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Veröffentlicht am 22.10.2020

Wohin geht Gladys Reise?

Was dir bleibt
1

Es gehört schon viel Mut dazu, alles zurückzulassen. So einfach gehen – das macht wohl keiner. Noch dazu, wenn man seit Ewigkeiten da lebt und das nicht alleine. Gladys mit ihren 76 Jahren tut genau dies. ...

Es gehört schon viel Mut dazu, alles zurückzulassen. So einfach gehen – das macht wohl keiner. Noch dazu, wenn man seit Ewigkeiten da lebt und das nicht alleine. Gladys mit ihren 76 Jahren tut genau dies. Sie steigt ohne Gepäck in den Northlander. Ihre Tochter Lisana lässt sie mit ihrer Todessehnsucht zurück, die Nachbarn sind fassungslos. Wir sind in den Weiten Kanadas und spüren ihrer Reise mit dem Zug nach, immer ein wenig zu spät, um sie anzutreffen.

An das Buch hatte ich so meine Erwartungen. Und dann war es ganz anders. Es dauerte schon ein wenig, bis ich mich in die Erzählweise einfinden konnte. Nicht, dass es nicht fesselnd gewesen wäre, wobei „fesselnd“ das falsche Wort ist. Jedoch musste ich erst von meiner ganz eigenen Vorstellung runter, musste und wollte mich in das Buch, in Gladys Geschichte, einfühlen. Und genau das sollte man. Ihrer Reise folgen, sich dem Erzähler anschließen, ihren Spuren folgen.

Der Erzähler schweift immer wieder ab, bringt dem Leser so nach und nach das Umfeld, die wichtigsten Menschen aus Gladys Leben, nahe. Berichtet von ihren Stationen, ihren kurzen Aufenthalten bei Freunden, um dann – ohne den Grund für ihre Odyssee zu offenbaren – wieder in eine andere Richtung zu reisen. Sie begegnet der jungen Janelle, freundet sich mit ihr an. Gladys, die immer ein selbstbestimmtes Leben führte, hat auch hier ihren festen Plan. Sie hält alle Fäden in der Hand, gibt die Regeln vor. Das wusste sie von der Stunde an, als sie aus ihrem Haus trat. Wohin und warum sie geht, wie und mit wem das alles enden sollte.

Jocelyne Sauciers Buch lässt mich nachdenklich zurück, ich habe es gerne gelesen, es lässt mich nicht so schnell los. Vieles bleibt lange offen, nicht alles wird und soll letztlich geklärt sein. Ich lege es nicht einfach weg und greife mir das nächste. Gedanklich bin ich noch ne Weile bei Gladys und ihrer Geschichte. Manche Bücher brauchen einfach Zeit, man muss sich auf sie einlassen oder es bleiben lassen. Einfach so nebenbei lesen geht hier nicht.

„Was dir bleibt“ - ein etwas anderes Buch, das nicht alles erklären will: Einfach sich zurücklehnen und die Geschichte auf sich wirken lassen, dem Gelesenen nachspüren.

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Veröffentlicht am 16.10.2020

Sehr persönliche Einblicke

Als die Welt stehen blieb
1

„Als die Welt stehen blieb“ - ihr persönlichstes Buch – Maja Lunde nimmt den Leser mit in ihre Familie. In die Zeit, in der wir alle nicht wussten, was gerade geschieht. Es waren sehr beklemmende Wochen. ...

„Als die Welt stehen blieb“ - ihr persönlichstes Buch – Maja Lunde nimmt den Leser mit in ihre Familie. In die Zeit, in der wir alle nicht wussten, was gerade geschieht. Es waren sehr beklemmende Wochen.

Die ganz alltäglichen Situationen mit ihrer Familie - auch bei mir waren diese Wochen wieder präsent. Denn - auch wenn sie von Norwegen schreibt – hier war es nicht anders. Beim Lesen wurde ich zurückversetzt in die Anfänge, als das Virus immer mehr ins Leben eingriff. Meine damaligen Empfindungen sind wieder da. Möchte ich das? Wieder die Bilder sehen, diese vielen Toten. Die Särge, das Unmögliche, das Ohnmächtige. Heute wissen wir schon mehr. Während ich das schreibe, rollt bei uns in Deutschland die zweite Welle heran – oder ist schon da. Der Sommer ist vorbei, wir alle müssen wieder mehr nach drinnen. Die geschlossenen Räume sind ein Problem. Außerdem diese Leugner, diese Verweigerer, Besserwisser. Das Buch zieht mich zurück, zieht mich und meine Laune ganz tief nach unten. Ein ohnmächtiges Gefühl – und die Welt spielt verrückt.

„…denn das Virus wird die Welt verändern, und zwar dauerhaft.“ Ein wahrer Satz, genau so sehe ich die nahe Zukunft. Kein schönes Thema, weil wir alle – ob wir wollen oder nicht – damit konfrontiert wurden und werden. Egal ob in Norwegen oder hier bei uns: Wir alle reagieren gleich oder ähnlich, sind viel im eigenen Heim und haben Glück, wenn dieses keine beengte Stadtwohnung ist. Maja Lunde hat ein Haus mit Garten drumherum, kann mit ihren Söhnen raus. Trotzdem sucht sie nach Beschäftigung, kommt zu dem Schluss, dass man all diesen Luxus gar nicht braucht. Hier kann ich ihr nur zustimmen. All den überflüssigen Müll beseitigen und uns auf das Wesentliche besinnen.

Schreiben kann sie, natürlich. Vielleicht ist genau deshalb dieses Buch so gut zu lesen. Auch wenn es als eine Art Tagebuch rüberkommt, werden doch all die Themen behandelt, die es während dieser Zeit gab. Die Kinder können nicht in die Schule, müssen aber daheim zum Lernen angehalten werden. All die Heimbewohner dürfen nicht mehr besucht werden – Kontaktverbot, Homeoffice, Homeschooling… Und dann dieser Knoten in der Brust, sie muss warten, Termine verschieben. Die Betten in den Krankenhäusern müssen ja freigehalten werden.

Sie schreibt von ihren Ängsten, ihren Sorgen. Sie weiß darum, dass sie und ihre Familie mit diesem Virus leben lernen müssen, dass das Leben weitergeht, die Welt sich weiterdreht. Irgendwie.

Ein Thema, das noch lange aktuell sein wird. Ein sehr persönliches Tagebuch, in dem sich viele darin wiederfinden. Ihre Botschaft im Miteinander: Sehen, was im Leben wirklich wichtig ist. Aufeinander acht geben. Ein gut zu lesendes, sehr individuelles Buch.

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Veröffentlicht am 16.10.2020

Spannend erzählte Gesellschaftskritik

Malvita
1

Christina ist betrogen worden: Von ihrem Freund, von ihrer besten Freundin. Da kommt das Angebot, in die Toskana zu reisen, gerade recht. Sie soll hier die Hochzeit ihrer Cousine Marietta fotografisch ...

Christina ist betrogen worden: Von ihrem Freund, von ihrer besten Freundin. Da kommt das Angebot, in die Toskana zu reisen, gerade recht. Sie soll hier die Hochzeit ihrer Cousine Marietta fotografisch begleiten, da die ursprüngliche Fotografin unauffindbar ist. Ihre italienische Verwandtschaft, die Familie Esposito, kennt sie bis dato nicht. Von der Schwester der Braut – Elena - wird sie in einem rasanten Sportwagen abgeholt, sie durchqueren den Ort Malvita, der ausgestorben vor sich hinsiecht, kommen in der Villa an und Christina ist in einer ganz anderen, für sie völlig unbekannten Welt. Das Spiel beginnt.

In dieser Familie ist vieles im Argen. Eine unnahbare, zuweilen unheimliche Atmosphäre herrscht hier inmitten des alten Gemäuers. Das Haus strahlt genau soviel beklemmende Düsternis aus wie all seine Bewohner. Eine ganze Armee von blaugewandeten Bediensteten verrichtet - ich möchte fast sagen eingeschüchtert - ihren Dienst. Die ehemalige Fabrik gibt es nicht mehr, also sind die Espositos mit ihrer Villa, ihrem weitläufigen Besitz, ihre Brötchengeber.

Irene Diwiak entführt mich in eine unbekannte Welt. In die Welt der Reichen und Schönen und deren Abgründe. Es gelingt ihr hervorragend, alle möglichen Gefühle in mir hochkommen zu lassen. So war ich mit Christina in diesen verwinkelten, über etliche Generationen immer wieder angebauten Gebäudeteilen, total verwirrt unterwegs. Wie kann man sich hier zurechtfinden? In Nino bekam sie dann einen „Aufpasser“, der sie durch die Treppenhäuser lotste, sie zu den seltenen Mahlzeiten führte. Ganz schön verrückt! Sämtliche Familienmitglieder – distanziert, frostig, zuweilen feindselig und unterkühlt - waren mir äußerst suspekt. In dieser Umgebung, mit dieser dubiosen Familie, hätte ich des Öfteren ganz einfach meine Sachen gepackt und wäre regelrecht geflohen. Nicht nur einmal fragte ich mich, was sie hier hält. So nach und nach kamen ob der ominösen Verhaltensweisen immer mehr Fragen auf. Irgendwann wusste ich auch, was mit Blanca, der vermissten Fotografin, geschah.

„Malvita“ lässt den Leser in menschliche Abgründe schauen, zeigt den zuweilen zynischen Umgang der besser Situierten mit den von ihnen Abhängigen in einer gut und kurzweilig lesbaren Form und deckt doch die Unwägbarkeiten, die Probleme dieser vermeintlich besseren Gesellschaft auf.

Ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte. So spannend, so fesselnd ist diese Geschichte erzählt. Ich war beim Lesen mittendrin, hatte meine Bedenken, bangte um Christinas Sicherheit, war aber auch mal fröhlich, ausgelassen und unbeschwert mit ihr unterwegs. Die Autorin treibt einen förmlich durch den Roman, macht einen neugierig, wie denn dies alles enden mag. Ja, das Ende – lässt so viele Fragen offen, ist so losgelöst vom Rest des Buches. Es muss nicht immer alles bis ins Detail geklärt sein, aber hier kippt alles. Sollte es genau dieser Bruch sein? Es war mir zum Schluss alles zu schnell abgehandelt, als ob keine Zeit mehr bliebe für ein wenig mehr Gewissheit, ein klein wenig mehr Auflösung.

Trotzdem: Ein Lesegenuss mit dem Schluss als kleinen Schönheitsfehler. Ein Roman, der ein Krimi sein könnte und zuweilen auch genau dies ist. Ein gelungenes Spiel mit dem Leser – also, einfach lesen!

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Guter Überblick über ein reiches Leben einer faszinierenden Frau

Selma Lagerlöf - Die Liebe und der Traum vom Fliegen
1

Selma Lagerlöf – was fällt einen da zuerst ein? Nils Holgersson. Natürlich bringe auch ich genau diesen Namen und das bezaubernde, nie alternde Buch in Zusammenhang. Dass da noch sehr viel mehr dahinter ...

Selma Lagerlöf – was fällt einen da zuerst ein? Nils Holgersson. Natürlich bringe auch ich genau diesen Namen und das bezaubernde, nie alternde Buch in Zusammenhang. Dass da noch sehr viel mehr dahinter steckt, wird mir so nach und nach bewusst, je tiefer ich in diese RomanBiografie eintauche. Ich erfahre so manches über eine beeindruckende Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und ihre sehr fortschrittliche Weltanschauung auch lebte. Die immer interessiert durchs Leben ging, sich für Frauenrechte einsetzte, überzeugte Pazifistin war, ihre Liebe zu Frauen lebte, sich nie einengen ließ. Eine selbstbestimmte Frau. Sie bekam als erste Frau den Nobelpreis für Literatur und unterstützte all jene, die ihrer Hilfe bedurften.

Schon im Jahre 1900 reiste sie mit ihrer Freundin Sophie Elkan nach Jerusalem, um von den schwedischen Bauern, die von Dalarna aus nach Jerusalem gezogen waren, um hier neu anzufangen, zu erzählen. Entstanden ist „Jerusalem“, in das ich mich gerade einlese. Maria Regina Kaiser schafft mit ihrem Buch, dass ich mir von der Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf ein Bild machen will, neugierig auf sie, auf ihr Leben, ihre Werke, ihren Schreibstil bin.

Der Erzählteil und der sehr ausführliche Anhang ergänzen sich und machen das Geschriebene rund. Von klein auf nimmt die Autorin den Leser mit auf die Reise durch das Leben und Wirken dieser brillanten Frau. Deren Name mir durchaus geläufig war, die ich aber viel zu wenig kannte und kenne. Im erzählenden Teil sind manche Zeitsprünge doch relativ groß, jedoch bietet die Zeittafel im Anschluss eine gute Möglichkeit, ihr Leben und Wirken nachzuvollziehen. Hier las ich exakt alle relevanten Daten nach und im Personenverzeichnis, das liebevoll mit „Selmas Menschen“ überschrieben ist, bekam ich einen guten Überblick über ihr Umfeld, ihre wichtigsten Begegnungen. Und nicht genug: Auch die Orte, die für sie wichtig waren, konnte ich nachlesen mit kurzen, durchaus hilfreichen Beschreibungen. Wunderschön - das war mein erster Gedanke, als ich das Buch in Händen hielt. Es ist so besonders gestaltet - seien es die Überschriften, die Seitengestaltung, die Abbildungen oder die Erläuterungen als krönender Abschluss.

„Du brauchst Lebenserfahrung. Geh hinaus in die Welt… Die Vögel kannten keine Grenzen. Sie hatten Flügel.“ Diesen Rat hat Selma Lagerlöf ihr Leben lang beherzigt.

Eine RomanBiografie über eine beeindruckende Frau, die interessiert und engagiert durchs Leben ging. Mir gefiel sehr, was ich hier las, es waren angenehme und unterhaltsame Lesestunden.

Gerne empfehle ich dieses Buch all jenen, die mehr über faszinierende Persönlichkeiten wissen wollen und ganz nebenbei gut unterhalten werden möchten. Und allen anderen auch – es lohnt sich.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Krimi mit Höhen und Tiefen

Das Gift deiner Lügen
5

Diese Geschichte beginnt - die Bewohner des Villenviertels Seven Oaks werden ins beste Licht gerückt. Im Prolog kommt dann gleich mal Erica zu Wort. Sie ist tot, ermordert. Sie will, dass die Wahrheit ...

Diese Geschichte beginnt - die Bewohner des Villenviertels Seven Oaks werden ins beste Licht gerückt. Im Prolog kommt dann gleich mal Erica zu Wort. Sie ist tot, ermordert. Sie will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Einer lügt! Jeder hat wohl was zu verbergen. Es taucht ein Podcast auf, der alle ziemlich aufbringt. Er nennt sich Andy Noon, er will jede Woche senden, so nach und nach die Wahrheit ans Licht bringen.

Ein schöner Schein, der so nach und nach bröckelt. Der Ruhm, das Getue, die Freund- oder auch manchmal Feindschaften malen ein Bild, in das ich um keinen Preis hinein möchte. Man kann eine Zeit lang ganz gut leben mit einem Gerüst aus Lügen, kann Intrigen spinnen und so manches Geheimnis weitestgehend verbergen. Aber geht das auf Dauer gut? Wenn nur ein Detail nicht mehr passt, wenn ein Rädchen im Getriebe nicht mehr rund läuft, kann es passieren, dass ein Dominoeffekt auftritt und das ganze Gebilde wie eine Seifenblase zerplatzt. Dieses Teilchen, das alles ins Rollen bringt, heißt hier Andy Noon. Gefürchtet von denen, die nicht ganz ehrlich waren, die etwas zu verbergen haben.

Als Psychothriller angepriesen – da hab ich meine Probleme. Es ist ein Krimi, der die Polizeiarbeit nur am Rande zulässt, der eher die Beteiligten, den harten Kern derer von Seven Oaks beleuchtet. Es muss nicht immer der Cop als Held dargestellt sein, es kann auch so funktionieren.

Es war ein Wechselbad der Gefühle zwischen total langweilig, vorhersehbar und ganz zum Schluss ist dann doch noch alles ganz anders gekommen. Wer hat was getan und warum? Und dieser Schluss hat es in sich, stellt er doch nochmal alle Gedankengänge auf den Kopf. Hier bin ich wieder versöhnt mit den etwas langatmigeren Stellen. Ein Krimi, der mich durchaus gut unterhalten hat.

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