Profilbild von Anna625

Anna625

Lesejury Star
offline

Anna625 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Anna625 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.12.2020

Wenn sich dein ganzes Leben als eine Lüge herausstellt...

H.O.M.E. - Das Erwachen
0

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist. Dein ganzes Leben ist in Ordnung, alles hat seinen Platz, du weißt, wer du bist, wo dein Zuhause ist und wer deine Freunde sind. Du hast einen Platz in der ...

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist. Dein ganzes Leben ist in Ordnung, alles hat seinen Platz, du weißt, wer du bist, wo dein Zuhause ist und wer deine Freunde sind. Du hast einen Platz in der Welt, eine Aufgabe. Und auf einmal wachst du auf, und ein Arzt mit viel zu markanten Augenbrauen erklärt dir, dass alles, was du gekannt und geliebt hast, bloß Einbildung war."

Zoë hat alles, was sie sich wünschen kann: Sie hat einen Freund, mit dem sie glücklich ist, besucht eine sehr gute Akademie mitten im Grünen, und wurde als Kapitän für die wichtige Mission ausgewählt, für die die Kinder und Jugendlichen an der Akademie augebildet werden. Ihr Leben ist wunderschön, zumindest glaubt sie das - bis sie eines Tages aufwacht und erfahren muss, dass sie die letzten zwölf Jahre im Koma gelegen hat. Mehr noch, die Welt um sie herum könnte nicht weiter von der Realität in ihrem Kopf entfernt sein. Zoë erwacht in einem Krankenhaus mitten in einem Berlin, in dem Wassermangel an der Tagesordnung ist. Und nicht nur dort, sondern auf der ganzen Welt leiden die Menschen Durst. Die politische Lage ist angespannt, täglich fallen zahlreiche Menschen ins Koma oder sterben. Dass Zoë nach all der Zeit wieder aufwacht, gleicht einem Wunder.

Von einem Tag auf den nächsten ist die Siebzehnjährige dieser für sie so fremden Welt ausgesetzt, lernt ihre Familie kennen, die für sie doch nur wildfremde Menschen sind, und muss akzeptieren, dass nichts so ist wie sie glaubte. Doch dann mehren sich die Flashbacks, immer wieder hat Zoë den Eindruck, zurück auf dem Gelände der Akademie zu sein. Und noch viel wichtiger - wie kann es sein, dass ein Mensch, der mit fünf ins Koma fiel, lesen und schreiben kann, komplexe Rechnungen im Kopf löst, mehrere Fremdsprachen fließend spricht und auch sonst über umfangreiches Wissen jeder Art verfügt? Für Zoë liegt die Erklärung auf der Hand: Ihr Koma muss mehr als das gewesen sein, die Akademie muss existieren. Dafür, dass sie kein reines Hirngespinst sein kann, spricht auch die Tatsache, dass es irgendjemand plötzlich auf Zoë abgesehen zu haben scheint und hinter ihr her ist...

Die Welt, die die Autorin entwirft, beschreibt eine gar nicht mal so unwahrscheinliche Version unserer möglichen Zukunft. Nach großen Dürrephasen klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander, der Kontrast ist riesig zwischen jenen, die genug Geld haben um gleich am Anfang der Krise weiter in die Länder im Norden zu ziehen, wo es noch genügend Wasser gibt, und jenen, die jeden freien Quadratzentimeter ihrer Wohnung mit Schüsseln und Schalen verstellen, um jeden Tropfen Wasser recyceln zu können. Oder jenen, die längst kein Dach mehr über den Kopf haben und für die auch die "günstigeren" Flaschen Wasser, die es für 15 Euro pro Liter noch zu kaufen gibt, vollkommen unerschwinglich sind.

Ich bin sehr positiv überrascht. Ich hatte nichts Bestimmtes erwartet, habe dann aber schon nach wenigen Seiten den Sog verspürt, den dieses Buch ausübt. Es hat mich schlicht in seinen Bann gezogen und ich konnte es kaum mehr weglegen. Zoë, ihr Bruder Tom und dessen Kumpel Kip sind sympathische Protagonisten, in Zoë konnte ich mich zu jeder Zeit gut hineinversetzen. Das Buch ist sehr spannend geschrieben, gleich zu Beginn werden viele Fragen aufgeworfen, die man als Leser genauso sehr lösen möchte wie Zoë. Die Spannung wird auch bis zum Ende aufrecht erhalten und steigert sich im Laufe der Zeit noch, auch wenn man natürlich nach einer Weile gewisse Theorien im Kopf hat, wie alles zusammenhängen könnte.

Der Schreibstil ist sehr ansprechend, die Thematik spannend und gut umgesetzt. Insgesamt hat mir das Buch unerwartet sehr gut gefallen und ich bin gespannt auf den zweiten Teil!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2020

Eine herausagende Fortsetzung

Askeria: Hüter des Seelenfeuers
0

Auch in Band 2 der Dark-Fantasy-Reihe um Piara, ihre Brüder Souta und Ineas und ihre Freunde geht es spannend weiter. Denn noch besteht die Hoffnung, dass Ineas gerettet und der Macht Lycenars ein Ende ...

Auch in Band 2 der Dark-Fantasy-Reihe um Piara, ihre Brüder Souta und Ineas und ihre Freunde geht es spannend weiter. Denn noch besteht die Hoffnung, dass Ineas gerettet und der Macht Lycenars ein Ende gesetzt werden kann, um gleichzeitig das Volk der Ceri aus der Unterdrückung zu befreien. Doch ihren Plan in die Tat umzusetzen ist schwieriger, als irgendjemand erwartet hätte. Während Piara und Souta sich vorbereiten und ihre Kräfte sammeln, muss Rigoras um das Leben seines Vaters fürchten, der des Hochverrats verdächtigt wird. Lycenars Kontrolle über Ineas´ Gedanken und Gefühle wächst weiter an, und die drei Geschwister müssen sich den offenen Fragen ihrer Vergangenheit stellen und erkennen, dass Vieles, was sie jahrelang zu wissen glaubten, auf Lügen basierte. Ihre letzte Hoffnung, um all dies endlich zu beenden, liegt nun im Seelenfeuer - einer uralten Kraft, die die Seelen Soutas und Lias aneinander binden soll...

Es ist faszinierend, welchen Sog diese Buchreihe ausübt. Mit Band 2 ist es genau wie mit seinem Vorgänger: Kaum nimmt man das Buch zur Hand, taucht man ein in diese komplexe und so wunderbar interessant gestaltete Welt. Die ganz besondere Atmosphäre, die bereits der erste Teil erzeugt hat, wird hier weiterhin aufrecht erhalten, während die Geschichte nahtlos an das Ende des ersten Bandes anknüpft. Dabei hat man als Leser keinerlei Schwierigkeiten, wieder in die Handlung hineinzufinden, obwohl man gleich wieder mitten in das Geschehen hineingeworfen wird.

Von Anfang an wird man in den Bann gezogen von Juliet Mays fesselndem Schreibstil, den vielschichtigen und authentischen Protagonisten, der facettenreichen, anspruchsvoll gestalteten Welt und der mitreißenden Handlung. Oft ist es keine leichte Kost, die dem Leser hier vorgesetzt wird, doch genau das ist das Spannende an diesem Buch und bringt einem die Figuren so nahe - Juliet May scheut nicht davor zurück, einen tiefen Einblick in ihre Charaktere zu gewähren und gibt ihnen die Möglichkeit, auch ihre Schattenseiten zu zeigen und sich so voll zu entfalten. Das macht sowohl die Haupt- als auch die Nebenfiguren unglaublich realistisch und ermöglicht natürlich auch eine riesige charakterliche Entwicklung.

Die düstere Grundstimmung, die den Leser um die Zukunft Mitaerias und Mallumas bangen lässt, die kontinuierlich bestehende und immer weiter anwachsende Spannung, das extrem gut gelungene Worldbuilding und die bemerkenswert detailliert ausgearbeiteten Figuren machen Askeria zu einem absoluten Highlight. Ich wüsste wirklich nicht, was ich da bemängeln sollte, und freue mich sehr auf die Fortsetzung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.10.2020

Kein Grund zur Sorge

Kalmann
0

Kalmann ist fast 34 und der Sheriff von Raufarhöfn. Das kleine Dörfchen mit seinen 173 Einwohnern liegt etwas abgelegen an der Nordostküste Islands. Wirklich viel los ist da eigentlich nicht, umso faszinierender ...

Kalmann ist fast 34 und der Sheriff von Raufarhöfn. Das kleine Dörfchen mit seinen 173 Einwohnern liegt etwas abgelegen an der Nordostküste Islands. Wirklich viel los ist da eigentlich nicht, umso faszinierender finden es die Einwohner, als plötzlich Róbert McKenzie, der Fangquotenkönig des Ortes, verschwindet - und Kalmann eine Blutlache im Schnee entdeckt. Kein Grund zur Sorge, denkt sich Kalmann, doch der Sache wird natürlich auf den Grund gegangen, und so rückt die Polizei an, um den Fall zu untersuchen. Kalmann möchte eigentlich nur in Ruhe weiter Haie fangen, denn er ist der letzte Haifischfänger in der Gegend und macht den zweitbesten Gammelhai Islands, direkt nach seinem Großvater, von dem er alles gelernt hat. Denn Kalmann war schon immer ein bisschen anders als die anderen, ein bisschen spezieller und langsamer, doch er hat sich eine feste Position in der Dorfgemeinschaft erarbeitet und wird für seinen Gammelhai geschätzt. Da er aber nunmal ein wichtiger Zeuge im Fall des Verschwundenen ist, kann er sich den polizeilichen Ermittlungen nicht entziehen, und eigentlich findet er es ja selbst auch spannend. Kein Grund zur Sorge also.

Das Buch ist keine große Kriminalgeschichte, im Mittlepunkt stehen weniger der mögliche Mord an Róbert McKenzie als vielmehr die Natur Islands und die ganz besondere Sichtweise des Protagonisten, auch, wenn die Handlung sich natürlich an den Ermittlungen orientiert. Kalmann ist ein sehr liebenswürdiger Charakter, er kann Vieles nicht nachvollziehen, was die anderen Menschen tun, gibt aber sein bestes. In der Vergangenheit und manchmal auch noch heute hat er mit der Ablehnung anderer zu kämpfen, doch er hat gelernt, dass es das Beste ist, einfach mitzulachen - denn meistens ist es ja auch wirklich lustig. Kalmann akzeptiert, wer er ist und wie er ist und er kann sogar darauf stolz sein, denn wenn er auch in der Schule nicht so gut war wie die anderen Kinder und vieles nicht begreifen kann, so gibt es doch auch andere Dinge, in denen er viel besser ist - er kennt Melrakkaslétta wie seinen Westentasche, weiß sehr viel über die Tiere und die Natur dort und ist ein guter Jäger. Da die Geschichte aus seiner Sicht geschrieben ist erfährt somit auch der Leser Einiges über Island und kann wunderbar eintauchen in diese ganz besondere Amosphäre. Man kann fast den Schnee unter den Schuhen spüren, das Meer in der Ferne erahnen und das kleine Dörfchen unten am Fuß des Hügels, den Fuchs sehen, der gerade auf der Jagd ist...

Das, was Kalmann charakterlich auszeichnet, spiegelt sich auch in der sprachlichen Umsetzung wider. Aus der Ich-Perspektive erzählt sind die Sätze so formuliert, wie Kalmann sie vielleicht denken würde, wir haben also eine beinahe kindliche Sichtweise auf die Dinge, die gelegentlich aber auch sehr ernst werden kann. Anfangs hatte ich noch die Befürchtung, dass dies auf Dauer anstrengend werden könnte, doch im Gegenteil - ich finde den Schreibstil sogar sehr gelungen, er ist angenehm zu lesen und verleiht dem Roman zusätzliche Authentizität.

Kalmann macht sich viele Gedanken, nicht nur um das Verschwinden Róberts und die Natur, sondern auch um seinen Großvater, der seit einer Weile in einem Pflegeheim lebt, und um das, was er von den anderen über die mögliche Zukunft des Dorfes hört. Denn Róbert besaß einige Quoten, die ihm das Fischen erlaubten, doch mit seinem Verschwinden ist die Zukunft des Dorfes ungewiss, da er der wohlhabendste Einwohner des Dorfes war und nicht nur ein Hotel führte, sondern auch an einem Projekt arbeitete, um mehr Touristen anzulocken. Nun besteht die Gefahr, dass Raufarhöfn verarmt, und diese Sorge wird unterschwellig auch im Roman deutlich.

Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Es sind die ganz besondere Sichtweise des Protagonisten, die eingänge Beschreibung der Umgebung, die teils ein wenig eigentümlichen, aber keinesfalls überzeichneten Charaktere, die ihn auszeichnen. Ich fühlte mich beim Lesen direkt an Kalmanns Seite versetzt und konnte sehr gut eintauchen in diesen ganz besonderen Roman. Also kein Grund zur Sorge, sondern eine klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.10.2020

Die große Debatte um das Thema "Abtreibung" vor einem spannenden und bewegenden Hintegrund betrachtet

Der Funke des Lebens
0

"Du wirst nicht erschossen." - [...] "Das wissen Sie nicht." - Natürlich nicht. ´Leben´ war immer ein Verb im Konditional.


Als in einer Abtreibungsklinik in Jackson, Mississippi, erste Schüsse fallen, ...

"Du wirst nicht erschossen." - [...] "Das wissen Sie nicht." - Natürlich nicht. ´Leben´ war immer ein Verb im Konditional.


Als in einer Abtreibungsklinik in Jackson, Mississippi, erste Schüsse fallen, wird der Polizeiunterhändler Hugh McElroy verständigt, um mit dem Schützen zu verhandeln. Denn: Es befinden sich noch mehrere Personen in der Klinik. Doch was Hugh zunächst nicht weiß, ist, dass sich auch seine eigene 15-jährige Tochter Wren und seine Schwester Bex unter den Geiseln befinden. Als ihm dies klar wird, lässt er sich nicht, wie es Vorschrift wäre, von dem Fall abziehen, sondern sieht sich nun erst recht in der Pflicht dazu, mit dem Geiselnehmer zu verhandeln. Schnell wird klar, dass der Schütze aus persönlichen Gründen gehandelt hat - erst kurz zuvor hatte sich seine eigene Tochter für eine Abtreibung entschieden.


Die Geiseln, welche der Mann in seine Gewalt gebracht hat, könnten unterschiedlicher nicht sein: ein Arzt und eine Krankenschwester, eine Frau, die gerade abgetrieben hat, eine Abtreibungsgegnerin und auch Patienten, die lediglich einen Termin zur Untersuchung hatten. Nach und nach werden Vorgeschichte und Motivation der einzelnen Figuren beleuchtet, ihre teils sehr konträren Positionen deutlich gemacht. Dabei werden die unterschiedlichsten Aspekte auf der langen Pro-und-Kontra-Liste zum viel umstrittenen Thema Abtreibung beleuchtet. Das Besondere ist, dass alle Positionen beim Lesen absolut nachvollziehbar erscheinen, gelingt es doch bemerkenswert gut, sich in die verschiedenen Personen hineinzuversetzen.

Das große Thema, um welches es hier geht, wird von den unterschiedlichsten Seiten angegangen, und je mehr man über das Leben der Beteiligten erfährt, desto enger ziehen sich die Kreise. Eindrucksvoll ist vor allem die Tatsache, dass sich die eigentliche Diskussion nicht im Gespräch zwischen den Figuren untereinander entwickelt, sondern nach und nach im Kopf des Lesers entsponnen wird.

"Der Funke des Lebens" ist definitiv ein Buch, das fordert, das einen packt und nicht mehr loslassen will. Denn neben der wichtigen Frage nach ethischer und gesetzlicher Vertretbarkeit von Abtreibungen oder deren Verbot ist natürlich auch die Umgebung, in welcher sich die Geschichte abspielt, hervorragend gewählt: eine kleine Klinik in den USA, die plötzlich von einem Mann mit Waffe gestürmt wird. Ganz nebenbei und wie zufällig wird so auch die Diskussion um die viel zu leichte Verfügbarkeit von Waffen angesprochen - denn wie kann es sein, dass es schwieriger ist, eine Abtreibung vorzunehmen, als an eine Schusswaffe zu gelangen, die mit einem Mal so viele Menschen töten kann? Auch der Rassenkonflikt spielt eine Rolle, ist doch Mississippi mit rund 38% der Bundesstaat mit dem größten Anteil Schwarzer und Afroamerikaner.

Die Spannung wird durch das ganze Buch hinweg hervorragend aufrechterhalten. Dies ist sicher auch der eher ungewöhnlichen Erzählweise geschuldet, denn es wird von hinten nach vorne erzählt - der erste Abschnitt beginnt um 17 Uhr, ab da wird schrittweise im Stundentakt bis 8 Uhr morgens zurückgegangen. Man könnte meinen, es sei unnötig noch weiterzulesen, wo man doch den Ausgang der Geschichte bereits kennt - doch Irrtum, hier stellt das In-der-Zeit-Zurückgehen tatsächlich einen großen Mehrwert für die gesamte Geschichte dar. In jedem dieser Kapitel kommen alle beteiligten Personen zu Wort - es wird erzählt aus der Sicht Hughs, der von draußen Kontakt mit dem Geiselnehmer aufnimmt; aus der Sicht des Schützen selbst darüber, wie er die Situation in der Klinik unter seine Kontrolle bringt; aus der Sicht Wrens, des Arztes, der Patienten. So kann man nicht nur die aktuelle Lage aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten, sondern begleitet die Figuren auch in ihre Erinnerungen und erfährt, wie sie in diese Situation hineingeraten sind. Nach und nach wird so das Bild, welches man anfangs betrachtet, in seine einzelnen Teile zerlegt, und eben dadurch erst kann ersichtlich werden, dass es sich dabei eigentlich um ein großes, komplexes Puzzle handelt.


Die interessante Erzählweise, die authentisch wirkenden Charaktere, der wunderbare Schreibstil und die Brisanz des Themas - all das trägt dazu bei, dass mich dieses Buch sofort mitgerissen hat. Ich konnte es wirklich kaum mehr aus der Hand legen. Es ist spannend geschrieben, man kann als Leser sehr gut mit den Figuren mitfühlen und es bietet definitiv ganz viel Stoff zum Nachdenken. Für mich ein ganz wunderbares Buch, das ich wärmstens empfehlen kann!

Veröffentlicht am 27.09.2020

Der Sog der Vergangenheit

Der Schatten des Windes
0

"Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat, und die Seele derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben."

Dieses Zitat stammt von S. 10, und genau ab hier ...

"Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat, und die Seele derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben."

Dieses Zitat stammt von S. 10, und genau ab hier hatte mich das Buch. In diesem Moment dachte ich "Okay, das könnte wirklich gut werden". Und mein Gefühl hat mich nicht betrogen. Ich habe das Buch aufgrund Cover, Titel und Klappentext gekauft; dass es so bekannt ist, ging vorher irgendwie komplett an mir vorbei und ich habe erst entdeckt, wie gut es bewertet ist, als ich schon längst tief in die Geschichte eingetaucht war. Ich bin also unbeeinflusst und ohne jegliche Erwartungen an das Buch herangegangen und wurde vielleicht gerade daher so überwältigt von dessen Geschichte.

Und ich kann absolut nachvollziehen, weshalb es auf so große Begeisterung trifft, denn auch ich war von Anfang an wie verzaubert von der Geschichte und habe absichtlich versucht, das Weiterlesen herauszuzögern, um möglichst lange von dem Buch zu haben. All die vielen verschiedenen Fäden, deren Enden der Leser zu Beginn der Geschichte in die Hand gedrückt bekommt und die zunächst in einem gewaltigen Knoten zu enden scheinen, leiten ihn voller Spannung durchs Barcelona der 1940er-1960er Jahre und offenbaren sich letzten Endes als verblüffendes, großes Geflecht.

Begleitet wird der Leser von Daniel Sempere, aus dessen Sicht die Geschichte größtenteils erzählt wird. Da sein Vater Buchhändler ist, ist Daniel schon früh fasziniert von der Welt der Worte, und so führt in sein Vater eines Tages zum Friedhof der vergessenen Bücher, einer unendlich großen Sammlung verschiedenster in Vergessenheit geratenen Werke, aus der der Junge sich ein Buch aussuchen und dieses von nun an sein Leben lang in seine Obhut nehmen darf. Daniels Wahl fällt auf ein Buch mit dem Titel "Der Schatten des Windes". Zutiefst beeindruckt und fasziniert von dessen Inhalt möchte Daniel mehr über den Autor erfahren und sieht sich schon bald dem gefährlichen Sog der Vergangenheit gegenüber, aus dem es kein Entrinnen gibt. Immer mehr verflicht sich Daniels eigenes Leben mit dem des Autors Julián Carrax, welcher vor langer Zeit verschwunden ist. Durch seine Suche geraten nicht nur Daniel, sondern auch die, die ihm wichtig sind, in große Gefahr...

Mich hat dieses Buch wie gesagt sofort in seinen Bann gezogen. Die wunderbare Sprache, die ausgeklügelten Charaktere, die spannungsreiche und komplexe Geschichte - "Der Schatten des Windes" hat zweifellos alles, was ein wirklich gutes Buch braucht. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die mal wieder tief eintauchen wollen in ein wirklich gelungenes Buch!