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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.09.2020

Unerwartete Wendungen

Rauchland
4

In diesem vierten Fall für Maik Bertram und Heinrich Tenbrink tut sich einiges. Tenbrink ist im Ruhestand und lebt mit Maik in einer MännerWG ähnlich wie weiland Walter Matthau und Jack Lemmon in „Ein ...

In diesem vierten Fall für Maik Bertram und Heinrich Tenbrink tut sich einiges. Tenbrink ist im Ruhestand und lebt mit Maik in einer MännerWG ähnlich wie weiland Walter Matthau und Jack Lemmon in „Ein seltsames Paar“.

Doch dann brennt der Kotten des Schaddebuern Harking, dem man den Schädel eingeschlagen hat. Zwei Zeugen haben einen Mann gesehen, der Harking aus dem Kotten gezogen hat und weggerannt ist. Schon bald hat die niederländische Polizei einen alten Bekannten, nämlich Schultewolter, dem Tenbrink seinen Schädelbruch zu verdanken hat, festgenommen. Schultewolter will aber nur mit Heinrich reden - und so steckt Tenbrink wieder mitten in einer Mordermittlung.

Aber auch Maik ist schwer gefordert. Martina fällt aufgrund von Komplikationen beim Kaiserschnitt ins Koma und Maik muss sich entscheiden, ob er seiner neugeborenen Tochter ein Vater sein will oder nicht.

Meine Meinung:

Dieser vierte Fall verlangt den Ermittlern einiges ab, denn es werden Ereignisse aus der Vergangenheit an die Oberfläche gespült.
Wie wir es von Tom Finnek gewöhnt sind, sind die einfachen Lösungen seine Sache nicht. Mehrmals schickt er seine Leser auf falsche Fährten und die eine oder andere vielversprechende Spur entpuppt sich als Sackgasse.

Der Krimi lässt sich gut und flüssig lesen. Die Beschreibung der Orte ist wie immer plastisch. Gut gefällt mir, dass platt gesprochen wird. Ja, und der Blick zu Jan Bonnema nach Holland zeigt, wie sich die nahe Grenze auf den „kleinen Grenzverkehr“ auswirkt.

Dass Tenbrink möglicherweise eine Partnerin für seinen (Un)Ruhestand erhält, ist eine gute Idee. Ob die beiden bei Maiks Tochter Großeltern spielen werden?

Ich hoffe auf einen weiteren Band von Tenbrink und Betram.

Fazit:

Ein Krimi, der durch unerwartete Wendungen bis zur letzten Seite spannend bleibt. Klar, bekommt er wieder 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 30.08.2020

Die Chronik eines Volkes

Die Ungarn
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Dieses Buch ist bereits 1989, also kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhanges erschienen. Da Geschichte und die dazu gehörige Forschung ein dynamischer (wenn auch oft langsamer) Prozess ist, hat Paul Lendvai ...

Dieses Buch ist bereits 1989, also kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhanges erschienen. Da Geschichte und die dazu gehörige Forschung ein dynamischer (wenn auch oft langsamer) Prozess ist, hat Paul Lendvai sein Buch überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht.

Das Buch ist knapp 600 Seiten stark und bietet einen detailreichen und umfassenden Überblick Ungarns von seiner Entstehung bis heute. Paul Lendvai, 1929 in Budapest geboren, 1944 wegen seiner jüdischen Herkunft ins KZ verschleppt ist, flüchtet während des Ungarn-Aufstandes 1956 nach Österreich, wo er nach wie vor lebt.

Er beleuchtet Ungarns ethnisches Spannungsfeld aus mehreren Blickwinkeln. Ungarn ist in seiner mehr als 1.000 Jahre alten Geschichte immer wieder Schauplatz von Kriegen und Krisen.

Der Autor spannt den Bogen vom 9. Jahrhundert bis heute. Während die Anfänge detailreich geschildert werden, erscheinen die kommunistischen Nachkriegsjahre eher knapp erzählt.

Die letzten beiden Kapitel beschäftigen sich mit dem Ungarn seit 1989. Wie konnte es passieren, dass das Land in das rechte Eck der Demokratie bedrohenden Regierungen abrutscht?

Meine Meinung:

Die 35 Kapitel umreißen die lange Geschichte Ungarns, das auch immer wieder ein Spielball der Mächtigen der jeweiligen Zeit war, in anschaulicher Weise. Ungarn stellt mit seiner schwierig zu lernenden Sprache eine Besonderheit dar, sodass während der Zugehörigkeit Ungarns zum Habsburgerreich LATEIN statt deutsch, Amtssprache war.

Paul Lendvais Schreibstil ist sehr detailreich, verliert sich aber nie in Wiederholungen oder Nichtigkeiten aus.

Paul Lendvai ist renommierter Journalist, Osteuropa-Experte und Autor der preisgekrönten Biografie von Viktor Orbán. Erst kürzlich habe ich die und das Buch „Verspielt Welt“ gelesen.

Fazit:

Dieser aktualisierten und erweiterten Neuauflage mit umfangreichem Bildmaterial muss ich unbedingt 5 Sterne geben.

Veröffentlicht am 29.08.2020

Ein vielschichtiger Krimi

Commissario Pavarotti probt die Liebe
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Dieser Krimi ist der 5. Band rund um den italiensichen Commissario Luciano Pavarotti, der mit seinem berühmten Namensvetter inzwischen nicht einmal die Gewichtsklasse mehr teilt. Pavarotti glaubt, an Magenkrebs ...

Dieser Krimi ist der 5. Band rund um den italiensichen Commissario Luciano Pavarotti, der mit seinem berühmten Namensvetter inzwischen nicht einmal die Gewichtsklasse mehr teilt. Pavarotti glaubt, an Magenkrebs zu leiden und will noch schnell alles ins Reine bringen.

Da ist vor allem seine Beziehung zu Elisabeth „Lissie“ von Spiegel, der er bei einer gemeinsamen Verbrecherjagd irrtümlich in den Kopf geschossen hat. Lissie hat nach wie vor Erinnerungslücken, die Pavarotti mächtige Schuldgefühle bescheren. Jedenfalls begeben sich beide auf eine Reise in die Vergangenheit und suchen nach dem Verbleib von Lissies Vater Arno, der 30 Jahre zuvor spurlos verschwunden ist.

Auf ihren Recherchen in Deutschland und Südtirol stechen sie in ein Wespennest, das mehrere Anschläge auf ihre Leben zu Folge hat. Außerdem sterben einige Menschen, die möglicherweise den einen oder anderen Hinweis auf die Ereignisse von damals geben hätte können.
Doch nicht nur Pavarotti und Lissie geraten in Gefahr, sondern auch Lucianos Kollege Emenegger. Allerdings droht ihm nicht das Ungemach nicht in Form einer fehlgeleiteten Kugel, sondern von seiner eigenen Vergangenheit, die ihn einholt.

Meine Meinung:

Autorin Elisabeth Florin ist wieder ein fesselnder Krimi, der im schönen Südtirol spielt, gelungen. Südtirol blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Einst Teil von Österreich-Ungarn wird das Gebiet nach dem Ersten Weltkrieg von den Siegermächten Italien zugesprochen, obwohl die Mehrheit der Menschen ausschließlich deutsch spricht. Die Zwangsmaßnahmen zur Italienisierung der Südtiroler (inklusive lange Haftstrafen für das Verwenden der deutschen Sprache) bringen schon früh unterschiedliche Gruppen dazu, bewaffneten Widerstand gegen den Staat zu leisten - die einen im Verborgenen, die anderen ganz offen. Während der Zeit des Faschismus unter Diktatur Mussolini plant Hitler die Umsiedlung der deutschsprachigen Südtiroler nach Deutschland. Viele Optanten gehen und kehren nach 1945 enttäuscht wieder zurück. Der Widerstand gegen den italienischen Staat, der die Autonomiebestrebungen mit strengen Strafen belegt, gipfelt in den 1960er Jahren in zahlreichen Bombenanschlägen. Zwanzig Jahre später wiederholt sich die Geschichte, doch sind es diesmal andere, die im Hintergrund die Fäden ziehen.

Genau diesen geschichtlichen Hintergrund sucht sich Elisabeth Florin für ihre Krimi-Reihe aus. Immer wieder gibt es den einen oder anderen Rückblick, der uns diese Ereignisse näherbringen. Dazu gibt es im Anhang weiterführende Erklärungen. Mir gefällt es, wenn die Leser so ganz unterschwellig Geschichtsunterricht erhalten, weil die Ereignisse in die Handlung eingewoben sind. Der Autorin gelingt dieses Kunstwerk sehr gut. Was Fakt und was Fiktion ist, wird im Nachwort erklärt.

Der Krimi selbst fordert einige Konzentration und lässt die Leser immer wieder innehalten. Wer nicht ganz so beschlagen in der Geschichte Südtirols ist, wird vielleicht das eine oder andere nachschlagen müssen. Besonders die genannten Geheimdienste mit ihren Akronymen sind nicht jedermanns/jederfraus Sachgebiet.

Die Charaktere sind vielschichtig angelegt und haben ihre Ecken und Kanten. Besonders Emenegger hat sich im Laufe der Zeit ordentlich weiterentwickelt. Seine Vergangenheit als Mitglied einer Motorradgang kann er für seine Ermittlungen und den großen Showdown nutzen, allerdings wird das von seinem Vorgesetzten nicht wirklich goutiert. Herrlich ist die Beschreibung von Spock, Lissies Hund, der in einer alten Beiwagenmaschine Platz nimmt - ausgestattet mit einer Hundebrille. Dieses Bild ist schwer aus dem Kopf zu bekommen.

Wer mehr über Pavarotti und Lissie von Spiegel lesen möchte, sollte beim ersten Band ("Commissario Pavarotti trifft keinen Ton") beginnen. Die Spannung wächst mit jedem Buch.

Fazit:

Ein vielschichtiger Krimi, der Bezüge zur Vergangenheit, ohne die die Gegenwart nicht erklärbar ist, herstellt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und hoffe auf ein Wiedersehen mit Pavarotti, Emenegger & Co.

Veröffentlicht am 29.08.2020

Von Kazimierz nach New York - eine Erfolgsgeschichte

Augen, die im Dunkeln leuchten
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Mit dieser Biografie setzen das Autorenduo Barbara Achtermann und Ingo Rose der nur knapp 1,48m großen Helena Rubinstein ein Denkmal.
1870 in Kazimierz, einem der ärmlichen Bezirke von Krakau, geboren, ...

Mit dieser Biografie setzen das Autorenduo Barbara Achtermann und Ingo Rose der nur knapp 1,48m großen Helena Rubinstein ein Denkmal.
1870 in Kazimierz, einem der ärmlichen Bezirke von Krakau, geboren, wandert die alteste von acht Töchtern des jüdischen Kaufmanns Herzel Rubinstein zuerst nach Wien und dann 1896 nach Australien aus, nachdem sie mehrere Heiratsangebote ausgeschlagen hat. Mit im Gepäck reisen zwölf Tiegel einer Gesichtscreme.

Warum nach Australien? Dort leben schon zwei Onkel aus der weitverzweigten Familie Rubinstein. Nach mehreren Jobs findet sie ihre Erfüllung: 1902 eröffnet sie einen Schönheitssalon, deren beste Werbung sie selbst ist. Ihr heller Teint fällt unter den von der Sonne Australiens gegerbten Frauen auf. Der Salon wird so erfolgreich, dass sie ihre jüngeren Schwestern nachkommen lässt. Dann geht es für die Rastlose weiter zu neuen Ufern. Nach Zwischenstationen in England und während des Ersten Weltkriegs in Amerika, heißt das Ziel Paris.

Nach wie vor steht Helena Rubinstein auch selbst in der „Küche“ wie sie ihr Labor nennt, in dem sie ihre Kosmetika herstellt. Helena Rubinstein ist keine angenehme Chefin. Sie verlangt von allen - wie von sich selbst - Höchstleistungen. Die meisten ihrer Salons werden von den zahlreichen Familienmitgliedern geführt.

Während des Zweiten Weltkriegs verlagert sie ihr Imperium wieder in die USA. Dort liefert sie sich mit den anderen Kosmetikgiganten wie Elizabeth Arden oder Charles Revson (Revlon) einen lebenslangen Konkurrenzkampf. Sie ist mehr als geschäftstüchtig. Helena Rubinstein verkehrt in Künstlerkreisen und lässt sich von zahlreichen Malern porträtieren.

Dass dabei das Privatleben auf der Strecke bleibt, ist klar. Sie war zwei Mal verheiratet und hatte zwei Söhne.

Fazit:

Ein interessante, leicht lesbare Biografie einer Frau, die mit großem Ehrgeiz und eisernem Willen eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2020

Ein gelungener Krimi-Debüt

Wiener Hundstage
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Sommer 1995 - ganz Wien stöhnt unter der Hitze und „lag mit kalten Wickeln in der Hängematte“. So der O-Ton des Journalisten Paul Mazurka, der viel lieber mit einem Glas Wein in einem schattigen Gastgarten ...

Sommer 1995 - ganz Wien stöhnt unter der Hitze und „lag mit kalten Wickeln in der Hängematte“. So der O-Ton des Journalisten Paul Mazurka, der viel lieber mit einem Glas Wein in einem schattigen Gastgarten sitzen würde, wäre da nicht der Mord an seiner Kollegin, Sarah Ortbauer. Ob er will oder nicht, Paul gerät in den Sog rund um die Aufklärung des Verbrechens. Was hat Sarah recherchiert, was hat sie das Leben gekostet? Und warum ist Freund und Fotograf Thomas Hrdlicka verschwunden? Ist er auch ermordet worden oder hält er sich nur bedeckt?

Immer tiefer rutscht Mazurka in den Strudel der Ereignisse. Er legt sich mit der katholischen Kirche (also mit einigen vom Bodenpersonal) an, wird bei seinen oft unorthodoxen Nachforschungen mit den Gräueln des Balkankrieges konfrontiert und muss erkennen, dass die Fäden des Vatikans auch in Wien die Puppen tanzen lassen.

Meine Meinung:

Obwohl dies das Krimi-Debüt des Autors ist, kann ich hier gerne 5 Sterne geben. Warum? Das mehrere Gründe:

Paul Mazurka ist so herrlich unkorrekt. Er raucht, trinkt - beides öffentlich und im Übermaß.

Der Autor bedient sich zahlreicher Klischees, die aber niemals „abgeschmackt“ wirken, sondern zur Zeit, nämlich 1995 passen.
Das Setting ist nicht das touristisch geschönte Wien, sondern, das alltägliche, von Schmutz und Patina der Jahre verkrustete Wien.

Es ist die Zeit in der die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufgedeckt werden, was viele Menschen dazu bewogen hat, der Kirche den Rücken zu kehren. Es ist die Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Balkankriege in der sich Geheimdienste, Kriegsverbrecher und sonstiges Gesindel (auch wenn es im Maßanzug steckt) in Wien herumtreibt.

Diesen Krimi zu lesen, ist wie Heimkommen für mich. Ich kenne einen Großteil der beschriebenen (besuchten) Lokale wie das „Café Magistrat“ in der Taborstraße oder den Heurigen „Zum Reichsapfel“ auf dem Karmeliterplatz, der vor 1995 eine spanische Bodega war. Das Haus ist übrigens liebevoll restauriert worden. Oder das blau-weiße, von Österreichs Stararchitekten Otto Wagner am Donaukanal erbaute Schleusengebäude, auf das ich von meinem Bürozimmer hinuntersehen kann.

Der Autor versteht sein Handwerk. Er hat, wie im Nachwort zu lesen ist, lange Jahre über dem Manuskript gebrütet. Sprachlich und inhaltlich ist der Krimi gut gelungen. Die häufig vorkommenden Austriazismen werden im Anhang erklärt.

Die letzten Sätze „...ich war sicher, dass ich niemals wieder in Franks Dunstkreis geraten würde. Das sollte sich als Irrtum erweisen. Doch das ist eine andere Geschichte.“ deuten darauf hin, dass der Autor einen weiteren Krimi mit Paul Mazurka vorbereitet.

Fazit:

Paul Mazurka sollte in Hinkunft ein wenig auf seine Lunge und Leber achten, denn ich möchte gerne noch weitere Fälle mit ihm als investigativen Journalisten lesen. 5 Sterne.