Die Anfänge der Kriminalistik
Der falsche PreußeAls Liebhaber von historischen Krimis ist mir der Roman von Uta Seeburg vorallem durch Titel und Cover aufgefallen. Die Autorin war mir noch unbekannt und trotzdem sprach mich die Inhaltsangabe gleich ...
Als Liebhaber von historischen Krimis ist mir der Roman von Uta Seeburg vorallem durch Titel und Cover aufgefallen. Die Autorin war mir noch unbekannt und trotzdem sprach mich die Inhaltsangabe gleich an.
Wilhelm Freihherr von Gryszinski, gebürtiger Preuße, wird nach seiner Ausbildung beim Wiener Hans Groß nach München versetzt. Er wurde dem hiesigen Polizeidirektor Ludwig von Welser empfohlen und bekommt bald seinen ersten außergewöhnlichen Fall.
Ein nackter Mann mit einem zerschossenen Gesicht und einem Umhang aus Federn wird im Grünland nahe der Isar gefunden. Nicht nur die Aufmachung des Toten verwirrt die Polizei, sondern auch der Abdruck eines Elefantenfußes. Wo gibt es Elefanten in München und vorallem wo sind die Abdrücke der drei anderen Füße?
Bald ist bekannt, dass der Tote ein stadtbekannter Bierbeschauer ist. Hat dieser etwa einen der Bierbrauer verärgert? Der Mann soll aber sehr beliebt gewesen sein...auch bei den Frauen.
Es sind die Anfänge der Ermittlungsarbeit und Gryszinski bringt als Sonderermittler der Königlich Bayrischen Polizeidirektion die neuen Methoden mit zu seinem Arbeitsplatz. Gryszinksi wird bei seinem ersten Mordfall von Wachtmeister Vogelmaier, genannt Spatzl, der eine große Bandbreite an Vernetzungen (vorallem in diversene Gasthäusern) hat und von Eberle, einen gebürtigen Schwaben, unterstützt.
Bald schon wird der Geschäftsmann Eduard Lemke, mit dubioser Herkunft und Ehemann der Brauerei-Erbin Betti, verdächtig. Doch auch die Preußen haben ein Auge auf Lemke geworfen und setzen Gryszinksi auf den Mann an. Dieser befindet sich daraufhin in einem persönlichen Konflikt. Soll er für die Bayern den Mord aufklären, was eigentlich seine Pflicht ist, oder soll er der preußischen Tradition folgen und seiner Heimat einen angeblichen Dieb übergeben, der in Ostafrika einen Edelstein gestohlen und eine 30-köpfige Exkursion wissentlich in den Tod geschickt hat?
Der Fall ist skurill und wir haben es teilweise auch mit genau solchen Figuren zu tun. Die Charaktere sind gut gezeichnet. Sie sind mit viel Liebe gestaltet und erdacht. Besonders gefallen hat mir die kluge und belesene Sophie, Gryszinskis Ehefrau. Mit ihr fühlt man sich sofort verbunden, wenn man selbst eine Bücherwurm ist. Die preußische Steifheit wird durch Gryszinski senior sehr gut dargestellt. Selten hatte ich in einem Krimi einen Jungvater als Ermittller, denn Wilhelm und Sophie sind Eltern eines kleinesn Sohnes.
Uta Seeburg schreibt sehr detailliert. Die Sprache ist der Zeit angepasst. Die langen schachteligen Sätze sind leicht poetisch, aber vorallem fängt die Autorin die Atmosphäre und das Lebensgefühl der damaligen Zeit perfekt ein. Man ist umgeben von Pferdetramways und Kutschen, genießt das bayrische Essen, hält noch an Duellen fest, die die Ehre der Offiziere wieder herstellen soll und erlebt die gesellschaftlichen Unterschiede der Bewohner Münchens, aber auch zwischen den Preußen und den Bayern. Diese kleinen und größeren Gegensätze bringt die Autorin mit einem Augenzwinkern auf den Punkt. Der technische Umschwung zur Jahrhundertwende ist eine sehr innovative Zeit, die mich immer wieder begeistert und die hier sehr bildhaft beschrieben wurde.
An manchen Stellen fehlte es mir allerdings etwas an Spannung. Der historische Krimi hat einige kleinen Längen, die er mit seinen ganz besonderen skurillen Wendungen und Humor wieder gut macht. Meiner Meinung hat er den Hauch eines historischen "Cosy Krimis", wie man manche "leichteren" Krimis in diesem Genre neuerdings nennt. "Der falsche Preuße" soll der Auftakt einer Krimireihe werden und ich werde sicherlich auch den Folgeband lesen.
Zur Ausführung des Buches noch ein paar Worte. Ich finde das Cover richtig gelungen und mag auch die Farbgebung. Ein Lesebändchen und eine Karte von München im Inneren des Hardcovers veredeln das Buch noch zusätzlich.
Über den einzelnen Kapitel gibt es Auszüge und passende Passage aus dem Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamten und Gendarmen von Hans Groß aus dem Jahr 1893.
Fazit:
Ein historischer Krimi, der vom besonderen Flair dieser Zeit und dem Gegensatz zwischen Preußen und Bayern lebt. Auch die Anfänge der Kriminalistik werden gut dargestellt. Durch den sehr ausschweifenden Schreibstil hat der Krimi aber auch ein paar kleine Längen. Ein interessantes Debüt, das ich gerne gelesen habe und mir auch den nächsten Band zu Gemüte führen werde.