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Veröffentlicht am 05.11.2020

Was würde Sherlock Holmes tun?

Unter Wölfen - Der verborgene Feind
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… fragt sich Issak Rubinstein, der immer noch als SS-Sonderermittlers Adolf Weissmann in Nürnberg weilt, wenn er bei seinen Ermittlungen nicht weiterweiß. Er will über Ursula von Rahn an Unterlagen ihres ...

… fragt sich Issak Rubinstein, der immer noch als SS-Sonderermittlers Adolf Weissmann in Nürnberg weilt, wenn er bei seinen Ermittlungen nicht weiterweiß. Er will über Ursula von Rahn an Unterlagen ihres Vaters kommen, der eine Fabrik für U-Boot- und Panzermotoren hat. Als er dabei zufällig von geheimen Angriffsplänen hört, will er auch diese beschaffen und verschiebt seine Abreise. „Noch viereinhalb Tage und er steckte bis zum Hals in Schwierigkeiten.“ (S. 103)
Dann wird auch noch die Tochter eines hochrangingen Nazis erwürgt und Isaak muss den Fall übernehmen.

Für ihn beginnt ein Drahtseilakt. Er muss sich Ursula vom Hals halten, die sich bei seinem ersten Fall in ihn verguckt hat und ihn unbedingt heiraten will, ihn deswegen immer mehr unter Druck setzt. Isaak hat Mitleid mit ihr, aber er braucht sie wegen ihrer Verbindungen.
Sein härtester Gegenspieler ist der Journalist Felix Bachmayer, der Ursula unbedingt heiraten will und alles daransetzt, seinen angeblichen Mitbewerber zu diskreditieren. Bei seinen Nachforschungen kommt er Isaaks Geheimnis immer näher: „Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass sie nur wegen Ursula hier in Nürnberg geblieben sind.“ (S. 133) Felix ist Antisemit und will Karriere machen, befolgt die Anweisungen des Reichspropagandaministeriums ganz genau – jeder seiner Hetzartikel ist ein Schlag in Isaaks Gesicht. Doch der lässt sich nicht provozieren …
Auch der für den Mord zuständige Kriminalpolizist Paul Köhler ist sauer, weil ihm Isaak einfach vor die Nase gesetzt wurde. Köhler versteckt seine Intelligenz hinter seinem nachlässigen Äußeren und seiner ruppigen Art. „Um sich Feinde zu machen, braucht man keine Wochen. Dafür reichen oft ein paar Augenblicke.“ (S. 83) Er will unbedingt beweisen, dass er den Mörder selber fangen kann, ihm fallen Ungereimtheiten bei Isaaks Ermittlungsmethoden auf …

Alex Beer spielt mit den Erwartungen ihres Ermittlers und des Lesers. Man kann sich bei einigen Protagonisten nicht sicher sein, auf welcher Seite sie stehen und ob sie Isaak im Zweifelsfall helfen oder verraten würden. Dazu kommen die kurzen Zwischenkapitel des Mörders – wer ist er und was treibt ihn an?
Mir gefällt, wie die damaligen politischen Verhältnisse und Lebensumstände in die Handlung eingebunden sind. Besonders erschreckend (weil so realistisch) fand ich den beschriebenen Kult um Hitlers Geburtstag, den Isaak / Weissmann als treuer Anhänger natürlich entsprechend zelebrieren muss. Außerdem habe ich bis jetzt nicht gewusst, dass die BDM-Mädchen, zu denen die Tote gehörte, als kostenlose Arbeitskräfte ausgebeutet wurden.

Auch der zweite Band dieser Reihe ist wieder extrem spannend. Man spürt Isaaks Anspannung in jeder Minute, sein Gehetzsein, die Zeitnot und Angst. Es fällt ihm immer schwerer, seine Rolle als Weissmann zu spielen „Wenn er nicht bald von hier fortkam, würde nichts mehr von ihm übrigbleiben.“ (S. 274) Isaak gerät von einer scheinbar ausweglosen Situation in die nächste und seine Tarnung droht mehrfach aufzufliegen – muss der ehemalige Antiquar zum Mörder werden, um sich und seine Mission zu retten?

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Mord in der Gerberei

Im schwarzen Wasser
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Eines Morgens findet Jakob, der Sohn und Lehrling des Gerbers Neulander, in einer der Gärgruben einen Toten. Die Neulanders behaupten, diesen nicht zu kennen, aber Weddemeister Wagner und Weddeknecht Grabbe ...

Eines Morgens findet Jakob, der Sohn und Lehrling des Gerbers Neulander, in einer der Gärgruben einen Toten. Die Neulanders behaupten, diesen nicht zu kennen, aber Weddemeister Wagner und Weddeknecht Grabbe trauen ihnen nicht, sie verhalten sich zu merkwürdig. Bald finden sie heraus, dass der Tote ein Erfinder war, der erst vor kurzem in Hamburg angekommen ist und in Gast- und Caféhäusern fleißig um Unterstützung warb. Auch die Stadtleichenfrau Gardewinsch und deren erwachsene Kinder geraten bald ins Visier der Ermittlungen, da sie den Fremden mehrfach getroffen haben sollen. Überhaupt schien dieser sehr umtriebig gewesen zu sein. Wen hatte er sich in seiner kurzen Zeit in Hamburg schon zum Feind gemacht?

Obwohl seit der Veröffentlichung des letzten Bandes – „Die Nacht des Schierlings“ – 10 Jahre vergangen sind, schafft es Petra Oelker, den Leser wieder sofort in Rosinas Welt zu ziehen. Diese ist inzwischen verheiratet und trauert ihrer Zeit als Schaustellerin hinterher. Noch sind „ihre“ Beckerschen Komödianten in der Stadt, aber sie machen sich schon bald wieder auf dem Weg quer durchs Land zu ihren Engagements. Rosinas Mann Magnus hat zwar versprochen, sie nicht aufzuhalten, wenn sie das Fernweh und Reisefieber packt, aber natürlich ist es ihm lieber, wenn er sie sicher in Hamburg weiß. Da kommt ihm der Tod des Fremden wie gerufen. Wagner, der in dem Fall nicht weiterkommt, bittet Rosina, sich unauffällig umzuhören. Und als sie sich in den Fall verbeißt, hat sie keine Zeit mehr, über ihr altes Leben nachzugrübeln. Doch leider gerät sie wieder einmal selbst in Gefahr …

In „Im schwarzen Wasser“ ist drin, was draufsteht – ein Kriminal-Roman. Es geht nicht Schlag auf Schlag, sondern entwickelt sich langsam, ist dabei aber trotzdem immer spannend und unterhaltsam. Ein tolles Verwirrspiel mit einigen Unbekannten und Wendungen, das bis zum Ende zum Miträtseln einlädt. Neben Rosina trifft man auch ihre alten Freunde Anne und Claes Herrmanns und dessen Tante Auguste wieder, und natürlich die Komödianten um Jean Becker und seine Frau Helena.

Ich habe mich sehr gefreut, wieder in Rosinas Zeit und Milieu einzutauchen, habe die Reise ins alte Hamburg mit seinen Fleeten und Kontorhäusern und das Wiederlesen mit alten Bekannten genossen. Und jetzt hoffe ich, dass ich auf den nächsten Band nicht wieder so lange warten muss .

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Veröffentlicht am 29.10.2020

Rezepte direkt von der Müllerin

Brot von daheim
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Wer mich kennt weiß, dass ich schon seit Jahren unser Brot selber backe und immer auf der Suche nach neuen Rezepten bin. Das Besondere an „Brot von daheim“ ist, dass die Autorin Monika Rosenfellner Müllerin ...


Wer mich kennt weiß, dass ich schon seit Jahren unser Brot selber backe und immer auf der Suche nach neuen Rezepten bin. Das Besondere an „Brot von daheim“ ist, dass die Autorin Monika Rosenfellner Müllerin ist und das Mehl für ihre Brote selber mahlt. „Ihre“ Mühle gibt es schon seit 1350 und ist seit 3 Generationen im Besitz der Familie – da werden Traditionen natürlich großgeschrieben. Mit viel Liebe und Achtung erzählt sie von ihrem Beruf, der Mühle, den Ausgangsstoffen und Endprodukten. Das hat mir imponiert.
Neben einer Vorstellung der verschiedenen (PseudGetreide gibt es Erklärungen zum Mahlvorgang und der Lagerung der verschiedenen Mehle, sowie deren Verwendung. Dabei wird auf die verschiedenen Mehltypen hingewiesen und, da es ein österreichisches Buch ist, ihre Bezeichnungen in Deutschland und der Schweiz.

Besonders gefreut hatte ich mich, dass in dem Backbuch 7 verschiedene Sauerteigrezepte vorgestellt werden, denn ich habe bisher immer mit Roggensauerteig gebacken. Leider gab es dann aber nicht zu jeder Sauerteigsorte auch ein Brotrezepte, stattdessen wird oft mit Hefe oder Trockensauerteig gebacken. Nach Aussage der Autorin zielt das Buch auf spontanes Backen ohne viel Vorbereitungszeit ab und mit frischem Sauerteig ist das nicht ganz so einfach wie mit trockenem oder Hefe. Dafür gibt es einen Tipp zum Umrechen, wieviel Gramm frischer Sauerteig dem trockenem entsprechen.

Im Buch finden sich 50 Rezepte unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, leicht nachvollziehbar beschrieben und erklärt, oft mit hilfreichen Tipps der Müllerin versehen. Ich habe inzwischen einige nachgebacken, zum Teil sogar schon mehrfach, weil die Ergebnisse so lecker sind. Am besten haben uns das „beste Sauerteigbrot“, das „Topfenbrot“ (toller Geschmack und perfekte Kruste), das „Mühlviertler Kartoffelbrot“ (ein sehr fluffiges, extrem leckeres Brot), das „knusprige Krustenbrot“ (das seinem Namen alle Ehre macht), das „klassische Bauernbrot“, das würzige „Zwiebelbrot mit Kardamom“ und das Wanderbrot geschmeckt. Letzteres wird streifenweise gebacken, damit man es nicht schneiden muss, sondern ganz bequem Stücke abbrechen kann (Ich habe mich für die süße Variante entschieden und es mit geriebenen Nüssen und Äpfeln gefüllt.).

Die ausprobierten Rezepte haben fast immer funktioniert, aber Hefe und Sauerteig sind lebende Kulturen und haben auch mal einen schlechten Tag und dann dauert es halt etwas länger als angegeben, bis der Teig richtig aufgegangen ist, das sollten sich ungeübte Bäcker immer vor Augen halten. Ein gutes Brot braucht neben guten Zutaten vor allem Zeit (und ein Quäntchen Liebe).

Mich hat „Brot von daheim“ überzeugt und da viele Rezepte mit Hefe bzw. Trockensauerteig gebacken werden, ist das Buch auch für Anfänger geeignet. Fortgeschrittene Bäcker können sich die Rezepte entsprechend abwandeln.

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Veröffentlicht am 28.10.2020

Was wiegt schwerer – Trauer oder Wut?

Der Moment zwischen den Zeiten
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„Der Tod schafft aus der Welt, was eigentlich nicht wiedergutzumachen ist, und rückt alles ins beste Licht, unwiderruflich. Aus Mauro hat er einen Unschuldigen, fast schon einen Heiligen gemacht.“ (S. ...

„Der Tod schafft aus der Welt, was eigentlich nicht wiedergutzumachen ist, und rückt alles ins beste Licht, unwiderruflich. Aus Mauro hat er einen Unschuldigen, fast schon einen Heiligen gemacht.“ (S. 38)
Paula kommt nicht über Mauros Tod hinweg. Sie kann nicht mehr essen oder schlafen, ihre Gedanken kreisen außerhalb ihrer Arbeit nur um das letzte gemeinsame Mittagessen wenige Stunden vor seinem tödlichen Unfall – da hat er sie nämlich nach über 10 Jahren für eine Jüngere verlassen. Nur zwei Leute wissen davon, ihre beste Freundin und sein bester Freund und Geschäftspartner. Und weil sich Paula deswegen schämt, traut sie sich nicht, es ihrem Vater oder Mauros Familie zu erzählen. Sie glaubt, nicht (gut) genug gewesen zu sein und droht langsam an den ungesagten Worten zu ersticken. Zur Ablenkung und um Mauro nachträglich zu bestrafen, stürzt sich in eine Affäre und One-Night-Stands, die sie zwar nicht bereut, aber auch nicht genießen kann. „Halt dich von mir fern, wir tun uns nur weh.“ (S. 33)

„Der Moment zwischen den Zeiten“ ist ein extrem emotionales Buch, eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Paula schwankt zwischen Wut, Scham und Trauer, ist sich nicht sicher, ob sie als Verlassene überhaupt trauern darf oder sich lieber freuen sollte, dass „die Neue“ ihn jetzt nicht bekommt. Aber sie liebt ihn auch noch, wird immer wieder von Erinnerungen an ihn überflutet – guten und schlechten. Und irgendwie hofft sie auch – dass alles nur ein Irrtum war, Gott ein Einsehen hat und ihr Mauro zurückschickt, dass das alles nie passiert ist. Dann quält sie sich wieder, indem sie seine Chats mit „ihr“ liest. Sie kann einfach noch nicht loslassen, ist noch nicht für einen Neuanfang bereit. „Alles steht still … Vielleicht, weil ich es nicht über mich bringe, ein neues Kapitel aufzuschlagen.“ (S. 182)

Die Autorin Marta Orriols lässt Paula die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen, dadurch erlebt man ihre Gedanken und Gefühle ungefiltert. Ich habe sehr mit ihr mitgefühlt, ihre unendliche Trauer und Wut, den nie verarbeiteten sehr frühen Verlust ihrer Mutter, der durch Mauros Tod wieder hochkommt. Paulas Gedanken drehen sich oft im Kreis, aber trotzdem macht sie langsam kleine Fortschritte.

Ich mag den direkten und gleichzeitig poetischen Schreibstil von Maria Orriols sehr. „Wir sind erwachsen, ungebunden, frei wie der Wind. Vielleicht sind wir aber auch Gefangene genau dieser Freiheit.“ (S. 158)
Außerdem muss ich von der Ausstattung des Buches schwärmen. Die Tulpen des Schutzumschlages finden sich auch außen und innen auf dem Bucheinband wieder und mache es zu etwas Besonderem.

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Veröffentlicht am 21.10.2020

Marée blanche – die weiße Flut

Baskische Tragödie
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Ein kleiner Junge findet am Strand ein Päckchen mit reinem Kokain, probiert und fällt ins Koma. Commissaire Luc Verlaine und sein Team ermitteln, aber ohne Erfolg. Nach und nach werden 95 der Päckchen ...


Ein kleiner Junge findet am Strand ein Päckchen mit reinem Kokain, probiert und fällt ins Koma. Commissaire Luc Verlaine und sein Team ermitteln, aber ohne Erfolg. Nach und nach werden 95 der Päckchen an Land gespült – die weiße Flut ist da und sie werden ihrer nicht Herr. Dann bekommt Luc auch noch Post, der Unbekannte schreibt ihm wieder, die 4. Nachricht in 4 Jahren, sie ist sehr persönlich. Luc wird aus der Bahn geworfen und verschwindet für ein paar Tage. Als er wieder auftaucht, wird er von einer Polizeistreife angehalten und wegen Körperverletzung, Entführung und Drogenhandel festgenommen. Er beteuert seine Unschuld, aber niemand glaubt ihm. „Ich habe absolute nichts damit zu tun, das wissen Sie doch, Commissaire, ich stehe auf der richtigen Seite …“ (S. 46) Luc kann fliehen, eine atemlose Jagd beginnt. Die Polizei jagt Luc und Luc jagt den Briefeschreiber, der ihn erpresst, aber hat er überhaupt eine Chance? Das Leben Unschuldiger steht auf dem Spiel …

Luc Verlains neuester Fall führt ihn 14 Jahre zurück, in seine Zeit nach Paris. Damals gab es einen Mord, dessen Mörder er nie überführen konnte, aber er hatte ihn auf eine andere Art kaltgestellt. Jetzt rächt sich der Täter – denn Rache wird bekanntlich kalt serviert.
Dabei hatte endlich Luc das Gefühl, angekommen zu sein. Seine Freundin Anouk erwartet ihr gemeinsames Baby, sie sind glücklich, planen ihre Zukunft. Doch statt sich auf das Kind zu freuen, hat Luc plötzlich Angst um alle, die ihm nahestehen. Sein Gegenspieler zwingt ihn Dinge zu tun, die er nie für möglich gehalten hätte und für die er sich schämt. Zum ersten Mal versteht er die Täter, warum sie zu Mördern werden, könnte glatt selbst einer werden…

Alexander Oetkers „Baskische Tragödie“ erinnert stellenweise an George Orwells „1984“. Lucs Gegner ist ihm immer einen Schritt voraus, scheint immer genau zu wissen, wo er ist, was er denkt oder plant: „… ich bin gewitzter, klüger, gerissener und ja, sicher auch brutaler als Sie. Deswegen werde ich gewinnen.“ (S. 223) Außerdem hat er ihn in der Hand, erpresst ihn mit dem Leben Unschuldiger. „An eines haben Sie nicht gedacht. An die Brillanz meiner Rache.“ (S. 211)
Für mich ist es der bisher beste Krimi dieser Reihe, mit einem extrem hohen Tempo und sehr vielen, sehr überraschenden Wendungen – Chapeau! Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe wiedermal bis Mitternacht gelesen, weil es so fesselnd war. Zudem macht er den Lesern das Baskenland schmackhaft – im doppelten Wortsinn. Ich bin schon sehr gespannt auf Lucs nächsten Fall.

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