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Veröffentlicht am 18.09.2020

Mehr Sprezzatura!

Das Buch eines Sommers
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Ein typisches Diogenes-Cover mit entsprechendem Wiedererkennungswert für den Verlag. Ein durch sein Sachbuch „Der Ernährungskompass“ bekannt gewordener Autor, der in diesem Roman seine Erfahrungen als ...

Ein typisches Diogenes-Cover mit entsprechendem Wiedererkennungswert für den Verlag. Ein durch sein Sachbuch „Der Ernährungskompass“ bekannt gewordener Autor, der in diesem Roman seine Erfahrungen als Neurowissenschaftler und Wissenschaftsjournalist zu einer lebensphilosophischen Erzählung verarbeitet.

Der Protagonist hatte den Traum, Schriftsteller wie sein Onkel zu werden. Stattdessen übernahm er verantwortlich die Firma seines Vaters, die fortan sein Leben bestimmt und ihm keine Zeit mehr für Frau und kleinem Sohn lässt. Nach dem Tod des Onkels begibt er sich zur Regelung des Nachlasses in dessen Haus und erkennt, wie er der werden kann, der er ist.

Ein Buch, dass in die heutige Zeit, in der Entschleunigung immer bedeutsamer wird, recht gut passt. Es liest sich schnell und einfach, regt zum Nachdenken an, hat einen guten Unterhaltungswert durch eingefügte Anekdoten, Märchen und Fantasiegeschichten. So richtig tiefgründig ist es jedoch nicht.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Über das Drama des Erwachsenwerdens

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
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Wem die Bücher von Elena Ferrante schon bekannt sind, begibt sich mit dieser Geschichte auf vertrautes Terrain. Erneut ist sie in Neapel angesiedelt und spielen dortige Klassenunterschiede seiner Bewohner ...

Wem die Bücher von Elena Ferrante schon bekannt sind, begibt sich mit dieser Geschichte auf vertrautes Terrain. Erneut ist sie in Neapel angesiedelt und spielen dortige Klassenunterschiede seiner Bewohner eine wichtige Rolle.
Protagonistin ist die anfänglich 13jährige Giovanna, die einer intellektuellen bürgerlichen Mittelschichtfamilie entstammt. Zunächst erleben wir sie ganz in der Rolle eines gut geratenen und wohlerzogenen Kindes, das seine Eltern für perfekt hält. Mit fortschreitender Geschichte beginnt sie gegen ihre Eltern zu rebellieren, um dann mit 16 zur Erwachsenen zu werden, die ihre Eltern nicht mehr braucht. Interessant ist der Anstoß für diese Entwicklung – sie belauscht ein Gespräch ihrer Eltern, in dem der Vater sagt, Giovanna sei hässlich und werde seiner eigenen, mit ihm in Fehde lebenden Schwester Vittoria immer ähnlicher. Das ist Anlass für Giovanna, den Kontakt zu ihrer Tante zu suchen, die der Arbeiterklasse angehört und ihr erstmalig die Wurzeln ihres Vaters verdeutlicht. Giovanna ist zusehends fixiert auf Vittoria und dem Leser geht es bald wie ihr. Wessen Darstellung über die Vergangenheit soll sie glauben – der ihres geliebten Vaters oder der ihrer derben Tante, in deren Schicksal sie ihr eigenes erkennt? Wer von ihnen manipuliert? Und auch anderen Erwachsenen in ihrem Umfeld kann sie nicht mehr so recht trauen.
Zunächst hat mich das Buch wirklich begeistert. Dann allerdings uferte es in einige Längen aus und waren schwer zu verstehende Diskussionen einiger intellektueller Romanfiguren mit Giovanna eingestreut, die ich als nicht recht passend zu einer Jugendlichen empfand. Daher dann auch „nur“ eine Vier-Sterne-Bewertung.

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Veröffentlicht am 24.08.2020

Wie es weitergeht mit der Patchworkfamilie im Ruhrpott

Ein Gefühl von Hoffnung
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Dieser Roman ist nach „Ein Traum vom Glück“ der zweite Band der von der Autorin so betitelten Ruhrpottsaga, den sie, selbst geboren und aufgewachsen am Rande des Kohlenpotts, in Angriff genommen hat, ...

Dieser Roman ist nach „Ein Traum vom Glück“ der zweite Band der von der Autorin so betitelten Ruhrpottsaga, den sie, selbst geboren und aufgewachsen am Rande des Kohlenpotts, in Angriff genommen hat, nachdem die Ära der Steinkohle dort endgültig vorbei war. Weil ich selbst aus einer anderen Gegend Deutschlands stamme, war die Geschichte umso interessanter für mich, zumal ich lediglich wenige Jahre später geboren wurde als der Zeitraum, in dem sie angesiedelt ist (1959), und ich die Zeit durchaus erinnere.
Protagonistin ist jetzt die junge Inge, die Tochter von Katharina aus dem ersten Band. Nach deren plötzlichem Ableben hält sie unter Zurückstellung eigener Wünsche die ungewöhnliche Patchworkfamilie im Hause ihrer Großmutter in Essen zusammen, die mit vielfältigen Problemen konfrontiert wird. Das Thema Liebe kommt bei ihr aber nicht zu kurz, sie kann zwischen mehreren Männern wählen. Dabei kommt auch ihrem Cousin Johannes, dem Geliebten ihrer Mutter, eine wichtige Bedeutung zu.
Recht authentisch mit viel typischem Ruhrpott-Dialekt in den wörtlichen Reden (was für mich sehr ungewohnt klingt) wird uns das Leben in dieser Region nahe gebracht. Auch der Bergbau mit seinen Gefahren für die Bergleute und der einsetzenden Krise spielt in den Schilderungen eine interessante Rolle. Die Rolle von Inge und Johannes mag spalten und insoweit hätte ich persönlich mir einen anderen Ausgang der Geschichte gewünscht. Ebenso hätte gut und gerne auf das Versterben der einen oder anderen Romanfigur verzichtet werden können.
Das Buch bietet auf jeden Fall guten Unterhaltungswert für Leser*innen deutscher historischer Romane aus der jüngeren Vergangenheit.

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Veröffentlicht am 15.08.2020

Über Heimat und Zuhause

Jahresringe
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Dieser Roman ist eine schöne Mischung zwischen Familiengeschichte und gesellschaftspolitischen Themen.
In den Vordergrund wird immer wieder die Frage gestellt, was Heimat für einen ist, wie sie entsteht ...

Dieser Roman ist eine schöne Mischung zwischen Familiengeschichte und gesellschaftspolitischen Themen.
In den Vordergrund wird immer wieder die Frage gestellt, was Heimat für einen ist, wie sie entsteht und wie man sie verlieren kann. Die Protagonistin Leonore und ihre Nachfahren sind die Romanfiguren, anhand derer die Frage aufgeworfen wird. Leonore ist gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus Ostpreußen unter furchtbaren Umständen, die sie Zeit ihres Lebens nicht offenbaren mag, gen Westen geflohen, bis sie Aufnahme in einem Dorf zwischen Köln und Aachen findet. Zur neuen Heimat wird es ihr angesichts der Vorbehalte der Einheimischen nicht, aber immerhin zu einem Zuhause. Heimat wird das Dorf dann für ihren Sohn, doch auch nur bis in sein junges Erwachsenenalter hinein, denn dann wird das Dorf wegen des Braunkohletagebaus nach Jülich umgesiedelt und er muss die seiner Mutter vererbte und von ihm weiter betriebene Traditionsbäckerei aufgeben. Seine eigenen Kinder geraten durch den Tagebau in Zwiespalt – sein Sohn lässt als Führer eines riesigen Schaufelradbaggers den restlichen Hambacher Forst verschwinden, während seine Tochter sich den Aktivisten anschließt, die in einer Baumhaussiedlung für den Bestand des Waldes kämpfen.
Die Familiengeschichte liest sich sehr schön und führt anschaulich vor Augen, dass auch die Deutschen einmal Flüchtlinge waren. Vielleicht lässt einen das toleranter gegenüber den heutigen Flüchtlingen aus anderen Ländern werden. Die Geschichte des Braunkohletagebaus bis in die jüngste Vergangenheit, die einem aus den Medien bekannt sein dürfte, war sehr lehrreich. Weshalb ich dem Buch nicht die volle Sternezahl gebe, liegt an einigen eingeflochtenen Begebenheiten, die mir einfach zu merkwürdig und fremd anmuten – die von Leonore selbst initiierte Schwängerung durch einen Pfarrer, die Wiederauferstehung des Freundes von Leonores Sohn aus einem diabetischen Koma (beides mit einer sich mir nicht erschließenden religiösen Bedeutung) und das plötzliche homosexuelle Beisammensein von Leonores Enkel mit einem Aktivisten im Hambacher Forst.
Eine zu empfehlende Lektüre.

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Veröffentlicht am 22.07.2020

Vier Frauenschicksale in der Zeit der deutschen Wirtschaftswunderjahre

Die Wunderfrauen
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Parallel zum Aufblühen des kriegsgebeutelten Deutschlands ist es auch für vier Frauen, deren Wege sich 1953 im oberbayrischen Starnberg kreuzen, eine Zeit des Neubeginns und Aufbruchs. Luise macht sich ...

Parallel zum Aufblühen des kriegsgebeutelten Deutschlands ist es auch für vier Frauen, deren Wege sich 1953 im oberbayrischen Starnberg kreuzen, eine Zeit des Neubeginns und Aufbruchs. Luise macht sich in der Wohnstube mit einem kleinen Gemischtwarenladen selbstständig; die aus Schlesien vertriebene Marie findet Aufnahme auf dem landwirtschaftlichen Hof von Luises Bruder; die aus einer reichen Schuhfabrikantenfamilie stammende Helga beginnt nach vermasseltem Abitur eine Schwesternausbildung an der renommierten Frauenklinik, deren Chefarzt der Ehemann der vierten Protagonistin Annabel ist. Im Leben aller vier Frauen lief es nicht immer rund. Fehlgeburten, Vergewaltigung, Traumatisierung durch das Nachkriegsgeschehen, Geschwistertod, Langeweile in der Ehe sind grob die sie prägenden vergangenen Vorkommnisse und damit die Themen, die im Buch angesprochen werden. Zu letzteren kommen außerdem eine ganze Menge anderer hinzu – die deutsche Besatzung, das Schicksal der Juden, die Haltung zu behinderten Menschen, das Wiedererstarken Deutschlands, um nur einige zu nennen. Zum Glück wird das meiste nur angerissen, alles andere hätte den Rahmen des Buchs als Unterhaltungslektüre gesprengt. Die Liebe der Autorin zum Detail sorgt dafür, dass sie manches in die Geschichte einflicht, das mir aus Erzählungen typisch für die 1950er Jahre bekannt ist und mir ein schönes Bild der Zeit vermittelt: die allmähliche Telefonvernetzung der Haushalte, der Kauf von Konsumgütern, die Lust am Essen, der deutsche Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft in Bern, die Notwendigkeit der Zustimmung der Ehemänner in die Berufstätigkeit der Frauen. Die Protagonistinnen werden m.E. etwas überzeichnet dargestellt, bei ihnen läuft zu vieles zu rund und einfach. Und nicht immer handeln sie realistisch (Beispiel: Wie kann Helga meinen, mit ihrem kleinen Lernschwesternlohn sich und ihr uneheliches Kind schon durchbringen zu können, vor allem eine Tagesmutter engagieren zu können?).
Ein schöner, sich leicht lesender Unterhaltungsroman ist das Buch allemal. Ob ich es bei diesem einen Band belassen werde oder auch die beiden schon angekündigten Fortsetzungen lesen werde, weiß ich noch nicht.

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