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Veröffentlicht am 11.11.2020

Es ist nie zu spät für neue Wege

Ein Sommer in Cassis
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„...Seit ich fünfzig bin, denke ich öfter an die Möglichkeit, nochmal ein anderes Leben zu führen. Zu schnell waren all die Jahre in täglicher Routine verschwunden...“

Diese Gedanken von Jens Schneider, ...

„...Seit ich fünfzig bin, denke ich öfter an die Möglichkeit, nochmal ein anderes Leben zu führen. Zu schnell waren all die Jahre in täglicher Routine verschwunden...“

Diese Gedanken von Jens Schneider, Leiter der Mordkommission in Frankfurt, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, mal vordergründig, mal eher leise und unterschwellig. Er hat einen Fall erfolgreich beendet und macht nun Urlaub in Cassis, an der Küste Südfrankreichs.
Dort holt ihn aber sein Beruf ein. Gerade wurde eine junge Frau von zwei Fischern aus dem Meer geborgen. Jens kennt sie. Isabelle war Bedienung in dm Hotel, in dem er abgestiegen ist. Jens sieht sofort, dass sie nicht freiwillig gestorben ist. Die örtlichen Behörden allerdings beharren auf Selbstmord. Soll er sich einmischen?

„...Mit der Zeit, so war mir schon lange klar, stumpfte man ab in diesem Beruf. Man muss sich schützen vor alle den grausamen Eindrücken...“

Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben. Doch das Buch ist weit mehr als ein Krimi. Einige Passagen würden jeden Touristikführer aufwerten. Gleichzeitig erhalte ich einen Einblick in die Psyche des Protagonisten. Der Urlaub ist für ihn eine Reise zu sich selbst. Als gekonntes Stilmittel nutzt der Autor dazu dessen Tagebuch.
So vielschichtig wie der Inhalt des Buches ist auch der Schriftstil. Er passt sich gekonnt den Gegebenheiten an.
Gerade im kursiv wiedergegebenen Tagebuch finden sich sehr philosophische Gedanken. Dort reflektiert er sein Leben und stellt sich die Frage nach der Zukunft.

„...Wir tun stets so, als wollten wir einen hohen Berg erklimmen, um irgendwann auf dem Gipfel zu stehen und dann in Ruhe den herrlichen Rundumblick zu genießen. […] Wir stürmen los und vergessen vor lauter Karrierestreben, oben innezuhalten...“

Eingebettet in das Geschehen sind ab und an sachliche Informationen, so über die Verwendung des weißen Kalksteins von Cassis oder die Arbeit der Fischer.

„...Fischernetze müssen großen Belastungen standhalten. Deshalb benutzen Fischer traditionell handgeknüpfte Netze...“
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Als Catherine, die Teilhaberin des Hotels, ihn bittet, Ermittlungen anzustellen, geht er sofort darauf ein, zumal ein zweiter Fall ihn selbst ins Licht der Behörden rückt. Noch ahnt er nicht, in welches Wespennest er sticht und welche Gefahren seiner harren. Ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell gepaart mit den Wunsch vieler junger Frauen nach einem besseren Leben lässt man sich nicht gern kaputtmachen. Von den örtlichen Behörden sind eher Schikanen als Hilfen zu erwarten.
Jens erweist sich als sehr genauer Beobachter. Außerdem werd ich ungewöhnlich detailliert mit den Gedankengängen eines Kriminalisten vertraut gemacht. Schritt für Schritt kann ich denen folgen.

„...Jeder Kriminalfall besteht zunächst aus vielen unbeantworteten Fragen. Sie präzise zu stellen, macht den ersten Schritt professionellen Handelns aus...“

Die äußere Spannung, die sich durch die Mordermittlungen ergibt, wird noch durch einen inneren Spannungsbogen erhöht, der in den komplexen und teilweise undurchschaubaren Beziehungen der Protagonisten liegt. Wie sie oft, wird zu wenig und zu spät miteinander geredet. Manche Personen sind schwer einzuschätzen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Das liegt nicht nur an seiner Vielschichtigkeit, sondern auch an der inneren Wandlung des Protagonisten. Er stellt sich der Frage nach dem Sinn des Lebens und findet eine für ihn neue Antwort.

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Was Beharrlichkeit vermag

Der Stoff, aus dem die Schlösser sind
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„...Wilhelm von Boddien, das ist eine erstaunliche Mischung aus störrischer Nervensäge und selbstbewusster Heiterkeit, aus schier unerschöpflicher Beharrlichkeit und einer nimmer müden Beredsamkeit, die ...

„...Wilhelm von Boddien, das ist eine erstaunliche Mischung aus störrischer Nervensäge und selbstbewusster Heiterkeit, aus schier unerschöpflicher Beharrlichkeit und einer nimmer müden Beredsamkeit, die alles andere ist als norddeutsch...“

Dieser Satz stammt aus dem Vorwort zum Buch von Dr. h. c. Wolfgang Thierse. Damit kennzeichnet er den Mann, dem es Berlin zu verdanken hat, dass das Stadtschloss als Teil des Humboldtforum wieder aufgebaut wurde.
In diesem Sachbuch lässt mich die Autorin teilnehmen am Kampf von Wilhelm von Boddien um das Schloss. Er hat sich damit einen Lebenstraum erfüllt, der für viele Jahre als unmöglich galt. Die Autorin schildert die Widerstände und die einzelnen Etappen, die letztendlich zur Entscheidung führten. Dabei wird die Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit des Wilhelm von Boddien deutlich. Er sucht sich Verbündete und plant sein Vorgehen akribisch.

„...Die Kunst, Kompromisse zu schließen, beherrscht er meisterhaft...“

Auch ein Rückblick auf die Schlossgeschichte fehlt nicht. Viele Namen sind mit dem Bau verbunden. Der Bekannteste dürfte der Baumeister Andreas Schlüter sein. Die Sprengung des Schlosses 1950 führte selbst bei russischen Kulturoffizieren zu Unverständnis. Allerdings sorgte man zuvor dafür, dass das Schloss und seine Einzelteile fotografiert und manche Elemente abgebaut und eingelagert wurden. Das sollte sich bei der Rekonstruktion als ein Segen erweisen.
Einige der Persönlichkeiten, die sich mit der Schlossgeschichte befasst hatten, äußern sich im Buch und erzählen von ihrer Begegnung mit von Boddien. Professor Dr. Goerd Peschken erinnert sich:

„...Es stimmt, Boddien hat eine kaufmännische Härte, die man hier nicht kennt. Wenn man in Hamburg wohlhabend wurde, verfügt man über diese Härte. Anders als in unserer molligen Gehorsamsgesellschaft...“

Detailgenau darf ich den Fortschritt beim Bau verfolgen. Neben allen anderen Punkten werden auch zwei tragende Säulen beleuchtet, die von Boddien Kraft in seinem Tun gaben. Das ist zum einen sein Glaube, zum anderen der Rückhalt und die Unterstützung seiner Familie.
Die letzten Kapitel fassen die baulichen und technischen Parameter des Schlosses zusammen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Geschichte trägt eine latente Spannung in sich, weil jeder Schritt ein Kampf gegen Vorurteile und Widerstände ist.
Die persönlichen Äußerungen der Protagonisten werden kursiv wiedergegeben. Vielfältige Zeitungsausschnitte belegen das Geschehen.
Besonders beeindruckend sind die Fotos, die das alte Schloss dem neuen gegenüberstellen. Nicht zuletzt zeigen die Fotos auch, wie sich das Schloss als Gesamtkunstwerk in die historischen Mitte Berlins einfügt.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, was mit Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit und den richtigen Begleitern möglich ist.

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Veröffentlicht am 08.11.2020

Sehr zu empfehlen

Gott, der phänomenale Kosmos und du
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„...Hast du dich schon einmal gefragt, warum der Himmel blau ist? Ich meine, er könnte ja auch lila oder grün sein oder rotbraun. Ich verrate dir was: Der Himmel ist nicht blau. Er sieht nur für uns so ...

„...Hast du dich schon einmal gefragt, warum der Himmel blau ist? Ich meine, er könnte ja auch lila oder grün sein oder rotbraun. Ich verrate dir was: Der Himmel ist nicht blau. Er sieht nur für uns so aus...“

Das ist eines der 100 WOWs aus der Welt des Wissens – so der Untertitel des Buches. Der Autor versteht es auf unnachahmliche Art, Kinder für wissenschaftliche Fragen zu begeistern. Das ist aber nur die eine Seite des Buches.
Alle 100 Themen sind auf gleiche Art aufbereitet. Es beginnt mit einer Überschrift, dann folgt ein Bibelzitat mit Angabe der Quelle. Anschließend präsentiert der Autor die wissenschaftlichen Fakten. Wie das obige Zitat schon zeigt, geschieht das keinesfalls trocken. Eine lebendiger, kindgerechter Stil weckt Neugier. Gleichzeitig stimmen die Fakten. Sie werden populärwissenschaftlich dargeboten, sind meist kurz und prägnant und enthalten alles Wesentliche.
Meist genügen ein oder zwei Bemerkungen und dann ist der Autor bei Fragen des Glaubens. Er hat die Gabe, Wissenschaft und Glauben gekonnt zu verbinden. Das wirkt nie aufgesetzt. Es passt genau.

„...Nichts von alldem ist zufällig. Gott hat den Mond so geschaffen, dass wir die besten Lebensbedingungen haben. Jedes Puzzleteil seiner Schöpfung gehört in das große Gesamtbild und passt zu allen anderen...“

Im Text wird häufig auf Bibelstellen zum Nachlesen verwiesen. Anschließend folgt ein kurzes Gebet, wie zum Beispiel das folgende:

„...Lieber Gott, lass mich die Schönheit sehen, die überall in deiner Schöpfung liegt. Bitte hilf mir, sie auch in mir selbst zu erkennen...“

Zu jedem Thema gehört genau eine Doppelseite und auf der gibt es einen weiteren Teil, der nennt sich „Wie cool!“ und ist farbig unterlegt. Dort wird das Thema ergänzt und vertieft. Das können unter anderen besondere Spezialfälle sein, die behandelt werden.

„...Der Himmel ist gar nicht immer blau! Wenn die Sonne auf- oder untergeht, wird er in die schönsten Schattierungen von rot und orange, rosa und lila getaucht...“

Jede Doppelseite enthält mehrere Zeichnungen und Fotos, die den behandelten Stoff veranschaulichen. Die dort abgebildeten Kinder werden in der kurzen Einleitung vorgestellt.
Die Auswahl der Themen bezieht sich auf die Gebiete Weltall, Erde, Tiere, Menschen. Sie folgen bunt durcheinander, so dass immer für Abwechslung gesorgt ist.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Selbst als Erwachsener gewinnt man an manchen Stellen eine völlig neue Sicht auf die Dinge. Außerdem zeigt es, dass Wissenschaft und Glaube keine Gegensätze sein müssen.

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Veröffentlicht am 07.11.2020

Spannende Kurzkrimis

Die Toten vonne Ruhr
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„...Bratkartoffeln mit bunten Gemüse ist das einzige Gericht, das ich ohne Probleme hinbekomme...“

Der Satz stammt aus dem ersten Kurzkrimi. Carina hatte Niklas gesehen- und war hin und weg. Die Einladung ...

„...Bratkartoffeln mit bunten Gemüse ist das einzige Gericht, das ich ohne Probleme hinbekomme...“

Der Satz stammt aus dem ersten Kurzkrimi. Carina hatte Niklas gesehen- und war hin und weg. Die Einladung in ihre Wohnung folgte postwendend. Dummerweise wusste sie nichts über ihn und wurde eiskalt vorgeführt. War das Gemüse bio? Woher kamen die Kartoffeln? Sie verabschiedet ihn mit einer speziellen Rache.
Der Band vereint 13 Kurzkrimis. Die ersten zeichnen sich häufig durch tiefschwarzen Humor aus. Das ändert sich dann. Zwar zeichnen sich alle Geschichten durch einen überraschenden Schluss aus, doch bei manchen würde ich das Geschehen als bittersüß bezeichnen.
Der Schriftstil passt zum Genre. Dabei verwendet der Autor oft passende Metapher, wie das folgende Zitat zeigt:

„...Egal, den Matchball hatte sie eiskalt verwandelt. Es hatte nur diese eine Chance gegeben, die hatte sie genutzt...“

In mehreren der Geschichten spielen Kindheitserinnerungen ein Rolle. Sie wirken nach – und haben Folgen.
Habe ich eine Lieblingsgeschichte. Sicher:„Out of Order“. Der erste Teil bestätigt eine vorschnelle Verurteilung. Doch dann hört eine Studentin einem Kind plötzlich genau zu. Und nun ist alles ganz anders. Die Geschichte hat mir deshalb so gut gefallen, weil so durchaus im Leben passieren kann.
Es geht um Schuld und Rache, um Verdrängung und Wegsehen. Jede Geschichte ist anders und hat eine ganz eigene Facette. Mancher der Krimis muss man sehr aufmerksam lesen, um die Feinheit und die Komplexität zu erfassen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 07.11.2020

Spannender historischer Roman

Im Bann der magischen Insel
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„...Aber um ehrlich zu sein, ich habe Onkel Clemens immer beneidet. So ein Leben in der Karibik ist auf jeden Fall interessanter, als in Paris als Advokat jahrelang den trockenen Staub liegen gebliebener ...

„...Aber um ehrlich zu sein, ich habe Onkel Clemens immer beneidet. So ein Leben in der Karibik ist auf jeden Fall interessanter, als in Paris als Advokat jahrelang den trockenen Staub liegen gebliebener Akten zu schlucken...“

Als Gabriel davon träumt, die Plantage zu führen, ahnt er nicht im entferntesten, das das Leben in der Karibik für ihn nicht nur interessant, sondern lebensgefährlich wird.
Was war dem vorausgegangen? Nach dem Tod von Clemens im Jahre 1836 ist Baron de Percault, sein Bruder ud Gabriels Vater, nach Guadeloupe gereist, um die Erbschaftsangelegenheit zu klären. Gabriel sollte in Paris bleiben, um sein Jurastudium abzuschließen. Das hat er nun getan. Von dem Vater aber fehlt seit einiger Zeit jegliche Nachricht. Also entschließt sich die Mutter mit Gabriel und ihrer Tochter Julie selbst auf die Insel zu fahren. Begleitet werden sie von Julies Hauslehrer.
Bevor Julie das Schiff betritt, wirft ihr eine Wahrsagerin ein unscheinbares Amulett hinterher.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Sie verknüpft die historischen Fakten mit einer Prise Magie.
Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Er passt sich geschickt den Gegebenheiten an. Sehr schön wird die farbenprächtige Landschaft beschrieben.

„...Schon bald erreichten sie zu Fuß ein zauberhaftes Naturbecken aus Felsen, gefüllt mit klarem Wasser, in das aus etwa 10 Meter Höhe die Kaskaden der Wasserfälle hinunterstürzten...“

Doch die Insel hat ihre Schattenseiten. Frankreich hat den Zuckerbaronen erlaubt, Sklaven zu halten. Geflohene Sklaven führen nun Krieg gegen ihre ehemaligen Herren. Während der Verwalter auf Clemens` Plantage brutal mit den Arbeitern umgeht, herrscht auf der benachbarten ein anders Verhältnis. Gabriel wird angesichts eines Sklavenmarktes folgendes durch den Kopf gehen:

„...Es erschütterte ihn aufs Tiefste, Menschen so dahinvegetieren zu sehen. Aus tiefster Seele revoltierte alles in ihm und sagte ihm, dass es so etwas nicht geben dürfte, dass alle Menschen Brüder seien und dass hier eine unverzeihliche Grausamkeit geschah...“

Während sich Gabriel auf die nicht existierenden Spuren des Vaters begibt und um den Besitz der Plantage kämpfen muss, lernt Julie auf der Nachbarplantage Charles kennen. Der will leider zwei Dinge vereinbaren, die sich nicht vereinbaren lassen. Einerseits spricht er zu Julie von Liebe, andererseits wird er die Geigerin Solange ehelichen, um mit ihr in Paris eine Karriere als Musiker zu beginnen. Sie ist die Könnerin, er nur ein wichtiges Anhängsel.
Korruption und Sklavenhandel bestimmen das Leben auf der Insel. Recht und Gerechtigkeit haben einen schweren Stand.
Mehrmals erhalte ich Einblicke in die alte Religion der Afrikaner. Julie hat es ihrem Amulett und dessen Magie zu verdanken, das manch Erleben für sie gut ausgeht. Ein katholischer Pfarrer auf der Insel sieht das pragmatisch.

„...Aber überall in den französischen Kolonien hat sich seit vielen Jahren die christliche mit den heidnischen Religionen vermischt. Zauberei ist meiner Meinung nach eine Art von Suggestion – mit erstaunlichen Folgen...“

Das Buch lässt mich mit einem heftigen Cliffhanger zurück. Es hat mir ausgezeichnet gefallen.

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