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Veröffentlicht am 21.09.2020

Toller Einstieg für eine Reihe!

The Loop. Das Ende der Menschlichkeit (The Loop 1)
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"The Loop. Das Ende der Menschlichkeit" von Ben Oliver ist ein Thriller, der uns Einblick in eine dystopische Zukunft gewährt. [T R I G G E R W A R N U N G: Gewalt, Tod, Suizid, Mord]

Der Loop ist ein ...

"The Loop. Das Ende der Menschlichkeit" von Ben Oliver ist ein Thriller, der uns Einblick in eine dystopische Zukunft gewährt. [T R I G G E R W A R N U N G: Gewalt, Tod, Suizid, Mord]

Der Loop ist ein Hightech-Jugendgefängnis, in dem Luka seit zwei Jahren auf seine Exekution wartet. Jeden Tag müssen die Insassen eine schmerzhafte Energie-Ernte über sich ergehen lassen, die sechs Stunden andauert. Eines Tages ändert sich alles. Wachen verschwinden, Insassen nehmen sich das Leben, ein Ausbruch aus dem Loop scheint nun möglich. Doch Gerüchten zufolge kursiert draußen ein Virus, das Menschen in Killermaschinen verwandelt.

Der Schreibstil ist schön flüssig und es gibt auch einige (sehr) kurze Kapitel mit nur einigen Sätzen, die ich genial fand, weil sie die Monotonie im Loop gut dargestellt haben. Einmal am Tag dürfen die Insassen an die freie Luft, jeder für sich mit meterhohen Wände zwischen ihnen. Luka nutzt diese Zeit, um sich komplett zu verausgaben, indem er hin- und herrennt, sodass er weniger Energie für die Energie-Ernte übrig hat. Dieser kleine Akt der Rebellion, auch wenn ungewiss ist, ob sie tatsächlich etwas bringt, hat mir sehr gut gefallen.

Die Insassen haben die Möglichkeit ihre Exekution “aufzuschieben”, indem sie bei einem sogenannten “Aufschub” mitmachen. Allerdings ist "Aufschub" lediglich ein harmloses Wort für Menschenexperimente. Mir war regelrecht mulmig zumute, als die unterschiedlichen Eingriffe beschrieben wurden. An ihnen werden die neuesten technischen Erneuerungen getestet, um zu erforschen, ob gewisse Modifikationen möglich sind.
In dieser Welt gibt es nämlich die “Modifizierten”, die “Regulären” und “Klone”. Dieses Konzept macht eine vollkommen neue Einteilung von Menschen möglich. Dabei bleiben natürlich die Armen dann “Regulär”, weil sie sich diese Modifikationen nicht leisten können. “Klone” sind Menschen, die vollkommen drogenabhängig geworden sind und nur noch vor sich hinvegetieren. Die Droge “Ebb” ermöglicht es in eine Fantasiewelt zu leben und dadurch von der Realität zu flüchten.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und kann es allen empfehlen, die gerne dystopische Thriller lesen. Spannend bis zum Schluss, auch wenn es einige Stellen gibt, die ich nicht nachvollziehen konnte, weshalb ich einen Stern abgezogen habe. Das Ende des Buchs bleibt offen und schreit förmlich nach einem 2. Teil!

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Ein interessierter Beobachter des Lebens

Mein Leben als Hoffnungsträger
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“Mein Leben als Hoffnungsträger” von Jens Steiner ist ein ungewöhnlicher Roman über den Alltag, und wer hätte gedacht, dass es möglich wäre den Alltag so spannend zu beschreiben!

"Mir ist nicht wohl ...

“Mein Leben als Hoffnungsträger” von Jens Steiner ist ein ungewöhnlicher Roman über den Alltag, und wer hätte gedacht, dass es möglich wäre den Alltag so spannend zu beschreiben!

"Mir ist nicht wohl dabei, weil Joãos Geschäft wie alle Geschäfte wachsen will, weil es wie jedes Geschäft die Weltherrschaft anstrebt. Ich aber will keine Herrschaft, ich will im dunklen Dickicht der Gegenwart bleiben. Mir gefällt es hier. Warum muss man immer besser werden, warum immer noch ein Diplom erwerben, warum immer weiter dorthin streben, wo die Luft dünn ist, wo Stressjob und Haushypothek ständig die Hand an deiner Gurgel haben? Ich verstehe es nicht und will es nicht verstehen."


Nachdem Philipp seine Lehre zum Mechatroniker abgebrochen hat und aus seiner WG rausgeschmissen wurde, weil die Mitbewohner seinen Putzfimmel nicht mehr tolerieren wollten, vertreibt er sich die Zeit an einer Tramhaltestelle die Zeit mit dem Auflesen von Stanniolpapieren. Dabei wird Uwe, der Leiter des städtischen Recyclinghofs auf ihn aufmerksam, und nimmt ihn unter seine Fittiche. Uwe nennt Philipp seinen neuen Hoffnungsträger und zeigt ihm alles, was es auf dem Recyclinghof zu wissen gibt. Phillipp wirkt mehr wie ein interessierter Beobachter als ein Teilnehmer des Lebens, denn er lässt das Leben einfach geschehen.

Zu den "Fantastischen Vier" des Recyclinghofs gehören noch Arturo und João dazu, zwei Portugiesen, die aus den abgegeben Waren ihren eigenen, nicht ganz legalen Nutzen ziehen, für den sie bald auch Philipp gewinnen wollen – bis ihnen ein Großprojekt aus dem Ruder läuft und die aufgeräumte Welt des Recyclinghofes gehörig ins Wanken gerät.

Es ist einfach unglaublich spannend die Gedanken von Philipp mitzuverfolgen, weil sie so wunderschön lyrisch dargestellt werden.


Klare Leseempfehlung von mir, denn auch das Ende ist nicht 08/15.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Verstörend. Bizarr. Kafkaesk. Das alles auf eine positive Art und Weise.

Die Vegetarierin
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"Die Vegetarierin" von der südkoreanischen Autorin Han Kang wurde im Original als drei separate Novellen veröffentlicht und dann zu einem Roman zusammengestellt.

[SPOILER]

Im ersten Teil stellt der ...

"Die Vegetarierin" von der südkoreanischen Autorin Han Kang wurde im Original als drei separate Novellen veröffentlicht und dann zu einem Roman zusammengestellt.

[SPOILER]

Im ersten Teil stellt der Ehemann der Protagonistin Yeong-hye die beiden vor: Ganz gewöhnliche Eheleute, schon fast langweilige Menschen. Denn er geht lediglich seinem Bürojob nach, sie ist zwar eine pflichtbewusste Hausfrau, scheint aber allem gegenüber apathisch zu sein. Alles ändert sich, als Yeong-hye sich plötzlich dazu entschließt keine tierischen Produkte mehr zu sich zu nehmen. (Das Buch heißt zwar "Die Vegetarierin" aber da es den Begriff "Veganerin" im Koreanischen nicht existiert, außer evtl. als Anglizismus, deckt "Vegetarierin" oft auch Veganismus ab.) Während die meisten sich aus ethischen oder der Umwelt wegen zu solch einem Lebensstil entscheiden, ist Yeong-hyes Begründung: "Ich hatte einen Traum."

Der erste Teil hat mich vollkommen in seinen Bann gezogen! Hauptsächlich, weil mich der egoistische und sexistische Ehemann konstant aufgebracht hat. Seine Frau nimmt extrem ab, weil sie einfach auf alles Tierische verzichtet und nicht auf eine ausgewogene Ernährung achtet, und seine größte Sorge ist, dass sie keinen Sex will?! [TRIGGERWARNUNG: Vergewaltigung und Suizid] Ich weiß gar nicht, was ich an dem Ehemann am schlimmsten finde. Die schlimmsten Vorfälle sind aber definitiv, dass er sich durch ihren Gesichtsausdruck gestört fühlt, als er sie mehrmals vergewaltigt, weil sie so schaut, als hätte sie schlimme Erfahrungen gemacht und dass er nach Yeong-hyes Suizidversuch Ekel empfindet... Ihr Ehemann verkörpert auf erschreckende Weise den unterdrückenden Pa­t­ri­ar­cha­lis­mus, denn es scheint ihn nur zu interessieren, dass seine Ehefrau nicht mehr wie früher "funktioniert".

Dann kommt noch ihre Familie hinzu, bestehend aus ihren Eltern, einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder. Sie alle haben kein Verständnis für ihre Ernährungsumstellung, also zwingen sie Yeong-hye dazu Fleisch zu essen. Die Essens-Szene zeigt dabei wunderbar die hierarchische Familienstruktur in Südkorea. Die Kinder haben den Eltern zu gehorchen, insbesonders dem Vater, denn sie wollen nur das Beste für dich und ansonsten ist man nicht pietätvoll.

Der zweite Teil ist aus der Sicht von Yeong-hyes Schwager geschrieben und offenbart den Leserinnen seine sexuelle Obsession mit Yeonghye und benutzt sie um seine künstlerische Vision wahr werden zu lassen. Kurz darauf haben sie eine Affäre miteinander, die von der älteren Schwester aufgedeckt wird. Im dritten Teil erfahren die Leserinnen aus der Perspektive der älteren Schwester, dass Yeong-hye mittlerweile in einer Psychiatrie ist und sie die einzige ist, die sich noch um sie sorgt. Diese beiden Teile zeigen verstärkt wie sehr sich Yeong-hye immer mehr gegen ihre unterdrückende Umgebung wehrt. Letztendlich träumt sie von einem Leben als Baum, um allem zu entfliehen.

Ein intensives Buch mit einem puristischen Schreibstil, das verstört und zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 20.08.2020

Plottwists!

Die Frequenz des Todes
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"Audioprotokoll der kriminalpolizeilichen Vernehmung von Moritz Ansorge, Sie sind zu uns gekommen, weil Sie eine Aussage machen möchten. - Ja, aber wenn ich das tue, werde ich Hilfe brauchen. Denn diejenigen, ...

"Audioprotokoll der kriminalpolizeilichen Vernehmung von Moritz Ansorge, Sie sind zu uns gekommen, weil Sie eine Aussage machen möchten. - Ja, aber wenn ich das tue, werde ich Hilfe brauchen. Denn diejenigen, gegen die ich aussage, werden mich danach jagen. Und sie werden mich finden, überall auf der Welt. Können Sie mir eine neue Identität verschaffen und meiner Familie Schutz zusichern?"

Klasse Nachfolger von Auris! Nur schade, dass man nicht wirklich etwas über Moritz und seine Situation erfährt. Dennoch ein spannender Fall für Hegel und Jula mit tollen Plottwists! Die kurzen Kapitel und die klaren Kennzeichnungen aus welchem Blickwinkel diese geschrieben, genauso wie die Gedanken der Personen macht es zu einem angenehmen Lesevergnügen.

Das einzige Manko für mich war der Dialog zwischen Jula und Frau Sommer. Das wurde für mich dann doch zu einfach gelöst, aber ansonsten wirklich empfehlenswert! Was Moritz betrifft, muss ich wohl bis zum nächsten Band warten, der hoffentlich bald geschrieben wird.

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Veröffentlicht am 20.08.2020

Alkoholexzess, Voyeurismus und Selbstzweifel

Girl on the Train
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Paula Hawkins Roman "Girl on the Train" beschreibt welche Auswirkungen Alkoholexzess, gepaart mit Selbstzweifel, haben kann. Rachel verleitet es dazu, nachdem sie von ihrem Ehemann Tom zuerst betrogen ...

Paula Hawkins Roman "Girl on the Train" beschreibt welche Auswirkungen Alkoholexzess, gepaart mit Selbstzweifel, haben kann. Rachel verleitet es dazu, nachdem sie von ihrem Ehemann Tom zuerst betrogen und dann verlassen wurde und auch noch ihren Job verloren hatte, jeden Morgen dennoch die gewohnte Zugfahrt anzutreten, um ihrer Mitbewohnerin vorzuspielen, dass sie weiterhin zur Arbeit fährt. Während der Fahrt hält der Zug immer so, sodass sie ihr altes Haus sehen kann. Da sie aber nicht ihr erträumtes "perfektes" Leben führt, projiziert sie diese Wunschvorstellung auf das Paar im Haus Nr. 15, unweit von ihrem alten Haus. Rachel denkt sich für sie Namen, Jobs und Hobbies aus, spinnt Geschichten, und beobachtet sie obsessiv vom Zug aus. Plötzlich passiert etwas im Garten vom Haus Nr. 15, das auf Rachel ungewöhnlich wirkt und sie fühlt sich dazu berufen dem nachzugehen, als am Tag darauf die Frau verschwindet.


Der Roman wird aus der Perspektive von drei Frauen erzählt und jede von ihnen ist eine Antiheldin. Es ist unmöglich auch nur eine von ihnen wirklich zu mögen. Rachel: kämpft mit exzessivem Alkoholkonsum, der sie zu schrecklichen Spontanentscheidungen verleitet, mischt sich in das Verschwinden von Megan (die Frau von Haus Nr. 15) ein, obwohl es sie nicht betrifft. Megan: Fremdgeherin, die in der Vergangenheit einiges durchgemacht hat. Anna: neue Ehefrau von Tom, berechnend und wohl ohne jegliche Empathie. Alle drei sind moralisch sehr ambivalente Frauen und es fällt ihnen schwer ein Selbstwertgefühl zu entwickeln, das nicht von Männern abhängig ist. Obwohl ich wirklich mit keine von ihnen befreundet sein wollen würde, war es unglaublich spannend ihre Gedanken mitzuverfolgen (und gleichzeitig abstoßend). Insbesondere Rachel, weil sie durch den Alkohol eine unzuverlässige Erzählerin ist und selbst nicht weiß, was real ist oder nicht. Wichtig ist auch die Datumsangabe im Auge zu behalten, da Megan von der Vergangenheit erzählt, während die anderen beiden die Gegenwart aus unterschiedlichen Blickwinkel wiedergeben.


Auch wenn das Ende keine vollkommene Überraschung für mich war, konnte das Buch mich dennoch bis zur letzten Seite fesseln.

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