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Veröffentlicht am 05.12.2020

Die französische Küche mal anders 😉

Dreck
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Ich kenne bereits das erste Buch ‚Hitze‘ von Bill Buford, in dem er sich besonders mit der italienischen Küche beschäftigt und war davon richtig begeistert. So habe ich mich sehr über diese neue Lektüre ...

Ich kenne bereits das erste Buch ‚Hitze‘ von Bill Buford, in dem er sich besonders mit der italienischen Küche beschäftigt und war davon richtig begeistert. So habe ich mich sehr über diese neue Lektüre von ihm gefreut und wurde nicht enttäuscht 😉

Auch dieses Mal hat er sich wieder mit Leib und Seele seinem ‚Projekt‘ verschrieben – nun ist es die französische Küche und zwar gleich die Haute Cuisine. Ich finde es bewundernswert, mit welcher Hingabe er sich mehr oder weniger Hals über Kopf in ein komplett neues Leben gestürzt hat – und das mit über 50 Jahren und Familie mit zwei kleinen Kindern. Aber man darf nicht vergessen: Ohne seine Frau wäre das Alles nicht möglich gewesen! Und das schreibt er auch in seiner Widmung.

Er kündigt eine durchaus renommierte Stellung in New York, beginnt in Lyon ein Leben als ‚Lehrling‘ und nimmt die damit verbundenen Einschränkungen, Belastungen und sogar Demütigungen in Kauf. Stets ist ihm klar, dass er nie ein Meisterkoch werden wird, aber er will um jeden Preis wissen, was die französische Küche ausmacht.

Zur Freude von uns Lesenden ist Bill Bruford ein überaus genauer Beobachter und beschreibt ausführlich, was sich kochmäßig und auch sonst so in der Küche ereignet. Und das ist nicht gerade wenig: Es geht um Tricks beim Kochen, Klatsch und Tratsch und das teils gnadenlose und sogar brutale Miteinander in der Küche. Dazu gibt es jede Menge historische Erläuterungen wie auch Beschreibungen der französischen bzw. der Lyoneser Gesellschaft und ihrer Einstellung zum Essen, die er über alle Maßen bewundert und verehrt (was durchaus nachvollziehbar ist). Unbedingt will er zudem nachweisen, dass ohne die italienische Küche die französische wohl nicht existieren würde – was in Frankreich jedoch niemand hören möchte.

Einen Wermutstropfen gibt es dennoch: Bill Buford erzählt zwar ausgesprochen unterhaltend, doch er neigt dazu vom Hölzchen aufs Stöckchen zu springen. So findet man sich von einer französischen Sterneküche plötzlich ins Zeitalter der Renaissance versetzt und dann zurück ins ländliche Frankreich. Etwas mehr Geradlinigkeit wäre hier schön gewesen – und ein Namensverzeichnis das Tüpfelchen auf dem i 😉 Ein bisschen versöhnt hat mich am Ende dann aber noch der Nachtrag, aus dem man erfährt, was aus manchen der Personen, die im Buch auftauchen, geworden ist – auch wenn ich sie nicht mehr alle genau in Erinnerung habe. Es sind schlicht zu Viele.

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Veröffentlicht am 29.10.2020

Gnadenlose Lola - und doch voller Nächstenliebe

Capitana
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Ein Thriller voller Gegensätze:
- Lola, die knallharte, eiskalte Chefin einer Drogengang - gleichzeitig aber liebevolle Mutter und voller Hilfsbereitschaft für alle Armen und Schwachen.
- Lolas Wohnort ...

Ein Thriller voller Gegensätze:
- Lola, die knallharte, eiskalte Chefin einer Drogengang - gleichzeitig aber liebevolle Mutter und voller Hilfsbereitschaft für alle Armen und Schwachen.
- Lolas Wohnort Huntington Park, wo auf den Straßen Drogen verkauft werden und Schusswechsel stattfinden - und Culver City, wo sich die Schule von Lucy, Lolas Tochter, befindet und fast ausschließlich reiche Weiße wohnen.
- Andrea, Staatsanwältin, die sich einen Namen im Kampf gegen Missbrauch und häusliche Gewalt geschaffen hat - und gemeinsam mit Lola für den Drogenhandel verantwortlich ist.
Durch ihre Hilfsbereitschaft, die auch nicht vor Mord zurückschreckt, löst Lola unwissentlich einen Kartellkrieg aus, in den sie sogar ihren Bruder hineinzieht. Selbst ihre Partnerin scheint falsch zu spielen, sodass Lola sich gleichzeitig um mehrere Fronten kümmern muss. Und dann ist da noch die ständige Sorge um ihre Tochter.
Was diesen Thriller besonders macht, ist die Schilderung aus der Sicht einer Latina, die sich des ständigen Rassismus in der Gesellschaft bewusst ist und diesen entsprechend schildert. Ob es sich um Vorurteile gegenüber Latinos oder Frauen handelt - die Autorin Melissa Scrivner Love bringt es immer wieder durch ihre Hauptfigur zur Sprache und es ist erschreckend, wie Vieles von uns Nicht-Betroffenen schlicht nicht bemerkt wird. Auch macht Love überdeutlich, wie immens die Kluft zwischen Arm und Reich ist und dass der 'American Dream' für die große Mehrheit immer ein Traum bleiben wird.
So gnadenlos hart wie die Handlung wirkt auch die Sprache und ich brauchte einige Zeit, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Durchweg im Präsens, die Sätze häufig kurz und knapp, wenig Adjektive. Zwar passt es wirklich gut zu der Geschichte, aber so richtig begeistern konnte mich der Stil dennoch nicht.
Trotzdem: Ein wirklich spannender Thriller mit einer Hardboiled Protagonistin, die vor nichts zurückschreckt und sich auch mit einer Menge an Problemen unserer Zeit herumzuschlagen hat.

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Veröffentlicht am 29.10.2020

Ein Ehedrama in Trumpschen Zeiten

Unter uns das Meer
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Dass Trump die Spaltung der USA immer weiter vorantreibt, dürfte vermutlich den Meisten bekannt sein. Doch wer macht sich klar, wie viele (auch enge) Beziehungen davon betroffen sind? Gegensätze ziehen ...

Dass Trump die Spaltung der USA immer weiter vorantreibt, dürfte vermutlich den Meisten bekannt sein. Doch wer macht sich klar, wie viele (auch enge) Beziehungen davon betroffen sind? Gegensätze ziehen sich an und bereichern im positiven Fall das Miteinander. Doch was macht es mit Menschen, die in den aktuellen Zeiten für unterschiedliche politische Lager stehen?
Davon und von noch viel mehr handelt dieses Buch, das vordergründig einen Segeltörn beschreibt, zu dem ein junges Ehepaar mit seinen beiden kleinen Kindern aufbricht, um ein Jahr auf dem Meer zu verbringen. Michael träumt schon lange davon, seinen Traum von Freiheit in die Realität umzusetzen und hofft, damit auch die kriselnde Ehe mit Juliet in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Doch Juliet ist alles andere als begeistert und willigt eher widerwillig in diese Reise ein.
Das Ganze beginnt wie ein Krimi, denn gleich zu Beginn ist klar, dass etwas Furchtbares geschehen sein muss ohne dass Juliet, die Icherzählerin, über Details berichtet. So ahnt man das Schlimmste und die Befürchtungen steigern sich noch, als der zweite Erzählstrang einsetzt. Michaels Eintragungen ins Logbuch werden von Beginn der Reise an wiedergegeben und wechseln sich im Fortlauf der Geschichte mit Juliets Erzählungen ab.
Die Autorin vermittelt überzeugend die Sichtweisen ihrer beiden Hauptfiguren, die so unterschiedlich sind, dass man immer wieder darüber staunt, wie sie zusammengefunden haben. Michael studierte BWL und ist ein überzeugter Republikaner und Trumpwähler (auch wenn dieser nicht namentlich genannt wird), wobei es Amity Gaige gelingt, den Lesenden seine Einstellung bis zu einem gewissen Grad sogar nachvollziehbar zu vermitteln. Juliet wiederum ist das Gegenteil: Sie absolvierte ein Lyrikstudium, ist Demokratin und kann den Beinahe-Hass ihres Mannes auf den Staat nicht nachvollziehen. Zudem leidet sie an Depressionen aufgrund eines Kindheitstraumas, was ihrem Mann bekannt ist. Allerdings fühlt er sich eher hilflos mit dieser Situation und weiss nicht, wie er damit umgehen soll.
Auf dem Boot sind sie gezwungen, gemeinsam mit ihren beiden Kindern auf engstem Raum zu leben, ohne sich aus dem Weg gehen zu können, was natürlich dazu führt, dass sie sich grundsätzlich miteinander auseinandersetzen müssen und wobei eine Menge zur Sprache kommt. Etwas, was im normalen Leben vielleicht viele Paare zu vermeiden versuchen
Es ist eine Menge, was in diese Geschichte hineingepackt wurde und im Großen und Ganzen auch nachvollziehbar und glaubhaft. Aber dass am Ende zusätzlich noch ein übler Verdacht im Raum steht, als wäre Alles noch nicht schlimm genug, hätte wirklich nicht sein müssen. Das Buch hat auch so schon eine Menge zu erzählen.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Wenn der Autor selbst ermittelt

Mord in Highgate
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Eigentlich wäre Mord in Highgate ein ganz gewöhnlicher Kriminalroman, wenn nicht eine der Hauptpersonen der Autor selbst wäre. Da er im Auftrag eines Privatdetektivs, eines früheren Polizisten, ein Buch ...

Eigentlich wäre Mord in Highgate ein ganz gewöhnlicher Kriminalroman, wenn nicht eine der Hauptpersonen der Autor selbst wäre. Da er im Auftrag eines Privatdetektivs, eines früheren Polizisten, ein Buch über dessen Fälle schreiben soll, nimmt er die Gelegenheit wahr, bei den gemeinsamen Nachforschungen selbst eigene Überlegungen anzustellen – sehr zum Vergnügen der Lesenden.

Ein Scheidungsanwalt ist tot – erschlagen in seinem vornehmen Haus mit einer äußerst teuren Weinflasche. Verdächtige gibt es genug und immer, wenn man glaubt, auf der richtigen Spur zu sein, tauchen neue Hinweise in die genau entgegengesetzte Richtung auf. Klienten, Verwandte, die Vergangenheit – überall gibt es Motive zuhauf.

Horowitz‘ Auftraggeber Hawthorne ist ein hoch intelligenter, aber eher schwieriger Mensch, den es nicht interessiert, was Andere von ihm denken. Entsprechend ist sein Verhalten und es ist immer wieder amüsant, wie der Autor stellenweise vor Fremdscham am liebsten im Boden versinken möchte. Sich selbst stellt er mit einiger Selbstironie als einen gelegentlich etwas ungeschickten Menschen dar, der mühsam und leider mit nicht allzu viel Erfolg versucht, Hawthornes Ermittlungserfolge zu übertrumpfen. Gewisse Ähnlichkeiten zu dem (noch 😉) berühmteren Ermittlerpaar Sherlock Holmes und Dr. Watson sind sicherlich nicht unbeabsichtigt.

Da Horowitz nicht nur Schriftsteller sondern ebenfalls Drehbuchautor ist, erfährt man Einiges über diesen Teil seiner Arbeit, was nicht minder unterhaltsam ist wie die Mordermittlung. Insgesamt ein kurzweiliger, amüsanter und spannender Krimi, der auch gut zu lesen ist, wenn man den ersten Teil nicht kennt (wie ich).

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Veröffentlicht am 01.09.2020

Kindheit und Jugend im Berlin der Nachwendezeit

Am Rand der Dächer
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Andrej wächst in Berlin-Mitte auf, als plötzlich die Wende über die Stadt hereinbricht. Für ihn, seinen Bruder Anton und seinen Freund Simon eine aufregende Zeit, denn die verlassenen Häuser und Wohnungen ...

Andrej wächst in Berlin-Mitte auf, als plötzlich die Wende über die Stadt hereinbricht. Für ihn, seinen Bruder Anton und seinen Freund Simon eine aufregende Zeit, denn die verlassenen Häuser und Wohnungen sind phantastische Orte um die gemeinsamen Tage zu verbringen. Mit ihrem Älterwerden verändern sich nicht nur ihre Interessen und ihr Zeitvertreib, auch die Umgebung wandelt sich: Häuser werden saniert, die BewohnerInnen wechseln. Viel Vertrautes macht Platz für Neues.

Als Lesende begleitet man im Verlauf von 10 Jahren die Kinder bei ihren Streifzügen durch ihr Viertel, lernt HausbesetzerInnen kennen, lässt den Blick von den Dächern ihres Stadtviertels über Berlin schweifen, erfährt von der ersten Verliebtheit, kleinen und größeren Missetaten bis hin zu massiven Gesetzesübertretungen – alles, was ein Kinder- und Jugendlichenleben so ausmachen kann in einer Stadt, die sich in einem Umbruch von fast völliger Anarchie in westliche Ordnung befindet.

Ich-Erzähler ist der mittlerweile erwachsene Andrej, was den recht anspruchsvollen Sprachstil des Romans erklärt. Denn die erfindungsreichen Beschreibungen seiner Träume wie auch seines Innenlebens hätten den jungen Andrej höchst unglaubwürdig wirken lassen. Doch Lorenz Just gelingt es sehr überzeugend, trotz der Erzählung des erwachsenen Jungen die Sicht- und Denkweise des deutlich Jüngeren beizubehalten wie beispielsweise seine Sprünge durch Zeit und Raum, wenn ein ungenutzter Hinterhof zum Lebensraum der gigantischen Sumpfschildkröte Morla wird oder wenn ein Brachgelände den Schauplatz einer virtuellen Beerdigung eines Großvaters darstellt.

Zeitlich wie räumlich sind die Ähnlichkeiten zu Stern 111 von Lutz Seiler unübersehbar. Doch Am Rand der Dächer lässt sich nicht so leicht lesen, da häufig Sätze schon mal eine halbe Seite beanspruchen. Lesenswert ist es jedoch allemal.

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