Profilbild von Akantha

Akantha

Lesejury Star
offline

Akantha ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Akantha über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.09.2020

Positive Überraschung im NA-Genre

It was always you
1

Nikola Hotel debütiert im Endlich Kyss-Verlag by rowohlt mit „It was always you“, dem ersten Band der Dilogie über die Blakely Brüder Asher und Noah. Protagonistin ist Ivy, die Stiefschwester der beiden. ...

Nikola Hotel debütiert im Endlich Kyss-Verlag by rowohlt mit „It was always you“, dem ersten Band der Dilogie über die Blakely Brüder Asher und Noah. Protagonistin ist Ivy, die Stiefschwester der beiden. Vor vier Jahren hat ihr Stiefvater sie nach dem Tod ihrer Mutter in ein weit entferntes Internat abgeschoben. Jetzt will er sie plötzlich sehen. So fliegt Ivy zurück nach Hause und kämpft dort gegen viele Erinnerungen… genauso wie gegen den gleichermaßen anziehenden wie unausstehlichen Asher.

Dies war mein erster Roman von Nikola Hotel und ich muss ehrlich zugeben: vielleicht hätte ich ihn mir ohne die Signieraktion bei der Buchhandlung Graff gar nicht bestellt. Nun bin ich aber sehr froh, dass ich mich von dieser Aktion habe ködern lassen, denn ich bin positiv überrascht und habe Band zwei direkt hinterher bestellt.

Die Geschichte ist vollständig aus Ivys Perspektive beschrieben. Der Autorin gelingt es dabei gut, den Zwiespalt zu beschreiben: Ivy sehnt sich nach einer Familie, die negativen Erinnerungen bereiten ihr aber auch Bauchschmerzen. Diese Gefühle nehmen in der Erzählung sehr viel Raum ein, was mir aber zu keinem Zeitpunkt negativ aufgefallen wäre. Viele Momente werden darüber hinaus in Schlüsselsätzen in ganzseitigen Handletterings von Carolin Magunia dargestellt. Insgesamt über 20 dieser Seiten lockern das Schriftbild auf und sind einfach schön anzusehen. Für mich absolut kein Kaufargument, aber trotzdem eine interessante Methode, dem Buch etwas Besonderes zu verleihen.

Nikola Hotel hat eine Gruppe wunderbarer Charaktere geschaffen. Ivy, Asher, Noah und ihre Freunde sind jeder für sich individuell und tragen auf ihre eigene Art zum Gelingen der Handlung bei. Natürlich sind es Typen, wie man ihnen auch in anderen New Adult Romanen begegnet: Der anziehende Junge mit Geheimnis, der Bad Boy, der vielleicht doch einen weichen Kern hat, die gute Freundin. Dennoch hat die Autorin jedem dieser Charaktere etwas Einzigartiges verliehen, sodass sie mir nicht langweilig oder austauschbar erschienen.

Besonders gut gefallen hat mir allerdings die Handlung selbst. Es gibt unerwartete Ereignisse, spannende und humorvolle Szenen und diese ganze Abwechslung fließt perfekt ineinander. Nikola Hotel zeigt, dass man sich nicht für eine Stimmung entscheiden muss, die ein ganzes Buch beherrscht. Sie bildet stattdessen alle emotionalen Ränder ab und fügt sie zu einem lebendigen Strang zusammen. Es ist nicht einfach der klassische Verlauf eines Liebesromans, sondern Auf und Abs folgen dicht aufeinander und lassen mich so immer zum nächsten Kapitel greifen.

Zwei Aspekte haben mir nicht so gut gefallen und zu dem leichten Punktabzug geführt. Zum einen Ivys gute Freundin Aubree. Sie soll Ivys Rückhalt in New York abbilden, tritt allerdings kaum in Erscheinung. Ich hatte das Gefühl, dass sie vor allem für den zweiten Band eingeführt wurde und über Band eins künstlich am Leben erhalten wird. Zum anderen bin ich nicht ganz zufrieden mit dem Ende. Es erschien mir etwas zu einfach und zudem werden kleine Aspekte offengelassen. Hier hoffe ich aber noch auf die Fortsetzung.

Insgesamt hat mich Nikola Hotel wirklich positiv überrascht und meinen Vorsatz, New Adult hinter mir zu lassen, stark ins Wanken gebracht. Sie hat der Geschichte eine Tiefe verliehen, die mir so häufig in dem Genre gefehlt hat. Dem Ende des Buchs hat diese Tiefe leider gefehlt, sodass ich zu 4 von 5 Sternen komme. Neben Nikola Hotels toller Story hat mich aber auch der Charakter „Noah“ absolut eingefangen, sodass ich mich schon sehr auf den zweiten Band („It was always love“; ET 15.09.2020) freue.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.09.2020

Bekenntnis zur spannenden Story

Silver Crown - Forbidden Royals
0

„Silver Crown“ ist der Auftakt zu Julie Johnsons „Forbidden Royals“-Trilogie. Emilia lebt seit ihrer Geburt unter dem Namen Lennox ein bürgerliches Leben. Als ihr Vater jedoch unerwartet zum König gekrönt ...

„Silver Crown“ ist der Auftakt zu Julie Johnsons „Forbidden Royals“-Trilogie. Emilia lebt seit ihrer Geburt unter dem Namen Lennox ein bürgerliches Leben. Als ihr Vater jedoch unerwartet zum König gekrönt werden soll, wird sie als sein einziges, wenn auch uneheliches, Kind die Thronerbin der Familie Lancaster. Das Leben als Prinzessin ist allerdings ganz und gar nicht märchenhaft und insbesondere Carter Thorne, der Sohn ihrer Stiefmutter, macht es ihr nicht leicht. Emilia fühlt sich dennoch von seinen düsteren Blicken angezogen.

Das Cover ist ein atemberaubender Blickfang. Die weiß-grauen und silbernen Farbtöne dominieren klar und spiegeln so den Titel „Silver Crown“ hervorragend wider. Hier gefällt mir die Mischung aus dem handschriftlichen Wort „Silver“ und dem klaren, gradlinigen „Crown“ sehr gut. Es sind zwei Gegensätze, die aufeinandertreffen, sich aber miteinander vereinen müssen – wie Emilias privates, bürgerliches Leben bis heute und ihr zukünftiges, öffentliches und zu einem großen Teil fremdbestimmtes Leben. Das absolute Highlight ist natürlich das elegante Diadem im Vordergrund. Es ist so detailgetreu herausgearbeitet, dass es einen Glanz verströmt, nach dem man meint greifen zu können. Es steht für all die hübschen, oberflächlichen Dinge an die man denkt, wenn es darum geht, eine Prinzessin oder Königin zu sein. Doch das Diadem zieht auch eine dunkle, schmutzige Partikelwolke hinter sich her. Diese überschattet alles, was vorher war und verdunkelt auch das Strahlen der Krone, denn die Position bringt nicht nur Freude und schöne Dinge mit sich. Diese Wahrheit, die uns das Cover bereits zeigt, wird Emilia vermutlich noch auf schmerzhafte Art lernen müssen.

Das Buch ist ausschließlich aus Emilias Perspektive geschrieben. Mittlerweile empfinde ich das als Ausnahme, weiß es aber sehr zu schätzen, da es den Lesefluss fördert und man sich voll und ganz auf Emilia konzentrieren und in sie hineinversetzen kann. Emilia ist mir sympathisch, weil sie sehr mitfühlend ist. Das Schicksal der Königsfamilie nimmt sie stark mit, auch wenn sie es nicht wahrhaben will. Sie ist sensibel und erscheint zunächst etwas zu zart und lieb um am Königshof bestehen zu kennen. Zu erleben, wie sie an dieser Herausforderung wächst, war sehr eindrucksvoll.

Dass Julie Johnson einen ganz besonderen Schreibstil hat, zeigt bereits das Vorwort. Sie schafft es, neugierig zu machen ohne etwas von der Handlung zu verraten. Ihre Überleitungen wirken sehr natürlich und nahbar, was mir gut gefällt. Auch das Durchbrechen der Vierten Wand im Prolog, zieht die Leser*innen sofort in die Geschichte hinein. Julie Johnson verrät hier ebenfalls wenig und facht die Neugier noch stärker an. Als die Handlung dann tatsächlich beginnt, ist mir sofort aufgefallen, wie intensiv die Autorin Emilias Gefühle beschreibt. Ihre eigene Beklemmung bis hin zur leichten Panik, genauso wie ihre Wahrnehmung der Stimmung gaben mir das Gefühl, selbst dort zu sein. Verwirrung, Verzweiflung, Sorge – alles fühlte sich ganz real an. Eine tolle Fähigkeit von Julie Johnson und ich bedauere, dass ich nicht schon früher mal ein Buch von ihr gelesen habe.

Gut gefallen hat mir, dass die Autorin manche Klischees aus Young-Adult Liebesromanen aufgebrochen hat. So ist beispielweise Emilia diejenige, die zum Teil verletzende Worte von sich gibt, anstatt diesen zum Opfer zu fallen. Auch gibt es viele schöne Szenen, die man so nicht schon dutzende Male in anderen Romanen gelesen hat, ohne abgedroschene Gesten, sodass mich diese Ereignisse in ihrer Einmaligkeit wirklich berührt haben.

Ein Pluspunkt ist außerdem, wie viel Wert die Autorin auf die Story legt. Es dreht sich nicht alles um Emilia und Carter, um Liebe und Sex, sondern im Mittelpunkt steht immer Emilias Schicksal, wie sie damit hadert und wie jeder Charakter versucht, seine Ziele zu erreichen. Es ist keine Aneinanderreihung romantischer oder dramatischer Szenen, aber es liegt eine konstante Spannung in der Luft, die in einem unerwarteten Finale gipfelt. Man spürt die ganze Zeit, das etwas passieren muss, gerechnet habe ich mit diesem Ausgang allerdings nicht.

Weniger gut zu lesen waren manche Dialoge. Gerade das erste Treffen zwischen Emilia und Carter ist sehr aufgeladen, körperlich intensiv und leidenschaftlich beschrieben. Das steht in starkem Kontrast zu dem künstlichen, unglaubwürdigen Dialog, den sie dabei führen. Diese Gegensätzlichkeit – Gesprochenes versus Gefühl – hat manchmal verhindert, dass sich die Stimmung einer Situation auf mich übertragen konnte.
Ähnliches gilt für einen Konflikt des Buches: An manchen Stellen hat man das Gefühl, das Thema „Verbotene Beziehung“ soll aufgegriffen werden. Es wird gesagt, man solle oder dürfe etwas nicht tun, aber gleichzeitig fehlte mir die ganze Zeit die Begründung dafür. Ich konnte nicht nachvollziehen, woraus dieser Konflikt resultiert und mich so nicht in das Problem einfühlen. Dadurch empfand ich das Drama zuweilen als übertrieben.

Was man beim Lesen leider auch sehr gut merkt, ist, dass dieses Buch eine Einleitung für die Geschichte der nächsten zwei Bände ist, was ich schade finde. Band eins legt inhaltlich den Grundstein für die folgenden Romane, ist aber für sich alleine nicht aussagekräftig – das geht bei Trilogien durchaus auch anders.

„Silver Crown“ hat vieles sehr gut und vor allem besser als andere Bücher des Genres gemacht: Der Fokus liegt klar auf der Story, welche zudem spannend ist und die romantischen Szenen sind kreativ und neu. Es gibt zwar einige Aspekte, die mir nicht gefallen haben, aber das sind vor allem Kleinigkeiten, sodass ich insgesamt zu 4 von 5 Sternen komme. Band zwei, „Golden Throne“ (ET 27.11.2020), und Band drei, „Diamond Empire“ (ET 26.02.2021) werden von mir mit Spannung erwartet und sofort verschlungen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Gefühl
Veröffentlicht am 27.08.2020

Ein zäher Start mündet in ein rasantes Finale

Breakdown - Sie musste sterben. Und du bist schuld
0

Cass fährt während eines Gewitters über eine einsame Landstraße. Als sie ein parkendes Auto sieht, steigt sie nicht aus, um Hilfe anzubieten, sondern fährt nach Hause. Am nächsten Tag erfährt sie, dass ...

Cass fährt während eines Gewitters über eine einsame Landstraße. Als sie ein parkendes Auto sieht, steigt sie nicht aus, um Hilfe anzubieten, sondern fährt nach Hause. Am nächsten Tag erfährt sie, dass die Frau in ihrem Auto ermordet wurde - und Cass kannte sie! Sie quälen Schuldgefühle und als sie immer mehr stumme Anrufe erhält fürchtet sie, der Mörder sieht in ihr sein nächstes Opfer.

Vor zwei Jahren habe ich mir dieses Buch geholt, da B.A. Paris durch ihr Debüt "Saving Grace" bei Thriller-Fans in aller Munde war. Gelesen hatte ich es noch nicht, aber ich dachte mir, mit der Autorin kann man sicher nichts falsch machen. Und ich hatte recht.

Dabei sah es zunächst gar nicht gut aus: die erste Hälfte war sehr zäh, ich musste mich ein wenig durchquälen, dann nach dem guten Start, herrscht lange Eintönigkeit. Cass leidet unter ihren Schuldgefühlen und unter den Anrufen und diese Gefühle sind sehr eindringlich und nachvollziehbar beschrieben. Aber wirklich handfeste, bedrohliche und spannende Ereignisse haben mir gefehlt. Doch es hat sich mal wieder gelohnt, am Ball zu bleiben.

Das Ende habe ich in Teilen schon so vorhergesehen. Dennoch hat mich die Rasanz, mit welcher die Autorin davon erzählt, einfach mitgerissen. Plötzlich geht alles Schlag auf Schlag, man kann gar nicht so schnell lesen, wie man wissen möchte, was passiert. Das Finale ist ein wahrer Knall und man schließt das Buch, ohne offene Fragen zurückzubehalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.07.2020

Humble and loyal – Katharina von Aragón verstehen

Katharina von Aragón (Die Tudor-Königinnen 1)
0

Mit Katharina von Aragón, der ersten seiner sechs Ehefrauen, beginnt Alison Weir ihre biografische Reihe über die Gemahlinnen von Henry VIII. Insgesamt umspannt die Geschichte die Jahre 1501 (Ankunft Katharinas ...

Mit Katharina von Aragón, der ersten seiner sechs Ehefrauen, beginnt Alison Weir ihre biografische Reihe über die Gemahlinnen von Henry VIII. Insgesamt umspannt die Geschichte die Jahre 1501 (Ankunft Katharinas in England) bis 1536 (Jahr ihres Todes).
Katharina gelangt nach England um den Thronerben Prince Arthur zu heiraten. Dieser verstirbt jedoch kurz darauf, sodass sie im Anschluss seinen Bruder, Prince Henry, ehelicht. Die innige Liebe der beiden verblasst jedoch bald, denn Henry wird besessen von dem Gedanken an einen männlichen Nachfolger. Er wendet sich ihrer Hofdame Anne Boleyn zu. Für Katharina beginnt ein Kampf um Ehre, Würde, Respekt sowie ihr Leben und das ihrer Tochter.

Das Buch gliedert sich in drei Teile: „Die Prinzessin aus Spanien“, „Die Königin von England“ und „Die wahre Königin“. Letzteres ist zugleich der Nebentitel dieses Bandes und könnte einen Hinweis auf die persönliche Einschätzung der Autorin geben. Doch während man darüber nur spekulieren kann, wird auf jeder einzelnen Seite klar, dass Katharina selbst zu keinem Zeitpunkt bereit war, davon abzurücken, dass sie selbst die einzige, die wahre, Königin von England ist. Besonders relevant wird das in den Jahren ab 1527, in denen Henry VIII. den Papst um Annullierung seiner Ehe ersucht.

Dies war zwar mein erstes Buch von Alison Weir aber nicht ihr erstes veröffentlichtes Werk. Sie ist Mitglied der Royal Society of Arts and Science und hat zahlreiche historische Sachbücher und Romane veröffentlicht.
Ihr Schreibstil hat mir gut gefallen. Sie drückt sich klar aus, leicht verständlich, ohne zu viel mittelalterliches Vokabular oder künstlich wirkende Dialoge. Viele zitierte Briefe und Gespräche sind authentisch mit einer leichten Anpassung der Sprache an unsere heutigen Ausdrücke. Diese realen Worte sind vielfach schockierender, als sie die Fantasie hervorbringen könnte. Nie habe ich die Ungerechtigkeit, die Katharina von Aragón widerfahren ist, so intensiv empfunden, wie durch die Briefe und Unterhaltungen, die Alison Weir hier verarbeitet hat.
Ein grundsätzliches Problem in historischen Romanen ist, dass es viele auftretende Charaktere gibt, die sich jedoch nur eine handvoll Vornamen teilen. Die Autorin hat allerdings einen guten Mittelweg gefunden, die Leser/innen nie im Unklaren zu lassen, wer gemeint ist, gleichzeitig aber unnötige Wiederholungen zu vermeiden.
Besonders positiv aufgefallen ist mir zudem, wie genau Alison Weir in den letzten Kapiteln abgewogen hat, was Katharina vom englischen Hof und der restlichen Welt erfahren konnte (und auf welche Art) und was nicht. Diese Differenzierung ist nicht nur für eine authentische Situationsbeschreibung notwendig, sie macht die Leser/innen, die mit der Historie nicht so vertraut sind, zudem immer neugierig auf die nächsten Mitteilungen, die Katharina erreichen, oder gar auf den zweiten Band der Reihe, in dem Anne Boleyns Perspektive einige offene Fragen klären wird.
Meine einzige Kritik ist, dass das Buch in der Mitte ein paar Längen hat. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, dass jeder einzelne von Katharinas Briefen denselben Wortlaut hatte, jede Delegation dieselben Nachrichten überbracht hat und Geschichten oder Skandale der Nebencharaktere in Katharinas Hofstaat zu detailliert behandelt wurden. Das nimmt für mich in der Mitte zu viel Tempo raus.

Mit dem Wissen von heute lassen wir uns schnell zu der Aussage hinreißen, wie viel leichter (und vielleicht sogar länger?) Katharinas Leben gewesen wäre, wenn sie sich Henrys Wünschen gefügt hätte. Durch Alison Weir habe ich allerdings das erste Mal einen so tiefen Einblick in Katharinas Gedanken und Gefühle erhalten, dass ich verstehen konnte, wieso sie nicht diesen leichten Weg gewählt hat. Vielmehr erscheint mir ihr tatsächliches Verhalten nun wie der einzig logische und für sie sinnvolle Weg. Wenn ein/e Autor/in durch einen historischen Roman dieses Verständnis für mehrere hunderte Jahre alte Handlungen wecken kann, ist wirklich von einer außerordentlichen Leistung zu sprechen.

Für mich trat außerdem ein ganz neuer Aspekt in Erscheinung: Nie habe ich mir allzu intensive Gedanken dazu gemacht, wie Prinzessin Mary (die spätere Königin Mary I.) unter dem mehrere Jahre andauernden Prozess der Scheidung, „Des Königs große Sache“, gelitten hat. Katharinas Sorgen und Gedanken um ihre Tochter, deren Status auch eines von Katharinas treibenden Motiven war, haben mir geholfen, Zugang zu diesem Thema zu finden. Häufig sieht man im Vordergrund Katharinas Leid, doch der gesamte Prozess hatte auch in Mary ein unschuldiges Opfer. Dieser Einblick erzeugt ganz neues Verständnis für ihren späteren Herrschaftsstil – keine Rechtfertigung oder gar Akzeptanz, aber er scheint nicht mehr so verwunderlich.

Zuletzt ist auch die Ausstattung des Romans zu loben. Es beginnt mit Stammtafel der Häuser Tudor und Trastámara, die beide auf Edward III. zurückzuführen sind. Wenn ich so etwas in historischen Romanen vorfinde, geht mir direkt das Herz auf. Zwingend notwendig für das Verständnis der Handlung sind diese hier allerdings nicht.
Die Geschichte endet mit einem kurzen Nachwort der Autorin, dem ich die Angaben zur Authentizität von Briefen und Dialogen für meine Rezension entnommen habe. Dies ist mir ebenfalls sehr wichtig, um Fakt und Fiktion zu unterscheiden, denn mit jedem historischen Roman lernt man auch etwas – wenn man bereit dazu ist.
Darauf folgt ein sehr umfangreiches Personenverzeichnis, in welchem die Charaktere nach ihrem erstmaligen Auftreten angeordnet sind. Diese Ordnung empfinde ich als nicht hilfreich, denn gerade bei Nebencharakteren können Leser/innen auf knapp 900 Seiten sehr leicht vergessen, wann diese erstmals in Erscheinung traten. Eine alphabetische Sortierung wäre einfacher in der Handhabung und erfüllt viel mehr ihren Zweck.
Interessant für eine abschließende Rekapitulation des Geschehens ist die Zeittafel, die zum Schluss die wichtigsten Ereignisse nochmal wiedergibt.
Hätte ich einen Wunsch bezüglich der Ausstattung frei, wäre es eine Landkarte, auf der die ganzen Paläste eingetragen sind, zwischen denen Henry und Katharina beständig wechseln.

Zusammenfassend komme ich zu 4 von 5 Sternen. Ich bin dankbar für die neuen Blickwinkel und das Verständnis, das Alison Weir in mir geweckt hat. Lediglich die Längen in der Mitte haben den Lesegenuss getrübt.
Auch wenn ich schon viel über diese Epoche und Henry VIII. gelesen habe, habe ich wieder völlig neue Aspekte von Katharina von Aragón entdeckt und andere Seiten von ihr kennen gelernt. Umso gespannter bin ich auf den nächsten Band der Reihe, „Anne Boleyn – Die Mutter der Königin“ (ET 02.11.2020). So sehr ich aktuell gegen diese Königin eingenommen bin, umso interessierter bin ich, was sich hinter dem äußeren Anschein verbirgt, was ich Neues über sie lernen kann und ob mir Alison Weir nicht doch ungeahnte Sympathien für diese umstrittene Persönlichkeit entlocken kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.06.2020

Romeo und Julia heute

Richer than Sin
6

Endlich etwas Neues von Meghan March! Mit „Richer than sin“ hat sie den ersten Roman ihrer neuen Trilogie bei LYX veröffentlicht. Lincoln Riscoff und Whitney Gable stammen aus zwei Familien, die seit ...

Endlich etwas Neues von Meghan March! Mit „Richer than sin“ hat sie den ersten Roman ihrer neuen Trilogie bei LYX veröffentlicht. Lincoln Riscoff und Whitney Gable stammen aus zwei Familien, die seit vielen Generationen verfeindet sind. Vor zehn Jahren haben sie sich gefunden, aber das Schicksal legte ihnen zu viele Steine in den Weg. Jetzt treffen sie sich wieder und ihre Gefühle füreinander sind keinesfalls abgekühlt. Die Familienfehde allerdings auch nicht.

Ich bin ganz ehrlich: Das Cover gefällt mir nicht. Das Beige der Pflanzen sieht etwas dreckig aus und wirkt vor dem weißen Hintergrund noch weniger hübsch und außerdem etwas langweilig. Positiv sticht für mich aber der Schriftzug daraus hervor: „Richer“ und „sin“ sind gradlinig und klar, aber vor allem das „than“ in der Mitte verleiht dem Titel durch die Handschrift-Optik etwas Persönliches. Insgesamt hätte ich anhand des Covers in einem Buchladen nicht danach gegriffen. Als ich aber sah, dass es von Meghan March ist, war mir sofort klar, dass ich reinlesen will, denn ihre beiden vorangegangenen Trilogien habe ich verschlungen.

Ihr Schreibstil hat mich auch sofort wieder mitgerissen. Sie ist so klar und unverblümt, aber vor allem kann sie ganz hervorragend das Kribbeln, die Anziehung, zwischen zwei Charakteren für die Leser*innen greifbar machen. Sogenannte „Lust auf den ersten Blick“ kann Meghan March vermitteln wie keine andere. Als Lincoln und Whitney sich das erste Mal wiedergesehen haben, sind die Funken geflogen. Diese Szene war unfassbar intensiv für mich und hat noch richtig in mir nachgehallt. Wer allerdings die geballte Erotik der beiden Sinful-Trilogien erwartet, sei vorgewarnt: Meghan March beweist in „Richer than sin“, dass sie auch anders kann. Es gibt ein Minimum an sexuellen Szenen, diese sind zudem weniger ausschweifend und nicht von den Sexpraktiken geprägt, die man aus den Vorgängern kennt. Das habe ich nicht erwartet, war aber positiv überrascht, dass die Autorin aus ihrem eigenen Schema ausbricht – das gelingt nicht vielen. Wem die ersten beiden Reihen aus den genannten Gründen nicht gefallen haben, kann der neuen Trilogie definitiv eine Chance geben!

Lincoln und Whitney sind großartige Charaktere. Sie sind vielschichtig und machen nicht immer alles richtig. Man spürt, wie sie in den zehn Jahren gewachsen sind und sich verändert haben. Es fällt leicht, mit ihnen zu fühlen, und bereits vom ersten Kapitel an, wünscht man den beiden Glück. Begleitet werden sie von wunderbar geformten Nebencharakteren. Sowohl die netten und sympathischen sind toll gemacht, aber auch die hasserfüllten, missgünstigen Personen reißen den Leser mit. Dabei sind sie nicht alle nur schwarz-weiß, was ihnen eine besondere Authentizität verleiht.

Im Buch werden nicht nur die Perspektiven zwischen Lincoln und Whitney gewechselt, es gibt auch einen beständigen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Es ist interessant und spannend, hautnah zu erleben, was damals passiert ist, und nicht nur auf Erinnerungen zurückgreifen zu müssen. Auch gibt es zwischen beiden Zeitebenen ein paar Parallelen, die die Schicksalhaftigkeit der Liebesbeziehung unterstreichen. Doch dies kann auch verwirrend sein: Wenn ich das Buch beiseitegelegt habe, musste ich mich danach erstmal wieder orientieren, was Gegenwart und was Vergangenheit war. Im Mittelteil des Buches gab es außerdem eine Phase, in dem die Handlung der Vergangenheit sehr fesselnd war, sich die Gegenwart allerdings kaum von der Stelle bewegt hat. Dabei sollte das Hier und Jetzt meiner Meinung nach entscheidender sein und nicht von der Vergangenheit an den Rand gestellt werden. Denn das Heute ist doch die Geschichte, die noch erzählt werden muss, die sich verändert, während das Gestern bereits feststeht.

Zusammenfassend komme ich zu 4 von 5 Sternen. Die Idee, Romeo und Julia eine neue Stimme zu geben, ist sicher nicht neu, aber großartig umgesetzt. Die Geschichte hat große Gefühle, Spannung und sogar Witz, sowie hervorragend ausgearbeitete Nebencharaktere. Meine einzige Kritik ist wirklich, dass der Fokus manchmal zu sehr auf der Vergangenheit liegt, während die Gegenwart stehen zu bleiben scheint. Ich hoffe, dass das in Band zwei („Deeper than love, ET 28.07.202) und drei („Stronger than fate“, ET 28.08.2020) etwas ausgeglichener wird, freue mich aber unbändig auf die Fortsetzungen. Und das liegt nicht nur an diesem echt gemeinen Cliffhanger, für die Meghan March ja schon berüchtigt ist...

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Charaktere
  • Cover
  • Erzählstil
  • Erotik