Profilbild von Sanne

Sanne

Lesejury Star
offline

Sanne ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Sanne über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.08.2020

Alles über Berlin um 1900

Berlin - Anfänge einer Großstadt
0

Vorangestellt ist eine Biografie Hans Ostwalds. Er gilt als Berlinautor, Kultur- und Sittengeschichtsschreiber.
Ausführlich und akribisch werden Szenen und Reportagen aus dem Berlin der Jahre 1904 bis ...

Vorangestellt ist eine Biografie Hans Ostwalds. Er gilt als Berlinautor, Kultur- und Sittengeschichtsschreiber.
Ausführlich und akribisch werden Szenen und Reportagen aus dem Berlin der Jahre 1904 bis 1908 dargelegt. Der aufmerksame Leser erfährt Details aus dem Leben der Boheme, über Gemeinschaften, Sektierer, die dunklen Winkel dieser Stadt, kurz, er erhält einen „Wegweiser durch das Labyrinth der Großstadt“.
Kontrastierende Fotos, Fakten und Hintergrundwissen werden präsentiert.
Hans Ostwald ist mal als Reporter, mal als Vagabund unterwegs. Der Einsatz wörtlicher Rede lässt die Texte authentisch wirken.
Der Stil dieser Reportagen ist teilweise poetisch, zum Teil nüchtern- sachlich. Skurrile Dinge werden geschildert, faszinierend die Trinkerrettungsbrigade.
Auch andere Autoren kommen zu Wort.
20 Bände der Großstadtdokumente sind geplant.
Es geht um Radfahrer, Klubs, Pferderennsport, auch um die Justiz, Theater, Varietés, Berlins Drittes Geschlecht.
Fakten werden genannt: Wohnungsnot um 1900 heißt u.a., dass es 3317 Kleinwohnungen, die aus EINEM unheizbaren Raum bestanden, in dem bis zu 14 Bewohner hausten.
Politische Strömungen werden aufgelistet, über Hungerkrawalle berichtet.
Eine riesige Fülle an Material, ein umfassender Einblick in das Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts liegt vor.
Abgerundet durch ein Verzeichnis der Straßen, Orte, Stadtteile und Lokalitäten.
Herausgegeben von Thomas Böhm, Verlag Galiani Berlin
© 2020, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2020

Sind denn Strümpfe wichtig?

Fräulein Paula und die Schönheit der Frauen
0

Wie haben Frauen die Nachkriegszeit erlebt? Anhand Paulas Geschichte kann man sich ein gutes Bild davon machen.
Auch drei Jahre nach Kriegsende sind nicht nur in Hamburg die Spuren der schrecklichen Vergangenheit ...

Wie haben Frauen die Nachkriegszeit erlebt? Anhand Paulas Geschichte kann man sich ein gutes Bild davon machen.
Auch drei Jahre nach Kriegsende sind nicht nur in Hamburg die Spuren der schrecklichen Vergangenheit zu spüren: Häuserruinen, Wohnungsmangel, Lebensmittelknappheit und wenig Geschäfte, in denen es etwas zu kaufen gibt.
Frauen, die die fehlenden männlichen Arbeitskräfte ersetzt haben, sollen zurück an den Herd. Was ist mit denen, deren Männer/Brüder/ Freunde nicht zurückkommen? Was mit denen, die sich nicht abhängig machen wollen? Und von Gleichberechtigung ist in keinster Weise die Rede. Wird doch sogar bei Erwerb des Führerscheins nach der Erlaubnis von Mann oder Vater gefragt. Oder der Gatte erlaubt/ verbietet der Frau, überhaupt arbeiten zu dürfen.
Paula findet einen aufgeschlossenen Chef, der nichts weniger als den Aufbau einer Strumpffabrik in Hamburg plant, wurde er doch in Auersbach enteignet. Dass Strümpfe wichtig sind, weiß auch Paula. Sehnt sie sich doch wie viele andere Frauen nach schöner und modischer Kleidung. Nur: woher die entsprechenden Maschinen, genug Kapital und Produktionshallen bekommen?
Ihre cleveren Ideen, der gute Ruf und der alte Chauffeur ihres Chefs sind hilfreich. Das Projekt nimmt Fahrt auf, Paula wächst mit ihren Aufgaben, allerdings gibt es eine ganze Reihe unerwarteter Schwierigkeiten.
Mir gefällt, wie engagiert und einfallsreich Caroline Bernard ihre Paula agieren lässt. Auch ihre Konsequenz hinsichtlich vergangener Geschichten beeindruckt. Hat man nicht oft.
Die Einbettung in historische Zusammenhänge ist gelungen, die Ost-West- Konflikte werden knapp, aber verständlich dargelegt, vertiefen das Verständnis für das Handeln der verschiedenen Charaktere.
Ein interessanter und lesenswerter Roman über eine couragierte, selbstbewusste Frau und die Nachkriegszeit in Deutschland
aus dem Aufbau Verlag.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.08.2020

Oh diese Lehrer!

Unser Mathelehrer unterrichtet von draußen - damit er dabei rauchen kann!
0

Schon der Titel verrät, dass hier skurrile Lehrer und deren Eigenheiten präsentiert werden. Das gelingt den Autorinnen Lena Greiner und Carola Padtberg dank der Hilfe der Spiegel online-Leser hervorragend.
Unglaubliches ...

Schon der Titel verrät, dass hier skurrile Lehrer und deren Eigenheiten präsentiert werden. Das gelingt den Autorinnen Lena Greiner und Carola Padtberg dank der Hilfe der Spiegel online-Leser hervorragend.
Unglaubliches wird beschrieben: Lehrer essen ihren Schülern die Pausenbrote weg! Bewerfen sie mit Gegenständen! Ziehen sich Papiertüten über den Kopf! Springen von Tischen!
Noch erstaunlicher, was sie von den Schülern verlangen: den Schwänzeltanz der Bienen nachtanzen, gegen Wände laufen, Schneegeräusche nachahmen, sich vorstellen, ein Tiefkühlhähnchen zu sein, sich mit Steinen unterhalten,....
Lehrersprüche sind einprägsam, amüsant, verletzend oder fies, auch liebevolle Gemeinheiten sind gar nicht so selten. Stilblüten aus dem Sprachunterricht können durchaus originell sein.
Lehrer können Experimente vergeigen und humorvoll reagieren oder Schülern die Schuld geben.
Gut gefallen hat mir die Lehrertypologie, sehr aufschlussreich. Da gibt es: „....die Sensible, den Öko-Besserwisser, Dr. Korrekt .....
Ein stimmiges Zitat: „Einigen Menschen setzt das Berufsleben eben mehr zu als anderen.“
Deswegen sinnvoll: ein Kapitel zum Schulrecht.
Auch die Lehrergeständnisse bringen Erstaunliches ans Licht.
Ein unterhaltsames Buch, oft grotesk, manchmal verstörend oder erschreckend. Und ziemlich oft lustig.
Ein wenig ermüdend wirkt die Vielzahl der Beispiele, aber auf mehrere Tage verteilt lässt sich das Buch aus dem Ullstein Verlag gut lesen. Illustrationen von Hauck & Bauer grenzen die einzelnen Abschnitte ab und lockern das Ganze auf.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2020

Bewundernswert, einfach bewundernswert

Das Mädchen aus dem Lager – Der lange Weg der Cecilia Klein
0


Cilka kommt mit 16 Jahren nach Auschwitz. Mit Mutter und Schwester. Nur sie überlebt, aber wie! Niemandem wünscht man, zu sehen, zu erleiden, was sie durchmacht. Das Wort Hölle für diesen Ort ist nicht ...


Cilka kommt mit 16 Jahren nach Auschwitz. Mit Mutter und Schwester. Nur sie überlebt, aber wie! Niemandem wünscht man, zu sehen, zu erleiden, was sie durchmacht. Das Wort Hölle für diesen Ort ist nicht ansatzweise angemessen. Nach drei Jahren wird das Lager durch die Rote Armee befreit.
Weil Cilka überlebt hat und fünf Sprachen spricht, wird sie als Spionin bezichtigt und zu 15 Jahren Straflager verurteilt.
Auf der tagelangen Reise in einem Viehwagen sterben die ersten Mitgefangenen, in Workuta bald die nächsten. Hat Cilka Glück, als einer der privilegierten Häftlinge sie zu seinem Eigentum erklärt? Ja, wenn man als Glück bezeichnet, nur von einem Mann und nicht von vielen vergewaltigt zu werden. Und schwere körperliche Arbeit verrichten zu müssen. Kohle abbauen, schwere Eimer schleppen. Nicht nur das, sibirische Kälte, bis minus 40 Grad im Winter, strenge Hierarchien, Kleidungs- und Nahrungsmangel und keinerlei Hygiene bestimmen den Lageralltag. Feindseligkeiten untereinander, Neid und Missgunst sind an der Tagesordnung, harte Strafen für kleinste Vergehen. Und immer wieder die Erinnerungen an Auschwitz, die fortwährenden Demütigungen, ihre Aufgaben dort, die andauernden Brutalitäten, der allgegenwärtige Tod....
Welche innere Stärke braucht es, weiterzuleben und trotzdem die Menschlichkeit nicht zu verlieren? Cilka schafft das Unglaubliche, nicht nur ihr Leben zu retten, sondern auch Anderen Gutes zu tun. Gemeinschaften entstehen, es gibt auch Lichtblicke wie Solidarität untereinander, Menschen, die weiter humanistische Ideale behalten haben. Aber es ist schwer, den Mut nicht zu verlieren.
Obwohl ihr immer wieder lieb gewordene Menschen genommen werden, macht Cilka weiter. Verzichtet auf Vorteile, kämpft unter Lebensgefahr für Mitgefangene.
Keine erdachte Geschichte, nein, Heather Morris hat das Leben von Cecilia Klein aufgeschrieben, viel recherchiert und über eine unglaublich starke und bewundernswerte Frau berichtet.
Ein verstörendes, aber zutiefst beeindruckendes Buch.
Verlegt von Piper.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.08.2020

Revange

Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal (Golden Cage 1)
0

Matilda hat ein dunkles Geheimnis, unerkannt und unbekannt fängt sie ein neues Leben als Faye an. Sie studiert erfolgreich Betriebswirtschaftslehre, ist attraktiv, erobert Männerherzen im Sturm und hat ...

Matilda hat ein dunkles Geheimnis, unerkannt und unbekannt fängt sie ein neues Leben als Faye an. Sie studiert erfolgreich Betriebswirtschaftslehre, ist attraktiv, erobert Männerherzen im Sturm und hat Spaß mit ihrer Freundin Chris. Einer ihrer Verehrer ist der gut aussehende Jack Adelheim, ehrgeizig und erfolgsorientiert. Sie heiraten, Faye gibt ihr Studium auf um Jack bei der Firmengründung finanziell unterstützen zu können, kümmert sich um die Erziehung der Tochter und schafft ein gemütliches Heim. Nur: Jack verhält sich ihr gegenüber immer ablehnender. Verzweifelt versucht sie, ihn zu halten, demütigt sich, bettelt um seine Liebe. Vergeblich, er verstößt Faye und lässt sie nahezu mittellos zurück. Endlich, endlich wacht sie auf und besinnt sich auf ihre Möglichkeiten. Ein gnadenloser Rachefeldzug wird gestartet.
Zunächst fragt man sich, wie dumm kann eine Frau nur sein? Sie gibt alles auf, macht sich selbst klein, winselt um Liebe. Hat sie das wirklich nötig?
Der zweite Teil aber! Faye kämpft, findet zurück zu ihren Fähigkeiten, plant, zieht durch, wächst. Eine wahre Genugtuung, ihre Strategie zu verfolgen, zu sehen, wie sie ihre Pläne verwirklicht.
Camilla Läckberg hat wieder alle Gefühle ihrer Leser aktiviert: Verachtung, Mitleid, Wut, aber auch weniger schöne, jedoch durchaus verständliche Rachegelüste geweckt. Bestens zu lesen, mit einem zufriedenem „Ha!“ beendet.
Roman aus dem Ullstein Verlag, übersetzt von Katrin Frey.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere