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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2020

Spannender Frankreichkrimi

Baskische Tragödie
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Luc Verlains neuester Fall ist alles andere, als schön. Ein fünfjähriger Junge fällt ins Koma, nachdem er von einem angespülten Kokainpäckchen probiert hat. Und überall an den Stränden tauchen weitere ...

Luc Verlains neuester Fall ist alles andere, als schön. Ein fünfjähriger Junge fällt ins Koma, nachdem er von einem angespülten Kokainpäckchen probiert hat. Und überall an den Stränden tauchen weitere Drogen auf. Eine seltsame Nachricht führt den Kommissar ins Baskenland, wo er selbst zum Verdächtigen und verhaftet wird. Er kann fliehen. Gelingt es ihm, seine Unschuld zu beweisen?

Auch der vierte Fall um den sympathischen Ermittler hat mich gepackt. Alexander Oetker schreibt in gewohnter Weise fesselnd und verwirrt den Leser mit mehreren unerwarteten Wendungen, so dass die Spannung von Anfang an, bis zum dramatischen Schluss auf hohem Niveau erhalten bleibt. Genau die richtige Prise an Lokalkolorit und den appetitanregenden Beschreibungen der typischen Speisen machen das Buch für mich so liebenswert und richtig rund. Man hat das Gefühl direkt vor Ort zu sein und auch wenn das Setting das Meer und den Strand dieses Mal eher als Gefahr darstellt, erlebt man doch einen kleinen virtuellen Urlaub, der gerade in diesen Zeiten so notwendig ist. Besonders gut gefällt mir die Tiefe, mit der der Protagonist beschrieben wird und die Rückkehr in dessen Vergangenheit macht ihn nur noch lebendiger. Interessant sind auch die Informationen über das Baskenland und San Sebastian, eine Gegend, die mir noch unbekannt war und die ich jetzt gerne einmal besuchen möchte. Der neueste Band unterscheidet sich mit seinen rasanten Entwicklungen ein wenig von den drei Vorgängern, aber nicht unangenehm. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf die nächste Reise mit Luc.

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Veröffentlicht am 09.10.2020

Die Unschärfe der Welt

Die Unschärfe der Welt
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Iris Wolffs Roman "Die Unschärfe der Welt" ist zu Recht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet. Sie erzählt eine Familiengeschichte über fünf Generationen hinweg auf knapp 200 Seiten. Dabei ...

Iris Wolffs Roman "Die Unschärfe der Welt" ist zu Recht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet. Sie erzählt eine Familiengeschichte über fünf Generationen hinweg auf knapp 200 Seiten. Dabei ist ein ganz besonderes Buch entstanden. Ein Buch, das sich dem Leser nicht auf den ersten Blick erschließt. Ein Buch, das mehr zwischen den Zeilen erzählt, als in den offenkundlichen Sätzen. Ein Buch, das dem Leser mehr Interpretationsspielraum lässt, als er vielleicht gerne möchte. Mich hat die Autorin eingefangen, nur durch ihre Worte. Die sind so voller Poesie, dass es manchmal schon fast weh tut. Für den ein oder anderen ist das sicher zu viel. Mich hat sie damit eiskalt erwischt. Die Geschichten wirken zuerst wie aus dem Zusammenhang gerissen, man weiß nicht, um wen es geht oder wann das Ganze spielt. Erst im weiteren Verlauf entwirrt sich das Knäuel und am Ende sind alle Puzzleteile an ihrem Platz. Und immer bleibt genügend Spielraum für eigene Gedanken. Iris Wolff verpackt schreckliche Szenarien mit ihrer eigenwilligen Poesie und lässt sie für uns Leser dadurch zwar unscharf erscheinen. Aber nicht minder grausam. Ich kann gar nicht anders, als diesem Buch die volle Punktzahl zu vergeben und danke der Autorin für diesen Einblick in eine mir bislang unbekannten Region.

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Berührend, fesselnd, emotional - ein großartiges Buch

Kinder ihrer Zeit
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Januar 1945. Bei der Flucht aus Ostpreußen werden die elfjährigen Zwillinge durch einen dramatischen Zufall getrennt. Emma wächst bei ihrer Mutter in Westberlin auf. Alice wird von einem russischen Soldaten ...

Januar 1945. Bei der Flucht aus Ostpreußen werden die elfjährigen Zwillinge durch einen dramatischen Zufall getrennt. Emma wächst bei ihrer Mutter in Westberlin auf. Alice wird von einem russischen Soldaten vor dem Tod bewahrt und in ein ostdeutsches Kinderheim gebracht. Zwölf Jahre später spielt wieder das Schicksal seine Karten aus und die beiden Schwestern treffen aufeinander. Noch sind Besuche zwischen den Zonen problemlos möglich, aber die Fronten verhärten sich und der Mauerbau steht kurz bevor.

Claire Winters Roman hat mich schwer beeindruckt. Ihr Schreibstil ist berührend und fesselnd zugleich. Die häufigen Perspektivenwechsel und die meist recht knappen Kapitel bringen unheimlich viel Spannung. Alle Fäden werden am Ende geschickt zusammengeführt und verbunden mit einer genauen Recherche und der richtigen Mischung aus Spionagethriller, Familiendrama, Zeitgeschichte und, natürlich, ein wenig Liebe wird daraus ein grandioses Buch. 

Ich wünschte meine Geschichtslehrer hätten mir nur halb so viel vermitteln können, wie ich in diesem Roman über unsere Vergangenheit gelernt habe. Gut, dass es Autoren, wie Claire Winter gibt, die trockene Geschichtsfakten so interessant verpacken können, denn trotz der knapp 600 Seiten liest sich das Buch wie im Fluge. Man mag es gar nicht mehr weglegen und fiebert ständig mit den Protagonisten mit. Diese hat die Autorin so realistisch und authentisch geschaffen, dass man meint sie zu kennen. 

Die beiden Zwillingsschwestern wachsen zwar in unterschiedlichen Regimen auf und stehen auch dazu. Da kommt es natürlich zu Unstimmigkeiten und kontroversen Meinungen. Aber als nach und nach all die Grausamkeiten der Stasi ans Licht kommen, wird das Band zwischen den beiden wieder enger. Dieses interessante Detail aus der Zwillingsforschung hat Claire Winter geschickt in ihren Roman eingebaut. Ein weiteres Beispiel für ihre gründliche Arbeit.

Ich kann diesen Roman nur jedem ans Herz legen, der sich für die deutsche Geschichte interessiert. Und Liebhaber von schönen Details kommen mit der geschmackvollen Gestaltung des Buches, den Landkarten im Umschlag und dem informativen Nachwort sowieso auf ihre Kosten. 

Der Roman selbst ist sehr facettenreich und trifft sicher so manchen Nerv, denn er lässt sich durch seinen ungewöhnlichen Mix gar nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen. Meinen hat er auf jeden Fall getroffen und ich muss mir unbedingt noch die anderen Romane der Autorin besorgen. Von mir gibt es die volle Punktzahl und eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.08.2020

Ist das das Paradies?

Paradise City
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Irgendwann in der Zukunft. Liina arbeitet bei einer investigativen Onlinezeitung. Eine Recherche führt sie in die Uckermark. Eine angeblich von Schakalen getötete Frau. Auf den ersten Blick langweilig ...

Irgendwann in der Zukunft. Liina arbeitet bei einer investigativen Onlinezeitung. Eine Recherche führt sie in die Uckermark. Eine angeblich von Schakalen getötete Frau. Auf den ersten Blick langweilig und Liina ärgert sich, denn sie hatte ein spannendes Thema im Visier, aber dann geschehen Dinge, die auch ihr Leben in Gefahr bringen.

Sieht so unsere Zukunft aus? Die Menschen werden vollkommen überwacht und fremdgesteuert. Zoe Beck hat sich in ihrem Roman einem sehr brisantem Thema gewidmet. Schon jetzt sind wir von einigen dieser Phänomene betroffen. Überschwemmungen, Wetterkapriolen, Stadtflucht. All dies findet doch bereits statt. Corona, als weltweite Pandemie, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Wer weiß, was uns noch alles erwartet? Ich bin schockiert, wie realistisch sich das neue Buch der Autorin liest. Ihr Schreibstil ist sehr prägnant und hat mich so an das Buch gefesselt, dass ich es an einem Wochenende ausgelesen habe. Obwohl der Thriller nur knapp 300 Seiten fasst, bringt die Autorin doch sehr viel Information unter. Und auch die Spannung kommt nicht zu kurz. Sehr brisante Themen und die erschreckende Realität machen aus diesem Roman eine Zukunftsdystopie, die längst schon im wahren Leben angekommen ist.

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Alles ist anders

Miracle Creek
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Auch wenn das Jahr noch jung ist, kann ich eines mit Bestimmtheit sagen. Angie Kims Debütroman "Miracle Creek" wird eines meiner diesjährigen Lesehighlights sein.

Der Plot ist schnell erzählt. Eine koreanische ...

Auch wenn das Jahr noch jung ist, kann ich eines mit Bestimmtheit sagen. Angie Kims Debütroman "Miracle Creek" wird eines meiner diesjährigen Lesehighlights sein.

Der Plot ist schnell erzählt. Eine koreanische Einwanderfamilie betreibt im verschlafenen Dorf Miracle Creek eine HBO-Anlage. Diese Überdruckkammer wird zur Therapie u.a. bei Autismus eingesetzt. Eines Tages passiert dort ein folgenschweres Unglück. Durch einen Brand explodiert ein Sauerstofftank. Zwei Menschen sterben. Elizabeth, die Mutter des achtjährigen Henry, eines der Opfer, wird angeklagt, den Brand absichtlich gelegt zu haben.

Ich kann es eigentlich gar nicht richtig fassen, nicht benennen, warum mich dieser Roman so fasziniert.

Der Schreibstil der koreanischstämmigen Autorin ist sehr vielschichtig. Nüchtern, prägnant, einprägsam. Aber dann doch wieder fast poetisch und leicht. Man liest und ist schnell gefangen, will nicht mehr aufhören. Der permanente Perspektivenwechsel tut sein übriges. Jeder Abschnitt wird von einem der Protagonisten erzählt. Dabei schildert jede/r seine ganz eigene Sicht auf das Erlebte. Kleine und größere Lügen kommen zum Vorschein. Jeder hat seine eigenen Wahrheiten. Jeder hat einen Grund für seine Entscheidungen und bringt dadurch das Fass zum überlaufen. Es ist wie bei einem Dominoeffekt, einmal losgetreten, kann man es nicht mehr stoppen.

Das Buch hat so viele Facetten, dass man es nur schlecht einordnen kann. Eins ist es auf jeden Fall. Eine interessant, spannende Milieustudie, wie sie nur ein Einwanderland, wie Amerika, hervorbringen kann.

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