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Veröffentlicht am 18.11.2020

Spannende Familiengeschichte

Die Schweigende
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Im hinteren Klappentext wird exakt das über die Autorin gesagt, was auch für den vorliegenden Roman zutrifft: Sie verfasst groß angelegte Spannungs- und Familienromane. Groß ist dieses Buch mit 518 Seiten ...

Im hinteren Klappentext wird exakt das über die Autorin gesagt, was auch für den vorliegenden Roman zutrifft: Sie verfasst groß angelegte Spannungs- und Familienromane. Groß ist dieses Buch mit 518 Seiten allemal; spannend ist es, weil es in der Vergangenheit der Protagonistin – der „Schweigenden“ aus dem Buchtitel – einen Lebensabschnitt gibt, über den sie jahrzehntelang nicht geredet hat und der sie zu einem so völlig anderen Menschen gemacht hat, als der sie noch in ihrer Jugend war; Familienroman ist es schließlich auch, da im Mittelpunkt die kürzlich verwitwete Karin mit ihren drei erwachsenen Töchtern steht, zu denen sie nie ein nahes Verhältnis hatte, anders als der Vater, der eine der Töchter auf dem Sterbebett versprechen lässt, den jüngeren Bruder von Karin zu finden, damit die Kinder ihrer Mutter verstehen lernen.
Die akribischen, detektivischen Nachforschungen der mittleren Tochter führen zurück in die deutsche Kinderheimerziehung in den 1950er/1960er Jahren in Deutschland. Was wir über sie erfahren, geht einem wirklich nahe. Das Ziel, das die Autorin laut Nachwort mit diesem Buch verfolgt hat, nämlich das Schicksal eines Heimkindes lebendig werden zu lassen und zu zeigen, welche Auswirkungen die Heimpädagogik auf die folgende Generation eines Heimkindes haben kann, ist ihr jedenfalls bestens gelungen. Die Geschichte liest sich besonders gut, weil sie auf wechselnden Zeitebenen spielt und aus der Perspektive verschiedener Personen erzählt wird. So fügt sich alles bis zu einem versöhnlichen Ende nach und nach zusammen.

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Über tiefe Trauer und tiefe Geschwisterliebe

Marianengraben
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Die Trauer der jungen Protagonistin Paula um ihren vor zwei Jahren beim Baden tödlich verunglückten geliebten kleinen Bruder ist so tief wie der tiefste Punkt der Erde in dem bekannten Tiefseegraben aus ...

Die Trauer der jungen Protagonistin Paula um ihren vor zwei Jahren beim Baden tödlich verunglückten geliebten kleinen Bruder ist so tief wie der tiefste Punkt der Erde in dem bekannten Tiefseegraben aus dem Buchtitel. Schuldgefühle und Depressionen lassen sie verzweifeln. Erst eine Bekanntschaft vom Friedhof, Helmut, der auch mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen hat und mit dem sie sich auf eine Fahrt in die Berge zu Helmuts Elternhaus begibt, bringt sie zurück ins Leben.
Die Geschichte, so wie sie sich mit den Themen Trauer und Trauerbewältigung auseinandersetzt, ist unheimlich traurig und gefühlvoll geschrieben, ohne aber labile Leser in ein Loch zu stürzen. Es gibt viele humorige Einschübe. Besonders schön zu lesen sind die vielen eingeschobenen Gespräche zwischen den Geschwistern, an die Paula sich erinnert und die von der unendlichen Wissbegier des kleinen Jungen mit Interesse an der Meeresbiologie zeugen.
Ein empfehlenswerter Debütroman.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Essstörungen und familiäre Ursachen

Jägerin und Sammlerin
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Dies ist ein sehr lesenswerter Roman, der uns in aller Härte und sehr anschaulich mit der Thematik Bulimie konfrontiert.
Die junge Alisa ist als Kleinkind in den 1990er mit ihren Eltern aus der Ukraine ...

Dies ist ein sehr lesenswerter Roman, der uns in aller Härte und sehr anschaulich mit der Thematik Bulimie konfrontiert.
Die junge Alisa ist als Kleinkind in den 1990er mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Berlin gekommen. Über diesen Hintergrund zu Zeiten von Perestroika und davor ist Interessantes zu erfahren. So wie ihre junge Mutter aus problematischen familiären Verhältnissen stammt, über die sie Stillschweigen bewahrt, hat auch Alisa mit ihrer fordernden, perfektionistischen Mutter zu kämpfen, die nie zufriedenzustellen ist. So wundert es nicht, dass die Mutter-Tochter-Beziehung völlig verkorkst ist und Alisa in Folge schon als junges Mädchen unter zunehmend extremer werdenden Essstörungen leidet und auch mit ihrem Äußeren nie zufrieden ist. Ihr Leidensweg dauert jahrelang, bis er einen Tiefpunkt erreicht und Alisa sich in klinische Behandlung begibt. Als Teil der Therapie schreibt sie dort ihre Biografie und bewegt hierzu auch ihre Mutter, so dass sich ein rundes und vollständiges Bild über die Familie und die Gründe der Erkrankung Alisas ergibt.
Nach ihrem Debüt „Kukolka“ erneut ein beachtliches Buch aus der Feder der aus der Ukraine stammenden Autorin.

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Veröffentlicht am 16.10.2020

Fortsetzung von "Der Apfelbaum"

Ada
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Dieser Roman ist die Fortsetzung von Christian Berkels biografisch geprägtem früherem Buch „Der Apfelbaum“, in dem er erzählte, wie seine Mutter von den Nationalsozialisten wegen ihrer (halb)jüdischen ...

Dieser Roman ist die Fortsetzung von Christian Berkels biografisch geprägtem früherem Buch „Der Apfelbaum“, in dem er erzählte, wie seine Mutter von den Nationalsozialisten wegen ihrer (halb)jüdischen Abstammung verfolgt wurde und sein Vater als Arzt im Zweiten Weltkrieg diente, dann in russische Kriegsgefangenschaft geriet und endlich mit der Frau zusammenzukam, die er schon als 17jähriger in den 30er Jahren geliebt hatte. In „Ada“ (vielleicht die ältere Schwester von Berkel?) lässt er diese Hauptfigur in der Ich-Perspektive davon erzählen, wie die Generation der nach Kriegsende Geborenen in den 1960er Jahren gegen das Schweigen der Eltern über die Zeit des Nationalsozialismus kämpft. Tabuthemen sind in Adas Elternhaus aber auch Angaben zu ihrem wahren Vater, zu ihrer jüdischen Herkunft und zur Sexualität. Ada selbst traut sich nicht zu fragen, erhält Informationen wenn überhaupt nur zufällig durch Dritte oder bruchstückhaft von ihrer Mutter. Der Autor verarbeitet wichtige geschichtliche Stationen wie den Mauerbau, die Studentenunruhen, die 68er Kommunen, Woodstock, den Mauerfall. Das Buch regt zum Nachdenken an und lehrt, wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen. Diesen Aspekt hat die 68er Generation in Gang gebracht.
Geplant ist laut Angaben des Autors eine Trilogie, so dass ich mich schon jetzt auf den dritten Roman freue.


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Veröffentlicht am 30.09.2020

Das letzte Kriegsjahr in der Eifel

Winterbienen
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Wer anspruchsvolle, zeitgenössische Literatur insbesondere mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg mag, sollte unbedingt dieses Buch lesen.
Die Geschichte spielt 1944/45 in der Eifel. Dass der Autor von dort stammt, ...

Wer anspruchsvolle, zeitgenössische Literatur insbesondere mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg mag, sollte unbedingt dieses Buch lesen.
Die Geschichte spielt 1944/45 in der Eifel. Dass der Autor von dort stammt, wird allenthalben sichtbar, vor allem in den detaillierten Landschaftsbeschreibungen. Protagonist ist ein aus dem Schuldienst entlassener, von der Bienenzucht lebender Gymnasiallehrer, Egidius Arimond, aus dem Bergarbeiterstädtchen Kall. Liebschaften, seine sich zusehends verschlimmernde Epilepsie und der Umstand, dass er Juden, versteckt in Bienenstöcken, nach Belgien rettet, noch dazu vermehrte Angriffe alliierter Bomber, bringen ihn in Gefahr.
Über all das erfahren wir auf von Egidius geführten Tagebuchblättern. Immer wieder lässt er sich über bestimmte Vorkommnisse aus, am häufigsten über seine Bienen. Insoweit hat sich der Autor wirklich fundiertes Wissen angeeignet. Weiteres wiederkehrendes Thema ist das anhand von Dokumenten nachvollzogene Leben über einen Vorfahren von Egidius, der im 15. Jahrhundert aus dem Tessin in die Eifel gekommen ist. Diese Teile haben philosophische Bezüge und sind am schwierigsten zu lesen. Schließlich ist der Bombenkrieg der Alliierten über der Eifel von Bedeutung. Die Flugzeuge sind sehr schön illustriert. Alles in allem ergibt sich ein anschauliches Bild über das letzte Kriegsjahr.

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