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Veröffentlicht am 11.10.2020

Eine bewegende Identitätssuche

Ada
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Nach Christian Berkels Familiengeschichte "Der Apfelbaum" folgt nun der Roman "Ada", der wieder den familiären Rahmen Berkels aufgreift und im Ullstein Verlag erscheint.

Im Februar 1945 wird Ada in Deutschland ...

Nach Christian Berkels Familiengeschichte "Der Apfelbaum" folgt nun der Roman "Ada", der wieder den familiären Rahmen Berkels aufgreift und im Ullstein Verlag erscheint.

Im Februar 1945 wird Ada in Deutschland geboren, ihre ersten neun Lebensjahre verbringt sie vaterlos mit ihrer Mutter in Argentinien. Zurück in Berlin muss sie erst einmal die Sprache und Mentalität ihrer deutschen Landsleute lernen, über die politische Vergangenheit wird geschwiegen. Sie erlebt den Berliner Mauerbau, das Wirtschaftswunder und die 68er-Bewegung mit. Sie sucht nach ihren Wurzeln und erhält auf ihre Fragen hin nur Schweigen.

Die Vorkenntnis von "Der Apfelbaum" ist nicht erforderlich, es hilft jedoch dabei, die Hintergründe von Sala und Otto besser zu verstehen. In diesem Buch geht es um Ada, ihr Leben gleicht einer Achterbahn von Hochs und Tiefs, ihre Gedanken und Ängste, Wünsche und Erlebnisse schildert sie in Gesprächen während einer Psychotherapie, die sie zu Beginn der 90er Jahre zur Aufarbeitung ihres Selbst macht. Dort erfährt man von ihrer Kindheit, in der sie sich eine normale Familie wünschte. Die Abstammung wird verschwiegen, Antworten über die Vergangenheit ihrer jüdischen Mutter bekommt sie nicht oder über Umwege. Sie grenzt sich von ihrer Familie ab, beginnt ein Studium, probiert die Liebe und die Drogen, erlebt die Studentenbewegung in Berlin mit, reist nach Paris und Woodstock.

In diesem Roman taucht man mit Ada eindrucksvoll in ihre Vergangenheit ein, erlebt ihren Zwiespalt mit ihrer Identität, die Frage nach ihren Wurzeln und ihre weitere Entwicklung in dieser sich politisch verändernden Zeit der 68er Jahre. Sie ist Deutsche und Argentinierin, katholisch und auch jüdisch. Ihre Mutter Sala verschweigt ihre eigene Vergangenheit, all das Leid und die erlebten Schwierigkeiten möchte sie für immer hinter sich lassen. Adas Fragen werden nicht beantwortet, der später geborene Bruder wird das Lieblingskind der Eltern, sie wird in ein Internat geschickt, das macht ihr zu schaffen. Sie löst sich von ihrer Familie und beginnt einen neuen Lebensweg.

Sprachlich ist das Buch wieder ein echter Genuß, Christian Berkels Sprachgewandtheit und sein schnörkelloser Erzählfluss sind mitreißend und die Handlung lässt sich spannend verfolgen. Er füllt Adas Persönlichkeit mit Leben und daraus erklärt sich ihre Depression in den 90er Jahren. Dennoch fehlen mir die Erlebnisse der 80er Jahre, um Adas Lebenswege genau zu kennen. Dafür lassen sich die 68er Jahre umso intensiver miterleben.
Sämtliche Charaktere haben wiedererkennbare Züge, besonders Sala mit ihren Sprüchen und Ausrufen oder Otto mit seiner Heimatverbundenheit. Gefangen in dieser Familienkonstellation erlebt man die Emotionen mit, sieht die Fragen und versteht die Ausgrenzung Adas in der Familie nicht.

Viele Hintergründe haben mich zum Nachdenken gebracht, wie es dieser Generation von jüdischen Nachfahren in Deutschland erging. Das Schweigen über die Vergangenheit lässt keine Identität zu.

Ein bewegend erzählter Lebensweg einer interessanten Protagonistin, die sich ihrer jüdischen Abstammung erst spät bewusst wurde. Was macht das mit einem Menschen?

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Eine angenehme Winterepisode dieser stimmungsvollen Buchreihe

Eisblumenwinter
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Nach ihrem Sommerbuch "Kirschkuchen am Meer" legt Anne Barns nun den Nachfolgeband "Eisblumenwinter" aus dem Harper Collins Verlag vor.

Auf Rügen hat sich Pia ihren Traum von einer Karamellwerkstatt erfüllt. ...

Nach ihrem Sommerbuch "Kirschkuchen am Meer" legt Anne Barns nun den Nachfolgeband "Eisblumenwinter" aus dem Harper Collins Verlag vor.

Auf Rügen hat sich Pia ihren Traum von einer Karamellwerkstatt erfüllt. Doch ihr Liebesglück ist nicht perfekt, denn ihre große Liebe Paul lebt an der Nordsee auf Juist, rund fünfhundert Kilometer entfernt von Rügen und damit zu weit weg für eine dauerhafte Beziehung. Pias Großmutter möchte eine Reise zu den Orten ihrer Kindheit machen und Pia begleitet sie dabei. Diese Fahrt genießen beide gemeinsam und sie entdecken ein besonderes familiäres Geheimnis.



"Oma sieht mich ernst an. "Wer etwas will, findet Wege", sagt sie. "Wer etwas nicht will, findet Gründe." Zitrat Seite 92


Die Geschichte führt wieder nach Rügen, knüpft direkt die Vorbände an und ich habe mich über ein Wiedersehen mit den Figuren gefreut. In dieser sympathischen Familie kann man sich einfach nur wohlfühlen.

Anne Barns schreibt auf eine einnehmende und unaufgeregte Weise, sie zeigt die Beziehungsprobleme und Lebenswege der drei Schwestern Katharina, Pia und Jana. In diesem Band steht besonders Pia im Mittelpunkt, ihre Karamellwerkstatt läuft gut, ihre Malleidenschaft kann sie nebenbei gut ausleben. Ihre Liebe zu Paul wird getrübt, denn das Ganze kann nur eine Fernbeziehung bleiben, Rügen verlassen möchte Pia eher nicht. Wie soll sie sich entscheiden? Da kommt die Reise mit Oma Anni zu ihrer alten Tante Hedwig genau richtig, um nicht nur die Familiengeschichte aufzufrischen, sondern sich auch über ihre Liebe klar zu werden.



Bei dieser Lektüre kommt man in den Genuss einer liebenswürdigen Familie, absolut malerischen Schauplätzen und einem interessanten Familiengeheimnis. Der Stammbaum der Familie wird um einige Personen erweitert und die bisherigen Lücken werden geschlossen.

Die Wohlfühlstimmung erhält die ruhig erzählte Geschichte durch emotionale Momente, die Frage nach der großen Liebe und durch die einfach nur liebenswerte Familie. Natürlich dürfen wie in allen Büchern der Autorin auch hier die kulinarischen Genüsse nicht fehlen, ordentlich Süßkram wie Kuchen, Karamell und Fudge machen einem beim Lesen den Mund wässrig und können anhand der beigefügten Rezepte selbst ausprobiert werden.

Mit sehr viel warmherzigem Gespür erzählt uns Anne Barns die Gefühle und Erlebnisse der vier Frauen und die winterliche Stimmung schwappt auf den Leser über.

Ein winterlicher Tipp für ein wunderschönes Wohlfühlbuch mit alten Freundinnen, in dem man auch mit viel Naschwerk verführt wird.


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Veröffentlicht am 04.09.2020

Was sie immer schon einmal über ihren Körper wissen wollten!

Wenn es zwickt, stinkt und knackt, leben wir noch
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In ihrem Sachbuch "Wenn es zwickt, stinkt und knackt, leben wir noch" erklärt Dr. med. Petra Sommer 100 kuriose Fakten über den menschlichen Körper. Das Buch erscheint im so-hai-lights-Verlag.

Der menschliche ...

In ihrem Sachbuch "Wenn es zwickt, stinkt und knackt, leben wir noch" erklärt Dr. med. Petra Sommer 100 kuriose Fakten über den menschlichen Körper. Das Buch erscheint im so-hai-lights-Verlag.

Der menschliche Körper hat viele Seiten, einerseits ist er wunderbar funktionsfähig, kommt aber auch wie eine alte Maschine in die Jahre und birgt damit für Bewegungsproblem und andere Anfälligkeiten.

Frau Dr. Sommer kennt sich als Medizinerin gut aus und beantwortet viele Fragen, die man sich vielleicht auch schon so gestellt hat. Einige Fragen möchte ich hier vorstellen:
- Warum kann man in der ersten Nacht im Urlaub nicht schlafen?
- Wie viele Knochen haben wir?
- Woher kommt die Frühjahrsmüdigkeit?
- Was sagt der Zungenbelag aus?
- Wieso bekommen wir beim Baden Schrumpelfinger?

Mit ihrem Fachwissen erklärt Frau Dr. Sommer medizinische Sachverhalte sehr lebensnah und verständlich und auf humorvolle Weise. So lesen sich die Kapitel sehr leicht und man lernt immer noch etwas dazu.

Gelacht habe ich besonders beim Thema: Wie Schnarchgeräusche entstehen. "Je dicker, desto lauter die Säge!"
Was unser Körper zu leisten fähig ist, sollte jedem bewusst sein. Die Abläufe werden hier klar umrissen und mit anschaulichen wie eindeutigen Erklärungen ohne viel Fachsprache erklärt. Und wer die Abläufe im Körper kennt, wird viel eher auf spezielle Veränderungen oder bestimmte Probleme reagieren und einen Arzt aufsuchen.

Für Jung und Alt ein tolles Sachbuch, das viele kuriose Dinge des Körpers erklärt. Auch für Laien gut zu verstehen und mit vielen Anekdoten und Besonderheiten des menschlichen Körpers humorvoll erklärt.

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Veröffentlicht am 15.08.2020

Ein Leben zwischen Kunst und Liebe

Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück
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Der Roman "Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück" von Sophie Villard erscheint im Penguin Verlag.

Paris 1937: Die wohlhabende Erbin Marguerite (Peggy) Guggenheim lebt in ihrer Wahlheimat Paris und ...

Der Roman "Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück" von Sophie Villard erscheint im Penguin Verlag.

Paris 1937: Die wohlhabende Erbin Marguerite (Peggy) Guggenheim lebt in ihrer Wahlheimat Paris und verbringt ihre Zeit mit Abendgesellschaften in der dortigen Künstlerszene mit Malern, Bildhauern und Schriftstellern. Sie träumt von der Eröffnung einer eigenen Galerie, um neue Künstler zu fördern und die Welt der Kunst der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die rebellische Frau verliebt sich in den Schriftsteller Samuel Beckett. Für die Kunst muss Peggy nach London ziehen. Der Krieg sorgt für eine Fluchtwelle jüdischer Künstler aus Europa. Peggy unterstützt einige mit ihren finanziellen Mitteln.

Die Peggy Guggenheim Collection wurde 1980 in Peggys Palazzo Venier dei Leoni am Canal Grande in Venedig eröffnet. So wurde ihr Lebenswerk am Ende entsprechend gewürdigt. Ein Besuch in dieser Ausstellung veranlasste die Autorin, sich mit dieser Frauenfigur näher zu befassen und über sie einen Roman zu schreiben.

Wir erleben in diesem Roman die Zeitspanne von 1937 - 1942. In der Pariser Kunstszene fühlt sich Peggy Guggenheim heimisch, sie trifft zahlreiche Künstlern, die sie auch fördert und deren moderne Kunst ihre Galerie füllt. Ihre Leidenschaft für die Kunst sorgt für eine emsige Sammlertätigkeit, die sie aufgrund ihres Erbes ausüben kann. Mit jedem Kauf unterstützt sie auch die Flucht zahlreicher jüdischer Künstler, deren Werke unter den Nazis als entartet angesehen werden. Mutig, denn auch sie selbst gerät in die Gefahr, von den Nazis verhaftet zu werden. Im Buch begleitet man Peggy in ihren Stationen Paris, London und New York. Sie wird als eine starke und außergewöhnliche Frau dargestellt, die Widerständen nicht aus dem Weg ging, Kunst sammelt und ihr Glück mehr in der Kunst als in der Liebe findet. Auch Sonnenbrillen und Hunde gehören zu ihrer Leidenschaft, sie heiratete und bekam zwei Kinder, doch das Glück in der Liebe erfüllte sich leider nicht.

Besonders deutlich erlebt man den unabhängigen Willen Peggy Guggenheims als Kunstmäzenin und ihren Wunsch, Kunst auch außerhalb von Insidern präsentieren zu wollen. Die Darstellung dieser Frau ist der Autorin sehr gut gelungen, die verschiedenen Facetten sind ausdrucksvoll ausgeführt und wirken sehr lebendig. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten und habe viele Künstler dieser Zeit miterleben dürfen.


Dieser gut recherchierte biografische Roman hat mir diese starke Frau und Kunstsammlerin näher gebracht. Bildhaft und sehr unterhaltsam schildert Sophie Villard einige Eindrücke vom Leben dieser besonderen Frau, die sich auch um Konventionen nicht scherte und Menschen rettete.

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Veröffentlicht am 24.07.2020

Ein kurzweiliger Krimi mit schönen Inseleinblicken auf Madeira

Madeiraschweigen
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Joyce Summers Kriminalroman "Madeiraschweigen" ist der dritte Fall um Comissário Avila.

Ein merkwürdiger und etwas makaberer Todesfall sorgt auf der schönen Insel Madeira für Aufregung. Nachdem in einer ...

Joyce Summers Kriminalroman "Madeiraschweigen" ist der dritte Fall um Comissário Avila.

Ein merkwürdiger und etwas makaberer Todesfall sorgt auf der schönen Insel Madeira für Aufregung. Nachdem in einer Levada eine Frauenhand gefunden wurde, taucht der Rest der Leiche schließlich auf dem Gebiet eines früheren Nonnenkloster auf. Die Tote ist die Journalistin Sofia Lima, doch wer trachtete ihr nach dem Leben?

Madeira, die wunderschöne Perle im Atlantik, ist die Heimat von Comissário Avila. Zur Zeit geniesst seine Frau einen Aufenthalt in einer Schönheitsfarm, deshalb ist er als Hausmann mit Hund und Kind allein gefordert. Der neue Fall lässt ihm keine Ruhe und so mischt er sich auch mit seiner kleinen Tochter in die Ermittlungen ein.

Die Krimihandlung beginnt nicht gleich am Anfang, zunächst erlebt man das ungewohnte Leben des Comissários als Hausmann und erfährt von der Arbeit der Bauern mit ihren Levadas, den einzigartigen Wassergräben Madeiras. Ihr Faible für Madeira zeigt die Autorin in ihrem Buch sehr überzeugend und bringt viel über Land und Leute in die Handlung ein. Außerdem schreibt sie sehr lebendig und flüssig, sodaß man das Buch wunderbar lesen kann. Eingestreute portugiesische Sprachfetzen sorgen für das nötige örtliche Flair, einige Begriffe werden am Ende näher erklärt.

Bei diesem Krimi gefällt mir die gelungene Mischung aus interessanter Ermittlung, bildhafter Landeskunde und dem Privatleben des Ermittlers. Der Fall ist ziemlich vertrackt und sorgt für viele Möglichkeiten was den Täter anbelangt, man kann gut miträtseln und die Spannung bewegt sich auf einem angenehmen Level, nimmt aber zum Ende noch einmal rasant zu. Die Figuren bekommen die nötigen Charakterzüge, um sie gut einordnen zu können. Mir gefiel das Ermittlerteam mit ihrem freundschaftlichen Verhältnis untereinander.


Als Einschübe erleben wir historisch überlieferte Episoden vom Aufenthalt der Kaiserin Sisi auf der Insel, die sie als ältere Kaiserin dort so erlebt haben könnte. Diese Szenen drehen sich neben Landschaftsbeschreibungen auch um die Agilität Sisis und ihre Sehnsucht nach ewiger Jugend. Diese Themen passen zum Setting mit der Schönheitsfarm und führen uns noch einmal die herrliche Pracht der Pflanzenwelt Madeiras vor Augen. Diese Szenen könnte man in einem Krimi befremdlich finden, doch sie haben einen tieferen Sinn und ich fand sie außerdem sehr unterhaltsam.

Beste Unterhaltung und Spannung bietet dieser Cosy-Krimi mit einem sympathischem Ermittler und einer ordentlichen Portion vom Inselflair Madeiras. Als Urlaubskrimi wärmstens zu empfehlen!

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