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Veröffentlicht am 28.07.2020

Hübsche Vater-Sohn-Geschichte

Pandatage
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Die gebundene, 384-seitige Ausgabe mit der ISBN 978-3-462-05364-7 kostet 20.00 € und erschien am 2. Mai 2020 bei Kiepenheuer & Witsch. Übersetzt aus dem Englischen von Stephan Kleiner.

Meinung
Das Cover ...

Die gebundene, 384-seitige Ausgabe mit der ISBN 978-3-462-05364-7 kostet 20.00 € und erschien am 2. Mai 2020 bei Kiepenheuer & Witsch. Übersetzt aus dem Englischen von Stephan Kleiner.

Meinung
Das Cover wurde sehr sparsam, aber freundlich gestaltet, sodass man zweimal hinschauen muss. Weder der Titel noch das Motiv lassen auf den ersten Blick erkennen, worum es geht. Aber genau wie meine Mitleser und Mitleserinnen war auch ich zu tiefst berührt, sodass ich an einigen Stellen wirklich schlucken musste, obwohl der Autor gar nicht auf die Tränendrüse drückt. Beschrieben wird im wahrsten Sinne des Wortes eine rührselige Vater-Sohn-Beziehung, die von einem Schicksalsschlag überschattet wird. Beide müssen mit dem Verlust einer geliebten Person fertig werden. Der untalentierte Vater muss seinen Sohn und sich irgendwie über Wasser halten. Probleme, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben, über die aber im Allgemeinen nicht geredet wird. Dem Autor ist es gelungen, dass ich die Protagonisten lieb gewonnen und in mein Herz geschlossen habe. Am liebsten wäre ich in das Buch hineingehüpft und hätte den beiden so gerne geholfen. Ohne Kitsch, dafür mit viel warmherzigen Humor, wird jedes denkbar unlösbare Problem gelöst. Ein komisches, modernes Märchen, etwas skurril und schräg, aber absolut lesenswert. Not macht bekanntlich erfinderisch, und so meistern die beiden Helden tapfer ihr Schicksal.

Fazit
4 Sterne für die Idee, den Humor, den Schreibstil und das tolle Cover.


© 07/2020 MAD-Moiselle | Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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Veröffentlicht am 04.07.2020

Informativ, aber zu schwer für den Rucksack

HOLIDAY Reisebuch: Wo Deutschland am schönsten ist
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Die Marke HOLIDAY bei Gräfe und Unze startete 2014 mit dem Titel »Die schönsten Wochenendtrips«, der in der Vorweihnachtszeit zum Bestseller avancierte. Im Herbst 2015 folgten sechs weitere Reisebücher, ...

Die Marke HOLIDAY bei Gräfe und Unze startete 2014 mit dem Titel »Die schönsten Wochenendtrips«, der in der Vorweihnachtszeit zum Bestseller avancierte. Im Herbst 2015 folgten sechs weitere Reisebücher, die in ansprechender Gestaltung vielfältige Themen neu und anders vorstellen.

Thema
1.000 Möglichkeiten, in Deutschland seine freie Zeit auf vergnügliche Weise zu verbringen. Bundesland für Bundesland, in pointierten Texten und zahlreichen Fotos. Nirgendwo entdeckt man mehr als vor der eigenen Haustür, und es gibt kaum ein Land, das auf kürzere Entfernung stärkere Kontraste bietet. Uraltes steht neben Brandneuem, barocke Schnörkel wechseln mit klaren Kanten.

Meinung
Dieser umfangreiche Freizeitführer ist für zu Hause gedacht, um sich auf einen Ausflug oder einen Wochenendtrip vorzubereiten und einzustimmen. Der Reiseführer kann sich neben Baedeker und Marco Polo sehen lassen, ist aber nicht unbedingt für den Rucksack geeignet, dafür ist er zu schwer, aber das Buch passt in jedes Autohandschuhfach. Aus NRW stammend habe ich natürlich alle vor meiner Haustüre liegenden Tipps intensiv betrachtet. Laut diesem Buch habe ich nicht viel verpasst, das meiste habe ich gesehen, das eine oder anderen Ausflugsziel habe ich sogar vermisst. Was die Bebilderung und den Informationsgehalt betrifft, kann ich mich nicht beklagen. Alle Sehenswürdigkeiten, Hotels und Restaurants wurden gut in Szene gesetzt. Als Reiseführer zum Mitnehmen ist mir das Buch jedoch zu umfangreich, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Bochumerin einen Tagesausflug nach Bayern mache, oder umgekehrt - dass ein Bayer einen Tagesausflug nach Schleswig-Holstein macht, halte ich für schwindend gering. Okay, außer man besitzt einen VW-Bus oder ein Wohnmobil, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Darum plädiere ich dafür, jedes Bundesland als eigenständiges Buch herauszugeben. Das wäre zwar in der Produktion und Herstellung aufwendiger, für mich als Verbraucher aber auf den ersten Blick günstiger, was natürlich auch nicht wahr ist, aber ist ja jetzt auch egal ... jedenfalls wäre das Buch dann schmaler und leichter und hätte endlich Platz im Rucksack oder in der Handtasche. Dies ist keine boshafte Kritik, lediglich eine konstruktive Anregung. Was Reiseführer angeht, bin ich nämlich Expertin. Außerdem habe ich bei den Übernachtungsmöglichkeiten ein Verzeichnis der Jugendherbergen und Suppenküchen vermisst.

Fazit
Zahlreich bebildert und informativ stellt die Reihe HOLIDAY nicht wirklich etwas Neues dar, sie erweitert lediglich das Repertoire von GU, eine Marke, die allgemein für Koch- und Sachbücher bekannt ist. Das quadratische Format erinnert an die Marke. Dass die Serie zu Beginn der Sommerferien neu vermarktet wird, finde ich vom Verlag ein gutes Timing. Das 480-seitige, broschierte Sachbuch mit der EAN 978-3-8342-3262-5 kostet 15.00 € und erschien am 1. Juli 2020 im HOLIDAY-Verlag. Das Preisleistungsverhältnis ist top.

Gut zu wissen!
Axel Klemmer, Jahrgang 1963, hat Geografie studiert und als gebürtiger Berliner den Süden der Republik mit dem Mittelpunkt München zur zweiten Heimat gewählt. Er schreibt für Zeitungen und Fachmagazine und ist Autor zahlreicher Reiseführer und Publikationen über Deutschland, Österreich und die Schweiz.


© 06/2020 MAD-Moiselle | Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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Veröffentlicht am 18.11.2020

ich bin (peinlich) berührt

All das Ungesagte zwischen uns
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Rezension zu »All das Ungesagte zwischen uns« von Colleen HooverDiesen Frauenroman habe ich im Rahmen einer Buchverlosung auf Netgalley gewonnen. Die broschierte, 448-seitige Ausgabe mit der EAN 978-3-423-23022-3 ...

Rezension zu »All das Ungesagte zwischen uns« von Colleen Hoover

Diesen Frauenroman habe ich im Rahmen einer Buchverlosung auf Netgalley gewonnen. Die broschierte, 448-seitige Ausgabe mit der EAN 978-3-423-23022-3 kostet 14.90 € und erschien am 23. Oktober 2020 bei BOLD im dtv-Verlag. Übersetzt aus dem Englischen von Katarina Ganslandt.

INHALT
Ein tragischer Unfall verändert von einer Sekunde auf die andere Morgans Leben und entlarvt, dass ihr bisheriges Leben auf Lügen basierte. Gleichzeitig entgleitet ihr ihre Tochter Clara immer mehr: Sie trifft sich heimlich mit einem Jungen, von dem sie weiß, dass ihre Mutter ihn nicht an ihrer Seite sehen möchte. Halt findet Morgan in dieser schweren Zeit ausgerechnet bei dem einen Menschen, bei dem sie keinen Trost suchen sollte.

MEINUNG
Das Cover wirkt auf mich persönlich sehr verwirrend, dafür sprach mich der Titel und die Inhaltsangabe umso mehr an. Der Schreibstil ist zeitnah und einfühlsam, sodass sich vor allem ein junges Publikum angesprochen fühlen wird. Ich persönlich fand relativ schnell in die Geschichte und Handlung hinein, wobei ich allerdings vorwegnehmen möchte, dass es für mich eine vorhersehbare Geschichte war. Die Charaktere wirken authentisch und lebendig, aber warm geworden bin ich trotzdem nicht mit ihnen. Ich bin völlig anders erzogen worden und konnte mich daher weder mit der Mutter anfreunden noch mit der Tochter identifizieren. So vielversprechend der Roman auch begann, so langatmig entwickelte er sich.

Hier geht es um das Verhältnis zwischen einer Helikoptermutter und ihrer 17-jährigen pubertierenden Tochter. Beide haben es nicht leicht. Nun, niemand hat jemals behauptet, dass das Leben leicht sei, das wäre ja auch gelacht. Nach 50 Seiten war ich regelrecht genervt und neigte dazu, das Buch beiseite zu legen. Das Setting widerte mich ebenfalls an, fühlte mich in meine eigene Kindheit zurückkatapultiert und wurde mit hässlichen Erinnerungen konfrontiert, die ich lieber für immer vergessen hätte, dadurch verschlechterte sich meine Laune erheblich. »All das Ungesagte zwischen uns« war kein vergnüglicher Literaturausflug für mich. Die Story ist mir emotional viel zu dick aufgetragen und psychologisch nicht tiefgründig genug ausgearbeitet. Irgendwie hatte ich mittendrin den Eindruck, dass die Autorin den Faden verloren hätte.

FAZIT
Gut geschrieben, aber der Inhalt konnte mich leider nicht erreichen. Bin wohl zu alt dafür.


© 11/2020 Tante-Inge | Alle Angaben sind ohne Gewähr

Veröffentlicht am 16.08.2020

Bigamie oder Bigotterie?

Das zweitbeste Leben
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Buchbesprechung zu »Das zweitbeste Leben« von Tayari JonesDiesen Roman habe ich im Rahmen einer Leserunde auf LOVELYBOOKS gewonnen. Die gebundene, 347-seitige Ausgabe mit der EAN 978-3-716-02783-7 kostet ...

Buchbesprechung zu »Das zweitbeste Leben« von Tayari Jones

Diesen Roman habe ich im Rahmen einer Leserunde auf LOVELYBOOKS gewonnen. Die gebundene, 347-seitige Ausgabe mit der EAN 978-3-716-02783-7 kostet 22.00 € und erschien am 24. Juli 2020 im Arche Literatur Verlag. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Britt Somann-Jung.

Mit der Eröffnungszeile »Mein Vater, James Witherspoon, ist ein Bigamist«, enthüllt Tayari Jones eine atemberaubende Geschichte über die Täuschung eines Mannes, die Komplizenschaft einer Familie und die in der Mitte gefangenen Teenager. Im Mittelpunkt stehen die beiden Mädchen, deren Leben auf dem Spiel steht, und wie die besten Schriftsteller porträtiert Jones die Zerbrechlichkeit ihrer Charaktere mit roher Authentizität, wenn sie Liebe suchen, Aufmerksamkeit fordern und versuchen, sich als Frauen vorzustellen. Der Roman spielt in den 1980er Jahren in einem bürgerlichen Viertel in Atlanta und dreht sich um James Witherspoons Familien: Die öffentliche und die geheime. Wenn sich die Töchter jeder Familie treffen und eine Freundschaft schließen, weiß nur eine von ihnen, dass sie Schwestern sind. Es ist eine Beziehung, die explodieren soll, wenn Geheimnisse enthüllt und Illusionen zerstört werden. Während Jones die Hintergrundgeschichten ihrer reichen und fehlerhaften Charaktere erforscht, offenbart sie auch die Freude und die Zerstörung, die sie einander ins Leben gebracht haben.


Meinung
Wie bereits an meiner Bewerbung unschwer zu erkennen ist, reagiere ich auf das Thema Bigamie sehr allergisch, darum hatte es mich gewundert, dass ich den Roman lesen durfte. Das Cover finde ich ansprechend. Zwei Silver Birds auf blutrotem Hintergrund. Einer der Vögel sitzt beobachtend auf einem Ast und ein weiterer breitet seine Flügel aus und entfaltet sich.

Objektiv betrachtet möchte ich erwähnen, dass die Autorin ihr Handwerk versteht. Stilistisch und vom Aufbau her ist ihr ein Roman gelungen, der sich gut lesen lässt und zum Nachdenken anregen soll, vielleicht löst er bei dem einen oder anderen Leser Sympathie und tiefe Gefühle aus, aber mich hat die Story subjektiv betrachtet nicht im Geringsten erreicht. Bei mir hat sie lediglich ein Kopfschütteln ausgelöst und darum bin ich auch nicht bereit, mir den Roman mit aller Gewalt schönzureden.

Möglicherweise neige ich auch dazu, mehr in die Geschichte hineinzuinterpretieren als der Autorin lieb ist. Und wenn ich dann auch noch Arche-Verlag lese, dann denke ich mir halt so meinen Teil. Und dieser Teil ist nicht angenehm. Ich frage mich nämlich, ob Tayari Jones das Thema Rassismus auf den Schultern der beiden Schwestern austrägt. Dana, die das zweitbeste Leben hinnehmen, sich verstecken, ihren Vater mit Sir anreden muss und sich keine Widerworte erlauben darf, steht stellvertretend für die Unterdrückten der zweiten Klasse.

Sowohl James, Danas Mutter als auch ihr Onkel verhalten sich in meinen Augen unmoralisch, fast schon asozial und kriminell. Das Thema Rassismus wurde hier sehr elegant verwoben. Dana muss auf der ganzen Linie zurückstecken. Eine Szene hat mich besonders stutzig gemacht: Die Frauen wollen genauso glatte Haare haben wie die weißen Amerikaner. Am liebsten möchten sie ihre Herkunft leugnen. Afroamerikaner mit heller Haut und glatten Haaren sind bessere Afroamerikaner. Michael Jackson war dann wohl der Beste von allen. Einige Leser werden nun Verständnis für die Protagonisten aufbringen, weil wir Deutschen können ja immer alles ganz genau nachvollziehen, uns in die Figuren hineinversetzen und mit ihnen fühlen. Aber seien wir doch mal ehrlich - was sich der Mister Witherspoon da erlaubt, das geht doch auf keine Kuhhaut! Führt sich auf wie ein masochistischer Patriarch. Das ist blanker Narzissmus. Eine rücksichtslose, unverantwortliche Zumutung. Und die Mutter duldet das? Was für eine Frechheit, die gehört genauso weggesperrt wie der James. Aber was soll man von einer Frau, die sich mit 14 Jahren schwängern lässt, auch anderes erwarten?

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sich das Thema Bigamie im übertragen Sinne auf Bigotterie bezieht. Der Mann tanzt auf zwei Hochzeiten. Ein Spagat, der nur sehr schwer zu bewältigen ist.


Fazit
Ich konnte für Danas Standpunkt und Neugierde überhaupt kein Verständnis aufbringen. An ihrer Stelle hätte ich viel früher rebelliert und meinen Vater mit dem Gesäß nicht mehr angeschaut. Ein gequirlter, an den Haaren herbeigezogener Blödsinn. Von mir gibt es keine Leseempfehlung, aber das ist auch nicht notwendig, denn die US-amerikanische Talkshow-Moderatorin Oprah Gail Winfrey hat bereits angekündigt, diesen Roman verfilmen zu wollen. Bevor man mich ausbuht und mit faulen Eiern bewirft, vergebe ich 3 von 5 möglichen Sternen: Zwei für die beiden Vögel auf dem Cover und einen für die gelungene Übersetzung.


Gut zu wissen!
Im Original erschien das Buch bereits 2011 und wird nun auf Deutsch nachgereicht, nachdem Tayari Jones 2018 mit ihrem sowohl von Oprah Winfrey als auch von Barack Obama gepriesenen vierten Roman »In guten wie in schlechten Zeiten« der Durchbruch gelungen war. Tayari Jones wurde 1970 in Atlanta geboren und studierte Englisch in Iowa, Georgia und Arizona. 2019 wurde sie mit dem Women's Prize for Fiction (bei Anmeldung für den Newsletter kann man dort ein mit 6 Büchern gefülltes Buchpaket gewinnen!) ausgezeichnet.


© 08/2020 MAD-Moiselle 🌼 Alle Angaben sind ohne Gewähr.

Veröffentlicht am 07.08.2020

Kinder an die Macht

Wir verlassenen Kinder
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Buchbesprechung zu »Wir verlassenen Kinder« von Lucia LeidenfrostDiesen literarisch anspruchsvollen Debütroman habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks gewonnen. Die 190-seitige, gebundene Ausgabe ...

Buchbesprechung zu »Wir verlassenen Kinder« von Lucia Leidenfrost

Diesen literarisch anspruchsvollen Debütroman habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks gewonnen. Die 190-seitige, gebundene Ausgabe mit der EAN 978-3-218-01208-9 kostet 19.90 € (inkl. MwSt.) und erschien bereits am 4. Februar 2020 beim österreichischen Buchverlag Kremayr und Scheriau.

Ein abgeschiedenes Dorf. Leere Bauernhöfe. Eine aufgelassene Schule. Die Erwachsenen haben nach und nach das Dorf verlassen. Zurückgeblieben sind die Kinder. Sie empfangen Pakete und Geld. Sie kochen, putzen und pflegen die Großeltern und kleinen Geschwister. Scheinbar soll Krieg herrschen rundherum. Als auch der einzige Lehrer das Dorf verlässt, beginnen die Kinder, ihre eigenen Gesetze und Regeln aufzustellen. Was harmlos beginnt, wird rasch zu einem System aus Gewalt und Macht, dem sich alle zu unterwerfen haben. Nur Mila will sich nicht beugen und wird zur Außenseiterin, die bis zum Ende für das Gute kämpft.


Meinung
Beworben hatte ich mich wegen des schön gestalteten Titelbildes und der Inhaltsangabe, die mich stark an Herr der Fliegen erinnerte. Über den Gewinn hatte ich mich auch sehr gefreut. Das Format ist handlich und die Haptik ist für Unterwegs sowie zum Weiterreichen konzipiert.

Der zeitgenössische Schreibstil hat mich positiv überrascht und gefordert. Da gibt es gar nichts einzuwenden. Den mag ich. Durch die atmosphärische Dichte war ich zwar auch einerseits sehr begeistert, sodass es mich kaum verwunderte, dass die junge Autorin ein Arbeitsstipendium des Förderkreises für SchriftstellerInnen in Baden-Württemberg erhielt, andererseits beförderte die Geschichte als solche äußerst unangenehme und ablehnende Emotionen bei mir zutage. Mir fiel es schwer, das Buch zu Ende zu lesen.

Lucia Leidenfrost lässt ein abschreckendes und düsteres Szenario entstehen. Sie unterstreicht Anonymität, indem sie ihre Protagonisten in einem fiktiven Dorf und einem namenlosen Land rebellieren lässt. Das Geschehen könnte überall stattfinden.

Nachdem zwei Dutzend Kinder im schulpflichtigen Alter von ihren Eltern, die in den Krieg ziehen, verlassen werden, leben diese nach eigenen Gesetzen. Hunger und Langeweile bestimmen zunehmend den Alltag. Dadurch entsteht eine Art naive Anarchie, die wiederum Gewalt und Ausgrenzung mit sich bringt. Das jedenfalls hält die Autorin für möglich. Ich nicht.

Mila ist eines der älteren Mädchen. Sie stellt den personifizierten Wunsch nach Ordnung und Struktur dar. Sie möchte ihre Altersgenossen unterrichten. Aber wenn das Chaos ausbricht, hilft Bildung alleine nicht weiter. Dann muss man zunächst einmal die Ärmel hochkrempeln und dafür sorgen, dass man satt wird. In einer solchen Situation ist sich jeder selbst der Nächste und der Stärkere überlebt, oder übernimmt die Führung.


Fazit
Die Autorin hat hier, subjektiv betrachtet, ein eher unglaubwürdiges, sehr dystopisches Szenario entworfen, mit dem ich mich nicht anfreunden kann, weil es meinen eigenen Erfahrungen widerspricht. Wir verlassenen Kinder halte ich für einen philosophisch provozierenden Bildungsroman, der durchaus das Potenzial besitzt, als Unterrichtslektüre für die Oberstufe wahrgenommen zu werden. Ich vergebe 3 Sterne (5 für das Cover, 5 für den Schreibstil, einen für die negativen Gefühle, die bei mir ausgelöst wurden) und eine Leseempfehlung für Menschen, die gerne Dystopien lesen. Ich konnte dem Roman leider, so sehr ich auch wollte, nichts abgewinnen.


Gut zu wissen!
Lucia Leidenfrost wurde 1990 in Oberösterreich geboren. Sie studierte Germanistik, Skandinavistik und Germanistische Linguistik an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Sie erhielt das Start-Stipendium des Bundeskanzleramts Österreich und das Arbeitsstipendium des Förderkreises für Schriftstellerinnen in Baden-Württemberg.


© 08/2020 MAD-Moiselle | Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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