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Veröffentlicht am 26.01.2021

Berufung?

Was in zwei Koffer paßt
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Als Einundzwanzigjährige ist Veronika Peters in ein Benediktinerinnenkloster eingetreten, „um etwas herauszufinden, das ich noch immer als lohnenswert erachte, obwohl die Antworten stets wieder entgleiten ...

Als Einundzwanzigjährige ist Veronika Peters in ein Benediktinerinnenkloster eingetreten, „um etwas herauszufinden, das ich noch immer als lohnenswert erachte, obwohl die Antworten stets wieder entgleiten …“
Auf unterhaltsame Weise schildert sie diese Zeit und lässt uns teilnehmen an ihren Mühen, sich dem Leben der Nonnen anzupassen und in die Gemeinschaft einzufügen. Immer wieder zweifelt sie an ihrer Entscheidung. Wie schwierig ist es, die Klostergelübde einzuhalten, neben dem Verzicht auf Familie und Eigentum etwa das Gebot des unbedingten Gehorsams? Das fällt ihr nicht leicht, doch sie hält durch, auch mit Hilfe einiger ihr freundschaftlich gesinnter Schwestern. An vielen Stellen empfand ich das Buch allerdings als zu oberflächlich; Peters´ Konflikte und ihre Beschäftigung mit ihrer "Berufung" gerieten mir - gegenüber ihren Erzählungen aus dem Klosteralltag und den Beschreibungen ihrer Mitschwestern - zu sehr in den Hintergrund. Etliche Leser spekulieren gar darüber, ob ihr Buch auf tatsächlichen Erlebnissen beruht oder womöglich nur Fiktion ist. Wie dem auch sei - Peters hat ein interessantes Thema aufgegriffen und es sehr ansprechend zu Papier gebracht.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Zuviel des Guten

Der Freund
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Der Gewinn des renommierten National Book Award (2018) und viele positive Kritiken haben mich auf Sigrid Nunez´ neuen Roman neugierig gemacht.
Die Trauer um ihren verstorbenen Freund und Mentor, der in ...

Der Gewinn des renommierten National Book Award (2018) und viele positive Kritiken haben mich auf Sigrid Nunez´ neuen Roman neugierig gemacht.
Die Trauer um ihren verstorbenen Freund und Mentor, der in seinem Leben nicht nur Schriftsteller, sondern vor allem ein ausgeprägter Schürzenjäger gewesen zu sein scheint, bringt die Ich-Erzählerin dazu, über sein Leben und ihre gemeinsamen Momente zu reflektieren. Als sie den ebenfalls zu trauern scheinenden Hund des Toten - eine große Dänische Dogge - übernimmt, überträgt sie ihre Freundschaft auf ihn und kümmert sich rührend und liebevoll um Apollo bis es auch mit ihm langsam zu Ende geht.
Soweit der äußere Rahmen. Von einzelnen Geschehnissen ausgehend, springt die Autorin assoziativ zu eigenen Erinnerungen oder sie nutzt sie, um immer wieder Gedanken von anderen Schriftstellern aufzugreifen, Zitate aus der Literatur anzubringen und zu kommentieren. Kluge Gedanken, sicherlich, aber (für mich) auf die Länge von 233 Seiten etwas zu viel des Guten und auf die Dauer ermüdend. Dabei ist die Geschichte gut geschrieben und das (Ober-)Thema interessant gewählt. Der Roman könnte durchaus "packen" ; doch die Ausführungen ihrer Gedanken geraten oft recht langatmig und stellen die Geduld des Lesers auf die Probe. Ich hatte den Eindruck, Nunez wolle zuviel in ihrem Buch unterbringen.

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Veröffentlicht am 14.08.2020

Etwas verworren

Die Spiegelreisende 4 – Im Sturm der Echos
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Natürlich habe ich mit großer Spannung den angekündigten letzten Teil der „Spiegelreisenden“ erwartet; schließlich wollte ich doch wissen, wie die Autorin das Geheimnis um Ophelia und den „Anderen“ lösen ...

Natürlich habe ich mit großer Spannung den angekündigten letzten Teil der „Spiegelreisenden“ erwartet; schließlich wollte ich doch wissen, wie die Autorin das Geheimnis um Ophelia und den „Anderen“ lösen würde. Immerhin droht den Archen der Untergang.
Wie gewohnt schreibt Dabos sehr packend und weiß die Leser in ihre fantastischen Welten zu verwickeln. Dem Sog der Geschichte kann man sich nur schwer entziehen. Allerdings erscheint mir die abschließende Auflösung ziemlich wirbelig und etwas verschwommen - die Spiegelkomplikationen und Ophelias letzte Erkenntnisse wirken leicht verworren und machen den Eindruck, dass die Erzählung hier relativ schnell zum Abschluss gebracht werden sollte. Ein offenes Ende finde ich normalerweise nicht schlecht. Hier jedoch hatte ich den Eindruck, dass die Rolle einiger Charaktere nicht wirklich zum Tragen kam. Sollte möglichweise doch ein fünfter Band geplant sein? In jedem Fall sollte man die ersten Bände (die mir im übrigen besser gefallen) gelesen haben, um diesen Roman verstehen zu können.

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Veröffentlicht am 16.09.2019

Ein Sprung und seine Folgen

Der Sprung
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Die kleine Stadt Thalbach hat ihre Sensation: auf dem Dach eines Hauses, gleich gegenüber von Roswithas Café, steht eine junge Frau, wütet und - springt schließlich tatsächlich hinunter, wie der Leser ...

Die kleine Stadt Thalbach hat ihre Sensation: auf dem Dach eines Hauses, gleich gegenüber von Roswithas Café, steht eine junge Frau, wütet und - springt schließlich tatsächlich hinunter, wie der Leser gleich zu Beginn des Romans erfährt. Das Motiv, aus welchem sie hier oben steht, scheint die zahlreichen Zuschauer kaum zu interessieren, wichtig ist ihnen das Ereignis selbst, das kommentiert, fotografiert und gefilmt wird.
Geschickt hat die Autorin dieses Ereignis als Anlass gewählt, um das herum sich zehn weitere Schicksale entwickeln. Sie gewährt dem Leser kurze Einblicke in den Alltag unterschiedlicher Personen und schildert in szenischen Ausschnitten, welche Auswirkungen das Agieren der Frau auf dem Dach auf das weitere Leben der anderen geschilderten Charaktere hat. Dazu bedient sie sich einer schönen, bildreichen Sprache, die dennoch unkompliziert und schnörkellos ist. Die anfänglich leicht depressiv wirkende Grundstimmung des Romans schwenkt im Laufe der Erzählung um, wird versöhnlicher und positiver.
Die Frage nach dem Grund für den Sprung wird zum Schluss doch noch beantwortet. Ob uns das Ende nachvollziehbar oder eher banal vorkommt, scheint der Autorin nicht so wichtig zu sein angesichts der Tatsache, dass der Sprung als Auslöser für wesentliche Veränderungen im Leben anderer dient. Doch - ehrlich gesagt - ich hätte mir für das Buch einen „runderen“ Abschluss gewünscht.

Veröffentlicht am 31.05.2019

Die zweite Haut

Deine kalten Hände
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Es ist wirklich keine neue Erkenntnis, dass wir in einer Welt der Äußerlichkeiten und des schönen Scheins leben. Wie es dabei im Inneren des Menschen aussieht, gibt niemand gern preis. Noch extremer mag ...

Es ist wirklich keine neue Erkenntnis, dass wir in einer Welt der Äußerlichkeiten und des schönen Scheins leben. Wie es dabei im Inneren des Menschen aussieht, gibt niemand gern preis. Noch extremer mag es in der asiatischen Welt sein: Welche Gefühle verbergen sich wirklich hinter einem Lächeln?
Als guter Beobachter erfährt Jang Unhyong bereits als Kind schmerzlich, was Menschen hinter einer solchen lächelnden Maske verstecken können. Seitdem ist er bestrebt, die offizielle, gesellschaftsfähige Hülle von Menschen zu durchschauen, die Geheimnisse dahinter zu entdecken. Als Bildhauer entwickelt er schließlich das „Lifecasting“, eine Methode, Gipsabdrücke von Menschen herzustellen, die besonders naturnah und dicht an der körperlichen Realität sind.
Aus zwei unterschiedlichen Erzählperspektiven schildert die Schriftstellerin Han Kang von Jang und seiner Beziehung zu zweien seiner Modelle, die äußerlich völlig gegensätzlich erscheinen, aber beide als Kinder Dinge erlebten, die sie zu Außenseitern machten. In einer Art Tagebuch beschreibt Han die ständigen Bemühungen des Künstlers, ein Abbild von den Frauen zu nehmen, die Gipshülle des Erscheinungsbildes als leere Hülle zu präsentieren und zu dem wahren Wesen der Frauen zu gelangen: seine Absicht ist, „Menschen die verletzliche Hülle abziehen, um in ihr Inneres zu sehen“. Dabei bleibt sie eher sachlich beobachtend und kühl. Es ist verwirrend, wie wenige Emotionen ihr Roman aufkommen lässt. Vielleicht liegt es daran, dass viele Erkenntnisse zu oft wiederholt und erläutert werden? Oder zu offensichtlich sind? Zu den Protagonisten besteht ebenfalls viel Distanz. Gewollt? Wie auch immer, es bleibt ein eher unterkühltes Leseerlebnis.