ein Stück mitfahren würde. Ihre pampige Art schreckt Kristina ab und außerdem nimmt sie generell keine Autostopper mit. Kurze Zeit später wird die Leiche der jungen Frau gefunden. Kristina macht sich Vorwürfe und das schlechte Gewissen nagt an ihr. Als Zeugin muss sie bei ihrem Kollegen vor Ort aussagen. Dieser nutzt die Chance und bittet sie um Mithilfe. Kristina forscht nach und findet dabei herraus, dass in letzter Zeit einige junge Frauen, die trampten, in der Gegend verschwunden sind. So wird der geplante Urlaub bald wieder von Arbeit überschattet.....

Jacqueline Lochmüller erzählt ihren Saarlandkrimi in mehreren Erzählsträngen. Neben den Ermittlungen, die Breuer in Bayreuth führt, soll Kristina vor Ort ihrem Kollegen helfen. Zusätzlich begleiten wir einige junge Tramperinnen und eine alte Dame in einem Seniorenheim, die lange Rätsel aufgibt.
Die Spannung ist von Beginn an hoch und endet in einem fulminaten Showdown, der keine Fragen offen lässt.

Schreibstil:
Die Autorin schreibt fesselnd und mit viel Lokalkolorit. Die Charaktere sind lebendig und facettenreich beschrieben. Auch wenn nicht alle richtig sympathisch sind, wirken sie authentisch.

Fazit:
Ein facettenreicher und spannender Krimi mit viel Lokalkolorit, dem es nicht an Nervenkitzel mangelt. Ich werde mir nun auch Band Eins kaufen und lesen, denn die Reihe scheint vielversprechend.

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Halali im Darknet

Das Spiel – Es geht um Dein Leben
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Auf Instagram habe ich vom Morawa Verlag in Wien das Vorabexemplar zu "Das Spiel" gewonnen. Vielen herzlichen Dank! Unter dem Pseudonym Jan Beck versteckt sich der österreichische Autor Joe Fischler, der ...

Auf Instagram habe ich vom Morawa Verlag in Wien das Vorabexemplar zu "Das Spiel" gewonnen. Vielen herzlichen Dank! Unter dem Pseudonym Jan Beck versteckt sich der österreichische Autor Joe Fischler, der hier einen Thriller abgeliefert hat, der im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht. Genau dort befindet sich nämlich bei einigen Menschen ein Skorpion-Tatoo, das nur bei UV-Licht sichtbar wird. Keiner der Personen, weiß darüber Bescheid oder sie entdecken es zufällig, wie die 14jährige Mavie, die bei einer Party plötzlich von ihren Mitschülern umringt wird. Noch ahnt sie nicht, dass sie damit zur Zielscheibe eines perfiden Spiels wird. Denn im Darknet ist das Jagdfieber ausgebrochen. Der todkranke Journalist Werner Krakauer wittert endlich eine Story, die ihn über seinen Tod hinaus berühmt werden könnte. Er loggt sich ebenfalls ins Darknet ein und will als vermeintlicher Mitspieler der Sache auf den Grund gehen. Doch so einfach, wie er sich denkt, läuft das nicht....

Von Joe Fischler habe ich bereits einige Teile seiner Valerie Mauser Krimis gelesen, die mir aber im Laufe der Zeit zu humorig wurden. Bei "Das Spiel" ist das ganz bestimmt nicht der Fall, deshalb auch das Pseudonym...denke ich. Mit diesem Thriller reiht sich Joe Fischler/Jan Beck in die Riege der deutschsprachigen Thrillerautoren ein, wie Andreas Winkelmann oder Max Bentow.

Obwohl man von der ersten Seite an im Spiel ist, ist der Thriller zu Beginn etwas verwirrend, denn es gibt jede Menge Figuren und Handlungsorte. Doch mit der Zeit ist dies kein Problem mehr. Mit Christian Brand, der zum österreichischen Einsatzkommando Cobra gehört und der Schwedin Inga Björk, die bei Europol ermittelt, hat der Autor ein interessantes Pärchen erschaffen, welches wohl noch weiter in Reihe ermitteln darf. Brand wird als Aufpasser für Björk zu Europol geholt, die zuvor bei einer Ermittlung ihre Partnerin verloren hat. Erst mit der Zeit erfährt er was eigentlich Sache ist und welchen Fall er zugeteilt wurde.
Inga Björk ist eine spannende Frau, die eine interessante Vergangenheit hat. Zusätzlich hat sie eine ganz besondere Eigenschaft: sie ist ein Super-Recognizer - ein Mensch, der sich ein Gesicht, das er nur einmal gesehen hat, für immer merkt und es erkennt.
Neben dem Ermittlerpaar verfolgen wir noch Mavie in Hamburg und den Journalisten Werner Krakauer, aber auch die Psychotherapeutin Marlies Bauer und einige zukünftige Opfer. Als Leser erleben wir die Handlung aus der Sicht der Jäger, der Gejagden und der Ermittler und die sind oftmals nichts für schwache Nerven.
Das Ende ist blutig und ein richtiges Finale....fast ein bisschen too much. Ich bin gespannt, wie es mit der Reihe weitergehen wird und werde sie auf jeden Fall weiter verfolgen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist, verglichen mit den Veilchen-Krimis, komplett anders und man hat wahrlich das Gefühl hier schreibt nicht derselbe Autor, was aber auch dem Genre zuzuführen ist. Es wird brutal und spannend. Die Figuren und Orte sind sehr lebendig beschrieben, was ich bereits vom Autor kenne.
Ständige Ortswechel, Zeitangaben, sowie Datum und Name des Protagonisten stehen zu Beginn jedes Kapitels. Diese sind eher kurz gehalten und fordern dazu auf immer noch ein weiteres Kapitel zu lesen. Der Spanungsbogen ist von Anfang an hoch und bleibt auf diesem Niveau.

Nicht passend finde ich das Cover. Der Skorpion ist im ganzen Buch über Thema und hätte als Cover viel besser gepasst, als eine Eule. Sicher ist die Eule auch Jägerin im Dunkeln...trotzdem hätte ich den Skorpion besser gefunden.

Fazit:
Ein spannender und brutaler Thriller, der die menschlichen Abgründe in uns aufzeigt. Der Plot fesselte mich wahrlich ans Buch, das mit grausamen Details nicht spart. Ich werde diese Reihe auf jeden Fall weiterverfolgen.

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Veröffentlicht am 17.07.2020

Drei Frauen, drei Generationen, drei Schicksale

Nebelkinder
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Nebelkinder" - die Kinder von Kriegskindern aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Begriff, den ich noch nicht kannte und mich trotzdem beschreibt, auch wenn ich kein Kriegsenkel bin. Meine Eltern erlebten als ...

Nebelkinder" - die Kinder von Kriegskindern aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Begriff, den ich noch nicht kannte und mich trotzdem beschreibt, auch wenn ich kein Kriegsenkel bin. Meine Eltern erlebten als junge Menschen den Krieg und mein Vater wurde mit 17 Jahren eingezogen. Sie heirateten 1945, als mein Bruder geboren wurde, der ganze 21 Jahre älter ist als ich. Da ich ein großer Nachzügler bin, wusste ich nun nicht, ob ich ebenfalls ein "Nebelkind" bin oder nicht... Umso mehr interessierte mich der Roman von Stefanie Gregg, der sich mit diesem Thema beschäftigt und einige Verhaltensweisen dieser Generation aufzeigt, die sie an ihre Nachkommen unbewusst weitergegeben haben. Mein Dank gilt der Autorin, die mir ihr Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Anhand der Geschichte von Käthe und ihren Töchtern Anastasia und Helene, die aus Breslau flüchten müssen, als die Russen bereits auf Vormarsch sind, erleben wir die letzten Monate des Krieges mit. Doch der Roman erzählt nicht nur von dieser Flucht, sondern von Käthes Leben zuvor, von Ana, die in München ansäßig wird und von ihrer Tochter Lillth, die vor einer großen Entscheidung steht.
In vielen Sätzen und Handlungsweisen erkannte ich in Ana auch meine Mutter wieder. Eine Generation, für die nach dem Krieg Sicherheit vor Liebe kam und die den Wunsch hatten, dass es ihren Kindern einmal besser gehen sollte...allerdings zu ihren eigenen Bedingungen.
Großes Thema ist ebenfalls das Schweigen über die Zeit während des Krieges und die Unfähigkeit Gefühle weiterzugeben...einem zu umarmen oder zu sagen, dass man sein Kind liebt. Auch Lilith leidet darunter und ist beziehungsunfähig geworden. Als sie vor einer wichtigen Entscheidung steht, versucht ihre Mutter Ana(stasia) ihr endlich mehr über die Zeit der Flucht und des Wiederaufbaus zu erzählen. Gemeinsam fahren sie nach Breslau und als Leser erfährt man durch nicht immer chronologischen Rückblicke in die Vergangenheit was damals passierte....

Drei Frauen, drei Generartionen und drei Schicksale. Käthe kommt aus guten Haus und wird früh verheiratet. Doch sie hasst ihren um Jahre älteren Mann und verliebt sich in Ludwig. Sie setzt alles daran eine Scheidung durchzubekommen, was zu dieser Zeit gleichbleibend mit Verlust des Ansehens und dem Ausschluss aus der Gesellschaft einherging. Mit Ludwig hat sie den Mann ihres Lebens gefunden, der allerdings auch anderen Frauen nicht abgeneigt ist. Als der Krieg beginnt und er eingezogen wird, versucht Käthe mit Ana und Lenchen über die Runden zu kommen, muss aber kurz vor Kriegsende fliehen. Auf dieser Reise passiert so einiges, was Käthe und ihre Töchter für immer verändern wird.

Die Erzählungen darüber sind grausam und doch Teil dieser schrecklichen Zeit und jeden Krieges. Ganz besonders erschüttert hat mich ein Brief an Käthe von ihrer Freundin Agnes, die in Breslau geblieben ist und durch die Rote Armee Schreckliches erdulden musste. Man fragt sich, wie ein Mensch jemals über diese Grausamkeiten hinwegkommen kann... ich denke gar nicht. Auch Käthe erlebt ein Trauma, das besonders Anas Leben nachhaltig verändert, denn auch in der Nachkriegszeit in München liegt die ganze Verantwortung auf ihren Schultern. Die depressive Käthe kümmert sich um nichts und Ana muss sich nicht nur um Lebensmittelmarken kümmern, sondern auch um Leni, die zu rebellieren beginnt.
Erst durch den Besuch in Breslau und Anas Erzählungen beginnt sich die Mutter-Tochter Beziehung etwas zu lockern und die Zusammenhänge zwischen den Generationen werden sichtbar. Ein Roman, der uns Kriegskinder und Kriegsenkel einiges zum Nachdenken aufgibt.

Charaktere:
Für Käthe empfand ich nicht wirklich Sympathie, auch wenn sie vor der Flucht eine starke Frau war, die Durchsetzungsvermögen hatte und bereits ihrer Zeit voraus war. Doch mit Kriegsende hat sie sich in Depressionen verloren und alles auf die Schultern ihrer Tochter geladen.Ich mag es nicht, wenn Erwachsene Kinder zwingen die Verantwortung zu übernehmen, die eigentlich ihnen zusteht.

Ana(stasia) wird durch die Flucht und das Verhalten ihrer Mutter schneller erwachsen, als ihr lieb ist. Sie trägt das Gewicht der traumatisierten Käthe auf ihren Schultern und muss die Versorgung ihrer kleinen, rebellischen Schwester übernehmen. Für Ana steht fortan Sicherheit an erster Stelle, was sich auch auf ihre Männerwahl auswirkt, aber auch in der Beziehung zu ihrer Tochter Lilith, die kaum von Wärme geprägt ist.

Robert ist Lilith's große Liebe, doch der kann sich nicht binden und heiratet später eine andere. Trotzdem kommt er immer wieder zu Lilith zurück und bittet sie eines Tages seinen unehelichen Sohn aufzunehmen. Die Mutter sei gestorben und seine Frau weigert sich Aaron ein Zuhause zu geben. Lilith ist vor den Kopf gestoßen. Ihre Mutter, die ihr nie große Gefühle gezeigt hat, bittet sie dem Kind eine Chance zu geben...

Schreibstil:
Stefanie Gregg erzählt sehr einfühlsam und eindringlich, aber auch teilweise sehr poetisch - trotz des schwierigen Themas. Der Roman ist Teil ihrer eigenen Familengeschichte.
Ich habe mit den Frauen mitgelitten, trotzdem kam ich ihnen nicht immer wirklich nahe. Obwohl ich bei der erwachsenen Ana viele Ähnlichkeiten zu meiner eigenen Mutter fand, waren mir alle drei Frauen nicht so wirklich sympathisch, was man bei der Charakterdarstellung oben auch rauslesen kann.

In einem erklärenden Nachwort erzählt die Autorin mehr über den Begriff "Nebelkinder" und warum dieses Buch entstand.

Fazit:
Ein berührendes Portrait einer Generation von Frauen, die Schlimmes durchmachen mussten und deren Erlebnisse bis heute in ihren Nachkommen nachhallen, den sogenannten "Nebelkindern". Ein Buch für ein besseres Verständnis, das noch lange nachwirkt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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